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Kapitel 11


Auf dem Herzogplatz schien jede Bewegung erstorben, und auch Probek stand seit Minuten reglos am Fenster hinter der Gardine. Das zusammengesetzte Gewehr lag schussbereit auf dem Koffergestell, die P 1 für alle Fälle daneben. Die Luft im Zimmer war jetzt abgestanden und ließ sich kaum noch atmen. Es war sehr still. Sogar der Funkverkehr auf dem Kanal des SEK war zum Erliegen gekommen. Probek hörte nur seine eigenen, rasselnden Atemzüge. Er zuckte leicht zusammen, als er das Prasseln im Lautsprecher des Walkie-Talkie hörte. Junghein wurde ungeduldig. Oder verlor er die Nerven?

Warum rief Sabine nicht an?

Er nahm das Funkgerät in die Hand und drückte die Sprechtaste.

»Was gibt's?«

»Ich will wissen, ob du noch da bist!«

»Natürlich. Es dauert jetzt nicht mehr lange. Bis dahin Funkstille!«

Probek legte das Gerät zurück. Er tastete nach der Zigarettenpackung, als das Telefon anschlug. Er schnappte nach dem Hörer.

»Hallo?«

»Ich bin's«, sagte Sabine.

»Endlich!«, keuchte Probek.

Ein Streifenwagen erschien in seinem Blickfeld. Probek folgte ihm mit den Augen, bis der Wagen hinter dem Einsatzfahrzeug des SEK anhielt. Voss stieg aus und kletterte sofort in den Aufbau.

»Dein Charme hat versagt, Dieter«, sagte Sabine. »Deine Freundin spielt nicht mit . . .«

»Nein!«, schrie er.

»Oder glaubst du, dass die Polizei das Zeitungspapier in die Tasche praktiziert hat?«

Er hatte mit dem Feldstecher jede von Juttas Handbewegungen beobachtet. Fast hatte er das Geld zählen können.

»Zeitungspapier, Dieter. Nur ein Bündel Hunderter hat sie übersehen. Eintausend Mark.«

»Hat sie was gesagt?«, fragte Probek rau.

»Du sollst sie anrufen, bevor du was Idiotisches tust. Das hat sie gesagt.«

»In Ordnung.« Probek wollte schon auflegen, als er noch einmal ihre Stimme hörte.

»Dieter?«

»Was ist?«

»Falls du mit ihr etwas auskochst und glaubst, du könntest mich ausbooten - vergiss es!«

Probek unterdrückte einen Fluch, als er Juttas Nummer wählte.

Ohne sich zu melden, hielt sie den Hörer an ihr Ohr. Seit sie ihr Haus betreten hatte, klingelte das Telefon fast pausenlos. Sie hatte Herberts Mutter, zwei Reporter und einige Bekannte, von denen sie seit Jahren nichts mehr gehört hatte, abwimmeln müssen.

»Wer ist da?«, hörte sie eine Stimme.

Seine Stimme!

»Hat sie dich angerufen?«, fragte sie.

»Bist du allein?«, erkundigte sich Probek.

»Natürlich . . .«

»Was ist in dich gefahren?«, schrie er mit einer Stimme, die vor ohnmächtiger Wut fast erstickte. »Was willst du? Das ganze Geld behalten? Damit kommst du nicht durch! Hörst du? Dabei gehst du drauf!«

Und was geschah mit ihm? Das Geld gehörte ihm doch schon! Er hatte es doch schon geschafft! Seit einem Jahr arbeitete er an dem Job. Und jetzt sollte ihm der Lohn entgehen, wo praktisch alles gelaufen war?

»Hör mir jetzt zu, ja?«, sagte sie kühl. »Wir machen halbe-halbe . . .«

»Halbe-halbe?« In seiner Stimme klang Hoffnung auf.

»Deinen Komplizen wolltest du ja sowieso nichts abgeben. Du willst sie abknallen . . .«

»Was willst du?«, keuchte er.

»Wenn gleich geschossen wird, wird sich niemand wundern, wenn es einen Unschuldigen erwischt . . .«

»Was willst du?«, wiederholte er.

»Ich will, dass du Herbert erschießt.«

Probek atmete mit weit geöffnetem Mund.

»Du bist verrückt!«, keuchte er.

»Für eine Million. Das ist genug für dich und dein Flittchen.«

»Du bist verrückt . . .«

»Du tust es, oder du tust es nicht.«

Es klickte, und Probek starrte auf den Hörer in seiner Hand. Das Blut stieg ihm in den Kopf und drohte ihm die Augen aus den Höhlen zu pressen. Er drückte die Gabel kurz nieder, dann wählte er eine der Nummern drüben in der Bank. Über Funk gab er Junghein zu verstehen, dass er abnehmen sollte.

»Es ist soweit«, sagte Probek. Er musste sich anstrengen, um seine Stimme neutral klingen zu lassen. »Tu, was wir besprochen haben. Wir sehen uns in meiner Wohnung in Leverkusen.«

Die hatte er gestern aufgegeben.

