Читать книгу Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren - A. F. Morland - Страница 50
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ОглавлениеWir stehen vor dem Trödelladen. Mein Herz schlägt bis zum Hals.
„Hier hab ich’s verkauft“, sagt Johnny. Er trägt seinen Gitarrenkoffer lässig und nickt zum Laden. Die Fensterfront ist nicht groß und so vollgestellt mit Sachen, dass man kaum in den Laden schauen kann.
Er geht mit uns hinein. Während ich zum Verkäufer gehe, schlendert Johnny irgendwo nach hinten in den Laden.
„Entschuldigen Sie“, sage ich auf Spanisch zu einem Mann in meinem Alter. Er hat lockige Haare, die leicht abstehen, und trägt einen für das warme Wetter viel zu dicken Schal.
„Ja? Was kann ich für Sie tun?“, erwidert er auf Englisch. „Wir können gern auf Englisch reden.“
Offensichtlich schaffe ich es eindeutig, wie kein Muttersprachler auszusehen, geht mir durch den Kopf.
„Ich suche ein Klavier“, sage ich, dass es Johnny hierhin verkauft hat und beschreibe es ihm, und dann zeige ich ihm noch das abfotografierte Foto.
Er hört sich meine Geschichte an, schüttelt aber schließlich den Kopf. „Ich weiß es nicht. Das war nicht, als ich hier gearbeitet habe. Ich ruf mal den Chef an.“
Er holt sein Handy heraus und verschwindet zwischen die Regale zum Telefonieren.
Nach einer Weile kommt er wieder. „Das ist vor mehr als einem Jahr verkauft worden.“
„Weiß er noch, wem er es verkauft hat?“, frage ich. Svens Schultern gehen merklich herunter, als er akzeptiert, was ich nicht sehen will.
Wir sind noch nicht am Ende! Es kann nicht sein!
„Bitte, irgendwas? Damit wir es wiederfinden.“
„Wir führen kein Buch darüber, wer hier kauft. Nur wer verkauft“, sagt er und nickt in Richtung von Johnny. „Wenn es gestohlen ist, dann wollen wir uns absichern. Aber wer es kauft, ist egal. Tut mir wirklich leid.“
Ich nicke langsam, als sich ein Gefühl in mir ausbreitet, als würde ich langsam in Eiswasser versinken.
„Scheiße“, murmle ich. Sven seufzt. Wir bedanken uns und verlassen mit Johnny den Laden.
„Was bedeutet euch das Klavier, dass ihr so niedergeschlagen seid?“, fragt er.
Ich seufze. Erst will ich nichts sagen, dann fasse ich mir ein Herz. „Kennst du einen netten Ort, wo man was essen kann? Ich lade dich auf eine Sangría ein. Ich habe Hunger, ich bin frustriert ... dann erzähle ich dir die ganze Geschichte“, sage ich. Sven wirft mir mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu, der fragt, ob ich weiß, was ich tue.
„Denkst du nicht? Denkst du, das macht was?“, frage ich ihn auf Deutsch. Er verzieht den Mund nachdenklich und schüttelt den Kopf.
„Nein, ich glaube, ich habe mich nur daran gewöhnt, dass wir es keinem sagen.“
Wir setzen uns in eine kleine Bar gegenüber einer Kapelle. Der Platz ist vollgestellt mit den Tischen der einzelnen Bars, nur eine ein Meter breite Schneise durchtrennt in Kreuzform die verschiedenen Stuhlmodelle, die wiederum zu den vier Bars am Platz gehören.
Es ist alles voller Menschen, der Tag neigt sich dem Ende zu und erst in den Abendstunden erwacht Barcelona so langsam vollkommen. Wir bestellen uns einige Tapas und einen Krug Sangría und dann beginnen Sven und ich Johnny alles zu erzählen, die gesamte Geschichte, sowohl über unsere Großmutter und das Gold als auch, dass wir es benutzen wollen, um den Richter Sinpies zu bestechen, um Isabellas Vater aus dem Gefängnis zu bekommen.
Johnny hört sich das alles ruhig an. Bis auf wenige Nachfragen schweigt er die meiste Zeit und kaut an seinen Tapas herum.
„Wie viel Gold würdet ihr denn brauchen?“, fragt er schließlich.
Ich wechsele einen irritierten Blick mit Sven. Gerechnet hätte ich jetzt eher mit sowas wie Mitleid, nicht mit so einer Frage.
„Ein paar Barren“, sage ich ehrlich. „Ich meine, da haben wir nicht so recht drüber nachgedacht. Es muss halt so viel sein, dass man einen Mann bestechen kann.“
„Je mehr also, umso besser“, nickt Johnny und nippt an seiner Sangría. „Ich gebe euch zwei Barren, also ein Kilo Gold. Das sind so kleine Barren, wie kleine Bücher. Das sind sicher so 50.000 Euro“, sagt er schließlich. „Ich denke, das sollte helfen, oder?“
Ich sehe zu Sven. Wir haben beide einen ungläubigen Gesichtsausdruck.
„Was?“, frage ich auf Deutsch, bevor ich es auf Englisch wiederhole.
„Na ja“, sagt Johnny und obwohl er ein großer und kräftiger Kerl zu sein scheint, wirkt er in diesem Augenblick irgendwie kleiner. „Ich habe euer Gold gefunden, als mir das Klavier geschenkt wurde.“
„Also war es noch drin?“
„Es waren vier Barren drin, jeder ein knappes halbes Kilo schwer. Ich habe gleich gedacht, dass was nicht stimmt mit dem Klavier, ein Barren hatte sich gelöst und machte Geräusche wenn man es bewegte. Ich hab in meinem Leben schon zwei Klaviere getragen und hab gleich gedacht, ne, das ist was nicht in Ordnung an der einen Seite. Da ist innen merklich was gerutscht. Hatte Sorge, dass da was abgebrochen ist im Inneren.“ Er lacht und füllt sich Sangría nach. „Also hab ich es wieder in Ordnung gebracht. Ich dachte, es sind vielleicht Gewichte im Boden, damit es besser steht, damit es nicht umfällt, wenn ein Kind dran rumklettert, oder so. Aber ne, da war ein halb volles Geheimfach. Ich denke, ich bin nicht der erste, der es entdeckt hat. Es war Platz für mehr und da waren Schrammen ... die Abdrücke. Ich denke, da waren mehr Barren drin. Aber ich hab mir zwei genommen und verkauft. Davon lebe ich ganz gut. Ich meine, ich hab, was ich brauche, ich hab ein Zimmer für den Winter und ich hab den Park im Sommer.“ Er lächelt und es scheint von Herzen zu kommen. „Ich bin zufrieden. Darum hab ich auch zwei Barren übrig, die hab ich vor dem Verkaufen rausgenommen. Die könnt ihr haben. Ist ja wohl für eine gute Sache.“
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, sagt Sven und ich nicke nur. Mir hat es die Sprache verschlagen, ich fühle mich etwas zittrig. Das waren zu oft euphorische und ängstliche Gefühle und Gedanken in kurzer Zeit heute.
Ich fühle mich etwas taub, als ich sage: „Danke. Ich meine ... können wir irgendwas für dich tun?“
Johnny lächelt. „Das Essen bezahlen. Ansonsten? Ne. Ihr habt das nicht für euch getan. Hast du ein Foto von Isabella dabei?“
Ich reiche ihm mein Handy.
Er pfeift anerkennend. „Das ist doch mal eine, die aussieht, als sollte man sie heiraten“, sagt er grinsend.