Читать книгу Für Kunst kann wird auch gemordet Berlin 1968 Kriminalroman Band 29 - A. F. Morland - Страница 7

2

Оглавление

Bernd Schuster ließ seinen silbergrauen Mercedes 450 SEL vor der beeindruckenden Villa in Charlottenburg ausrollen. Es war ein Tag mit allem Drum und Dran: akzeptable Temperatur, blauer Himmel, lachende Sonne, Windstille. Ein Tag zum Angeln, zum Faulenzen, zum Menschsein. Aber wer nahm darauf schon Rücksicht. Es gab Klienten, die scherten sich nicht um die Schönheit eines Tages. Sie hatten andere Probleme. Probleme, die Bernd für sie lösen sollte.

Schuster stieg aus dem Wagen. „Da wären wir“, sagte er zu seiner Assistentin Franziska Jahn.

Die hübsche, blonde Frau war jedoch mehr für Bernd Schuster als nur eine jederzeit einsatzbereite Helferin. Seit zwei Jahren waren die beiden ein Paar, was Franziska aber nicht daran hinderte, ihn immer wieder zu bitten, bei seinen Einsätzen dabei sein zu dürfen. Ausgebildet in Karate und im ständigen Schießtraining, war sie ihm durchaus eine gute Hilfe. Aber er wollte sie aus allen wirklich gefährlichen Situationen, soweit das möglich war, heraushalten.

Sie klappte die Tür auf der anderen Seite zu. „Von so einer Villa träume ich manchmal“, sagte sie bewundernd. „Muss herrlich sein, in so etwas zu wohnen.“

Bernd grinste. „Träumst du bei der Gelegenheit auch von der Miete, die dafür Monat für Monat hinzulegen ist?“

„Ich werde mich hüten. Es soll ja kein Albtraum sein.“

Sie hörten Arbeitsgeräusche: das Ächzen einer Zugsäge, die schrillen Töne einer hochtourigen Bohrmaschine, Hämmern ...

Die herrschaftliche Villa ragte beeindruckend zwischen hohen Pappeln hervor. Es gab einen breiten Balkon, hohe Fenster, Säulen vor dem protzigen Eingang, auf den Schuster gleich darauf mit seiner Assistentin zuschritt. Ein Mann mit einer rotblau gefärbten Schnapsnase lief ihnen über den Weg. Er trug ein Brett. Wohl nur, um den Schein zu wahren.

Bernd hielt ihn auf. Der Bursche setzte sofort das Brett ab. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er Bernd, aber seine Augen waren auf Franziska Jahn gerichtet, denn die gefiel ihm scheinbar viel besser.

„Zu Frau Regina Schwartz“, sagte Schuster. „Wo finden wir sie?“

Der Schnapsmann schürzte die Unterlippe. „Frau Schwartz? Ich glaube, die ist im Augenblick im Obergeschoss.“

„Diese Auskunft werde ich Ihnen nie vergessen“, sagte Bernd grinsend. Er schob seinen Arm unter den von Franziska und strebte der Treppe zu, die nach oben führte. Widerwillig nahm der Handwerker sein Brett wieder auf. Er trottete durch die Räume des Erdgeschosses und rollte mit den Augen, als sich einer seiner Kollegen nach ihm umwandte.

„Da hab‘ ich jetzt ‘ne blonde Mieze gesehen ... Mann, war die klasse.“

Im Obergeschoss wurden Trennwände in sämtlichen Räumen aufgestellt. Die saalähnlichen Zimmer wurden zu kleinen Labyrinthen umgebaut. Männer standen auf hohen Leitern und bohrten Löcher in die Decke. Andere tapezierten die Kunststoffwände. Der Parkettboden wurde mit Sisalläufern ausgelegt. Franziska Jahn zog überall bewundernde Blicke auf sich.

Regina Schwartz’ Stimme war schon von Weitem zu hören. Sie diskutierte mit dem Elektriker, weil sie an seiner Arbeit etwas auszusetzen hatte. Als sie den Mann mit einer unwilligen Handbewegung entließ, betraten Franziska und Bernd den Raum.

