Читать книгу Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland - Страница 21
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ОглавлениеDie Generaluntersuchung führte zu einem höchst erfreulichen Ergebnis: Petra Praetorius war eine kerngesunde Frau, es bestanden nicht die geringsten Zweifel, dass sie eine Schwangerschaft problemlos durchstehen würde.
Triumphierend kam sie mit ihren phantastischen Befunden nach Hause.
„Theresia!“
Das Mädchen deutete, wie stets, einen Knicks an. „Ja, Frau Praetorius?“
„Stellen Sie eine Flasche Champagner kalt, es gibt etwas zu feiern.“
„In Ordnung, Frau Praetorius.“ Theresia eilte aus dem Wohnzimmer.
Petra konnte es kaum erwarten, bis ihre Männer nach Hause kamen. Ruhelos lief sie auf und ab. Endlich konnte sie die Bedenken ihres Vaters zerstreuen.
Er konnte nicht länger dagegen sein, dass sie ein Baby bekam. Er durfte es Claus nicht länger verbieten, mit ihr ein Kind zu zeugen.
Endlich, endlich würde sie Mutter werden. Oh, sie stellte sich das so wunderbar vor. Ohne zu klagen wollte sie alle Beschwerden der Schwangerschaft ertragen – und die Schmerzen der Geburt, denn sie würde dafür reich belohnt werden. Mit einem süßen kleinen Baby, das sie lieben und pflegen durfte, das sie wachsen sehen und die ersten Worte plappern hören würde – Mama, Papa! Dann die ersten Schritte ... Sie würde ihrem Kind unendlich viel Liebe geben, ohne darüber zu vergessen, auch Claus, den Vater des Kindes, über alle Maßen zu lieben und ihm dankbar zu sein für seine Teilnahme am göttlichen Schöpfungsakt, der dieses niedliche Menschlein hervorgebracht hatte. Junge, Mädchen – das war nicht so wichtig. Hauptsache ein Kind, ein gesundes, fröhlich, glückliches Kind ...
Petra dachte an ihren Abschied von Dr. Yvonne Wismath. „Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute, Frau Praetorius“, hatte die Internistin gesagt.
„Danke, Frau Doktor“, hatte Petra erwidert.
Die Ärztin hatte ihr die Hand gereicht. „Nennen Sie mich Yvonne.“
„Aber nur, wenn Sie mich Petra nennen.“
„Einverstanden“, hatte Yvonne gesagt. „Ich würde zu gern wissen, wie Ihre Geschichte weitergeht.“
„Ich halte Sie auf dem Laufenden“, hatte Petra versprochen. „Würden Sie und Ihr Freund uns die Freude machen, uns mal zu besuchen?“
„Sehr gem.“
„Ich rufe Sie an, und wir verabreden uns, ja?“
Yvonne hatte lächelnd genickt. „In Ordnung. Und nun sehen Sie zu, dass Sie mit Ihrer freudigen Botschaft nach Hause kommen.“
Und nun war Petra daheim – und allein. Ameisen schienen unter ihrer Haut zu krabbeln. Sie war noch nie so ruhelos gewesen. Sie wollte sich so wahnsinnig gern jemandem mitteilen. Wo nur Claus und Papa so lange blieben? Endlich hielt ein Wagen vor dem Haus. Petra eilte zum Fenster. Claus stieg aus seinem Mercedes. Papa war nicht bei ihm, er war wahrscheinlich wieder einmal in der Bank aufgehalten worden.
Das traf sich ganz gut so. Claus würde die erfreuliche Nachricht als erster erfahren.
Als ihr Mann das Wohnzimmer betrat, eilte Petra auf ihn zu. „Claus!“
Er strahlte. „Liebling!“ Er umarmte sie „Ich bin ja so froh, dass du wieder zu Hause bist.“
„Oh, es war sehr angenehm in der Seeberg-Klinik.“
„Aber schöner ist es doch zu Hause.“ Er küsste seine Frau zärtlich.
„Ja“, gab sie zu. „Bei dir. Wo ist Papa?“ Er seufzte. „Ein wichtiger Kunde platzte kurz vor dem Heimgehen in sein Büro, aber ich denke, Papa wird ihn in wenigen Minuten abgefertigt haben. Er macht das sehr geschickt.“
„Er ist dein großes Vorbild, nicht wahr?“
„Ich hätte als Kind gern so einen erfolgreichen Vater gehabt. Einen, auf den ich hätte stolz sein können. Der meine war – ich sag’s nicht gern, aber es ist leider eine unbestreitbare Tatsache – ein Versager.“
„Unser Kind wird auf seinen erfolgreichen Vater stolz sein können“, flüsterte Petra und kraulte seine Nackenhärchen.
