Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 21

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„Stimmt so!“, sagte ich zu dem Cab-Fahrer mit dem Halbmondgesicht und jumpte aus seinem klappernden Vehikel. „Der Rest ist für ein Lutschbonbon.“

Das Taxi reihte sich in den zähflüssigen Verkehr ein. Ich blickte an unserem Wolkenkratzer hoch, und als ich es im Nacken knacksen spürte, hörte ich damit auf.

Ich setzte mich in meinen Mustang. Diesmal hinderte mich niemand daran. Der Weg zu Mary Scott war frei, wenn man von den unzähligen Fahrzeugen absah, die die Straßen vollrammelten. Wenn der Ho-Chi-Minh-Pfad so oft verstopft wäre wie bei uns beispielsweise der Eisenhower Expressway, wäre der Krieg in Vietnam längst aus.

Meine blecherne Geduld wurde auf eine harte Zerreißprobe gestellt. Ich schaffte es, zu bestehen. Wie ich das schaffte? Ich drehte das Radio auf, ließ mich von Dean Martin und Al Martino beschwichtigen und sang mit Barbra Streisand im Duett.

Arme Barbra!

Mrs. Mary Scott wohnte Lake Shore Drive 1975, hatte ich mir von meiner Partnerin Susan Tucker sagen lassen. Lake Shore Drive 1975 — das war eine andere Welt. Eine Welt von gestern. Mit alten Bäumen im Park, mit einem schlossähnlichen Gebäude, mit Springbrunnen, Zierbüschen und fürstlichem Plunder von anno dazumal, mit einer Gartenlaube, die aus Holz gemacht war und wohl zusammenbrach, wenn man es wagte, sie zu betreten.

Der Zufahrtsweg war mit weißem Kies bestreut. Rings um mich blühte eine alte Welt.

Ich hielt meinen Wagen vor dem großen Portal des Hauses. Wenn nun ein Kaiser oder der Präsident von Belutschistan aus diesem Tor getreten wäre, hätte mich dies nicht im Mindesten erstaunt.

Ich stellte den Motor ab, schälte mich aus meinem roten Schlitten und ging mit geziemender Grandezza die vier Steinstufen hinauf. Ich erreichte die Tür und wollte läuten.

Da wurde die Tür plötzlich wild aufgerissen, zur Seite geschleudert, und wenn ich nicht so geistesgegenwärtig nach rechts gesteppt wäre, hätte mich der livrierte Kerl einfach niedergerannt.

Als er mich bemerkte, bremste er jäh ab. Er sah fahl aus. Direkt ungesund. In der Rechten hielt er einen schweren Wagenheber. Ich nahm an, er war der Chauffeur, von dem Susan mir erzählt hatte. Er keuchte und starrte mich verstört an.

Ich konnte meinen Blick nicht von seinem Wagenheber lösen. Er war aus dem Haus gestürmt, mit diesem schweren Gerät in der Faust. Was hatte er mit dem Wagenheber im Haus zu suchen? Wofür fand in einem Haus wie diesem ein Wagenheber Verwendung?

Ich glaubte, Entsetzen in seinem irrlichternden Blick erkennen zu können. Ich nannte ihm meinen Namen, war aber nicht sicher, ob er ihn auch registrierte. Er war völlig durchgedreht.

,.Furchtbar! Schrecklich!“, bellte er.

Ich trat zu ihm und nahm ihn an der Livree. Dann schüttelte ich ihn ein paarmal fest.

„Was ist denn passiert?“, fragte ich eindringlich.

Er wies mit dem Wagenheber auf die offen stehende Tür.

„Da drinnen ...! Oben ...!“

„Was da drinnen?“

„Mrs. Scott!“, stöhnte James. Er fuhr sich über die zuckenden Augenlider. Sein Atem ging schnell. Er hechelte. „Mein Gott, Mrs. Scott!“

Nun begann ich mir ernstlich Sorgen zu machen.

