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Die Kneipe war noch immer dieselbe. Der Wirt jedoch ein anderer. Sein Vorgänger war dick und schwerfällig gewesen, hatte Asthma gehabt und war an seiner kranken Bauchspeicheldrüse zugrunde gegangen.

Der neue Wirt sah aus, als hätte er sein Leben lang nichts als Kummer gehabt. Chris Grothe lümmelte sich auf den Tresen. Er schaute sich im Lokal um. Neben der Music-Box lehnte ein einsamer Rocker mit Lederjacke und abgewetzter Jeans. Er hatte die Augen geschlossen und schnippte mit den Fingern, aber nicht synchron mit dem Song, der aus den Lautsprechern dröhnte.

Vier Männer saßen an einem der Tische und droschen Skatkarten mit ernsten Gesichtern.

„Was darf‘s denn sein?“, schrie der Wirt über den Tresen.

„Bier“, verlangte Grothe.

Der Wirt nickte und füllte ein großes Glas. Grothe rümpfte die Nase. „Ist verdammt laut hier drinnen, finden Sie nicht?“

Der Wirt zuckte die Achseln. Er schielte furchtsam zu dem Rocker hinüber. „Was soll ich machen?“

„Kann man das Ding denn nicht leiser stellen?“, fragte Grothe. Er trank vom Bier.

„Das würde mir der Bursche dort verdammt übelnehmen.“

„Ist er schwerhörig?“, fragte Grothe.

„Nein. Er hat‘s nur gern laut.“

„Ich nicht.“

„Ich auch nicht.“

„Der Lärm macht einem ja Löcher ins Trommelfell.“

„Mir brauchen Sie das nicht zu sagen. Ich habe die Löcher ja schon.“

Grothe schüttelte unwillig den Kopf. „Machen Sie‘s leiser, Mann.“

„Der Typ wird ...“

„Gar nichts wird er.“ Grothe grinste breit. „Wir leben in einem demokratischen Land. Hier wird das gemacht, was die Mehrheit will. Wir beide sind die Mehrheit. Der Typ dort drüben ist die Minderheit.“

„Ich will keinen Ärger haben.“

„Den nehme ich Ihnen ab“, sagte Grothe. „Und jetzt stellen Sie endlich die Box leiser. Der Lärm macht mich verdammt aggressiv.“

Als der Wirt am Rädchen unter dem Tresen drehte, machte der Rocker die Augen auf. „Leg sofort wieder ein paar Phon zu, Stinker, sonst gibt‘s was hinter die Löffel.“

Grothe starrte den Rocker verächtlich an. „Ich habe ihn darum gebeten, das Ding leiser zu stellen.“

„Verdammt noch mal, ich hab‘ mein Geld in diesen stinkigen Automaten geworfen, weil ich Musik hören will. Und zwar laut!“

„Du bist nicht allein hier“, sagte Grothe frostig. Es juckte ihn in den Fingern. Kerle von dieser Sorte reizten ihn schon durch ihre bloße Anwesenheit.

„Die Platte drehte sich um mein Geld!“

„Geben Sie ihm seinen Fuffziger zurück“, sagte Grothe zum Wirt. Der Mann nahm eine Münze aus der Kasse. Grothe warf sie dem Rocker zu. Sie traf seine Brust und klimperte dann auf den Boden. „Jetzt hast du keinen Schaden mehr“, stellte Grothe gleichmütig fest. Der Rocker kam langsam näher.

„Willst du aufmüpfig werden?“, schnaufte er angriffslustig.

Grothes Blut kam in Wallung. Er wusste, dass er jede Schlägerei vermeiden musste. Man hatte ihn auf Bewährung rausgelassen. Das hieß, dass er sich bewähren musste. Kein Verstoß gegen die Gesetze, kein Streit, kein Raufhandel. Sonst holten sie ihn sofort wieder ins Kittchen zurück. Dann musste er auch noch die restlichen zwei Jahre absitzen. Er wusste, dass er sich mit diesem Typ nicht schlagen durfte, aber er würde es tun, weil Kerle wie dieser für ihn das gleiche waren, wie für den Stier das rote Tuch.