„Unser Kind?“
„Möchtest du wissen, was die Untersuchung ergeben hat?“, fragte Petra. „Ich platze gleich, wenn ich es dir nicht sage.“ Sie lachte hell. „Keine Frau auf der ganzen Welt ist mehr als ich fürs Kinderkriegen geschaffen, das war die einhellige Meinung aller Ärzte, und das kann ich auch belegen.“ Sie zeigte auf die Mappe, in der sich ihre Befunde befanden.
„Mir brauchst du sie nicht zu zeigen“, wehrte Claus ab.
„Du bist mein Mann.“
„Deinen Vater musst du überzeugen, dass das Kinderkriegen für dich ungefährlich ist, nicht mich.“
„Er wird nicht länger dagegen sein, dass wir ein Kind bekommen, Liebster. Wir werden endlich eine richtige Familie sein: Vater, Mutter, ein Kind – oder auch zwei. Wir werden die glücklichste Familie unter der Sonne sein.“
Claus lachte. „Im Übertreiben bist du nicht zu schlagen.“
„Ich übertreibe nicht. So wird es sein, du wirst schon sehen.“ Petra schlang die Arme um seinen Nacken. „Theresia hat bereits eine Flasche Champagner kalt gestellt. Die werden wir köpfen, sobald Papa nach Hause kommt.“
Sie wechselte das Thema, sprach von Dr. Yvonne Wismath, mit der sie sich angefreundet hatte. „Sie wird uns demnächst mal zusammen mit ihrem Freund besuchen“, sagte Petra. „Sie ist reizend. Man kann sich wunderbar mit ihr unterhalten. Wir haben uns auf Anhieb blendend verstanden.“
„Und was ist ihr Freund von Beruf?“, erkundigte sich Claus.
„Er hat mit Computern zu tun, ist ein richtiges Ass auf seinem Gebiet, ein Spezialist.“
„Da kann er mir bestimmt ein paar knifflige Fragen beantworten, die mich schon lange beschäftigen.“
„Sicher.“
„Her mit dem Mann“, sagte Claus grinsend. „Und wenn man sich mit einer Ärztin gut stellt, kann es auch kein Fehler sein.“
Petra bohrte ihrem Mann kichernd den Finger in die Rippen. „Ich wusste ja gar nicht, dass du so berechnend bist.“
„Wie du siehst, hat mir dein Vater schon so manches beigebracht.“
„Nimm bitte nicht alles von Papa ab, ja?“
„Nur das Gute“, versprach Claus.
Eine halbe Stunde später kam Horst Bachmann heim. Das Gespräch mit dem wichtigen Kunden schien sehr gut verlaufen zu sein, er hatte gute Laune, und er freute sich, dass seine Tochter wieder zu Hause war.
Petra bat Theresia, den Champagner zu servieren. Sie stieß mit ihrem Mann und mit ihrem Vater an und verkündete glückstrahlend, dass ihrer Schwangerschaft nun nichts mehr im Wege stehen könne, und sie zeigte stolz die vielen ausgezeichneten Befunde, deren phantastische Werte sich nach Ansicht der Ärzte sehen lassen konnten.
Horst Bachmann sagte nichts. Petra drängte ihn vorerst zu keiner Äußerung, sondern überließ ihm die Befunde, damit er sie sich in Ruhe ansehen konnte
Er blätterte schweigend darin. Petra ließ ihm Zeit. Es war bestimmt nicht einfach für ihn, seine Meinung zu revidieren, aber wenn er die Befunde objektiv betrachtete, konnte er unmöglich bei seiner alten, falschen Meinung bleiben. Er las, blätterte weiter, las, blätterte zurück, las wieder ...
Die Spannung wuchs. Es war sehr still im Raum, nur das gelegentliche Rascheln von Papier war zu hören.
Endlich klappte Horst Bachmann die Mappe zu und legte sie auf den Couchtisch. Petra sah ihn erwartungsvoll an, doch er äußerte sich noch immer nicht. Petra trank nervös ein zweites Glas Champagner. Sie hatte ein heftiges Prickeln in der Nase und hätte beinahe geniest. Sie holte schon tief Luft, aber dann verging der Niesreiz, und sie wartete weiter voller Spannung auf ein Wort ihres Vaters.
