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Der Inspektor traf im Spider Club den Geschäftsführer des Etablissements, Simon Könnecke, an. Könnecke brauchte einen zweistöckigen Drink, um die Nachricht ohne Nebenwirkungen zu verdauen. Horst saß dem Mann in seinem geräumigen Büro gegenüber. Könnecke hatte eine Liebe für alte Möbel und dezente Kleidung. Er war etwa vierzig, sah aus wie ein Rudolpho-Valentino-Verschnitt und redete ein bisschen durch die Nase, was ihn als Snob erscheinen ließ. Aber eine solche Erscheinung schien nicht recht mit der bunten Comic-Figur zusammenzupassen. Tatsächlich hing diese Figur in überlebensgroßer Ausführung draußen an der Fassade des Hauses, als würde sie kopfüber gerade vom Dach herunterklettern. Horst fand sie jedenfalls beeindruckend.

„Wie kommt es, dass der Besitzer des Spider Clubs persönlich mit einem Lieferwagen durch die Gegend fährt?“, fragte der gewichtige Leiter der Mordkommission. „Konnte sich Ludwigsen keine Angestellten leisten?“

Simon Könnecke nagte an einer Zigarre herum, die nicht brannte, doch das störte ihn nicht, und er schien sich dessen auch gar nicht bewusst zu sein.

„Ludwigsen war noch ein Unternehmer vom alten Schlag, wenn man so sagen darf“, beweihräucherte er seinen dahingegangenen Chef. „Wir hatten natürlich unseren Fahrer. Aber der Mann wurde ganz plötzlich krank. Da für heute ein paar wichtige Besorgungen auf dem Programm standen, krempelte sich Ludwigsen die Ärmel hoch und sprang für den erkrankten Fahrer ein. Ich finde so etwas von einem Mann wie Ludwigsen richtig prima.“

„So-so. Der Fahrer wurde plötzlich krank, sagen Sie.“

„Ja, Inspektor Südermann.“

„Hat sich der Mann persönlich krankgemeldet?“

„Nein, das hat seine Frau getan.“

„So-so. Seine Frau. Und was fehlte dem Guten?“

„Magenverstimmung oder so etwas Ähnliches. Genaueres wusste die Frau noch nicht. Sie sagte nur, ihr Mann könne nicht zur Arbeit kommen, weil er im Bett liege und sich in Krämpfen winde. Sie habe den Arzt bereits verständigt, warte aber immer noch auf sein Eintreffen.“

„Könnte ich den Namen des Fahrers haben?“, fragte Inspektor Südermann und zückte sein kleines Notizbuch, um aufzuschreiben, was ihm Simon Könnecke gleich preisgeben würde.

Der Geschäftsführer schaute Horst von der Seite an.

„Meinen Sie, dass an der Geschichte irgendetwas nicht stimmt, Inspektor?“

„Meine Aufgabe ist es, Angaben zu überprüfen, Herr Könnecke. Ist manchmal ein verdammt mieser Job, aber irgendeiner muss ihn schließlich tun. Wenn nun ein Fahrer plötzlich ausfällt, wenn sein Boss für ihn einspringt und dann auch noch zufällig auf dieser Tour in die Luft fliegt, muss ich mir darüber wohl oder übel so meine Gedanken machen.“

„Das leuchtet mir selbstverständlich ein, Inspektor. Wenngleich ich mir nicht vorstellen kann, dass der kranke Fahrer auch nur im Entferntesten etwas mit dem heimtückischen Mord an Ludwigsen zu tun haben könnte.“

„Ich habe Derartiges mit keiner Silbe behauptet, Herr Könnecke“, erwiderte Horst Südermann. „Wie heißt der Mann nun?“

Simon Könnecke kratzte sich mit der linken Hand an der Schläfe. Dabei fiel dem Inspektor auf, dass dem Mann der ganze Daumen fehlte. Eine rote Narbe verlief schräg über den Handrücken. Horst tippte auf einen Unfall, der noch nicht allzu lange zurücklag.

„Der Fahrer heißt Frank Müller“, sagte der Geschäftsführer des Spider Clubs.

„Und wo wohnt er?“

„Drüben in Steglitz, ich schreibe Ihnen die Adresse auf.“

Südermann tippte sich an die Stirn. „Vielen Dank, Herr Könnecke. Sie waren mir eine große Hilfe.“

Der Geschäftsführer staunte.