Franziska stellte fest, dass Frau Schwartz eine unwahrscheinlich attraktive Frau war. Schätzungsweise fünfundvierzig Jahre alt, elegant, unglaublich gutaussehend. Ihr Teint war sauber, die Figur durch sorgfältige Diät bezaubernd, sylphidenhaft. Sie besaß jene Art von reizvoller Überschlankheit, die Fotomodellen ihren besonderen Charme verleiht. Ihre Züge waren von sanfter Weichheit. Und das mit fünfundvierzig. Mehr als beachtlich. Regina Schwartz trug ein einfaches, kaum dekolletiertes Kleid, dem man eine gewisse Eleganz nicht absprechen konnte. Ihr kastanienbraunes Haar war locker und gut geschnitten.

Als sie die Schritte hörte, drehte sie sich halb um. Ihre ärgerliche Miene verflog. Ein freundliches Lächeln hieß Bernd Schuster und seine Assistentin herzlich willkommen.

Mit ausgestreckten Händen ging sie auf Schuster zu. „Bernd! Freut mich, Sie wiederzusehen.“

„Die Freude ist auf meiner Seite, Regina“, erwiderte Schuster höflich. Er deutete eine kleine Verneigung an. „Darf ich Ihnen meine Sekretärin vorstellen? Frau Franziska Jahn. Franziska, das ist Frau Regina Schwartz. Eine der reichsten Frauen von Berlin.“

Regina winkte lachend ab. „Nun übertreiben Sie nicht, Bernd. Ich bin nicht reich. Mein Mann ist es.“

„Kommt das nicht auf dasselbe heraus?“, fragte Schuster.

„Nur, solange die Ehe gutgeht.“

„Das tut sie bei euch doch, oder?“

„Ich kann nicht klagen.“

„Das freut mich“, sagte Bernd. Die beiden Frauen musterten einander mit jenem undefinierbaren Blick, den sie immer für eine Konkurrentin parat haben. Ein paar Teilchen Neugier, ein wenig harte Kritik, eine Prise Missgunst, ein Schuss Neid und vielleicht auch noch etwas Misstrauen. Von Bewunderung konnte Bernd weder bei Franziska noch bei Regina etwas entdecken. Er grinste. Das alte Spiel. Jede Frau spielte es. Jede beherrschte es. Franziska und Regina waren in dieser Disziplin sogar Meisterinnen. Etwas unterkühlt reichten sie sich die Hände.

„Sie sind also die gute Fee von Bernd Schuster“, stellte Regina lächelnd fest.

„Und Sie sind diejenige, die Bernd in einem Atemzug nennt, wenn er von Berlin spricht. Sie scheinen großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben, Frau Schwartz.“

Regina Schwartz lachte hell auf. „Das hoffe ich, hoffe ich wirklich.“ Sie schickte einen dankbaren Blick an Bernds Adresse. Es freute sie, dass er sie noch nicht vergessen hatte.

Sie war die Frau von Mark L. Schwartz, dem vermögendsten Mann von Berlin. Es gab kaum ein gewinnträchtiges Unternehmen, in dem er seine Goldfinger nicht hatte. Mark L. Schwartz, gewiss ein Mann, zu dem man aufblicken konnte. Und es gab viele Frauen, die Regina um den Platz an seiner Seite beneideten. Er war ein netter Bursche, hatte kaum Allüren, überhäufte seine Frau mit Geschenken, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Mark war fünfundfünfzig.

Das Hämmern und Bohren riss Regina aus ihren Erinnerungen.

Die Umbauarbeiten, die an der Villa vorgenommen wurden, gehörten zu den umfangreichen Vorbereitungen, die die bevorstehende Wanderausstellung erforderlich machte.

„Sie haben sich in den drei Jahren, die wir uns nicht gesehen haben, nicht verändert, Bernd“, sagte Regina lächelnd.

„Das Kompliment kann ich reinen Gewissens zurückgeben. Auch an Ihnen sind die letzten drei Jahre spurlos vorübergegangen“, erwiderte Bernd.

Franziska seufzte leise. ‚Liebe Güte, wie charmant er sein kann‘, dachte sie. ‚Bei mir hält er sich in der Beziehung weitgehend zurück‘. Franziska kannte die Geschichte, wie Bernd das Ehepaar Schwartz kennengelernt hatte. Die beiden waren in eine üble Rauschgiftaffäre verwickelt worden. Mark Schwartz engagierte Bernd Schuster, den man ihm empfohlen hatte. Bernd erledigte seine Arbeit mit Auszeichnung. Und von da an war er in unregelmäßigen Abständen gern gesehener Gast bei den Schwartz’ in Berlin.

