Читать книгу Mörderglück am Ku‘damm: Krimi Paket 5 Berlin 1968 Krimis - A. F. Morland - Страница 10
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ОглавлениеDie Sache wurde immer mysteriöser.
Bernd schnupperte. Es lag kein Korditgeruch in der Luft. Es war also nicht geschossen worden.
Bevor er der Todesursache nachging, kontrollierte er die übrigen Räume, ohne allerdings etwas Verdächtiges zu entdecken. Der Mörder hatte das Feld geräumt, denn dass der Unbekannte eines natürlichen Todes gestorben war, zog Bernd erst gar nicht in Erwägung.
Er kehrte an den Schreibtisch zurück und unterzog den Toten einer flüchtigen Untersuchung. Keine äußere Verletzung. Der Mann hatte das Hemd geöffnet, als wäre ihm die Luft zu knapp geworden. Das deutete auf eine Vergiftung hin, und es war durchaus denkbar, dass die Tat bereits ausgeführt worden war, bevor der Mann Franziska einen Besuch abgestattet hatte.
Franziska! Wahrscheinlich wusste sie mehr. Sie hatte telefonieren wollen, war aber nicht mehr dazu gekommen.
Bernd kehrte zu ihr zurück. Ihr Puls ging jetzt ruhiger. Mit ein paar sanften Schlägen holte er sie ins Bewusstsein zurück.
Zunächst verkrampfte sich Franziskas Gesicht. Sie wollte aufspringen und sich zur Wehr setzen. Dann aber erkannte sie Bernd, und ihre Miene glättete sich. Sie lächelte mühsam.
„Du, Bernd? Was – was ist eigentlich passiert?“
„Das wollte ich eigentlich von dir wissen, Kleines“, gab Bernd zurück. „Jemand hat anscheinend einen Materialtest mit deiner Schädeldecke veranstaltet. Das Ergebnis ist zum Glück für dich positiv ausgefallen. Hoffentlich hat dein Gedächtnis nicht gelitten.“
Sie richtete sich auf und lehnte sich gegen Bernds Schulter.
„Mir ist hundeelend“, bekannte sie. „Der Knabe war nicht gerade zimperlich. Ich muss furchtbar aussehen.“
Bernd grinste. Das war typisch. Seine Franzi dachte an ihr Aussehen, nachdem sie gerade mit viel Glück ohne schwerere Verletzungen davongekommen war.
„Ich erkenne immerhin Stellen an dir“, meinte er verschmitzt, „die durchaus noch einen längeren Blick rechtfertigen. Den Rest kann man ja wegwerfen, wenn du ihn nicht mehr brauchst.“
Franziska blickte an sich herab und rückte ihren Rock gerade. Die zerfetzte Bluse verbarg auch nicht mehr sehr viel von ihren ansehnlichen Rundungen.
„Ein Gentleman stiert eine Dame nicht in dieser Weise an“, tadelte sie vorwurfsvoll.
„Siehst du hier einen Gentleman?“, fragte Bernd zurück. „Detektive können sich schon von Berufs wegen diesen Luxus nicht leisten. Ich bringe dir einen Bourbon, Liebes. Der stellt dich wieder auf deine hübschen Beine. Und sei versichert, bis auf den Kratzer an der Stirn und zwei Beulen an der falschen Stelle scheinst du dich noch in dem üblichen, erfreulichen Gesamtzustand zu befinden. Du kannst also unbesorgt auf Männerfang gehen. Aber sei in Zukunft bitte bei der Wahl deiner Verehrer etwas vorsichtiger. Temperament ist ja ganz schön, aber man kann es auch übertreiben.“
Franziska schluckte den Whisky, den Bernd ihr brachte. Danach fühlte sie sich etwas besser. Sie versuchte sich zu erinnern, und nach und nach arbeitete ihr Gedächtnis wieder.