„Was ist mit Mrs. Scott? James, so reden Sie doch!“

„Sie ist ... sie ist ...“

„Tot?“, fragte ich.

Er schluckte verstört und nickte schnell.

„Ich habe es nicht getan“, schrie er mir ins Gesicht. „Ich schwör’s Ihnen, Mr. Calder. Ich habe es nicht getan ... Sie ist ermordet worden!“

Ermordet!

Mit einem Mal passte mir meine Haut nicht mehr. Die alte Frau war tot. Ermordet. Und dieser Kerl hatte einen Wagenheber in der Faust. Erklärte das nicht einiges? Wenn nicht alles?

„Wurde sie erschlagen?“, fragte ich schneidend. „Mit einem Wagenheber vielleicht? Mit diesem Wagenheber vielleicht?“

James riss bestürzt die Augen auf.

„Mein Gott, nein! Nein, Mr. Calder. Ich war’s nicht ...“

„Was wollten Sie mit dem Wagenheber im Haus? Das Dach heben?“

Sein Körper wurde schlaff. Er sackte zusammen, hockte sich einfach auf den Boden. Er starrte vor sich hin und flüsterte: „Ich ... ich gebe zu, ich wollte es tun. Ich nahm den Wagenheber und ging ins Haus, um es zu tun ... Sie war heute wieder einmal unausstehlich. Sie war ein Teufelsweib. Ich weiß, dass man nichts Schlechtes über jemand sagen soll, der tot ist. Aber es ist nicht leicht, etwas Gutes über Mrs. Scott zu sagen. Sie war keine liebenswerte alte Frau. Sie war ein feuerspeiender Drache. Ich hatte einen ... einen Herzanfall. War nicht der erste. Die Pumpe mag seit einem Jahr nicht mehr so recht. Ich fühlte mich schrecklich, ging hinauf zu ihr und bat sie, mir frei zu geben. Ich wollte mich auf mein Zimmer zurückziehen, wollte mich hinlegen. Ich dachte, ich würde sterben. Es ist immer dasselbe scheußliche Gefühl, wenn mich so ein Anfall packt. Ich sah schrecklich aus. Ganz grau war ich im Gesicht. Sie konnte sehen, wie’s um meine Gesundheit stand — trotzdem hat sie mich an geschrien.“ James wiederholte die Worte der Alten. Er schien es wirklich nicht leicht mit ihr gehabt zu haben.

„Sie ... sie hat mir befohlen, den Wagen zu waschen ... In meinem Zustand!“ Er wischte sich wieder verzweifelt über die Augen. „Ich war verrückt vor Hass, Mr. Calder. Ich wusste nicht mehr, was ich tat. Ich wollte endlich Ruhe haben, ich wollte das nicht mehr länger mitmachen, wollte nicht vor die Hunde gehen. Ich nahm den Wagenheber ...“ James hob den Wagenheber und zeigte ihn mir, als ob ich ihn bis jetzt noch nicht gesehen hätte. „Ich nahm den Wagenheber und wollte sie erschlagen, Mr. Calder.“ Er nickte gedankenverloren. „Ich glaube, ich hätte es getan. Ich hatte den Verstand verloren. Sie behandelte mich wie einen Sklaven. Immer! Ich war mit meinen Nerven am Ende. Ich wollte es tun. Aber ich habe es nicht getan. Gott ist mein Zeuge, Mr. Calder! Ich habe es wirklich nicht getan. Ich wollte sie erschlagen. Sie ist aber nicht erschlagen worden. Sie ist ... sie ist ... Sie ...“

Ich zerrte ihn hoch, nahm ihm den Wagenheber aus der Faust und ließ das schwere Ding zu Boden klappern.

„James! Reißen Sie sich zusammen! Was ist nun wirklich passiert?“, schrie ich.

