Читать книгу Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket - A. F. Morland - Страница 54

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Es war dunkel.Theresa versuchte sich aufzurichten. Sie stieß mit dem Kopf gegen etwas Hartes, Kantiges - die Rippe einer Heizung.

Ihre Oberarme schmerzten. Ihre Finger kribbelten, und ihr allmählich aufklärendes Bewusstsein registrierte, dass ihre Hände knapp über ihrem Kopf aneinandergebunden waren.

Sie versuchte sie herabzuziehen, um sich aufstützen und vom schmerzenden Rücken auf die Seite drehen zu können. Aber die Hände gehorchten nicht.

Gefesselt, lallte eine ungeheuer müde Stimme in ihrem Kopf.

Theresa glaubte ihr nicht und zerrte jetzt kräftiger an dem Widerstand, der ihre Hände festhielt.

Ein metallisches Knirschen erklang von einer Stelle, die ziemlich weit über ihr liegen musste.

Sie gab auf und versuchte ihren Körper ohne Zuhilfenahme der Hände auf die Seite zu drehen. Sie brauchte solange dafür, wie sonst für den Weg vom Puppenzimmer zur Hofeinfahrt. Jedenfalls kam es ihr so vor.

Als Nächstes registrierte sie, dass sie lediglich ihren Unterrock über BH, Slip und Strumpfhose trug.

Der stechende Schmerz in ihren Handgelenken vertrieb die letzten Dunstschleier aus ihrem Bewusstsein. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf: Eisgraue Augen, der bräunliche Himmel eines PKW, ein Mann mit Glatze, der rothaarige Taxifahrer, stinkende Feuchtigkeit über ihrem Gesicht...

Die einzelnen Teile fügten sich träge zu einem Bild zusammen, das einen Sinn ergeben hätte, wenn Theresa sich nicht geweigert hätte, dieses Bild für die Wirklichkeit zu halten.

Wie eine Katze, die von einem Collie gejagt wird, flüchtete Theresas Verstand für einige Minuten lang in alle möglichen Schlupfwinkel, um diesem Bild zu entkommen.

Es ist ein Film, lieber Gott, es ist ein Film, den ich mal gesehen habe... oder ein böser Traum genau: Ein böser Traum! Gleich werde ich aufwachen. Jesus, lass mich endlich aufwachen... okay, okay, so was passiert auch außerhalb von Träumen und Filmen... Leuten, die man in Talkshows sieht, denen passiert so etwas. Leuten, von denen man in der Zeitung liest... aber doch nicht mir, lieber Gott, doch nicht mir...

Als sie endlich vor dem Bild kapitulierte, brach sie in Tränen aus. Sie weinte leise vor sich hin, immer wieder laut aufschluchzend.

Ich bin entführt worden, o Gott, warum hast du das nicht verhindert? Bin ich wirklich entführt worden...?

Sie wusste hinterher nicht mehr, wie lange sie so gelegen hatte weinend und zitternd. Theresa hatte jedes Zeitgefühl verloren. Durch den chaotischen Wirrwarr ihrer Gedanken hindurch drang sie irgendwann zu der Erinnerung an ihren Großvater vor. Alles ist möglich, nur aufgeben nicht, meinte sie plötzlich seine Stimme zu hören.

Eine Welle von Zuversicht prickelte durch ihren fiebrigen Körper. »Aufgeben ist unmöglich«, murmelte sie.

Es war nicht diese unverhoffte Zuversicht, die ihr Mut machte, zu schreien. Noch hatte sie viel zu viel Angst. Es war das schlichte, aber dringende Bedürfnis, zur Toilette zu müssen. »Hilfe! Hört mich jemand? Hilfe!«

Licht flammte auf .Theresa schloss geblendet die Augen.

Als sie sie wieder blinzelnd öffnete, stand ein Mann in einer Tür: Rothaarig, jungenhafte Gesichtszüge, weißes T-Shirt, Goldkettchen mit Kreuz.

Der Taxifahrer.

In seinen Augen flackerte die Schutzlosigkeit eines gehetzten Wildes. Nicht mit dem Kopf, aber mit dem Bauch durchschaute Theresa ihn in einem einzigen Augenblick.

