Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 10

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Die Bar war offen und doch geschlossen. Vor dem offenen Eingang lehnte ein schräg gestellter alter Besen, um deutlich zu machen, dass Gäste um diese Zeit noch nicht erwünscht waren.

Ein schwarzer Lincoln hielt vor dem Eingang der Bar.

Pino Calva schälte sich aus dem Fahrzeug und marschierte mit schwerem Schritt zum Gehsteig.

Calva war ein untersetzter Mann mit breiten Schultern und beinharten Muskeln unter dem Hemd. Er war von Beruf Gangsterboss. Das war er nicht immer gewesen. Er hatte ganz klein als Taschendieb angefangen und hatte sich so nach und nach hochgearbeitet. Eine Menge Einbrüche gingen auf sein Konto. Er saß mehrmals wegen Hehlerei und Rauschgiftbesitz, lernte im Knast die richtigen Leute kennen, machte schwarze Geschäfte mit gefälschten Benzinmarken und etablierte sich allmählich mit einigen Leuten im Süden von Chicago als gefürchteter böser Mann.

Heute war Pino Calva wohlhabend und hatte seine Finger überall da drin, wo genug Profit heraussah. Die Arbeit verrichteten einige tüchtige Männer für ihn. Er hatte eine Reihe einflussreicher Leute auf seinen Schmierlisten stehen. Pino Calva konnte mit Recht behaupten, dass es ihm gutging. Ab und zu legte er auch mal selbst Hand an, wenn es ihm gerade Spaß machte.

Deshalb war er mit seinen beiden baumlangen Gorillas hierhergekommen.

Calva war fünfundvierzig. Sein Gesicht war mehr breit als hoch. Er hatte wulstige Lippen, sein Blick war energisch, die Augenbrauen buschig. Er ließ sich mit Vorliebe vom ersten Schneider dieser Stadt einkleiden. Das hatte den Vorteil, dass er trotz seiner stämmigen Figur elegant aussah und schlank wirkte. Auch für seinen Ballermann hatte der Schneider genügend Platz im Anzug vorgesehen, um keine hässliche Beule entstehen zu lassen.

Die beiden Gorillas überragten ihren Boss um zwei ganze Köpfe. Trotzdem behauptete er immer, sie wären nicht größer als er, sondern nur länger.

Die beiden waren ihm hündisch ergeben. Wenn er von ihnen verlangt hätte, sie sollten sich für ihn vom höchsten Gebäude Chicagos stürzen, dann hätten sie es getan. Sie waren eben gut dressiert.

Nun traten sie an die offen stehende Tür und schleuderten den schräg gestellten Besen beiseite. Klappernd landete das altersschwache Ding, an dem so gut wie kein Haar mehr dran war, auf dem Parkettboden. In der Bar jagte eine dicke Putzfrau in alten Kleidern mit einer elektrischen Bodenbürste hinter dem Dreck her.

Als sie die drei Männer hereinstampfen sah, stellte sie das laute Ding ab und kam mit giftigem Blick angeschoben.

„Wir haben noch nicht auf“, zeterte sie und versprühte dabei eine Menge Speichel in der Gegend. „Haben Sie das nicht gesehen?“

Die beiden Gorillas grinsten die Dicke amüsiert an. Pino Calva würdigte sie keines Blickes. Er sah sich interessiert im Lokal um.

„Machen Sie, dass Sie ’rauskommen!“, schrie die Dicke wütend. „Sie versauen mir den ganzen Boden. Denken Sie, ich plage mich umsonst?“

Die beiden Gorillas hörten auf die Namen Eddie Harvey und Ernie Walker. Sie blickten sich amüsiert an. Dann versetzte Ernie der Putzfrau unvermittelt einen derben Stoß. Die Dicke sauste zurück, stolperte, fiel zu Boden und blieb schreiend auf ihrem fetten Hintern sitzen.

In diesem Moment zog Eddie blitzschnell seinen 45er Colt blank und richtete ihn auf die Schreiende. Die Dicke riss entsetzt die Augen auf und verstummte schlagartig.

„Ist Rackin da?“, fragte Pino Calva eiskalt.

Die Putzfrau wagte nicht, den Mund aufzumachen. Sie hatte Angst, der Gangster könnte dann abdrücken. Sie nickte nur.

