Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 49

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Theresa Vanhouven nahm eine Zigarette aus dem silbernen Etui und steckte sie in die Elfenbeinspitze, ein Geschenk ihres Großvaters, das er ihr drei Jahre vor seinem Tod von einer Elefantenjagd in Tansania mitgebracht hatte. Durch das Fenster sah sie ihren Chauffeur, der von der Einfahrt her, wo der Benz stand, zum Hausportal eilte. Statt den Kiesweg zu nehmen, hastete er über den Rasen.

Theresa sah auf ihre goldene Armbanduhr: 9 Uhr 20. Wenn sie ihren Flug um 11 Uhr 50 bekommen wollte, mussten sie in spätestens 15 Minuten losfahren. Schon die kurze Strecke vom Central Park zur Queensboro Bridge stellte um diese Zeit die Geduld eines jeden Auto fahrenden New Yorkers auf eine harte Probe. Und dann musste ja immerhin noch ganz Queens durchquert werden, um zum Kennedy Airport zu gelangen. Dass der Kennedy Airport für sie in diesem Moment schon so unerreichbar war wie der Jupiter oder eine Hauptrolle in einem Spielberg Film, das konnte Theresa noch nicht ahnen...

Sie seufzte, schob den schweren, nachtblauen Brokatvorhang beiseite und öffnete das Fenster. »Sind die Koffer schon im Wagen, Wash?«

Der auffallend kleine, farbige Chauffeur blieb neben dem Springbrunnen stehen und gestikulierte nervös. »Die Zündkabel sind kaputt, Madam. Wahrscheinlich durchgebissen von einem Marder!«

Theresa verdrehte die Augen, schloss das Fenster und wandte sich um. Ihr Mann stand zwischen den beiden halb offenen Türflügeln zum Salon. »Soll ich dir ein Taxi rufen, Theresa, oder willst du deinen Flug verschieben?«

Einen Augenblick spielte Theresa tatsächlich mit dem Gedanken, erst den Nachtflug nach Amsterdam zu nehmen. Doch es war ihr Lebensmotto, einen Vorsatz, und sei er noch so lächerlich, erst dann zu verschieben, wenn auch wirklich alle Umstände dagegen sprachen. Ihr Großvater hatte sie so erzogen. Alles ist möglich nur aufgeben nicht, pflegte er zu sagen.

»Ist gut, William«, seufzte sie unwillig und ließ sich von ihm Feuer geben. »Ruf mir ein Taxi.« Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf.

»Und wenn du das nächste Mal mit dem Bürgermeister Golf spielst, frage ihn, wann er endlich etwas gegen die Marder im Central Park zu unternehmen gedenkt«, rief sie ihm nach.

Während er von der Bibliothek aus telefonierte, trat sie erneut ans Fenster, warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Zufahrtsweg, der von der Straße auf das Grundstück der Vanhouvens führte. Aber es war nicht zu hoffen, das Hausmädchen würde jetzt schon vom Einkaufen zurückkehren. Sie hatte den Van genommen und war erst vor 20 Minuten weggefahren.

Und den Chrysler hatten die Zwillinge. Sie waren schon am frühen Morgen damit nach Boston aufgebrochen. Sie hatten eine Semesterfeier.

Sie seufzte noch mal und murmelte dann: »Viele Wege führen nach Rom.« Auch so ein Leitsatz ihres Großvaters.

Theresa nahm ihre Pelzjacke unter den Arm, durchquerte mit dem für sie typischen schnellen Schritt das Kaminzimmer und öffnete eine Tür. Dahinter lag ihr Heiligtum das Puppenzimmer.

Sie trat ein, und während sie sich die Jacke überstreifte, ließ sie ihre Augen über die zahllosen Puppen wandern, die das Zimmer bevölkerten. Puppen aus Porzellan, aus Holz, aus Stoff, aus Kunststoff, aus Glas.

Sie lagen in Wiegen, saßen auf Sesseln, auf Kinderstühlen, Schaukelpferden und Sofas und standen in Glasvitrinen und Regalen. Puppen aus aller Herren Länder und aus mindestens vier Jahrhunderten.

»So, meine Kleinen, es ist mal wieder so weit - ich fliege für ein paar Tage nach Europa - schön brav bleiben.« Sie sprach, als hätte sie die Sonntagsschulgruppe vor sich, der sie fast jeden zweiten Sonntag biblische Geschichten erzählte.

Mitten im Zimmer, auf dem alten Ohrensessel ihres Großvaters, saß eine besonders große Puppe in einem langen, weißen Seidenkleid.

Theresa nahm sie auf und strich ihr über das goldblonde Haar. »Keine Angst, Prinzessin in einer Woche bin ich wieder hier.« Ein zärtlicher Ausdruck legte sich auf ihre Züge.

Sie setzte die Puppe wieder in den Sessel und ging zur Tür zurück.