„Sie wollte ein Bad nehmen“, sagte James. Kalter Schweiß brach aus seinen Poren. „Ich sollte inzwischen den Wagen waschen. Ich nahm den Wagenheber ... Ich ging nach oben, betrat das Schlafzimmer, sie war nicht mehr da ... War nicht mehr da, Mr. Calder! Ich lief ins Bad. Da war sie auch nicht — dachte ich zuerst ... Dann sah ich das Radio ...!“ James blickte starr auf den Boden während er sprach. Vor ihm lief ein grauenvoller Film ab. Ich konnte ihn nicht sehen, deshalb erzählte er mir, was passierte. „Das Radio lag in der Wanne. Ich riss das Kabel aus der Steckdose, fegte den Badeschaum zur Seite ... Da lag sie in der Wanne! Sie ... sie sieht schrecklich aus, Mr. Calder. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Sie hat keine Zähne im Mund. Ihr runzeliges Gesicht drückt panisches Entsetzen aus.“

„Sie kann das Opfer eines bedauerlichen Unfalls geworden sein“, sagte ich.

James schüttelte den Kopf.

„Unmöglich. Von da, wo das Radio normalerweise stand, konnte es auf keinen Fall in die Wanne fallen. Ich sage Ihnen, jemand hat das Radio in die Wanne geworfen!“

„Haben Sie auf Ihrem Weg nach oben jemand gesehen?“, fragte ich.

Er verneinte.

„Trotzdem weiß ich, dass sie ermordet wurde. Ich hab’s aber nicht getan, Mr. Calder.“

„Schon gut“, sagte ich beschwichtigend und klopfte ihm auf die Schulter. „Beruhigen Sie sich wieder! — Bringen Sie mich zu ihr!“

Er sträubte sich und stellte die Haare auf. Mit geweiteten Augen stöhnte er: „Aber ins Bad gehe ich nicht ’rein, Mr. Calder.“

„Okay.“

„Ich könnte diesen grauenvollen Anblick kein zweites Mal vertragen.“

„Als Sie hinaufgingen, um sie zu erschlagen, waren Sie aber nicht so zimperlich“, scherzte ich ihn ärgerlich an. Sein Entsetzen ging mir allmählich auf den Hammer.

„Ich war verrückt. Ich war vollkommen verrückt.“

„Kein Mensch ist vollkommen“, stutzte ich ihn zurecht.

Dann betraten wir das Haus. Die Halle war hoch. Die Bilder an den Wänden waren ehrwürdig — wie es sich geziemte, stellten sie irgendwelche Ahnen dar.

Wir trabten über die teppichbelegten Stufen nach oben. Er führte mich zum Schlafzimmer der Toten, ging sogar noch mit ins Schlafgemach, bockte aber dann wie ein störrischer Esel und machte keinen einzigen Schritt weiter.

Ich gebe zu, nach dem, was mir James erzählt hatte, war mir auch nicht ganz richtig in der Magengegend.

Ich betrat das Bad. Der Schaum in der Wanne hatte sich inzwischen gesetzt, war nicht mehr vorhanden. Ich näherte mich mit Herzklopfen der Wanne und tat einen scheuen Blick hinein. Mrs. Mary Scott starrte mich furchterregend an.

Es war wirklich so, wie James erzählt hatte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, das bläuliche Haar lag um das runzelige Gesicht, der zahnlose Mund war wie zum letzten Schrei geöffnet.

Ich wandte mich um und verließ das Bad.

James stand im Schlafzimmer und weinte leise. Die Tränen rollten über seine fahlen Wangen. Er blickte mich verzweifelt an. Vielleicht hatte er es wirklich nicht getan. Auf jeden Fall aber fühlte er sich am Tod dieser alten Frau mitschuldig. Er hatte ihren Tod gewollt. Sie war nun tot. Für ihn war es fast so, als hätte er sie wirklich umgebracht.

Ich fragte ihn, wo ich mal telefonieren könnte. Er führte mich in einen anderen Raum, blieb bei mir, als ich die Polizei anrief — schien damit völlig einverstanden zu sein ...

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015

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