Im Hintergrund der Bar ging eine Tür auf. Ein Mann tauchte zwischen den Tischen auf, auf denen sich die umgedrehten Stühle türmten.

„Was wollt ihr?“, fragte Daniel Rackin ärgerlich. „Lasst die Frau in Ruhe!“

Ernie Walker ging zur Putzfrau. Sie hob ängstlich die Arme, als hätte sie Furcht, er würde sie schlagen. Der Gorilla packte sie fest und stellte sie mit einem Ruck wieder auf die kurzen Beine. Er machte das, als würde er eine Puppe aufstellen.

„Nichts für ungut, Muttchen!“, grinste Ernie und tätschelte die schwabbelige Wange der bleichen Putzfrau.

„Geh nach Hause, Muttchen“, sagte Eddie Harvey versöhnlich und steckte den Revolver weg. „Wir machen den Rest für dich.“

Die Putzfrau wusste nicht, was sie tun sollte. Ängstlich blickte sie nach Daniel Rackin, und als dieser nickte, kam viel Bewegung in die fetten Massen der Frau. Sie lief zu einem Kleiderständer, fegte ihren leichten Mantel vom Haken, warf ihn sich ächzend über die Schultern und lief schnaubend zur Tür. Ohne sich noch einmal umzusehen, rannte sie nach draußen.

Rackin, der Besitzer der Bar, war nun mit Calva und seinen Schlägern allein. Daniel Rackin wirkte mit seinem faltenlosen braunen Gesicht und dem jettschwarzen Haar jugendlich, obgleich er schon an die Fünfzig war. Er war überdurchschnittlich groß, jedoch nicht größer und auch nicht breitschultriger als Ernie und Eddie, die ihn jetzt hohntriefend angrinsten. Rackin trug einen schilfgrünen Anzug. dazu weiße Socken, ochsblutfarbene Schuhe und eine gelbe Krawatte. Ein gleichfarbenes Taschentuch steckte locker in der Brusttasche.

Pino Calva grinste den näherkommenden Rackin feindselig an.

„Na, du machst mir vielleicht Laune“, knurrte der Gangsterboss. „Fragst, was wir wollen! Das kann doch nur ein dummer Scherz von dir sein, oder?“

Rackin sah Calva trotzig an.

„Du solltest diesen beiden Affen bessere Manieren beibringen!“

„Die beiden Affen werden dich gleich ungespitzt in die Erde donnern“, maulte Ernie Walker wütend.

Pino Calva winkte ab.

„Lass ihn doch! Er weiß ja selbst nicht, wie man sich uns gegenüber zu benehmen hat. Meine Jungs haben mir erzählt, dass du Schweinepriester Schwierigkeiten machen würdest, Rackin.“

„Ich habe ihnen gesagt, dass ich das Geld diesmal nicht aufbringen kann“, erwiderte Rackin.

„Ja, ja. Das haben sie mir ausgerichtet“, nickte Calva.

„Es waren eine Menge Steuern und Abgaben fällig. Ein Wechsel musste eingelöst werden, sonst hätten sie mir das Lokal geschlossen ...“

„Da dachtest du, Calva kann ruhig warten, wie?“, knurrte der Gangsterboss gefährlich. Plötzlich ließ er seine Fäuste vorschnellen. Seine Finger gruben sich in Rackins Jackett. Er schüttelte den Barbesitzer wütend. „Mir ist es egal, wie du das Geld beschaffst, Freund! Meinetwegen schick deine Frau auf den Strich. Du hast pünktlich zu bezahlen! Hast du das noch nicht kapiert?“ Calva stieß den Mann angewidert von sich. Zornig und missmutig schüttelte er den Kopf.

„Kein Geld!“, schnarrte er. „Kein Geld! Mach mehr Reklame für deine Kaschemme. Stell statt der Sumpfpflanzen, die du zur Zeit beschäftigst, hübsche Mädchen an! Das bringt Geld in den Saftladen. Himmel, Arsch und Wolkenbruch, streng deinen blöden Schädel ein bisschen an! Ich bin schließlich nicht dazu da, um deinen Umsatz anzukurbeln.“

Daniel Rackin unterdrückte seine Wut nur mit Mühe. Am liebsten hätte er sich auf den Gangsterboss gestürzt und hätte ihm das Gesicht zu Brei gedroschen. Doch dann hätten seine beiden Gorillas Hackfleisch aus ihm gemacht. Aber auch so war fraglich, ob Rackin es geschafft hätte, Calva fertigzumachen. Pino Calva war kein Schwächling. Er war stahlhart und verstand etwas vom Fighten.

