Читать книгу Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015 - A. F. Morland - Страница 7
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Die DC3 hob geräuscharm vom Rollfeld ab und schwebte mit ihrer süßen Last davon. Neben mir saß Akim Kelly, der zur Zeit vielleicht berühmteste Jazzmusiker, den die Vereinigten Staaten auf den Plattenmarkt zu werfen hatten.
Wir befanden uns auf einem Sexflug. Sie werden denken, Biff Calder sei verrückt geworden, doch mitneffen — oder, besser gesagt: mitnichten —, so etwas gibt es neuerdings tatsächlich. Eine clevere Fluggesellschaft hat diese Sexflüge ins Leben gerufen, und ich muss sagen, die Maschinen sind jedes Mal bis auf den letzten Notsitz ausverkauft.
Es handelt sich hierbei um mehrstündige Rundflüge über Chicagos nähere und weitere Umgebung. Die verständlicherweise zumeist männlichen Fluggäste werden von Go-Go-Girls und Striptänzerinnen bei scharfen Drinks und heißer Beatmusik „betreut“.
Ich wäre ein Heiliger gewesen, wenn mich die Vorführungen nicht beeindruckt hätten. Da ich nun aber mal ein Mann aus Fleisch und Blut bin — wobei ich vor allem die Bezeichnung Mann nicht unter den Tisch fallenlassen möchte —, fand ich, dass die ansprechenden Attraktionen viel Körper hatten. Körper in zweierlei Hinsicht. Vom geistig Gebotenen genauso wie vom Fleischlichen her.
Ich hörte Stöhnplatten, die Jane Birkin und Serge Gainsbourg weit in den Schatten stellten — ja, vergessen machten. Ich sah Stripfilme, die den Whisky in meiner Hand zum Kochen brachten. Kelly hatte mich zu diesem verdammt hinreißenden Flug eingeladen. Ich selbst wäre schon wegen meiner Partnerin Susan Tucker nie auf die Idee gekommen, hier mal mitzumischen. Ehrlich!
Kelly war ein schlanker Bursche Mitte Dreißig. Er hatte ein fein geschnittenes Gesicht, war hyperelegant gekleidet und trug eine Orchidee im Knopfloch seines Jacketts.
Ich war so mit dem blanken Busen eines der Go-Go-Girls beschäftigt, dass ich regelrecht erschrak, als er mich plötzlich ansprach.
„Wie gefällt Ihnen das, Mr. Calder?“
Ich bezog seine Frage in erster Linie auf die wackelnde Vorausabteilung der rassigen Schwarzhaarigen und grinste wie ein Mann, der lauter schlimme Absichten hinter seiner heißen Stirn verbirgt.
„Wenn das meine Partnerin erfährt, sucht sie sich eine Stelle bei der Heilsarmee“, kicherte ich. „Die bliebe keine Minute länger in der Nähe des Sittenstrolches Biff Calder.“ Wir lachten. Auf Susans Kosten. Das erlaubte ich mir jedoch nur deshalb, weil wir weit genug vom Schuss waren. „Sie haben mich aber doch nicht bloß deshalb zu diesem Flug eingeladen, um mir zu zeigen, wie sich die High Snobiety unglücklich macht, Mr. Kelly“, sagte ich und nippte an meinem Drink, an dem man sich die Lippen verbrannte.
Vor uns war eine kleine Bühne.
Ein Gag jagte den anderen. Ich kam nicht mal mit dem Zusehen mit. Mal streifte eine schicke Chinesin alles bis auf die blanke Haut ab, mal war es eine Mulattin. Jedes Mädchen zeigte eine andere, noch nie gesehene Technik. Die Girls waren erfinderischer als Leonardo da Vinci in seiner besten Zeit.
Manche der fettleibigen Herren, denen die gestopfte Brieftasche und das Scheckheft schwer auf die Brust drückten, hatten Atembeschwerden und japsten gierig nach Luft. Auf diesem Flug wäre selbst ein Eunuche wieder zu einem ganzen Mann geworden.
„Natürlich habe ich Sie nicht nur deshalb eingeladen“, sagte Akim Kelly.
„Sondern?“, fragte ich, ohne den Blick von den nackten schwellenden Hüften eines Afrikababys zu nehmen.
„Mir macht etwas große Sorgen, Mr. Calder.“
„Ihre Potenz?“, fragte ich abgelenkt.
Er lachte.
„Schön wär’s, wenn es nur das wäre ... Ich möchte Sie als Privatdetektiv engagieren, Mr. Calder.“
„Legen Sie sich keinen Zwang an, Kelly. Tun Sie, was Sie nicht lassen können!“
„Sie hätten also Zeit?“
„Für einen interessanten Fall zwicke ich mir immer noch ein Stückchen Zeit ab.“
„Ich glaube schon, dass er Sie interessieren wird.“
„Das hoffe ich, denn für eine matte Sache können Sie irgendwelche Treppenwetzer mit schiefgelaufenen Hacken billiger bekommen.“
Mir rieselte ein brennendes Prickeln durch die glühenden Knochen, als zwei Mädchen zeigten, wie man auf Lesbos über die Liebe dachte.
