Читать книгу Mörderglück am Ku‘damm: Krimi Paket 5 Berlin 1968 Krimis - A. F. Morland - Страница 20
Оглавление14
Schummeriges Licht empfing ihn in der Bar. Auf einem Podest spielte eine Dreimann-Band, die eigentlich zu gut für diese Kneipe war. Sie hätten ein sachkundigeres Publikum verdient gehabt. Woher der seltsame Kneipenname stammte, konnte sich Bernd auch nicht erklären, aber der Besitzer hatte wohl einen ziemlich schrägen Geschmack. Jedenfalls hatte er zahlreiche alte Sägen zusammengetragen und sie unter die Decke gehängt und auch die Wände damit geschmückt.
‚Vielleicht war er ja mal Holzfäller!‘, sagte sich Bernd, als er sich umsah.
Die Gäste drängten sich zur Hälfte auf der winzigen Tanzfläche, die von farbigen Spots angestrahlt wurde. Die Musik war sehr gefühlvoll.
Die andere Hälfte der Anwesenden verteilte sich an der langgestreckten Theke und den runden Tischen, die hauptsächlich in lauschigen Nischen untergebracht waren.
Bernd sah sich suchend um. Es kam darauf an, sich gleich an den Richtigen zu wenden. Leider wusste er ja nicht Robbys vollständigen Namen.
Eine mollige Schwarzhaarige deutete seinen Blick falsch. Ihr geschminktes Gesicht verzog sich zu dem, was sie unter einem verführerischen Lächeln verstand. Sie schwappte von einem Barhocker und näherte sich Bernd mit wiegenden Hüften.
Die Zigarette in der überlangen Spitze sollte ihr wohl einen geheimnisvollen Anstrich geben, aber sie wirkte nur wie die Walt-Disney-Karikatur des Blauen Engels.
„Hallo!“, hauchte sie mit rauchiger Stimme. „Warum habe ich dich noch nie hier gesehen? Wusstest du nicht, dass du mich hier finden würdest?“
Bernd rang sich dazu durch, ihren üppigen Massen einen anerkennenden Blick zu schenken, der sie veranlasste, sofort einen Zahn zuzulegen.
„Ich heiße Sonja und liebe Champagner und schöne Männer. Ich dachte schon, ich würde heute beides nicht bekommen, aber nun bist du ja da. Wie willst du, dass ich dich nenne?“
„Wie wär’s mit Bernd?“, schlug Bernd Schuster vor. Er sah ein, dass er ihr zumindest ein Glas Schaumwein bestellen musste, um mehr als nur ihren Namen zu erfahren. Er gab an der Bar die Bestellung auf.
Sonja zog einen Flunsch. „Du bist schön, aber geizig, Bernd. Bin ich dir keine Flasche wert?“
„Du bist mir eine ganze Sektkellerei wert“, versicherte Bernd und verdrehte seine Augen. „Aber es wäre gemein von mir, mich länger als nötig mit dir zu zeigen. Ich will nicht, dass du auch noch Schwierigkeiten kriegst.“
Sie schmachtete ihn an. „Schwierigkeiten? Kann ich dir helfen?“
Bernd grinste. „Vielleicht, wenn alles vorbei ist. Im Augenblick setzte ich meine ganzen Hoffnungen auf Robby. Wenn er mir nicht aus der Patsche hilft, bin ich aufgeschmissen. Er ist doch heute hier?“ Er blickte sich suchend um, entdeckte den Mann, von dem er keine blasse Ahnung hatte, wie er aussah, aber natürlich nicht.
„Kennt er dich?“, fragte Sonja vorsichtig. Anscheinend hatte sie ihre Anweisungen.
„Leider nicht. Mir hat ein Freund den Tipp gegeben. Ihm hat Robby auch geholfen.“
„Wie heißt der Freund?“
„Karsten Gerber.“
Die Mollige kniff die Augen zusammen, wodurch verschiedene Fettpartien ihre Positionen veränderten. „Karsten ist tot“, sagte sie, und es klang beinahe drohend.
„Das ist zum Glück nicht mein Problem. Und auch nicht das von Robby. Willst du mir nun helfen, oder nicht?“
Sonja kaute an ihrer Unterlippe. Sie wirkte wie ein unschuldiges Baby, allerdings wie das eines Elefanten. „Ich muss erst fragen“, erklärte sie und trank ihren Sekt mit schmatzenden Schlucken aus.
„Tu das!“
Bernd Schuster sah ihr nach, wie sie hinter einem Perlenvorhang neben dem Tresen verschwand. Es dauerte zwei Minuten, dann erschien sie wieder. Ihr Lippenstift war verschmiert und ihr Gesicht glühte. Sie musste eine temperamentvolle Begegnung gehabt haben.