„Wir haben mündlich abgemacht, dass dein Lokal in Ordnung bleibt, wenn du pünktlich blechst, Rackin“, bellte Pino Calva zornig. „Wenn du uns Schwierigkeiten machst, musst du wegen Renovierung eine Zeitlang schließen. Du kannst dich doch hoffentlich noch an meine Bedingungen erinnern, oder hast du statt ’nem Hirn ein grobmaschiges Sieb im Schädel, durch das so wichtige Dinge einfach durchfallen?“

„Ich will ja zahlen, verflucht noch mal“, stieß Daniel Rackin hervor. „Bisher habe ich auch immer pünktlich bezahlt. Aber diesmal geht’s wirklich nicht!“

Calvas Gesicht versteinerte. Rackin erschrak. Pino Calvas Gesicht flößte ihm schreckliche Angst ein. Der große Boss hatte sich nicht bloß deshalb hierherbemüht, um eine Brandrede zu schwingen. Er war aus einem anderen Grund persönlich hierhergekommen.

Was hat er vor?, fragte sich Rackin ängstlich. Was mag er im Schilde führen?

„So“, nickte Calva eiskalt. „Diesmal geht’s wirklich nicht?“

„Tut mir leid, Calva“, sagte Rackin. Er ärgerte sich darüber, dass seine Stimme so schrecklich brüchig klang. Dadurch verriet er den Gangstern, dass er sie fürchtete.

„Dann tut’s uns leid für dich, Rackin!“, sagte Calva ernst. Hinterher grinste er. Doch dieses Grinsen erreichte nicht die bösen Augen des Mannes. Dieses Grinsen versetzte Rackin einen heftigen Schock.

„Es tut uns leid für dich und für die Bar“, grinste Calva.

Rackin riss entsetzt die Augen auf. Das war es. Verflucht, das war es! Sie waren gekommen, um aus der Bar einen Trümmerhaufen zu machen. Aus der Bar und aus ihm.

„Wir wollen so etwas doch gar nicht erst einreißen lassen“, knurrte Calva, holte eine Zigarre aus dem Anzug, biss sie ab und schob sie zwischen die wulstigen Lippen. Ernie gab ihm Feuer.

Calva blies Rackin den Rauch ins Gesicht. Der Barbesitzer kochte vor Wut.

„Mach keinen Unfug, Calva!“, stöhnte Rackin, denn die Folgen, die sich deutlich abzuzeichnen begannen, schienen ein schlimmes Ausmaß anzunehmen.

„Jetzt scheißt du dir die Hosen voll, was?“, grinste Pino Calva. „Du hättest früher daran denken müssen, dass ich deine Marotten nicht so einfach schlucke, Freund.“

Rackin war zu Recht besorgt. Er hatte Jahre gebraucht, um sich die Bar und somit seine Existenz aufzubauen. Er hatte gespart und viele Opfer gebracht. Es war nicht leicht gewesen. Er hatte es noch nie im Leben leicht gehabt. Und nun war Pino Calva da, um dies alles mit einem einzigen Schlag zu vernichten.

Rackins Wut wandelte sich in Verzweiflung.

„Gib mir drei Tage Zeit, Calva. Ich ... ich werde das Geld beschaffen. Ich geb’ dir einen Schuldschein, wenn du willst.“

„Ich scheiß’ auf einen Schuldschein. Das ist doch nichts weiter als ein Stück Papier“, brüllte Calva, dass ihm die Adern aus dem Hals traten. „Ich will mein Geld sehen.“

„Ich werde es irgendwo auftreiben“, beeilte sich Rackin zu sagen. „Bestimmt. In drei Tagen hast du die Bucks.“

Calva schüttelte ganz langsam den Kopf. Er war eine zu Stein gewordene Mauer der Ablehnung.