„Ich hatte Besuch“, begann sie. „Ein gewisser Herr Meier wollte dich sprechen. Doch anstatt mit seinen Sorgen herauszurücken, hielt er mir plötzlich einen Revolver unter die Nase. Er erklärte sich nicht näher, aber ich nahm an, dass er dir auflauern wollte. Ich dachte, es sei vielleicht besser, ihm diesen Wunsch nicht zu erfüllen. Leider traf meine Handkante nur seinen Knochen, und er verstand in dieser Beziehung wenig Spaß.“
„Er schlug dich nieder.“
„Du sagst es, großer Meister. Danach setzte mein Erinnerungsvermögen schlagartig aus.“
„Du wolltest jemand anrufen“, half Bernd nach. „Vielleicht Horst? Du hieltest den Hörer in der Hand, als ich dich fand.“
Franziska schüttelte den Kopf. „Jetzt erinnere ich mich wieder. Das Telefon klingelte. Davon muss ich wohl wieder zu mir gekommen sein. Ich rappelte mich auf und versuchte, den Hörer aufzunehmen. Leider war auch mein ungebetener Gast aufmerksam geworden. Er zog mir ein zweites Ding über den Scheitel, und danach war endgültig Feierabend.“
Bernd nickte grimmig. Er entsann sich, dass er vergeblich versucht hatte, Franziska telefonisch zu erreichen. Jetzt hatte er die Erklärung dafür. Im Prinzip war er sogar schuld, dass sie den zweiten Hieb hatte einstecken müssen.
„Wie sah denn dein Verehrer aus?“, wollte Bernd wissen. Der Name Meier sagte ihm nicht viel. „War er allein?“
„Zumindest, solange ich bei Bewusstsein war“, bestätigte Franziska. „Er war so mager, so unscheinbar, dass ich ihm niemals diese Brutalität zugetraut hätte. Ich schätze ihn auf ungefähr fünfzig Jahre, aber wenn er mir allerdings wieder zwischen die Finger gerät, wird er wie ein Hundertjähriger aussehen.“
„Ich weise dich darauf hin, dass alles, was du jetzt aussagst, gegen dich verwendet werden kann. Der Mann, dem du Vergeltung androhst, sitzt nebenan an meinem Schreibtisch und ist tot. Du willst doch nicht, dass man dich des Mordes verdächtigt?“
Franziska Jahn wechselte die Gesichtsfarbe. „Tot? Bist du sicher?“
Bernd bestätigte es, und er erwähnte außerdem, dass er an einen Giftmord glaube.
„Ich werde jetzt Horst informieren“, meinte er. „Aber wissen möchte ich schon, was der Bursche bei uns gesucht hat. Sämtliche Akten hat er durchgewühlt.“
Franziska zeigte sich skeptisch. „Mit einem Meier hatten wir in letzter Zeit nichts zu tun. Ein Mann dieses Namens wurde nicht einmal erwähnt. Da bin ich ganz sicher. Außerdem habe ich ihn nicht gekannt. Er dich aber anscheinend schon, denn er hat beobachtet, wie du wegfuhrst.“
„Sollte mich nicht wundern, wenn Lange ihn geschickt hätte. Es dürfte für den Halunken interessant sein zu erfahren, was wir tatsächlich über ihn wissen. Dem traue ich jede Schlitzohrigkeit zu.“
„Ich teile deine Ansicht über den Erpresser, nur will mir nicht in den Kopf, warum Lange den Mann umbringt, der ihn mit Informationen versorgen sollte.“
Bernd nickte. „Ja, das ist eine zusätzliche Nuss, die er uns zu knacken gibt.“
Franziska wollte den Toten sehen. Ein kurzer Blick genügte, um ihr zu sagen, dass es sich tatsächlich um den Mann handelte, der sie hereingelegt hatte.