»In Ordnung«, bestätigte Junghein. »Hummel, Hummel . . .«

»Hals- und Beinbruch«, sagte Probek. Seine Hand lag bereits auf dem Gewehrschaft. »Was macht der Chef?«, fragte er, einer Eingebung folgend.

»Der hat schlappgemacht und liegt hinten auf 'ner Couch«, berichtete Junghein. »Ich schnappe mir 'nen anderen.«

»Nein!«, sagte Probek scharf. »Du nimmst den Chef!«

»He, wir haben doch genug . . .«

»Nimm den Chef«, wiederholte Probek beherrscht. »Und wenn du ihn tragen musst. Es ist besser, glaub mir.«

»Wenn du meinst . . .«

Herbert Ehser lag auf der Couch in seinem Büro, die Tür zur Schalterhalle stand offen. Es war ganz plötzlich über ihn gekommen. Er hatte sich in einen Papierkorb erbrochen, hatte die maskierten Strolche winselnd angefleht, ihn laufenzulassen, und es hingenommen, dass der Vierschrötige ihn wie ein krankes Kind nach nebenan brachte.

In der Schalterhalle entstand plötzlich Bewegung. Der Vierschrötige rannte nach unten, und der andere, der Anführer, sprach anscheinend mit dem Verhandlungsführer der Polizei. Mit energischer Stimme forderte er den Fluchtwagen an. Gleichzeitig lehnte er es ab, vorab Geiseln freizugeben oder einen Polizeibeamten im Austausch gegen eine oder mehrere Geiseln in die Bank zu lassen.

Ihn, Herbert Ehser, schienen die Gangster vergessen zu haben. Er konnte sich vorstellen, wie die Polizei versuchte, sie hinzuhalten, sie zu Zugeständnissen zu bewegen, um Gegenmaßnahmen zu treffen.

Die Polizei würde schießen. Er wusste es. Auf dem Seminar hatten die Experten der Polizei ihm und anderen leitenden Bankangestellten die Alternativen verdeutlicht und Verhaltensmaßregeln gegeben.

Wieder krampfte sich Ehsers Magen zusammen.

Sein Blick fiel auf das Telefon auf seinem Schreibtisch. Seine eigene Amtsleitung war frei. Sein Mund wurde trocken.

Was konnte er der Polizei sagen? Nicht schießen? Konnte er sie anflehen, die Gangster abfahren zu lassen? Mit ihm und den anderen als Geiseln? Sie würden sich nicht um ihn kümmern.

Ehser lauschte nach nebenan, während er sich aufrichtete. Er konnte etwas anderes tun. Eine Rechnung begleichen. Vorsichtig nahm er den Hörer ab, drückte den Knopf, der die Amtsleitung freigab. Die Stimme des Gangsters nebenan wurde laut. Ehser duckte sich hinter den Schreibtisch, nachdem er die Notrufnummer der Polizei gewählt hatte.

»Polizei, Einsatzleitstelle . . .«

»Ich kann eine Angabe zu dem Banküberfall machen«, sagte Ehser mit gesenkter Stimme.

»Nennen Sie bitte Ihren Namen . . .«

»Mein Name ist unwichtig. Hören Sie genau zu!«

Auf der Frequenz des SEK wurde es lebendig. Der Einsatzleiter fragte jeden einzelnen Schützen gesondert ab und ließ sich dessen Einsatzbereitschaft bestätigen.

»Achtung, Bereitschaft C-3«, klirrte die Stimme des Einsatzleiters aus dem Lautsprecher des Breitbandempfängers. »Bestätigen!«

C-3 bedeutete höchste Aufmerksamkeit. Die Schützen lagen jetzt in ihren Positionen, die Schäfte der Gewehre bereits fest an die Schultern gepresst, die Augen nur noch auf den Eingang der Bank gerichtet.

Unten wurde der Kombi erneut vor den Eingang auf den Gehweg gefahren. Alle Türen wurden geöffnet zum Zeichen dafür, dass sich kein Polizist im Wagen versteckte.

Probek entriegelte das Fenster und schwenkte den Flügel so weit nach oben, dass er sein Gewehr durch das sich bildende Dreieck zwischen dem Flügel und dem Rahmen schieben konnte. Er wusste, dass er damit ein ideales Schussfeld haben würde.

Langsam, um niemanden da unten auf die Bewegung aufmerksam zu machen, legte er den Gewehrlauf auf die Fensterkante. Die Gardine schob er um eine Handbreit zur Seite.

Wieder kehrte Stille ein auf dem Platz. Die Polizisten zogen sich zurück.

»Achtung, Bereitschaft C-4!«, schepperte es aus dem Lautsprecher.

Das war die höchste Bereitschaftsstufe vor der Freigabe zum Feuern. Leuchtfeuer hieß das Kommando. Wenn dieses Wort aus den Sprechfunkgeräten der Schützen kam und die Hirne der Männer erreichte, deren Nerven zum Zerreißen gespannt waren, würden sie das tun, wozu man sie hierhergebracht hatte.

Noch einmal kam Jungheins Stimme aus dem Lautsprecher des Walkie-Talkie.