»Ich bring euch neue Geschwister mit. Denkt an mich!«

Natürlich war es ein Spleen. Aber ein Spleen, der ihr das Leben gerettet hatte.

Damals, vor fast 20 Jahren, als ihre kleine Tochter gestorben war. Damals hatte sie angefangen, Puppen zu sammeln.

»Das Taxi ist da!«, rief William.

»Ging ja flott.« Theresa ging in die Eingangshalle und schaute in den überdimensionalen Spiegel neben der offen stehenden Tür nach draußen. Sie zupfte sich eine Fluse von der Pelzjacke und betastete kurz mit beiden Händen den strohblonden Haarturm auf ihrem schmalen Kopf.

Niemand sah ihr ihre 48 Jahre an.

»Ich komme!«, rief sie dann und schritt durch die hohe Eingangstür nach draußen, wo William schon stand und auf sie gewartet hatte, um sie zu verabschieden.

»Pass gut auf dich auf, Darling.« Er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn.

»Ach, William - ich fliege doch nicht in die Mongolei!« Sie sah Wash, den Chauffeur, und einen jungen rothaarigen Mann ihr Gepäck in den Kofferraum des gelben Taxis laden. Der junge Mann trug ein leichtes schwarzes Jackett über ausgewaschenen Jeans.

»Ich habe Nancy einen Speiseplan für eine Woche geschrieben.« Sie löste sich aus seiner Umarmung. »Achte drauf, dass David den Salat isst.« Sie lief die paar Stufen zur kiesbestreuten Zufahrt hinunter. »Und Henry hat mir versprochen, dass er mit seinem Bruder am Sonntag in die Kirche geht.«

William nickte und winkte ihr nach. »Es wird alles so laufen, als wärst du da«, rief er. »Grüß den Bischof von mir!« Außer in ihren privaten Angelegenheiten reiste Theresa auch als Delegierte ihrer Kirche in die Niederlande. »Und viel Erfolg bei deinen Geschäften!« Sie wollte auch noch einen Kunsthändler in Amsterdam treffen, der ihr wertvolle Puppen aus Kasachstan angeboten hatte.

»Danke!« Sie überzeugte sich davon, dass Koffer und Taschen zu ihrer Zufriedenheit verstaut waren. »Worauf warten wir noch, junger Mann? Brechen wir auf.«

Der Taxifahrer hielt ihr die Tür auf. Sie bemerkte das kleine Kreuz am Goldkettchen im Ausschnitt seines ein paar Knöpfe offenen Hemdes. Auch die vollen Lippen fielen ihr auf.

Ein sinnlicher Mensch, dachte sie und ließ sich auf die Rückbank fallen.

»Warten Sie!« William tauchte plötzlich neben dem Cabby auf. »Bringen Sie bitte das Gepäck meiner Frau in die Flughalle.« Er drückte dem Mann eine 20-Dollar-Note in die Hand.

»Wird gemacht, Sir.«

Der Fahrer stieg ein und fuhr los.

Theresa drehte sich nur kurz um und winkte. »Geben Sie Gas, junger Mann! Auf keinen Fall will ich meinen Flug verpassen.«

Er nickte.

Sie schaute nach vom. Im Rückspiegel bemerkte sie ein unruhiges Flackern in seinen Augen.

Abgesehen von Puppen interessierte Theresa nichts so sehr wie Menschen.

»Haben Sie irische Vorfahren?«

Er nickte.

Sie ahnte nicht, dass sie den Taxifahrer noch sehr gut kennen lernen würde. Besser, als ihr lieb sein konnte.

Der Stau in der Upper East Side überraschte sie nicht.

»Ich nehme eine Abkürzung«, sagte der Fahrer und bog in eine Seitenstraße ein. Kurz darauf wieder und dann noch einmal.

Theresa verlor die Orientierung. »Wo sind wir hier?« Sie sah ein großes Schaufenster mit der Aufschrift >Antiquitäten<.

Plötzlich riss der Rotschopf das Steuer herum, stach in eine gewölbeartige Hofeinfahrt. Kurz vor dem Hof bremste er so scharf ab, dass Theresa gegen die Lehne des Beifahrersitzes geschleudert wurde.

Ihre Tür wurde aufgerissen, und Theresa sah die massige Gestalt eines kahlköpfigen Mannes.

Er warf sich auf sie, drückte sie auf die Sitzbank, versenkte seinen eisernen Griff in ihren Haarturm und riss ihren Kopf in den Nacken.

Theresa schlug um sich, Theresa versuchte zu strampeln,Theresa schrie, und Theresa spuckte in die brauenlosen, eisgrauen Augen über ihrem Gesicht.

Doch ihr Gegner war ihr an Gewicht, Kraft und Brutalität weit überlegen. Sie spürte noch das feuchte, stinkende Tuch auf Nase und Mund dann versank das Innere des Cabbies, ihre Wut und die eisgrauen Augen über ihr in einem wabernden schwarzen Nebel.

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