Sie nickte Bernd zu. „Komm mit! Du hast Glück. Robby wollte gerade gehen. Er wird sich dein Problem anhören und dann entscheiden, ob er dir helfen will.“
„Danke, Sonja. Ich werde an dich denken, wenn ich alles hinter mir habe.“
„Schon gut.“ Sie schob ihn durch den Perlenvorhang und blieb so dicht hinter ihm, dass sie ihn mit ihrem kolossalen Busen berührte.
Sie durchquerten einen Gang, stiegen auf einer Treppe zwei Etagen höher und blieben dort vor einer Tür stehen, die nur angelehnt war.
„Viel Glück, Bernd“, sagte Sonja und drückte ihm einen Kuss auf, der fast sein ganzes Gesicht bedeckte. Dann zog sie sich eilig zurück.
Bernd stieß die Tür mit dem Fuß auf. Er war vorsichtig und rechnete mit einem Hinterhalt. Dass Sonja sein Märchen geschluckt hatte, glaubte er nicht. Und zumindest Robby würde Fremden gegenüber vorsichtig sein.
Robby saß in einem Sessel und starrte in den Fernsehapparat, der neben der Tür auf einer Konsole stand. Er hob die Hand, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, und sagte: „Komm rein, Bernd, und mach die Tür zu. Ich will nur noch rasch den Film zu Ende sehen. So eilig wirst du es wohl nicht haben.“
Bernd Schuster schloss die Tür und zog sich ebenfalls einen Sessel heran. Der Film war tatsächlich gleich zu Ende.
Robby machte einen unscheinbaren Eindruck, aber zweifellos hatte er es faustdick hinter den Ohren.
Das Zimmer war wohnlich eingerichtet, sogar Bilder hingen an den Wänden. Die Vorhänge vor den beiden Fenstern waren zugezogen. Dazwischen stand ein schmaler Schrank, in dessen offenem Teil Vasen, Aschenbecher und zwei Hunde aus Keramik standen. Darunter befanden sich zwei Türen, deren Schlüssel abgezogen waren. Möglich, dass Robby hier seine begehrten Schätze aufbewahrte.
Als die Schlussmusik erklang, schaltete Robby den Apparat über die Fernbedienung aus. Zum ersten Mal würdigte er seinen Besucher eines Blickes.
„Sonja sagt, du hättest Schwierigkeiten, und ich glaube, dass du sie angelogen hast. Also, heraus mit der Sprache! Was willst du wirklich von mir, Bernd?“
„Vor allem dir keine Unannehmlichkeiten bereiten, Robby. Ich brauche ’ne Kanone. So eine, wie du sie Karsten besorgt hast.“
Robby rührte sich nicht in seinem Sessel. „Sonja deutete schon so etwas an, dass Karsten dich angeblich geschickt hat. Ich glaube dir kein Wort. Lass uns offen miteinander reden. Für Geheimniskrämereien bin ich nicht. Karsten ist tot. Er kann dir meinen Namen nicht genannt haben, also von wem hast du ihn?“
„Karsten starb in meinem Büro. Ich bin Detektiv und versuche, den Weg zu seinem Mörder zu rekonstruieren. Eine Station auf diesem Weg bist du, Robby. Er war bei dir. Du hast ihm den Revolver verkauft. Wahrscheinlich warst du neugierig und wolltest wissen, wofür er ihn brauchte. Deshalb bin ich hier. Deine Geschäfte interessieren mich absolut nicht. Sobald du mir einen Tipp gegeben hast, in welcher Richtung ich weitersuchen muss, vergesse ich dich. Das darfst du mir glauben.“
Robby schnitt eine Grimasse. „Ausgerechnet ein Schnüffler“, stieß er hervor. „Aber du kannst mir nichts anhängen.“
„Kapierst du das denn nicht, Menschenskind? Deswegen bin ich nicht hier. Du hast mit Karsten ein kleines Geschäft abgewickelt. Okay! Ich könnte sauer sein, wenn das Schießeisen für mich bestimmt gewesen wäre. Das war es aber nicht. Deshalb habe ich nichts gegen dich. Ich werde dich auch in Ruhe lassen, falls du mir nicht helfen willst. Das ist versprochen. Du siehst also, dass es mir ausschließlich um den Mörder geht.“
Robby war unschlüssig. „Das hört sich an, als würde ein Pfarrer predigen“, fand er. „Warum sagst du mir nicht, wer dir meinen Namen geflüstert hat? Wäre es Karsten gewesen, hätte er dir erst recht verraten, wen er umlegen wollte. Du darfst mich nicht für bescheuert halten. Da bin ich nämlich empfindlich.“
