Читать книгу Tödliche Lektüre Berlin 1968 Kriminalroman Band 41 - A. F. Morland - Страница 5

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Bernd Schuster stand vor dem kleinen Antiquariat in der Nähe des U-Bahnhofs Nollendorfplatz. Hier startete er regelmäßig seine Tour bei den drei Antiquariaten, die es in der Motzstraße gab, bevor er dann die Antiquitätenhändler in den alten Waggons aufsuchte. Dieses Vergnügen hatte er in letzter Zeit vermisst, und jetzt starrte er fasziniert auf die Auslage.

‚Kein Zweifel, die deutsche Erstausgabe von Tarzans Dschungelgeschichten!‘, dachte er. ‚Dieck und Co., Stuttgart. Und in einem Sahne-Zustand, ausgezeichnet mit 20,—Mark. Der gute Mann weiß ja gar nicht, was er mit so einem Angebot dem Sammler für eine Freude bereitet!‘

Gerade wollte er das Antiquariat betreten, als er eine Gestalt im Spiegel der Scheibe erblickte und sich ihm gleich darauf etwas Hartes zwischen die Rippen bohrte. Bernd erstarrte, aber die Stimme löste sofort wieder die Spannung.

„Habe ich dich erwischt, du Bibliomane!“

„Franziska! Wie kannst du mir einen solchen Schrecken einjagen!“

„Ha, Bernd, du bist zu komisch! Da stehst du vor deinem Lieblingsantiquariat und jeder deiner Gegner kann sich heranschleichen und die eine Pistole zwischen die Rippen drücken – oder hat dich etwa eine hübsche Buchhändlerin in den Bann geschlagen?“

Franziska Jahn, Bernds Lebensgefährtin und Assistentin, lachte ihn fröhlich an.

„Aber Franzi – wie kannst du so etwas nur denken? Komm, ich muss das Buch dort haben – eine tadellos erhaltene Erstausgabe zum Schnäppchen-Preis!“

Franziska zog es bei der Wärme vor, den kleinen, etwas muffigen Laden nicht zu betreten und wartete lieber davor auf Bernds Rückkehr. Wenig später verließ er den Laden hochzufrieden mit dem eingewickelten Buch unter dem Arm. Der Antiquar hatte ihn freundlich begrüßt und war erstaunt, dass Bernd diesen Band noch nicht besaß. Dass er neben den Tarzan-Abenteuern auch alle anderen Romane von Edgar Rice Burroughs sammelte, hatte er schon vermerkt, aber dieser Band war ihm dabei nicht weiter aufgefallen.

Stolz präsentierte er Franziska seinen Kauf und achtete dabei nicht weiter auf seine Umgebung.

„Vorsicht, Bernd!“, ließ ihn Franziska Warnruf zur Seite springen, um nicht mit einem Mann zusammenzustoßen, der eben die Tür des Reisebüros aufriss und einer jungen Frau den Vortritt ließ.

Franziska und Bernd blickten belustigt auf das junge Pärchen, das, eifrig im Gespräch vertieft, an ihnen vorübereilte, ohne sie weiter zu beachten. Der junge Mann wieselte eifrig zu seinem Käfer hinüber. Der VW erweckte den Eindruck, dass ihn nur noch der Rost zusammenhielt. Vielleicht auch noch die zahlreichen. bunten Aufkleber, die auf den schlimmsten Roststellen klebten. Auffallend an der Tür war das große ‚Peace‘-Symbol, das in diesen Tagen nicht nur auf zahlreichen Plakaten von den Demonstranten getragen wurde, sondern auf vielen Laternenmasten und Verteilerkästen klebte.

Die beiden bemerkten Franziska und Bernd überhaupt nicht, die noch immer grinsend die beiden beobachteten. Der junge Mann hatte ein wenig Probleme, die Beifahrertüre zu öffnen, gab sein Vorhaben schließlich auf, riss die Fahrertür auf und hangelte sich hindurch zum Türhebel der anderen Seite.

Die junge Frau stieg lachend ein, der Motor sprang erstaunlicherweise sofort an und Bernd dachte wieder an den alten Werbeslogan über den VW-Käfer: „...er läuft und läuft und läuft...“ Dann war der Rostkäfer um die nächste Ecke verschwunden, und das andere Pärchen kehrte zurück in die Kurfürstenstraße, wo Bernd in der alten Ladenzeile seine Detektei eingerichtet hatte und im Hochhaus dahinter seine chice Eigentumswohnung im 14. Stock besaß.

*


Fred Manniger hielt seinen Uralt-Käfer, den fahrenden Schrotthaufen, an und wandte sich lächelnd an seine Kollegin. Sie arbeiteten beide im selben Reisebüro. Für Fred war das eigentlich nicht der richtige Job, denn wenn er mit einem Kunden einen Vertrag abschloss, setzte er eine schmerzliche Miene auf und tat einen tiefen, traurigen Seufzer, weil ihn das Fernweh so sehr plagte. Aber wer kein Geld hat, kann nicht verreisen, und Fred war so gut wie immer blank, weil er noch eine zweite große Leidenschaft hatte: Mädchen.

Er hatte Glück bei den Frauen. Ihm gefiel jede. Auch Lydia Genthin gefiel ihm. Ihre Schönheit war überwältigend, außerdem hatte sie eine atemberaubende Figur. Zwanzig war sie, eine reife Frucht, gerade recht zum Pflücken. Und Fred Manniger »pflückte« so wahnsinnig gern.