„Er musste ein paarmal mächtig husten“, erinnerte sie sich. „Vermutlich wirkte das Gift da schon. Fragt sich nur, ob es ihm tatsächlich Lange beibrachte.“
Bernd trat an seinen Schreibtisch und nahm den Telefonhörer ab, um Horst Südermann, den Leiter des Dezernats LKA 11, Tötungsdelikte, anzurufen. Sein Blick fiel auf seinen Notizblock, der durch die rechte Hand des Toten halb verdeckt wurde.
Hastig legte er den Hörer zurück und schob die Hand entschlossen beiseite.
Ein kaum entzifferbares Gekritzel kam zum Vorschein. Zweifellos hatte der Sterbende etwas geschrieben. Wollte er seinen Mörder nennen?
Franziska war aufmerksam geworden und blickte ihm über die Schulter. „Verstehst du das?“, fragte sie unsicher.
Bernd antwortete nicht sofort. Er starrte auf das Papier und zerbrach sich den Kopf über den Sinn des Geschriebenen.
„Alles spricht dafür, dass Meier mit seiner Nachricht nicht fertig geworden war. Der Tod hatte ihm den Kugelschreiber aus der Hand genommen.“
„Herbert sechs Gold“, buchstabierte Bernd.
„Sein Mörder heißt mit Vornamen Herbert“, vermutete Franziska spontan, „und es geht dabei um Gold. Ich sehe gleich mal nach, ob ein gewisser Herbert in einem unserer laufenden Fälle eine Rolle spielt.“
„Zurzeit läuft nichts mit Gold“, stoppte Bernd ihren Tatendrang. „Und was bedeutet die sechs? Das Ganze erscheint mir reichlich verworren.“
Da musste ihm Franziska Recht geben. Seufzend sah sie sich im Büro um. Es würde Wochen dauern, ehe sie sämtliche Akten wieder sortiert hatte. Eine Tätigkeit, gegen die das Tippen von Briefen und Berichten direkt atemberaubend war.
Bernd empfahl ihr, sich wenigstens vorher umzuziehen. „Wenn die Polizei hier fertig ist, fahre ich dich nach Hause“, schlug er vor. „Deine Bluse lenkt mich von der Arbeit ab.“
Franziska protestierte energisch. „Auch, wenn mir ein harter Gegenstand auf den Kopf gefallen ist, brauchst du mich noch lange nicht wie eine Kranke zu behandeln“, fand sie. „Im Übrigen reicht es, wenn du mir eins deiner T-Shirts leihst. Du bekommst es gewaschen und unbeschädigt zurück.“
Bernd wusste, dass es sinnlos war, Franziska zu bremsen. Zum Glück hatte sie ja den Überfall erstaunlich gut überstanden.
Während er Horst Südermann anrief, verschwand Franziska im Bad und tauchte kurze Zeit später mit einem T-Shirt auf, das ihr viel zu weit war, in dem sie aber dennoch zum Anbeißen aussah.
Während sie auf das Eintreffen der Polizei warteten, verhinderte Bernd Franziskas erste Aufräumungsarbeiten, was ihm einen bitterbösen Blick eintrug.
Horst Südermann hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst zu erscheinen. Der schwergewichtige Inspektor wusste das Wichtigste bereits durch Bernds Anruf. Jetzt sah er sich in den Büroräumen um und kommandierte seine Mitarbeiter, die ohnehin genau wussten, was sie zu tun hatten.
Blitzlichter flammten auf, bevor sich der Polizeiarzt des Toten bemächtigte. Die Spurensicherer nahmen ihre zeitraubende Tätigkeit auf, und binnen weniger Minuten war das Durcheinander noch größer als vorher.
Horst Südermann erkundigte sich besorgt nach Franziskas Befinden. Die hübsche Blondine war ihm besonders ans Herz gewachsen, und sie erwiderte seine Zuneigung.