»Wir kommen jetzt«, sagte er.

»Ich passe auf euch auf«, sagte Probek.

Ehser krümmte sich zusammen, als der vierschrötige Gangster ihn von der Couch riss und vor sich herschob.

»Nein, ich kann nicht, bitte, ich kann nicht!«

Otten und Gudrun Kaymer sahen an ihm vorbei, als sie gefasst auf die Tür zugingen. Britz stieß Ehser gegen Junghein. Junghein packte Ehser mit hartem Griff am Oberarm. In der Rechten hielt er seine Pistole, die er hinter Ehsers Ohr drückte.

»Los jetzt!«, sagte Junghein.

Gudrun Kaymer zog den Vorhang zur Seite. Hilmer legte ihr den Arm um den Hals und zog sie zur Seite, damit Otten die dicke Glastür aufschließen konnte. In einer Hand trug Hilmer den Leinenbeutel, der den Tresorinhalt enthielt. Gerade 80 000 Mark.

Otten zog die Tür auf und ließ sie in den Feststeller einschnappen. Britz zog Otten als Deckung vor seine breite Brust.

Ehser war halb bewusstlos vor Angst, aber er bemerkte die Blicke, die die beiden Gangster ihrem Anführer zu warfen. Junghein holte tief Atem, als er sich einen Ruck gab und Ehser vor sich her nach draußen schob.

Die Sonne stach in Jungheins Augen, und geblendet blieb er einen Moment stehen, während die anderen gegen ihn drängten und ihn auf den Kombi zuschoben.

Herbert Ehser riss die Augen weit auf. Das Hotel, die Fassade, die Schützen auf dem Dach. Plötzlich erinnerte er sich wieder an das Seminar, an dem er vor einiger Zeit teilgenommen hatte, und er sah wieder diesen drahtigen Ausbilder von der Polizeischule vor sich. Wie hieß er doch noch? Wilczyk, richtig, ein fähiger Mann. Sie hatten Situationen wie diese durchgespielt. Auf der Mitte der Strecke zwischen Ausgang und Fluchtfahrzeug einfach fallen lassen. Das war die günstigste Stelle, weil die Sinne der Geiselnehmer dann schon voll auf das Fahrzeug gerichtet waren und ihr Hirn sich nur noch damit beschäftigte, hereinzukommen.

In dieser Sekunde nämlich, so hatte der Ausbilder erklärt, würde der Einsatzleiter das Signal zum Feuern geben — wenn überhaupt.

Ehser seufzte und zog einfach die Beine an.

Auch Probek dachte an Rudi Wilczyk und das, was der alte Freund und Kamerad ihm erzählt hatte. Der Einsatzleiter würde das Zeichen zum Feuern geben, wenn er darin die Möglichkeit sah, die Geiselnahme ohne vertretbares Risiko am Tatort zu beenden.

Probek zielte auf Ehsers Brust. Er atmete langsam, während der Schweiß über seine Stirn rann und auf seine Hände tropfte.

Unendlich langsam schoben sich Junghein und die anderen vor.

Leuchtfeuer!

Wo blieb der Feuerbefehl!

Wie die Schützen auf dem Dach konzentrierte er sich auf dieses Wort.

Leuchtfeuer! Er versuchte, den Befehl mit der Kraft seiner Gedanken herbeizuzwingen. Sein Finger, der den Abzug berührte, fühlte sich bereits taub an.

Wenn der Befehl nicht kam, würde er abdrücken. Er war überzeugt, dass die MEK-Männer feuern würden, wenn sie seinen Schuss hörten. Der perfekte Mord. Die Polizeischützen würden glauben, einer von ihnen hätte den Filialleiter erschossen!

Etwa auf halber Strecke zwischen dem Bankeingang und dem Fluchtwagen sackte Ehser plötzlich nach unten weg. Es war die Plötzlichkeit dieser Bewegung, die Probeks Finger zucken ließ.

Der scharfe, peitschende Knall zerriss die angespannte Stille.

Als Ehser sich fallen ließ, neigte Junghein sich ein wenig zur Seite, um den Mann festzuhalten.

Die Kugel aus Probeks Gewehr drang unterhalb seines Kehlkopfes in den Hals ein. Probek sah das Blut aus Jungheins zerrissener Halsschlagader spritzen, und er richtete das Gewehr erneut aus, als er einen berstenden Knall wie von einer explodierenden Handgranate hörte.

Er fuhr herum. Inmitten einer Staubwolke flog ihm die aufgesprengte Zimmertür entgegen. Zwei, drei Männer in unförmigen Schutzwesten hechteten in den Raum.

Probek warf sich auf den offenen Koffer. Seine Finger umschlossen den Griff der Pistole, dann schnellte seine Hand hoch, und er spürte, wie die Waffe ruckte, und er hörte das Krachen der Schüsse, bei denen er nicht unterscheiden konnte, ob sie aus der Pistole kamen oder aus den kurzen Schnellfeuerwaffen der SEK-Männer.

Sieben Krimis auf einen Streich: Kriminalroman-Paket

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