„Tut mir leid, Rackin. Nichts zu machen.“

„Aber drei Tage wirst du mir doch geben können, Calva.“

„Du hast dich nicht an die Abmachung gehalten, Rackin“, knurrte Calva ärgerlich. Es war ihm zuwider, darüber sprechen zu müssen. „Ich bin doch weiß Gott die Gutmütigkeit in Person. Stimmt’s, Jungs?“

Ernie und Eddie grinsten zustimmend.

„O ja, Boss. Das bist du“, sagte Eddie Harvey. „Das kann ich sogar beschwören, wenn’s sein muss.“

„Muss aber nicht sein“, grinste Ernie Walker und stieß den Kumpel amüsiert in die Seite.

Calva schleuderte die Zigarre wütend auf den Boden.

„Verdammt, Rackin, denkst du, mir wäre nicht zu Ohren gekommen, wie abenteuerlich du hinter meinem Rücken über mich herziehst?“

Daniel Rackin verlor die Gesichtsfarbe. Sein Herz begann aufgeregt zu schlagen. Verflucht, wer hatte Calva das hinterbracht?

„Hast gesagt, du würdest das mit mir nicht mehr lange mitmachen und so“, zischte Calva drohend.

Rackins Puls raste. Er zuckte die Achseln, wollte die Sache bagatellisieren.

„War doch nur Quatsch, was ich gesagt habe, Calva.“

„Der Meinung bin ich auch.“

„Ich war bestimmt betrunken, als ich ...“

„Der Meinung bin ich nicht.“ Calva nahm eine drohende Haltung ein. Er musterte Rackin eine Weile schweigend. Dann sagte er: „Meine Jungs wollten sich dich sofort kaufen, als sie von deinem Gewäsch erfuhren, Rackin. Es kostete mich viel Mühe, sie zurückzuhalten. Sie sind nun mal zu temperamentvoll. Kennst sie ja. Wenn ich nicht wäre, der sie hin und wieder bremst, die gingen durch wie wild gewordene Pferde. Bei denen hättest du nichts zu lachen, Rackin.“

Der Barbesitzer schluckte. Seine Kehle war total ausgetrocknet. Er fühlte sich hundeelend. Er ängstigte sich. Er hatte keine Ahnung, wie schlimm ihm diese drei Gangster mitspielen würden. Dass sie ihn aber nach Calvas Ansprache durch den Wolf drehen würden, das war so sicher wie das Amen im Gebet.

„Ich habe den Jungs gesagt: Lasst den armen Irren doch quasseln. Solange er pünktlich bezahlt, darf er ruhig schimpfen. Wenn er aber mal nicht pünktlich bezahlt ...“

Rackin spürte büschelweise weiße Haare auf seinem Kopf sprießen. Sein Blick irrlichterte in der näheren Umgebung umher, doch wohin er sah, erblickte er zuerst einmal ein Galgenvogelgesicht.

„Ich fürchte, heute kann ich meine Jungs nicht mehr zurückhalten, Rackin“, sagte Calva mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme. „Ich hab’ ja kein Argument mehr, womit ich sie überzeugen könnte. Das siehst du doch ein, oder?“

Rackin spürte, dass seine Knie weich wie Pudding wurden. Auf seiner Stirn hatten sich schillernde Schweißtröpfchen gebildet.

„Hör mal, Calva“, presste er verzweifelt hervor. „Gib mir wenigstens zwei Tage. Ich verschaffe dir dein Geld. Du hast mein Wort. Zwei Tage, Calva. Was ist das schon?“

„Keinen Tag, Rackin“, sagte Calva beinhart. Er trat einen Schritt zurück. Rackins Augen weiteten sich in panischem Entsetzen. Er ahnte, was jetzt kommen würde.

Calva sagte: „Jungs!“

Mehr brauchte er nicht zu sagen. Eddie Harvey und Ernie Walker verstanden sofort. Sie packten nach Rackin. Während Eddie den Barbesitzer hielt, begann Ernie auf den wehrlosen Mann einzudreschen.

Nach zehn Minuten hielt Ernie kurz inne. Für ihn war dies erst die Ouvertüre gewesen. Grinsend und keuchend langte er in die Tasche, holte einen Schlagring hervor und streifte ihn mit sichtlichem Genuss über die groben Knöchel seiner rechten Hand.

Rackin stieß einen entsetzten Schrei aus ...

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