„Ich habe schon immer gesagt, dass Bernd nicht der richtige Mann ist, um auf dich aufzupassen“, polterte er. „Komm lieber zu mir. Da passiert dir so etwas nicht.“
„Aber dir passiert gleich etwas, was ziemlich wehtut, wenn du nicht sofort mit deiner Abwerbung aufhörst“, schaltete sich Bernd ein, obwohl er natürlich genau wusste, dass der Freund das Angebot nicht ernst meinte. „Nimm die Leiche und hau endlich ab. Ich muss wissen, wer der Bursche ist, der hier so fleißig herumgeschnüffelt hat.“
Der Inspektor zog sein Gesicht in die Breite. „Du wirst lachen, diese Frage interessiert meine Dienststelle üblicherweise auch. Dummerweise wird es da ein paar Schwierigkeiten geben. Die Fingerkuppen des Toten wurden verätzt. Die Wunden sind zwar schon ziemlich alt, aber die früheren Prints haben sich noch nicht wieder herausgebildet. Solche Fälle haben wir öfter. Die Jungs bilden sich ein, besonders raffiniert zu sein, wenn sie sich die Finger versauen, aber wir identifizieren sie ja doch. Zum Glück sind die Fingerabdrücke nicht das einzige Mittel.“
„Wenn die Verletzungen frisch wären, könnte es sein Mörder getan haben“, sagte Bernd nachdenklich, „aber in unserem Fall ist das wohl kaum möglich.“
„Kaum“, bestätigte Horst Südermann. „Bist du eigentlich immer noch Lange auf den Fersen?“
„Leider nur auf den Fersen, Horst. Ich wollte, ich könnte ihm endlich auf die Zehen steigen. Leider hat er mir gerade heute wieder ein Schnippchen geschlagen.“ Er erzählte seinem Freund von der geplatzten Geldübergabe.
Horst Südermann schnaufte wie ein Walross. „Da passt eine ganze Menge zusammen“, sagte er. „Lange weiß natürlich, dass du hinter ihm her bist. Er könnte dich absichtlich an den angeblichen Übergabeort gelockt haben, um in aller Ruhe dein Büro filzen zu lassen.“
„Du glaubst also auch, dass er hinter der Sache steckt?“
Der Dicke hob die Schultern. „Es spricht viel dafür, aber noch mehr dagegen. Wir müssen vor allem abwarten, zu welchem Ergebnis der Doc gelangt.“
Für den Polizeiarzt gab es keinen Zweifel, dass der Unbekannte vergiftet wurde. Er tippte auf ein langsam wirkendes Pflanzenschutzmittel, wollte sich aber vor der Obduktion noch nicht auf den Zeitpunkt festlegen, wann dem Opfer das Gift verabreicht worden ist.
„Das hängt wohl in erster Linie von der Giftmenge ab, die wir finden werden, und von der allgemeinen körperlichen Verfassung des Mannes vor dessen Tod.“
Dass sich ein zweiter Mann im Büro aufgehalten hatte, während Franziska bewusstlos gewesen war, ließ sich durch keinen Anhaltspunkt belegen. Auch musste erst festgestellt werden, ob irgendetwas gestohlen worden war. Der Tote hatte zumindest nichts an sich genommen. Auch fand sich kein Hinweis für seine Identität in seinen Taschen. Ob der Name Meier nur erfunden war, musste sich auch erst noch zeigen.
Bernd war gespannt, ob Horst Südermann etwas mit der Notiz des Ermordeten anfangen konnte, aber der Inspektor kratzte sich unschlüssig am Hinterkopf.
„Das kann alles bedeuten oder auch nichts“, maulte er. „Vielleicht sogar eine falsche Spur, an der wir uns die Zähne ausbeißen sollen.“
„Das würde Reinhold Lange wieder einmal ähnlich sehen“, stellte Bernd fest. Er nahm sich vor, dem mutmaßlichen Erpresser noch einmal auf den Zahn zu fühlen, sobald Horst mit seinen Mannen abgezogen war.
„Ich melde mich bei dir, sobald ich etwas weiß“, versprach Horst Südermann.
Bernd hoffte, dass das recht bald sein würde. Er brannte darauf, den Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen, der sein Büro zum Schauplatz eines Mordes zweckentfremdet hatte.