„Ist das alles, was Sie von mir wissen wollen, Inspektor?“

„Noch nicht ganz. Ich finde den Namen der Bar etwas – seltsam. Scheint mir so gar nicht zu Ihrem Auftritt zu passen – wenn Sie wissen, was ich meine.“

Könnecke lachte laut auf.

„Kann ich mir gut vorstellen, Herr Inspektor. Wissen Sie, die Konkurrenz ist groß, und mein Chef hat einen Jungen, der wohl Comic-Leser ist. Jedenfalls kommt der ständig an mit irgendwelchen bunten Heftchen, und irgendwann meinte Ludwigsen, dass unser alter Name, Schwarzer Husar, keinen jugendlichen Besucher anlockt. Und als er das Comic-Heft auf dem Tisch liegen sah, mit dem bunten Helden darauf, war er begeistert und erklärte mir, dass unser Laden ab sofort Spider Club heißen würde und er so eine Figur von dem Superhelden an die Fassade peppen würde.,“

„Und? Hat das gewirkt?“

„Oh ja, vom ersten Tag an war unsere Bude Abend für Abend brechend voll. War das jetzt alles?“

„Sie kriegen von uns noch eine Einladung. Wir werden uns in meinem Büro ganz ausführlich über die Angelegenheit unterhalten, Herr Könnecke.“

Auf dem Weg zur Straße ließ Südermann noch ein paar Fragen vom Stapel, die der Geschäftsführer nach bestem Wissen und Gewissen beantwortete. Dann stand der Inspektor vor der auffallenden Fassade des Spider Clubs. Es war nicht mit Farbe gespart worden. Um den Clubeingang ringelte sich etwas in der Art einer Boa Constrictor. Genau auf die schien es der Superheld an der Fassade abgesehen zu haben, aber da sich beide nicht bewegten, war das noch fraglich.

Horst schwang sich in seinen Dienstwagen. Die Karre war bockig. Der Motor lief unrund. Es gab Fehlzündungen. Die Passanten schauten sich erschrocken um, denn das Ganze hörte sich verdächtig nach Schießerei an.

Nachdem der Inspektor kurz geflucht hatte, war ihm wohler.

Er ließ den Wagen durch die Stadt rollen.

Wenig später stoppte er das schändlichste Fahrzeug des gesamten Polizeiwagenparks nahe dem Haus, in dem der kranke Frank Müller zu Hause war.

Kinder spielten vor dem Eingang.

Horst fing einen rotzigen Balg ab, der an ihm auf einem Rollschuh vorbeiflitzen wollte.

„Sag mal, kennst du Herrn Müller?“

„Klar“, piepste der Junge erschrocken.

„Wohnt er im ersten oder im zweiten Stock?“

„Keller“, sagte der Kleine, riss sich los und sauste um die nächste Ecke davon.

Südermann betrat das Gebäude. Es roch nach ungarischem Gulasch, und der Inspektor, ein Vielfraß und Nimmersatt von Geburt an, verspürte sogleich mächtigen Appetit.

‚Nur noch das hier‘, dachte er, während er den Speichel, der sich in seinem Mund angesammelt hatte, mühsam hinunterschluckte. ‚Dann gibt‘s was zu futtern‘.

Er war mit seinem Freund Bernd Schuster zum Essen verabredet. Ein Termin, den er auf keinen Fall verpassen wollte.

Es war düster im Korridor. Unten hätte er sich an einem Mauervorsprung beinahe den Kopf gestoßen.

„Das Paradies ist das hier auch nicht gerade!“, brummte Südermann. Dann klopfte er.

Jemand trippelte durch die Wohnung. Das Guckloch wurde aufgeklappt. Ein Auge, grün und nervös funkelnd, erschien. Es huschte am Inspektor auf und ab.

„Sie wünschen?“, fragte die misstrauische Frau.

„Frau Müller?“, erkundigte sich Horst.

„Ja?“

„Ich bin Inspektor Südermann vom Dezernat 1, Mordkommission.“ Horst wies sich aus. „Dürfte ich wohl reinkommen? Ich hätte ein paar Fragen an Sie.“

Das Auge wurde größer.