Da er so lange nichts sagte und sie mit stummem Ernst auf die Folter spannte, platzte sie mit ihrer Frage in die Stille hinein: „Nun, was sagst du dazu, Papa?“
Er sah sie an. „Ich weiß, wie viel dir an einem eigenen Kind liegt, mein Herz, und ich kann deine Sehnsucht nach Mutterfreuden sehr gut verstehen. Ich bin kein Unmensch: Ich habe mich nicht aus purem Egoismus dagegen ausgesprochen, dass du schwanger wirst. Es geschah lediglich zu deinem Schutz, um dir dein Leben zu erhalten.“
„Aber jetzt ... Die Befunde, Papa! Ich bin gesund, gesünder kann eine Frau überhaupt nicht sein!“
„O ja, die Befunde sehen bestechend aus“, gab der Bankier zu.
,,Nun kannst du doch nicht länger dagegen sein, dass ich mit Claus ein Kind habe. Es wird nichts passieren.“
„Eine hundertprozentige Sicherheit kann man nie haben“, entgegnete Horst Bachmann. „Auch Dr. Seeberg und seine Kollegen, vor denen ich größte Hochachtung und Respekt habe, können nicht garantieren, dass bei dir Schwangerschaft und Geburt völlig komplikationslos verlaufen werden. Sie können es annehmen, auf Grund der erstellten Befunde hoffen, aber ...“
Petra sah ihren Vater entsetzt an. Ihr Herz raste. „Aber?“
„Hast du dir schon mal klargemacht, dass Ärzte auch nur Menschen sind?“
„Was willst du damit sagen?“, fragte Petra spröde.
„Menschen machen Fehler, irren sich hin und wieder. Aus diesem Grund kann ich das Untersuchungsergebnis nicht anerkennen, tut mir Leid. Ich bleibe dabei, dass eine Schwangerschaft zu riskant für dich ist, und ich kann meinen Appell an deinen Mann, vernünftig zu sein, also den Intellekt und nicht das Herz sprechen zu lassen, nur mit Nachdruck erneuern.“
Petra konnte nicht glauben, was sie hörte. „Das – das ist nicht wahr, das kann nicht sein, das kann sich doch nur um einen furchtbaren Alptraum handeln!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie starrte ihren Mann an. „Warum sagst du nichts, Claus? So sag doch was! Auf wessen Seite stehst du? Das will ich endlich wissen!“
Claus hasste es, zwischen den Fronten zu stehen, er wollte nicht Partei ergreifen. „Wie mir scheint, reicht dieser eine Abend zur Klärung der unterschiedlichen Standpunkte nicht.“ Mit dieser dünnen Bemerkung versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen.
„Du möchtest Kinder – genau wie ich!“, stieß Petra leidenschaftlich hervor. „Das hast du selbst gesagt.“
„Niemand hat etwas dagegen, dass ihr Kinder habt“, sagte Horst Bachmann mit fester Stimme. „Aber müssen es denn unbedingt eigene Kinder sein? Ihr könnte doch jederzeit welche adoptieren. Dabei würde ich euch sogar gern helfen.“
„Ich brauche keine Kinder zu adoptieren, wenn ich jederzeit eigene Kinder haben kann, Papa!“, schrie Petra außer sich vor Wut und Enttäuschung. „Ich habe Dr. Kayser gefragt – ich war in der Seeberg-Klinik! Alle Ärzte sind der einhelligen Meinung, dass ich geradezu dafür geschaffen bin, Mutter zu werden. Ich habe das gebärfreudigste Becken von der Welt. Wie kannst du dich dieser von fähigen Medizinern bestätigten Tatsache so störrisch verschließen? So viele Ärzte können sich unmöglich irren. Begreifst du das denn nicht? Was soll ich denn noch beibringen? Ein Mutterschaftszertifikat vom Papst?“
„Werde nicht unsachlich, Petra!“, wies der Bankier seine Tochter scharf zurecht. Sein Blick richtete sich auf Claus. Er sagte nichts, aber seine Augen sprachen Bände.