„Wir sind mit den Umbauten ein wenig in Verzug“, erklärte Regina Schwartz. Sie nahm Bernd und Franziska mit auf den Balkon. Vor ihnen dehnte sich die endlose Weite eines gepflegten Parks aus. „Aber wir werden es schaffen, die Wanderausstellung zum festgesetzten Termin zu eröffnen.“

Bernd wies auf die Villa. „Sie haben sich dafür den prachtvollsten Rahmen ausgesucht.“

Regina atmete schwer aus. „Hat viel Zeit gekostet, das richtige Haus zu finden.“

„Der Aufwand hat sich gelohnt“, meinte Bernd.

Regina blickte ihm so fest in die Augen, dass sich Franziska Jahn beinahe überflüssig vorkam. Sie grollte innerlich.

„Ich danke Ihnen, dass Sie sofort hierhergekommen sind, Bernd.“

Schuster grinste. „Sag‘ ich nicht immer: ,Anruf genügt, komme ins Haus!‘?“

„Mein Mann hat eine Million D-Mark in sein neues Hobby gesteckt“, erzählte Regina.

Bernd ließ einen anerkennenden Pfiff hören. „Kleinlich kann man ihn wirklich nicht nennen.“

„Er hat innerhalb eines Jahres die besten Bilder und Grafiken zeitgenössischer Maler aufgekauft. Die Sammlung umfasst bei den Gemälden einen Oskar Kokoschka, ferner Kandinsky, Hundertwasser, sogar einen Dali. Bei den Grafiken nenne ich nur Vaserely, Antes, Quinte, Bubenik – alle bekannten Künstler sind vertreten. Ein namhafter Kunstexperte war ihm dabei behilflich. Mark versteht nicht allzu viel von diesen Dingen, aber er bemüht sich, laufend dazuzulernen.“

Bernd lächelte. „Mark L. Schwartz, der Philanthrop. Es sieht ihm ähnlich, dass er nicht bloß Bilder kauft und sie dann in seinem Haus versteckt ...“

Regina nickte. „Mark findet, es ist nicht richtig, dass schöne Kunstwerke einem Menschen allein gehören. Sie sollen viele Menschen erfreuen. Deshalb hat er diese Wanderausstellung ins Leben gerufen. Er will die Kunstwerke einer breiten Publikumsschicht zugänglich machen.“

„Eine vernünftige Ansicht“, sagte Bernd.

„Wir haben uns mit einer bekannten Berliner Werbeagentur zusammengetan, die in jeder Stadt, die wir besuchen, für uns die Reklametrommel rührt.“

Bernd nickte. „Ich habe die Plakate schon gesehen.“

„Wie gefallen sie Ihnen?“

„Grafische Kunstwerke. Geschmackvoll gestaltet, trotzdem nicht zu übersehen“, erwiderte Bernd.

„Mark will am Eröffnungstag eine Pressekonferenz geben. Rundfunk und Fernsehen werden über unsere Ausstellung berichten. Wir rechnen mit einer hohen Besucherzahl.“

„Die Leute werden bestimmt in Scharen kommen“, meinte Schuster.

Franziska Jahn hatte es langsam satt, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Regina hatte kaum einen Blick für sie.

Es war Zeit, dass sie sich in die Unterhaltung einschaltete, damit die beiden wieder auf sie aufmerksam wurden. Sie fragte: „Wann treffen die Kunstwerke in Berlin ein, Frau Schwartz?“

„Ach, bitte, nennen Sie mich doch Regina, ja?“

„Okay ... Regina.“

„Und ich darf Franziska zu Ihnen sagen?“

„Warum nicht?“

„Sie sind süß, Franziska.“

„Sie auch“, sagte Franziska, aber wenn sie ganz ehrlich zu sich war, meinte sie es nicht so, wie sie es gesagt hatte. Sie hatte nichts gegen Regina. Es war nur diese dumme Eifersucht, die es eigentlich nicht geben durfte, weil ihr Bernd gar keinen wirklichen Grund dafür bot. Aber wer kann schon raus aus seiner Haut, die manchmal so eng ist wie eine Zwangsjacke. Wäre Regina alt und hässlich gewesen, hätte sich Franziska garantiert besser in ihrer Nähe gefühlt. So aber ...