»Ich... ich muss mal...«

Der Mann wich ihrem Blick aus, griff in die Hosentasche und war mit einem Schritt bei ihr. Er zog einen kleinen Schlüssel heraus, und Theresa registrierte, dass sie mit Handschellen an eine Heizung gefesselt war.

Die Heizung befand sich an einer gekachelten Wand, und die Wand lag gegenüber einer Badewanne, die aus dem letzten Jahrhundert stammen musste - sie hatte verschnörkelte, gusseiserne Beine, und unter ihr sah Theresa außer dem Rest einer Seife und zwei leeren Shampooflaschen so viele Staubflocken wie in ihrem ganzen 48jährigen Leben noch nicht.

Der Rothaarige sah schweigend zu, wie sie sich ächzend aufrichtete und ihre Glieder streckte. Er deutete hinter sie, und als sie sich umdrehte, sah sie eine Kloschüssel, bei deren Anblick Ekel in ihr aufstieg.

Unschlüssig stand sie vor der Schüssel. Sie wandte sich zu dem jungen Mann um. Er machte keine Anstalten, das Bad zu verlassen. Ihre Blicke begegneten sich sekundenlang.

Theresa sah die feinen Falten um seine Augen und auf seiner Stirn. Das jungenhafte Gesicht erschien ihr plötzlich uralt.

Er ist mindestens 30, dachte sie.

»Gehen Sie vor die Tür. Bitte.«

Er zögerte einen Moment, bevor er das Bad dann doch verließ. Die Tür ließ er angelehnt.

Während sich Theresa erleichterte, starrte sie auf die Tür. Die alte Farbe hing an unzähligen Stellen wie Fetzen eines Grauschleiers ab. Den Steinzeitbadeofen daneben verunzierten genauso viele Rostflecke wie Emaillereste. Ähnlich die Badewanne, nur dass sich ein schwärzlicher Fettfilm unter ihrem Rand entlang zog.

Theresa dachte an das große, mit Marmor ausgelegte Bad im Erdgeschoss ihrer Villa. Die Hässlichkeit hier tat ihr körperlich weh.

»Endlich fertig?« Es klopfte an der Tür. Theresa sah sich vergeblich nach Toilettenpapier um.

Hastig zog sie den Slip hoch, drückte die Spüle und drehte den Wasserhahn des schief hängenden Waschbeckens auf.

Der Rothaarige kam herein. Verlegen strich Theresa mit ihren nassen Händen ihren Unterrock glatt.

Wieder begegneten sich ihre Blicke. Das Gefühl der Erniedrigung trieb ihr die Hitze ins Gesicht.

»Wo sind meine Kleider?«

Statt zu antworten, deutete er auf die Heizung.

»Wie heißen Sie?« Schweigend legte er ihr die Handschellen an.

»Ich will meine Kleider.«

Er drehte den Schlüssel um, steckte ihn in die Tasche seiner ausgebleichten Jeans und ging zur Tür.

»Hören Sie.« Theresas Stimme war heiser.

Der Rothaarige drehte sich zu ihr um und sah sie an.

»Haben Sie eine Mutter?«

Theresa hatte den Eindruck, dass sich seine Augen weiteten und dass er eine Spur hastiger die Tür hinter sich schloss, als er sie zuvor geöffnet hatte.

Das Licht ging aus.Theresa erschrak.

»Bitte lassen Sie das Licht an!«, rief sie mit flehender Stimme.

Sie lauschte in die Dunkelheit. Schritte vor der Tür. Das Licht flammte wieder auf.

Eine mit Fliegendreck übersäte Glühbirne erhellte das kleine Bad. Sie hing an einem Kunststoffkabel direkt vor dem Waschbecken zwischen Kloschüssel und Wanne von der Decke herab. Theresa starrte in ihren Schein.

Lange saß sie so und fixierte die Glühbirne.

Irgendwann löste sich eine Motte aus einer Ecke, flatterte gegen die Glühbirne, stieß sich ab, umkreiste sie, sprang sie an, stieß sich ab immer dasselbe Spiel, Minute für Minute, Stunde für Stunde...

Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket

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