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Das Motorrad war ein japanisches Fabrikat. Ein heißer Ofen. Chromblitzend und entsetzlich laut, weil der Auspuff völlig und jeglichen Schalldämpfer arbeitete. Brüllend bog die Suzuki in die schmale, schattige Sackgasse ein. Zehn Meter noch. Dann verstummte der Lärm, der so gar nicht zu dem hübschen Mädchen passte, das nun vom Sattel sprang. Sie trug hautenge Jeans und eine weiche braune Nappalederjacke, die sich beachtlich über ihrem üppigen Busen wölbte. Ihr Name war Yvonne Keller. Sie nahm den Sturzhelm ab, der sie wie ein Wesen von einem anderen Stern aussehen ließ. Jetzt schüttelte sie die weiche, wallende Fülle ihrer blonden Mähne. Das Haar reichte bis zu den Schulterblättern. Ächzend riss Yvonne die Maschine auf den Ständer. Der Zündschlüssel verschwand in der Lederjacke.

Plötzlich legte sich eine Hand auf Yvonnes Schulter. Hart und schwer.

Das Mädchen fuhr erschrocken herum. Der Sturzhelm polterte auf die Straße und rollte der Gosse entgegen. Yvonne schlug aus der Drehung heraus sofort zu. Ihre Handkante traf den Oberarm eines etwa siebenundzwanzigjährigen Mannes. Er war blond, hatte eine unleugbare Ähnlichkeit mit Robert Redford und war kräftig. Das bewies er in diesem Moment. Blitzschnell fing er den Arm des Mädchens ab.

Eine rasante Drehung. Yvonne stieß einen heiseren Schmerzensschrei aus und fasste sich an die Schulter. „Au!“, krächzte sie. „Au! Du kugelst mir den Arm aus!“ Der Mann ließ sie grinsend los. „Nächstens schaust du dir die Leute zuerst genauer an, ehe du versuchst, sie zu erschlagen!“

Sie holte das jetzt nach, während sie die immer noch schmerzende Schulter massierte. Ihre Augen weiteten sich. „Chris. Chris Grothe!“

Der Bursche grinste. „In voller Lebensgröße.“ Er wies auf die Suzuki. „Schickes Ding hast du dir da zugelegt.“

„War nicht billig.“

„Das glaube ich. Allein bezahlt?“

„Ganz allein“, nickte Yvonne. Kein Junge hatte da auch nur eine müde Mark hinzugelegt. Sie hasste es, einem Kerl verpflichtet zu sein. Das gab ja doch nur Streit und Ärger.

Grothe starrte ungeniert auf Yvonnes Busen. „Bist verdammt sexy geworden, Baby.“

Yvonne hob gleichmütig die Schultern. Sie wusste, dass sie prima aussah. „Man tut, was man kann.“

„Lange nicht gesehen“, sagte Grothe.

„Vier Jahre?“

„Fünf“, sagte Grothe.

„Eine verdammt lange Zeit. Vieles ändert sich. Alles wird anders in fünf Jahren.“

Grothe nickte mit finsterer Miene. Er hatte Schuster damals gesagt, die fünf lächerlichen Jährchen würde er auf einer Backe absitzen, aber er hatte beide dazu gebraucht, um es durchzustehen. Nun, wo er wieder draußen war, hatte er den Eindruck, er könne sich in dieser Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war, nicht mehr zurechtfinden. Yvonne hatte recht. Vieles änderte sich in fünf Jahren.

„Ich habe auf dich gewartet“, sagte Grothe.

Yvonne blickte ihn erstaunt an. Der Schmerz in der Schulter ebbte allmählich ab. Gott, hatte dieser Junge Bärenkräfte. Man sah sie ihm eigentlich gar nicht an. „Auf mich? Was kann ich denn für dich tun?“

„Du wenig.“

„Versteh‘ ich nicht.“

Grothe hob Yvonnes Sturzhelm auf und reichte ihn ihr. Dabei schaute er ihr fest in die Augen. In seinem Blick entdeckte sie all das, was man ihm nachsagte: Bosheit, Gemeinheit, Aggressivität, Grausamkeit und Intelligenz.

„Ich suche Fred Pawlak“, sagte er ernst.

Yvonne schüttelte grimmig den Kopf. Unwillig stieß sie hervor: „Den gibt es nicht mehr.“

„Willst du damit sagen, dass er tot ist?“

„Ja. Er ist tot. Gestorben. Jedenfalls für mich ist er gestorben!“

„Was war los mit euch beiden?“, fragte Grothe neugierig. Er konnte sich an die Zeit erinnern, wo sich die beiden kennengelernt hatten. Turteltauben waren sie gewesen. Das „Pärchen des Jahres“ wurden sie von ihren Freunden genannt. Und man war der Meinung, falls es in naher Zukunft eine Hochzeit geben würde, dann bestimmt mit Yvonne und Fred.

Yvonnes Miene wurde hart. „Heroin“, sagte sie verbittert. „Das war los mit ihm. Fred macht heute noch Selbstmord mit der Nadel. Ich denke, er wird es jetzt bald geschafft haben.“

„Wie geht es ihm?“

„Dreckig, hab‘ ich gehört. Ich kümmere mich nicht mehr darum. Fred Pawlak, das ist ein Kapitel in meinem Leben, das ich restlos gestrichen habe. Das Schwein wollte auch mich süchtig machen. Glücklicherweise bin ich ihm auf sein Geschwafel nicht hereingefallen, sonst wäre ich heute genauso am Ende wie er.“

„Kannst du mir sagen, wo er wohnt?“

„Geh da lieber nicht hin. Er ist es nicht mehr wert, dass man sich um ihn schert. Besser, er krepiert. Er hat uns allen schon genug Kummer gemacht.“

„Gib mir seine Adresse.“

„Mann, ich hätte dich für klüger gehalten ...“

„Die Adresse!“, verlangte Chris Grothe scharf. Yvonne zuckte zusammen, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. Wut blitzte in ihren Augen auf. Was nahm dieser Zuchthausbruder sich ihr gegenüber eigentlich heraus? In was für einem Ton redete er mit ihr? Wer war er denn, dieser dahergelaufene Straßenköter?

„Nun?“, drängte Grothe.

„Tempelhof, Ringbahnstraße 14.“

„Vielen Dank“, sagte Grothe.

‚Fahr zur Hölle‘, dachte Yvonne. ‚Und nimm Fred Pawlak gleich mit!‘

Für Kunst kann wird auch gemordet Berlin 1968 Kriminalroman Band 29

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