Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 94
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Carter Rayser hieß der Bürgermeister.
Er war ein schwerer Mann mit einem ansehnlichen Bauch, mit einem gewaltigen Doppelkinn und einer mächtigen Knollennase. Im Dorf gingen die Meinungen über ihn stark auseinander. Während die einen ihn schätzten und verehrten, konnten die anderen ihn nicht riechen und verachteten ihn.
Doch Carter Raysers Haut war dick genug, um ihn über solche Kleinigkeiten einfach hinweggehen zu lassen. Er gab sich so, als wäre er überall gleich gern gesehen, behandelte Freund und Feind mit derselben überschwänglichen Höflichkeit, hinter der jedoch nicht die geringste Herzlichkeit steckte. Rayser war ein schlampiger, oberflächlicher Mann, der viel von Essen und Trinken hielt, dem die Arbeit jedoch nur ein lästiges, aber leider notwendiges Übel zu sein schien und der für seine Wähler nur dann da war, wenn ihm das garantiert die Wiederwahl sicherte.
Er war zu Hause, saß in seinem Arbeitszimmer an seinem klobigen Schreibtisch und hatte das Telefon abgeschaltet, um sich seinem Besuch besser widmen zu können. Wenn Anrufe kommen sollten, würde sie Raysers Frau Dawn draußen im Wohnzimmer entgegennehmen.
»Sieh mal, Vincent, ich kann dir wirklich nicht helfen«, sagte Rayser in diesem Augenblick. Er legte die kurzen Hände auf den dicken Bauch und gab sich den Anschein, als wäre er so etwas wie ein Heiliger.
Vincent Walsh, ein dünner Mann mit fahlen, eingefallenen Wangen, seufzte.
»Hör mal, Carter, die Gemeinde kann doch nicht einfach von mir verlangen, dass ich mein Haus wieder niederreiße. Jetzt, wo ich endlich damit fertig bin. Hast du schon mal ein Haus gebaut?«
»Nein.«
»Na eben.«
»Was – na eben?«
»Mensch, weißt du, was das für eine Hundsschufterei ist? Zehn Jahre von meinem Leben hat mich der Bau dieses Hauses gekostet.«
»Niemand hat dich gezwungen, zu bauen, Vincent. Du hättest in deiner Wohnung bleiben können.«
»Ja. Das sieht dir ähnlich, Carter. Du selbst sitzt in einem schicken, großen Haus. Aber unsereiner soll in einem kleinen, miesen feuchten Loch wohnen, wie?«
»Bleib sachlich, Vincent!«, knurrte der Bürgermeister und blickte verstohlen auf seine Uhr. Zehn Minuten wollte er sich den Quatsch noch anhören. Dann wollte er Vincent Walsh mit ein paar Phrasen hinauskomplimentieren.
»Ich bin sachlich, verdammt noch mal. Ich habe jede freie Minute an meinem Haus gebaut, und nun, wo es fertig ist, kommt ihr mir damit, dass der Bau nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.«
»Du hättest dir einen Architekten nehmen sollen.«
»Konnte ich mir doch nicht leisten.«
»Wer es sich nicht leisten kann, soll nicht bauen.«
»Ich war mit den Plänen bei euch. Da war alles in Ordnung.«
»Verdammt noch mal, ich habe die Pläne nicht begutachtet. Außerdem hast du dich nicht an die Pläne gehalten, vergiss das nicht, Vincent. Glaube mir, wir alle wollen nur dein Bestes. Das Haus würde dir eines Tages auf den Kopf fallen, wenn wir dich darin wohnen lassen würden. Das wollen wir verständlicherweise nicht. Wir sind dazu da, die Leute vor solchen Missgeschicken zu bewahren.«
»Ich habe den Eindruck, ihr seid nur dazu da, um die Leute zu ruinieren!«, schrie Vincent Walsh aufgeregt.
»Jetzt reicht es aber, Vincent!«, schrie der Bürgermeister zurück. »Das Haus entspricht nicht den Vorschriften, und damit basta!«
Es klopfte an der Tür.
»Ja!«, schrie Carter Rayser gereizt.
Die Tür öffnete sich. Der grauhaarige Kopf von Raysers Frau erschien.
»Was ist denn? Ich habe doch ausdrücklich gesagt, dass ich nicht gestört werden will!«
Dawn Rayser trat mit einem hilflosen Achselzucken ein.
»Da ist ein Anruf für dich.«
»Wer?«
»Ross Kane.«
»Was will er?«
»Er ist völlig verstört. Ich konnte nicht verstehen, was er sagt. Ich glaube, es ist sehr dringend.«
Der fette Bürgermeister schüttelte unwillig den Kopf.
»Ich bin jetzt in einer wichtigen Besprechung. Er soll morgen noch mal anrufen, sag ihm das. Und jetzt mach die Tür wieder von draußen zu, ja?«
Dawn Rayser nickte ergeben, wandte sich um und verließ das Arbeitszimmer ihres Mannes schnell wieder. Die Tür schloss sie lautlos, um ihren Mann nicht noch mehr zu verärgern. Türen, die zugeschlagen wurden, reizten ihn entsetzlich.
Sie begab sich zum Telefon.
»Hallo, Mr. Kane!«
Nichts.
»Mr. Kane!«
Ross Kane meldete sich nicht. »Na, so etwas!«, sagte Dawn Rayser kopfschüttelnd und legte auf.