„Mord ...“

„... kommission. Ganz recht.“

„Wieso Mordkommission? Wer wurde denn umgebracht?“

„Ich sag‘s Ihnen gleich.“

„Sind Sie auch wirklich von der Polizei?“

„Möchten Sie meinen Ausweis noch mal sehen?“

„Ausweise kann man fälschen.“

„Meiner ist echt.“

„Wer kann das wissen?“

„Also, nun hören Sie mal ...“

Das Guckloch flog zu. Horst wollte sich schon zu einer ungehaltenen Äußerung hinreißen lassen, da wurde ihm die Tür aufgetan.

Frau Müller war so attraktiv wie der junge Stamm einer Birke. Sie hatte keinen Busen, keine Taille, keine Hüften. Sie bestand nur aus einem Kopf mit brandroten Haaren, großen, grünen Augen, die den Inspektor unruhig musterten, und einem riesigen, zu rot geschminkten Mund, den sie vermutlich mehr zum Keifen als zum Essen brauchte.

Horst sah es als Vertrauensvorschuss an, dass sie ihn in ihre Wohnung ließ.

Der Inspektor nannte mit wenigen Worten den Grund seines Kommens.

Frau Müllers bleiche Haut wurde weiß.

„Herr Ludwigsen ist tot?“, presste sie erschrocken hervor. „Der Wagen, den mein Mann hätte fahren sollen, wurde in die Luft gesprengt? O Gott! Sollte das meinem Mann – aber nein, das gibt‘s ja nicht ...“

„Wo ist Ihr Mann, Frau Müller?“, wollte Horst wissen.

„Der Hausarzt hat veranlasst, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Da hat man ihm sofort den Magen ausgepumpt. Es geht ihm schon wieder einigermaßen.“

„Womit hat er sich den Magen verdorben?“

„Es muss die Milch gewesen sein. Er trinkt morgens immer nur einen Becher warme Milch. Er isst nichts, mag weder Kakao noch Kaffee – immer nur Milch.“

„Woher kommt die Milch, Frau Müller?“

„Na, von der Kuh.“

„Daran will ich nicht zweifeln. Vielleicht hätte ich besser gefragt, wo Sie die Milch beziehen.“

„In Flaschen.“

„Und wer bringt die?“

„Ein Junge vom Nachbarhaus. Er stellt sie uns vor die Tür.“

„Und da stehen die Flaschen dann, bis Sie sie in die Wohnung nehmen.“

„Ja, das tun sie.“

„Und heute wurde Ihrem Mann nach dem Genuss dieser Milch ganz plötzlich übel.“

„Schon nach wenigen Minuten“, bestätigte sie.

„Kam Ihnen schon der Gedanke, dass sich jemand an Ihrer Milch zu schaffen gemacht haben könnte?“

Die rothaarige Frau stieß einen erschrockenen Laut aus, der zwischen Schrei und Seufzer lag.

„Ach, du Schreck!“, blaffte sie. „Aber die Flaschen trugen doch noch ihre originalen Verschlusskappen. Diese silbrigen Dinger!“

„Die kann man spielend mit einer Injektionsnadel durchstechen“, versetzte der Inspektor. „Das fällt keinem Menschen auf.“

„Das bedeutet also, dass jemand meinen Mann vergiftet hat.“

„Sie sagen es, Frau Müller.“

Die Frau lehnte sich an den Herd, verbrannte sich das Gesäß und schnellte verwirrt nach vorn.

„Haben Sie auch von der Milch getrunken?“, erkundigte sich Horst.

„Nein. Ich trinke meinen Kaffee immer schwarz.“

„Wo bewahren Sie die Milch auf?“

„Im Kühlschrank.“

„Ich werde sie in unserem Labor untersuchen lassen.“

Frau Müller fuhr sich an den Hals und mühte sich ab, den würgenden Kloß zu schlucken, der in ihrer Kehle steckte.

„Heiliger Strohsack, Inspektor! Wenn ich nun heute ausnahmsweise Milch in meinen Kaffee getan hätte, dann läge ich jetzt neben Frank im Hospital.“ Verstört holte sie die beiden Flaschen. Horst ließ sich von der Frau eine Plastiktüte geben. Hinterher verlieh er der Überzeugung Ausdruck, dass sie nun nichts mehr zu befürchten hätte. Die Verbrecher hätten erreicht, was sie vorgehabt hatten. Ein zweiter Giftanschlag hätte keinen Sinn.

Geld schützt vor dem Tod Berlin 1968 Kriminalroman Band 44

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