Blond war ihr langes, seidiges Haar, meergrün leuchteten ihre ausdrucksstarken Augen. Kein Mann konnte achtlos an ihr vorbeigehen.

»Da wären wir«, sagte Fred.

»Vielen Dank fürs Nachhause bringen«, erwiderte Lydia und schenkte ihm ein warmes Lächeln, das sein Blut in Wallung brachte. »Aber es wäre nicht nötig gewesen. Der Bus hält hier gleich um die Ecke.«

»Habe ich doch gern getan. Ich bin bekannt dafür, dass ich für schöne Mädchen alles tue.«

»Das weiß ich. Man hat mich vor dir gewarnt.«

»Wer?«, wollte Fred wissen.

Sie zuckte mit den Schultern. »Alle möglichen Leute.«

»Das sind alles Neider. Findest du etwas Schlechtes daran, wenn ein Mann das weibliche Geschlecht verehrt?«

»Wenn man es übertreibt, muss man sich gefallen lassen, dass einen die anderen als ,Windhund‘ bezeichnen.«

»Tun Sie das?«, fragte Fred empört. Es funkelte kampflustig in seinen dunklen Augen, aber er beruhigte sich rasch wieder, weil er ja etwas ganz Anderes wollte, als sich über irgendwelche Leute aufzuregen, die einen solchen Gefühlsausbruch gar nicht wert waren. »Heißer Tag heute«, schwenkte er um. »Zum letzten Mal hatten wir vor fünf Jahren einen so heißen Sommer, aber das hast du damals noch nicht so richtig mitgekriegt.«

»Wieso glaubst du das?«

»Weil du vor fünf Jahren noch ein Kind warst«, erwiderte Fred Manniger.

»Na und? Denkst du, Kinder empfinden Hitze anders als Erwachsene?«

»Jawohl, das tun sie.« Er ächzte. »Weißt du, was mir jetzt unheimlich guttun würde? Ein gut gekühltes Fläschchen Bier.«

»Gibt’s in jedem Supermarkt.«

»Bei dir zu Hause nicht?«, fragte er enttäuscht.

»Tut mir leid, ich trinke kein Bier.«

»Deine Gäste auch nicht?«, fragte Fred.

»Welche Gäste?«

»Du willst mir doch nicht einreden, dass du in deiner Freizeit das Leben einer Einsiedlerin führst. Das kaufe ich einem Mädchen, das so fantastisch aussieht wie du, nicht ab. Aber lassen wir das dahingestellt. Zur Not trinke ich auch ’ne Cola mit ’nem Schuss Rum.«

Lydia hob die Hände.

»Kein Problem.«

Er strahlte. »Ich darf mit hinaufkommen?«

»Das habe ich nicht gesagt. Vielleicht ein andermal, okay? Ich bin heute nicht in Stimmung.«

»Keine Sorge, das kriege ich schon hin. Ich bin ein hervorragender Entertainer.«

»Und verdammt hartnäckig.« Lydia lachte. »Ein einfaches Nein akzeptierst du nicht, was?«

»Weil mich die Erfahrung gelehrt hat, dass Mädchen in solchen Situationen fast immer das Gegenteil von dem sagen, was sie tatsächlich meinen.«

»Hört, hört, hier spricht der Experte! Nun, lass dir gesagt sein, dass ich zu dem geringen Prozentsatz derer gehöre, die immer das sagen, was sie meinen. Und was heißt hier ,in solchen Situationen‘. Ich habe dir erlaubt, mich nach Hause zu fahren, das ist alles. Wenn ich geahnt hätte, dass du das als Verpflichtung ansiehst, mit dir ins Bett zu gehen, wäre ich nicht in deinen wunderschönen, mit Rost verzierten Wagen eingestiegen.«

Fred Manniger gab noch nicht auf. Er unternahm einen letzten Versuch: »Heute ist Freitag, Baby, ein herrlich langes Wochenende liegt vor uns. Lass es uns zusammen verbringen - und lass uns gleich damit beginnen. Ich trinke auch abgestandenes Blumenwasser, wenn du nichts Anderes im Haus hast.«

»Wir sehen uns Montag wieder.«

»Und was ist mit dem Wochenende?«

»Ich habe bereits eine Verabredung«, log Lydia, um ihn endlich loszuwerden.

»Oh«, erklärte er enttäuscht. »Das hättest du mir aber auch gleich sagen können.«

»Tut mir leid, dass du deinen kostbaren Charme umsonst versprüht hast. Ich hoffe für dich, dass du das bevorstehende Wochenende nicht allein verbringen musst, denn das würde dich wahrscheinlich stark an deiner männlichen Ausstrahlung zweifeln lassen.« Sie öffnete den Wagenschlag, was gar nicht so einfach war, wenn man keinen Vorschlaghammer bei sich hatte.

Sie warf sich mit der Schulter kräftig dagegen, und schon beim dritten Versuch klappte es.

Fred grinste breit.

»Mein Wagen ist eine rollende Mädchenfalle. Man kommt zwar leicht hinein, aber nur sehr schwer wieder raus.«

»Bis Montag«, sagte Lydia und stieß die Tür zu.

Sie fragte sich, ob sich Fred Manniger auch so sehr um sie bemüht hätte, wenn er gewusst hätte, dass sie die Tochter eines Verbrechers war.

Tödliche Lektüre Berlin 1968 Kriminalroman Band 41

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