Bernd grinste. „Also gut“, gestand er. „Es war nicht Karsten. Ich bin selbst darauf gekommen, als ich seine früheren Verbindungen unter die Lupe nahm. Ich hatte noch ein paar andere Eisen im Feuer, aber bei dir bin ich an der richtigen Stelle. Karsten wurde vergiftet, wie du vielleicht weißt. Das ist eine ziemlich hinterhältige Methode. Willst du den Halunken decken?“
„Könnte mir nicht einfallen. Bernd. Aber es ist nun mal so, dass ich meine Kunden grundsätzlich nicht frage, was sie mit den Dingen vorhaben, die ich ihnen besorge. Bei Karsten war das nicht anders. Er hatte auch nicht das Bedürfnis, es mir von sich aus auf die Nase zu binden. Karsten war nicht gerade mein bester Freund, aber doch ein prima Kumpel. Er ist damals in eine üble Geschichte hineingeraten. Jemand hat ihn kaltschnäuzig in die Pfanne gehauen und im Stich gelassen. Den wollte er wohl jetzt zur Kasse bitten. Das ist alles, was ich mir zusammengereimt habe. Namen hat er keine genannt.“
„Und du selbst hast auch keinen Verdacht?“
„Nein. Wenn ich das wüsste, würde ich vielleicht auf die Idee kommen, ein kleines Schweigegeld zu kassieren. Es ging ja meines Wissens um mehr als eine Million.“
„Dein Gedächtnis ist bewundernswert“, lobte Bernd Schuster sarkastisch. „Jedenfalls ab und zu. Ich mache dir einen Vorschlag, Robby. Sollte dir noch etwas einfallen, rufst du mich an. Hier hast du meine Karte.“
Der andere schüttelte missbilligend den Kopf. „Du glaubst immer noch, dass ich dir etwas verheimliche. Da irrst du dich gewaltig. Tut mir selbst leid, dass ich dir nicht helfen kann.“
„Ich dachte diesmal auch mehr an dich selbst“, stellte Bernd Schuster richtig.
Robby sah ihn groß an. „Wie meinst du das?“
„Na, überlege mal. Der Mörder weiß doch, dass Karsten sich nur deshalb eine Kanone beschafft hat, um ihn damit fertig zu machen. Er wird sich fragen, woher die Waffe stammt und was der Lieferant über ihn weiß. Ich könnte mir denken, dass er zu der Auffassung gelangt, du könntest ihm mit deinem Wissen gefährlich werden. Und dann gibt es eben den nächsten Mord.“
Robby wurde kreidebleich. „Ich weiß nichts. Ich kenne den Kerl wirklich nicht.“
„Na, dann mach ihm das mal klar, wenn er vor dir steht. Vielleicht ist er auch so gutgläubig wie ich. Kann ja sein, dass du Glück hast. Für den Notfall aber hast du meine Telefonnummer. Im Übrigen würde ich in nächster Zeit vorsichtig sein.“
„Womit?“
„Mit dem Essen und Trinken. Wenn du das Gift spürst, hast du wahrscheinlich nicht mal mehr Zeit, mir den Namen deines Mörders aufzuschreiben. Aber den weißt du ja ohnehin nicht, nicht wahr?“
Robby wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du solltest in einer Show als Stimmungsmacher auftreten“, würgte er hervor. „Bei dir wird man so richtig fröhlich. Aber wenn du dich auch auf den Kopf stellst, was ich nicht weiß, kann ich nicht sagen. Dir ist ja schließlich nicht damit gedient, wenn ich irgendeinen Namen erfinde, nur um dich endlich loszuwerden.“
„Na gut, wechseln wir das Thema. An wen kann ich mich sonst noch wenden? Wer könnte etwas wissen?“
„Wie schon gesagt, ich kenne keine Namen. Da wäre höchstens diese Doris Wellner. Sie war mal Karstens Flamme. Kann sein, dass sie etwas weiß. Ich habe aber keine Ahnung, wo sie jetzt wohnt.“
„Das kriege ich schon heraus“, sagte Bernd Schuster. Er sagte nicht, dass er das Mädchen bereits kannte. Sonst hätte sich Robby womöglich denken können, wer seinen Namen ins Spiel gebracht hatte.
„Viel Glück!“, meinte Robby.
„Kann man immer brauchen. Soviel steht jedenfalls fest, Robby. Ich werde den Mörder finden, und wenn ich den Rest meines Lebens nach ihm suchen müsste.“
Bernd ging zur Tür und öffnete sie.
Was er da sah, gefiel ihm allerdings ganz und gar nicht. Vor ihm standen drei üble Gestalten, und alle hielten schwere Revolver in den Fäusten.