Sie sagten: Ich verlasse mich wie bisher auf dich, mein Junge. Wenn du weiterhin nicht nur mein Schwiegersohn, sondern auch mein Freund und meine rechte Hand in der Bank bleiben willst, erfüllst du deiner Frau ihren gefährlichen Wunsch nicht. Es wäre nicht klug von dir, dich meinem Willen zu widersetzen. Du kennst meine Einstellung: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und wer gegen mich ist, muss aus einem verdammt harten Holz geschnitzt sein, um beruflich zu überleben. Du kennst meine Methoden, weißt, wie ich meine Feinde fertigmache. Erlaube dir ja nicht, dich gegen mich zu stellen, denn du bist nicht hart genug, um das zu überstehen. Kein Kind für Petra! Hast du mich verstanden? Kein Kind für Petra!
Claus verstand ihn. Er schlug die Augen nieder und wusste, dass er den Mut nicht aufbringen würde, sich dem Willen des Schwiegervaters zu widersetzen.
Ein Kind mit Petra wäre etwas Wunderschönes gewesen, aber Claus Praetorius hatte auch noch andere Interessen, die er nicht außer Acht lassen durfte.
Ein Kind mit Petra war nicht alles. Ein Mann hat auch noch einen Beruf und eine Karriere, an die er denken muss. Horst Bachmann hatte ihn in der Hand.
Er konnte nicht einfach tun, was Petra wollte, wenn ihr Vater dagegen war. Sie hätte das einsehen sollen, aber sie war genauso uneinsichtig wie ihr Vater. Da prallten zwei harte Dickschädel aufeinander, und zwar so kräftig, dass die Funken sprühten. Jetzt brauchte nur noch ein Pulverfass in der Nähe zu sein, dann war die Katastrophe perfekt.
„Kind!“, sagte der Bankier eindringlich, um einen versöhnlichen Ton bemüht. „Deine Urgroßmutter, deine Großmutter und deine Mutter ...“
„Ach, fang doch nicht wieder damit an!“, stieß Petra unbeherrscht hervor.
„Sie sind tot.“
„Wer weiß, woran sie gestorben sind!“
„Ich will nicht, dass du dich schuldig fühlst, Petra, aber – ihre Kinder haben sie umgebracht. Warum bist du so versessen darauf, zu sterben?“
„Ich werde nicht sterben. Jedenfalls nicht an einem Kind.“
Eine unangenehme Situation für Claus Praetorius. Er stand zwischen den Fronten. Wie auch immer er sich entschied, es war eine Entscheidung entweder gegen seine Frau oder gegen seinen Schwiegervater.
Er wollte das eine so wenig wie das andere, aber eine andere praktikable Alternative gab es nicht. Claus fühlte sich innerlich zerrissen.
Sein Herz wollte sich für Petra entscheiden, sein Verstand für ihren Vater. Sein Innerstes war in Aufruhr. Er hätte am Liebsten die Augen geschlossen, sich an einen anderen Ort gedacht und all die schwierigen Probleme vergessen.
Petra forderte ihn aggressiv auf, keine Memme zu sein, sondern sich offen zu ihr zu bekennen und sich über den unsinnigen Willen ihres Vaters hinwegzusetzen.
Er sah sie hilflos und verzweifelt an. Bitte, lass mich aus dem Spiel, flehten seine Blicke. Petra liebte ihn, aber in diesem furchtbaren Moment war sie nahe daran, ihn zu verachten.
„Ich habe alles, wirklich alles getan, um dich zu überzeugen, Papa“, wandte sie sich noch einmal an ihren Vater. „Nie im Leben hätte ich gedacht, dass du so verbohrt bist.“
„Wir sollten dieses Thema heute ein für allemal beenden“, erwiderte der Bankier kühl.
Petra starrte ihn zornig an. „Du kannst Claus verbieten, mir ein Kind zu machen, Papa, aber du kannst mir nicht verbieten, ein Kind zu haben!“, fauchte sie trotzig.
Horst Bachmann zog die Augenbrauen zusammen. „Was soll das heißen? Was willst du damit sagen, Petra?“
Sie blieb ihm die Antwort schuldig, wirbelte auf den Absätzen herum und rannte aus dem Zimmer.
An diesem Abend sperrte Petra ihren Ehemann aus dem gemeinsamen Schlafgemach aus. Er musste die Nacht in einem der Gästezimmer verbringen, und die Luft war am darauffolgenden Morgen noch immer nicht rein. Es herrschte eine ungute Atmosphäre, die prall gefüllt war mit mühsam unterdrücktem Zorn, grimmigem Trotz, aggressiver Gereiztheit und kaum verdeckter Feindseligkeit.