Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 93

Оглавление

11


Der Abend brach herein.

Der Mond schien mit seinem silbrigen Licht auf das kleine Dorf herab. Noch hatten die Bewohner keine Ahnung, was auf sie zukam. Man lachte unbeschwert in der Dorfkneipe, man gab sich seinen allabendlichen Beschäftigungen hin, war sorglos und unbekümmert.

Doch das Unheil hatte bereits seinen Lauf genommen. Es hatte bereits ein Opfer gefordert; den Weinhändler Van Hall.

Und viele Opfer sollten diesem ersten nach dem Willen der grausamen Hexen noch folgen.

Ein wenig außerhalb des Dorfes lag das Sägewerk von Ross Kane. Mächtige Bretterstapel türmten sich auf dem riesigen Lagerplatz auf.

Ross Kane wohnte hier draußen. Sein Haus stand am Rande des Lagerplatzes.

Ein wenig einsam und abgeschieden. Nur fünf Minuten waren zu gehen, wenn man den Friedhof aufsuchen wollte. Kane machte die Nähe des Friedhofs nichts aus. Er war ein Mensch, der gern zurückgezogen lebte. Mit Leuten hatte er nur beruflich, aber nicht privat zu tun. Er lud niemals jemanden in sein Haus ein und kapselte sich von allem ab, was nicht untrennbar mit seinem Geschäft verbunden war.

Kane saß in seinem geräumigen Wohnzimmer.

Die walnussgetäfelten Wände waren mit Fotografien von Bäumen und Wäldern behängt.

Kane war ein grober Klotz, der über Bärenkräfte verfügte. Seine Bewegungen wirkten schwerfällig und linkisch. Er war überdurchschnittlich groß, hatte kalte Augen und einen brutal geformten Mund.

Nun erhob er sich, um ans Fenster zu gehen.

Er schlug den Vorhang zur Seite. Das Mondlicht wirkte kalt. Er fröstelte und ärgerte sich darüber. Grimmig zog er an seiner Zigarette.

Da fiel ihm auf, dass in der Sägehalle noch Licht brannte. Er schüttelte verständnislos den Kopf.

Wieso brannte dort drüben Licht? Er hatte doch selbst alle Lampen ausgeschaltet. Hatte er einen Schalter übersehen? Hätte ihm die brennende Lampe nicht auffallen müssen?

Ärgerlich verließ er das Haus.

Der Abend war kühl. Er legte sich wie ein kalter Ring um den Hals des Sägewerksbesitzers. Ross Kane hob die Schultern hoch und zog den Kopf ein, während er die Fäuste in die Taschen stemmte.

So marschierte er durch die Holzstapelstraßen auf den lang gezogenen Bau der Sägehalle zu. Seine Schuhe erzeugten knirschende Geräusche.

Irgendwo bellte ein Hund. Ein zweiter begann jämmerlich zu jaulen. Ein Wispern, Flüstern und Raunen geisterte über den finsteren Lagerplatz.

Ross Kane schritt furchtlos durch die Dunkelheit. Er erreichte die Tür der Halle. Sie war abgeschlossen. Kane holte den Schlüsselbund hervor, den er immer bei sich trug, und schloss auf.

Verwundert trat er in eine finstere Halle.

»Na, so was!«, sagte er zu sich selbst.

Wieso brannte plötzlich kein Licht mehr? Er hatte das Licht doch vom Fenster seines Hauses aus gesehen. Es hatte gebrannt, bis er die Tür erreicht hatte. Und nun? Wer hatte es abgedreht?

»He! Ist da jemand?«, schrie Ross Kane mit kräftiger Stimme in die Halle hinein.

»... mand ... mand«, kam das Echo zurück.

Kane machte Licht. Er ballte die Fäuste. Eigentlich kam ihm nicht der Gedanke an einen Einbrecher, denn in der Sägehalle gab es kaum etwas zu stehlen. Die schwere Maschinen konnte keiner fortschleppen. Und Holz befand sich auf dem Lagerplatz wesentlich mehr als hier drinnen.

Nein, Einbrecher kamen nicht hierher. Vielleicht hatte ein Penner irgendwo eine Scheibe eingeschlagen, um die Nacht hier drinnen zu verbringen.

Ross Kane presste die Zähne zornig zusammen. Dem Knaben würde er es zeigen.

Der Sägewerksbesitzer begann seinen Rundgang. Er kontrollierte jedes einzelne Fenster.

Als er schon fast das Ende der Halle erreicht hatte, hörte er einen schrillen Pfiff, der einem durch Mark und Bein ging.

Ein Alarmsignal?

Kane wandte sich augenblicklich in die Richtung, aus der der Pfiff gekommen war. Seine Backenmuskeln spannten sich. Seine Lippen wurden schmal wie Messerklingen.

»Na, warte!«, knurrte Kane. Dann stampfte er mit schnellen Schritten auf den Holzstapel zu, hinter dem sich seiner Meinung nach die Person befand, die diesen schrillen Pfiff ausgestoßen hatte.

Plötzlich blieb er verwirrt stehen.

Er hörte, wie jemand am Holz nagte.

Laut. Knirschend.

Ratten?

Ärgerlich ging Ross Kane weiter. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass ihm die Ratten das ganze Holz anfraßen.

Wild kam er um den Stapel herum. Da sah er sie. Sieben Ratten, von einer Größe, die unglaublich war. Alle sieben Tiere hatten ihm die spitzen Schnauzen zugewandt und schauten ihn mit ihren furchterregenden Augen an. Ihre langen Nagezähne schienen nach seinem Fleisch zu lechzen.