„Die Kunstwerke treffen in einer Woche hier ein“, sagte Regina. „Bis dahin muss in der Villa alles getan sein.“

„Kommen die Bilder aus der Bunderepublik oder dem Ausland?“, wollte Franziska wissen.

„Wir waren mit der Ausstellung bislang in zehn Städten der USA: San Francisco, Los Angeles, Phoenix, Houston, Dallas, Memphis, Washington, Baltimore, Philadelphia, Chicago.“

„Die Bilder reisen von Chicago hierher?“, fragte Franziska.

„Ja.“

„Warum ist Berlin erst die Nummer elf?“, erkundigte sie sich weiter.

Regina lächelte nervös. „Das ist eine gute Frage, Franziska. Ich will versuchen, Ihnen darauf eine gute Antwort zu geben. Mein Mann fürchtet den Moloch Berlin. Es muss eine Art Komplex sein. Für ihn ist diese geteilte Stadt der Wohnsitz des Lasters und des Verbrechens. Er nennt Berlin einen Hexenkessel, und er macht sich Sorgen um die Sicherheit der Gemälde. Mark hängt an seinen Bildern. Man könnte fast sagen, sie sind ihm so wichtig wie für jemand anders seine Kinder. Unsere Ehe blieb kinderlos. Mit diesen Gemälden hat Mark sich einen Ersatz geschaffen. Zu jedem einzelnen Kunstwerk hat er eine ganz besondere Beziehung, und er könnte es nicht verwinden, wenn ihm eines von diesen wertvollen Bildern gestohlen würde.“

„Sind die Gemälde versichert?“, fragte Franziska.

„Selbstverständlich. Aber alles Geld dieser Welt kann keinen ideellen Wert ersetzen, Franziska.“

„Das leuchtet mir ein.“

„Aus diesem Grund hat mich Mark gebeten, Bernd zu engagieren.“ Regina wandte sich nun wieder an Schuster. „Ich soll Sie beauftragen, für unsere Wanderausstellung die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sie kennen so ziemlich alle Tricks, mit denen die Verbrecher arbeiten. Nur wenn Sie sich persönlich um die Gemälde kümmern, will Mark das Wagnis auf sich nehmen, sie auch hier auszustellen. Im anderen Fall müsste ich die Umbauarbeiten hier unverzüglich abbrechen.“

Reginas wache Augen musterten Bernd eingehend.

Bernd rieb sich nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger das Kinn. „Eine verdammt heikle Sache ...“

„Sie hätten selbstverständlich völlig freie Hand“, sagte Regina schnell.

„Wenn was schiefgeht ... Ich möchte Mark nicht enttäuschen.“

„Ich bin genauso sicher wie er, dass die Sache bei Ihnen in den allerbesten Händen liegt, Bernd. Mark traut niemandem so sehr wie Ihnen.“

Bernd grinste. „Eine Menge Vorschusslorbeeren ...“ Was Regina ihm da anbot, war bestimmt kein leichter Job. Eine schwierige Aufgabe, Bilder im stolzen Wert von einer Million D-Mark so zu sichern, dass es nicht einmal dem gerissensten Dieb in dieser Stadt möglich war, sich an ihnen zu vergreifen.

Berlin war vollgeklebt mit netten Plakaten, die überall verkündeten, dass hier demnächst ein fantastischer Schatz zu holen sein würde.

Eine schwierige Aufgabe. Sie reizte Bernd Schuster. Deshalb nahm er den interessanten Auftrag an. Und natürlich auch aus Freundschaft zu Regina und Mark L. Schwartz. Er nickte und sagte grinsend: „Okay, Regina. Dann werde ich also dafür sorgen, dass Marks Lieblinge nicht in die falschen Hände kommen.“

„Ich danke Ihnen, Bernd. Ich wusste, dass Sie sich uns zur Verfügung stellen würden.“

Für Kunst kann wird auch gemordet Berlin 1968 Kriminalroman Band 29

Подняться наверх