Читать книгу Tödliche Lektüre Berlin 1968 Kriminalroman Band 41 - A. F. Morland - Страница 8
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Bernd Schuster zündete sich eine Roth Händle an. Feierabend. Ein Wochenende ohne Arbeit lag vor ihm. Und das bedeute: Gemeinsames Abendessen mit Franziska und seiner Tochter Lucy, die kurz vor dem Abi stand. Am Sonnabend würde Lucy dann zu ihrer Mutter fahren, und Franzi glücklich mit ihm die restliche Freizeit verbringen.
Das geschah höchst selten, denn die Unterwelt Berlins ließ keine geregelte Arbeitszeit für Privatdetektive zu. Die Nachkriegsjahre und das Wirtschaftswunder hatten allerlei dunkle Elemente hervorgebracht. Mit dem Aufleben der Bars und Nachtklubs in West-Berlin stieg die Kriminalität, der Rauschgifthandel und die Prostitution entwickelten sich zu lukrativen Geschäften, dazu kam der Immobilienmarkt. Noch standen überall die Ruinen, die der Krieg hinterlassen hatte. Fabriken am Stadtrand, von den Siegern einst demontiert, warteten darauf, dass neue Inhaber wieder Leben in die alten Mauern brachten. Aber viele Vorhaben scheiterten nach kurzer Zeit wieder, und selbst der florierende Schrotthandel war nicht mehr so erfolgreich wie in den ersten Jahren.
Zumeist passierte an den Wochenenden sogar mehr als an den Werktagen. Eingebrochen wurde, wenn niemand zu Hause war. Zum Beispiel am Wochenende, wenn die Familien in die Naherholungsgebiete fuhren. Oder zu ihrem Grundstück mit Wochenendhäuschen in der Lüneburger Heide oder im Harz. Oder an der See. Nur raus aus der fest umschlossenen Insel West-Berlin. Den Stress an den Grenzkontrollpunkten überwinden, die Höchstgeschwindigkeit auf der Transit-Strecke unbedingt einhalten – aber dann, ein paar Stunden im eigenen Glück verbringen.
Aber auch viele ungesetzliche Nebenbeigeschäfte wurden an Wochenenden getätigt.
Aber diesmal hoffte Bernd, dass nichts dazwischenkam. Er hatte die Absicht, mit Franziska Jahn ein wenig hinaus nach Grunewald zu fahren. Dort hatte ein guter Freund eine kleine Hütte, und Bernd besaß den Schlüssel während dessen Auslandsaufenthalt. Dort standen ihnen der ganze Samstag und der ganze Sonntag zur Verfügung. Selig ist der, der sich seine Arbeitszeit selbst einteilen kann!
Horst rief an. Inspektor Horst Südermann, der gewichtige Leiter des Dezernats 1, Gewalt an Menschen – oder, volkstümlich ausgedrückt, der Mordkommission in der Keithstraße. Mit ihm war Bernd seit vielen Jahren befreundet, sie kannten sich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in Frankfurt. Südermann arbeitete dort auch bei der Kripo, Bernd Schuster war Hauptmann bei den Feldjägern.
»Heiß heute, was?«, leitete Horst das Gespräch ein.
»Ich spüre es nicht«, erklärte Bernd.
»Du Glücklicher! Bei uns ist die Klimaanlage ausgefallen. Daran siehst du mal wieder, wie sparsam man mit dem Geld der Steuerzahler umgeht. Das Billigste ist gut genug für die Polizei.«
»Denk an die Bibel, Horst!«
»Was steht dort?«
»Im Schweiße deines Angesichts sollst du dir dein Brot verdienen.«
»Das tue ich«, knurrte der Inspektor. »Verdammt, das tue ich wirklich. Hör mal, um von etwas Erfreulicherem zu sprechen: Wilhelm gibt morgen Abend eine Party. Kommst du mit Franziska?« Wilhelm Krone war Horsts Stellvertreter.
»Hirnie!«, erwiderte Bernd grinsend.
»Was meinst du damit?«
»Dass die Hitze hoffentlich dein Hirn zum Schmelzen brachte«, erklärte Bernd. »Ich sagte dir doch gestern, dass ich mit Franziska in die Hütte fahre.«
»Ach ja, richtig, das habe ich verschwitzt. Ist ja auch kein Wunder bei den Temperaturen.« Der Inspektor räusperte sich. »Sag mal, kannst du nicht ohne Franziska fahren?«
»Du tickst wohl nicht richtig?«
»Sie könnte mich morgen begleiten.«
»Sagte ich dir nicht immer, dass die Nummern in deinem Notizbuch nichts taugen? Haben dich deine Damen alle abblitzen lassen? Dann geh doch allein auf die Party - schwitz für zwei und trink für drei. Das fällt dir bestimmt nicht schwer.«
Horst schnaufte.
»Einen großartigen Freund habe ich, zu dem kann ich mir wirklich gratulieren. Ich hoffe, der Schlüssel für die Hütte bricht ab und du kommst nicht hinein..«
»Und Franziska? Wünschst du der auch alles Schlechte?«
»Die kann ja nichts dafür, dass sie dich begleiten muss«, entgegnete Horst und hängte ein.
Grinsend erzählte Bernd Franziska, was Horst gewollt hatte.
»Die Hütte ist mir lieber, als auf Wilhelms Party zu schwitzen«, sagte die attraktive blonde Detektivin.
Das Blockhaus stand mitten im Wald, zwei Gehminuten von der Havel entfernt. Bernd und Franziska hatten dort schon manches Wochenende verbracht und wussten, dass die Hütte geradezu perfekt für zwei war, die einfach nur ihre Ruhe haben wollten.
Bernds Reisetasche war bereits gepackt. Er nahm noch einen Zug von der Roth Händle und stieß sie dann in den Aschenbecher.
»Gehen wir?«, fragte er.
Es war geplant, bei Franziskas Wohnung vorbeizufahren. Länger als 20 Minuten würde der Zwischenstopp nicht dauern, danach konnte sie nichts mehr in der brütend heißen Stadt halten.
Franziska verließ Bernds Büro, um sich zu vergewissern, dass sie ihren Schreibtisch in Ordnung zurückließ. Bereits an der Tür bemerkte sie die junge Frau, die eben die Detektei betreten wollte. Ihr desolater Zustand ließ Franziskas Hoffnungen auf ein schönes Wochenende rasch schwinden.