»Haut ab, ihr verdammten Biester!«, knurrte Ross Kane wütend.

Als die Nager auf ihren Plätzen verharrten, klatschte Kane laut in die Hände und machte »Gscht! Gscht! Gscht!«

Doch die Tiere ließen sich nicht verjagen.

Im Gegenteil. Sie näherten sich ihm nun. Lauernd wie es schien.

Kane suchte nach einem Gegenstand, mit dem er die Tiere vertreiben konnte.

Bevor er jedoch nach der Latte greifen konnte, die ihm dafür geeignet schien, sprang ihn die erste Ratte quietschend an.

Sie kam heran geflogen. Ihre scharfen Nagezähne blitzten im Licht. Sie hatte das hässliche Maul aufgerissen und wollte die Zähne in Kanes Körper schlagen.

Der Sägewerksbesitzer federte zurück, fing das Tier mit den Händen ab und schleuderte es keuchend durch den Saal.

Die Ratte überschlug sich mehrmals, als sie auf den Boden krachte, wirbelte herum und kam mit weiten Sätzen zurückgesprungen.

Die nächste Ratte biss Kane ins Bein.

Er presste die Zähne aufeinander und schüttelte das bissige Biest blitzschnell ab. Zwei Nager kickte er kraftvoll zur Seite. Ihre großen Leiber klatschten gegen die Wand, fielen zu Boden, zeigten aber keinerlei Verletzungen. Sie schienen unverwundbar zu sein, diese dunkelgrauen, fast schwarzen Bestien.

Quietschend und pfeifend fielen sie nun von allen Seiten über Kane her. Er schlug mit den Fäusten nach ihnen, trat aus, packte die schwere Latte und drosch damit auf die ekelhaften Tierleiber ein, die immer wieder zurückkamen. Kane hatte das Gefühl, nicht mit sieben, sondern mit siebzig Ratten zu kämpfen, so schnell griffen sie an.

Ihre Bisse waren schmerzhaft. Immer wilder wurden ihre Angriffe. Ihre Schnauzen waren voll Blut. Sie versuchten, Kane an den Hals zu springen. Sie wollten ihm die Halsschlagader durchbeißen. Während sie ihn zu sechst von vorne angriffen, schnellte die siebente Ratte hinten an ihm hoch und schlug ihm ihre langen Zähne in den Nacken.

Kane stieß einen wahnsinnigen Schrei aus. Ein irrer Schmerz durchraste sein Rückgrat. Dazu kam ein lähmender Schock.

Verzweifelt und angeekelt fasste Ross Kane nach hinten. Er erwischte den zuckenden Tierleib und wollte sich von ihm befreien, doch das Nagetier hatte sich tief in seinen Nacken verbissen, ließ sich weder fortreißen noch abschütteln.

Bestürzt wirbelte Kane nun herum.

Schnaufend hetzte er durch die Halle.

Die Ratten sprangen mit federnden Sätzen hinter ihm her. Immer wieder quietschten und pfiffen sie schrill. In panischer Angst stürmte der Sägewerksbesitzer aus der Halle.

Die Ratte, die sich in seinem Nacken verbissen hatte, baumelte hin und her.

Der Schmerz machte Kane fast wahnsinnig.

Fürchterliche Angst trieb ihn zu seinem Haus zurück. Die Nagetiere bissen ihn immer wieder in die Beine. Er begann zu humpeln, blieb aber nicht stehen, denn er spürte instinktiv, dass das den sicheren Tod bedeutet hätte.

Atemlos erreichte er sein Haus.

Er stürmte hinein, schleuderte die Tür hinter sich zu und drehte blitzschnell den Schlüssel herum. Damit waren die Verfolger ausgesperrt.

Keuchend lief Kane zum Spiegel, der in der Diele an der Wand hing. Entsetzt starrte er auf das blutbesudelte Tier, das seine scharfen Zähne in seinen Nacken geschlagen hatte. Wieder fasste er danach. Er zerrte es hin und her, drehte es herum.

Die Zähne lösten sich.

Blut schoss aus der tiefen Wunde. Bestürzt schleuderte Kane das Nagetier zu Boden. Er trampelte schweißüberströmt darauf herum, bis es sich nicht mehr rührte.

Inzwischen schnellten draußen die sechs anderen Ratten an der Tür hoch.

Kane hörte sie das Holz annagen. Es war offensichtlich, was sie vorhatten. Sie wollten ein Loch in die Tür reißen und in das Haus eindringen.

Er wusste, dass er dann verloren war.

Schnell lief er ins Wohnzimmer. Die Aufregung machte ihn schwindlig. Um ihn herum drehte sich alles. Seine Kleider waren von seinem Blut voll durchtränkt. Wohin er sah, gab es Verletzungen an seinem Körper.

Die siebente Ratte griff ihn nun erneut an. Er war darüber zu Tode entsetzt, denn er hatte geglaubt, sie getötet zu haben. Er konnte nicht begreifen, dass sie immer noch lebte.

Sie biss ihn in den Arm und sprang ihm ins Gesicht. Bestürzt schüttelte er sie ab.

Er hastete zum Telefon. Hilfe! Er brauchte dringend Hilfe. Wenn die anderen bissigen Bestien erst mal die Tür durchgenagt hatten, war er erledigt.

Zitternd wählte er die einzige Nummer, die ihm in diesem furchtbaren Augenblick in den Sinn kam.

Es war die Nummer des Bürgermeisters.

11 fantastische Horror-Romane zum Fest

Подняться наверх