„Geld spielt keine Rolle“, sagte Akim Kelly neben mir. Irgendwie störte mich sein ständiges Gequassel. Hatte er denn keine Augen im Kopf? Sah er denn nicht, was hier alles geboten wurde? „Ich habe so viel davon, dass ich die Wände Ihrer Wohnung in drei Schichten mit Hundertern tapezieren könnte, ohne diesen Verlust überhaupt zu merken“, sagte Kelly — und wenn er es sagte, dann war sicher etwas dran. Ich traue mir immerhin so viel Menschenkenntnis zu, um zu spitzen, ob einer schummelt oder die Wahrheit sagt. Kelly sagte die Wahrheit.
Dem Glücklichen schlägt keine Stunde, dachte ich. Und ich dachte daran, was ich wohl tun würde, wenn ich Kellys Geld gehabt hätte. Ich hätte dieses Flugzeug ganz für mich allein gechartert. Und dann hätte ich den Bären tanzen lassen ...
Mann, wäre das ein Superspass geworden. Hinterher hätte ich mich in ein Sanatorium bringen lassen, um mit einer Frischzellenkur wieder auf die Beine zu kommen.
„Sie kennen doch das Sprichwort: ,Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu!'“, sagte Kelly.
Er lenkte mich von einem Mädchen ab, das einen nahtlos braunen, ungemein schlanken Körper hatte, den es biegen konnte, als besäße es keinen einzigen Knochen im Leib.
„Nur der Start ist schwierig“, sagte Kelly.
Der hörte wohl niemals zu reden auf. Vielleicht war er aufgezogen. Ich überlegte, ob es an ihm einen Knopf gab, an dem man ihn abstellen konnte. Nur für ein paar Minuten. Ich bekam ja dieses überreiche Sexangebot nicht jeden Tag serviert. Wenn ich alles schlucken wollte, musste ich mich konzentrieren.
„Wenn man mal genügend Geld hat, läuft der Karren sozusagen von allein“, sagte Kelly.
„Sie sind zu beneiden, Kelly“, sagte ich, um ihm zu beweisen, dass ich noch da war.
„Ich bin zum Beispiel stiller Teilhaber dieser Fluglinie“, verriet mir der Jazzmusiker.
„Wie schön für Sie“, sagte ich. „Nachdem Sie mich nun einen gründlichen Blick auf Ihr Portemonnaie machen ließen, hätte ich gern einiges über den für mich so interessanten Fall erfahren.“
Kelly bestellte einen Drink. Das Oben-ohne-Mädchen brachte ihn. Sie musste sich über mich beugen, um Kelly den Drink zu reichen.
Ein betörender Duft stieg mir in die Nase. Sekundenlang befand sich der üppige Busen dicht vor meinen Augen. Als sie sich wieder aufrichtete, sah ich die Umrisse ihrer runden Hüften und der langen Schenkel durch den hauchdünnen Seidenrock schimmern. Mir kamen fast die Tränen, als sie sich umdrehte und mit einem aufregenden Hüftschwung irgendwohin verschwand.
Kelly wollte weiterreden.
Da ging das Licht aus. Die Guckluken schlossen sich automatisch. Es war finster wie in der Mitte eines zwölf Kilometer langen Tunnels.
Nun begann man uns mit psychedelischer Beleuchtung zu bearbeiten. Sie kennen das doch. Das ist jenes nervöse Licht, das sich nicht entschließen kann, zu leuchten oder nicht zu leuchten.
Black and White traten in Aktion.
Ein schwarzes und ein weißes Mädchen legten einen irren Strip hin.
Sie drehten ihre Marzipanrundungen hierhin und dorthin, um sie möglichst vorteilhaft zu posieren. Wir Zuschauer waren hin und her gerissen. Wir wussten nicht, auf welches Mädchen wir uns konzentrieren sollten. Dazu kam noch dieses nervöse Licht.
Trotzdem war die Darbietung ein Genuss. Als das normale Licht wieder aufflammte, wandte ich mich an Akim Kelly, um das Gespräch mit ihm fortzusetzen.
War denn das die Möglichkeit?
Der Knabe schlief!
Er hatte sich bequem in seinen Ohrenfauteuil zurückgelehnt und schlief mit heruntergeklappter Kinnlade. Seine Finger waren fest um das leer getrunkene Glas gekrampft. Ich konnte Kelly nicht verstehen. Wie konnte man nur bei diesen heißen Vorführungen vor Langeweile einschlafen!
War Kelly vielleicht ein ...?
Plötzlich zog sich meine Kopfhaut um vier Nummern zusammen.
Akim Kelly schlief nicht.
Akim Kelly war tot. Mausetot!
Ich roch an seinem Glas ... Zyankali!