Der Rocker pflanzte sich breitbeinig vor Grothe auf. „Möchtest du einen Satz heiße Ohren haben?“

Grothe knurrte: „Besser, du gehst jetzt, bevor es für dich hier drinnen ungemütlich wird.“

„Hört auf!“, stöhnte der Wirt hinter Grothe. „Hört damit um Himmels willen auf!“

„Ich gehe, wenn es mir passt!“, zischte der Rocker.

„Es passt dir jetzt!“, erwiderte Grothe hart. Er versuchte erst gar nicht, sich noch länger zu beherrschen. Er schlug so schnell zu, dass der Rocker die Faust erst bemerkte, als sie schon knapp vor seinen Augen war. Der Treffer hatte es in sich. Die enorme Wucht des Schlages riss den Mann zurück. Er warf zwei Stühle um und fing sich an einem Tisch. Die Kartenspieler legten ihre Karten weg und verfolgten weiterhin mit ernsten Mienen den folgenden Kampf.

Fluchend wuchtete sich der Rocker vorwärts. Grothe wich den brettharten Schlägen des Gegners geschickt aus, hielt sich den Burschen mit gekonnten Konterschlägen auf Distanz und ließ ihn erst dann näher an sich heran, als er die Absicht hatte, die handfeste Rauferei mit einem wuchtigen Uppercut zu seinen Gunsten zu entscheiden. Der Rocker flog mitten in den Aufwärtshaken hinein. Seine Augen wurden glasig. Er brach in die Knie. Chris Grothe packte ihn beim Kragen seiner Lederjacke, schleppte ihn zum Kneipenausgang, öffnete die Tür und gab ihm dann einen kraftvollen Tritt in die Kehrseite, der ihn über den Gehsteig und bis in die Gosse katapultierte.

Danach kehrte Grothe gelassen an den Tresen zurück.

Der Wirt schaute ihn mit ängstlich flatternden Augen an. „Das war zwar verdammt mutig von Ihnen, aber Sie hätten es lieber bleiben lassen sollen. Der Typ hat ‘ne Menge Freunde. Wenn er die alle mobilisiert, haben wir beide bald nichts mehr zu lachen.“

Grothe grinste. „Der kommt nicht mehr wieder. Der hat genug.“ Er trank von seinem Bier. Dann fragte er: „Wie lange gehört Ihnen die Kneipe schon?“

„Drei Jahre.“

„Das war mal die Stammkneipe von Karsten Seiler.“

„Stimmt.“

„Kommt er noch hierher?“

„Nicht mehr.“

„Seit wann nicht mehr?“, wollte Grothe wissen.

„Seit ungefähr einem Jahr.“

„Gibt‘s einen bestimmten Grund dafür?“, fragte Grothe.

„Er soll sein Leben von Grund auf geändert haben.“

„Karsten?“ Grothe grinste. „Das gibt‘s doch gar nicht.“

„Er lebt jetzt in einer Kommune.“

Chris Grothe schaute den Wirt ungläubig an und lachte dann aus vollem Hals. „Karsten? In einer Kommune? Das kann ich einfach nicht glauben. Hab‘ ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Früher war er ein richtiger Eigenbrötler.“ Grothe schüttelte verblüfft den Kopf. Karsten Seiler in einer Kommune. Das war einfach unvorstellbar. Vielleicht bei Typen wie diesem Langhans oder Teufel, Kommune 1. Er hatte darüber gelesen.

„Eine Frau hat ihn da reingebracht“, sagte der Wirt.

„Sie muss ihm ganz schön den Kopf verdreht haben, wenn er sich von ihr zu einer solchen Verrücktheit verleiten ließ“, grinste Grothe. Er wollte von dem Wirt die Adresse der Kommune hören, und der Mann nannte sie ihm. Grothe lachte belustigt in sich hinein. Yvonne hatte recht. In fünf Jahren änderte sich tatsächlich eine ganze Menge. Er bezahlte sein Bier und verließ die Kneipe.

Draußen standen fünfzehn Lederjacken.

Er brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass sie seinetwegen da waren ...

Für Kunst kann wird auch gemordet Berlin 1968 Kriminalroman Band 29

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