Читать книгу Magnus Carlsen. Das unerwartete Schachgenie - Aage G. Sivertsen - Страница 15
Ist Spielstärke altersabhängig?
ОглавлениеEin Comeback als Siebenundvierzigjähriger auf dem Fußballplatz, auf Skiern oder in der Leichtathletik ist unmöglich. Schach ist daher etwas Besonderes. Simen Agdesteins Karriere beweist zwei Dinge. Zum einen ist es möglich, sich auch mit siebenundvierzig Jahren noch mit der Weltelite zu messen. Und zum anderen ist ein Comeback auch dann denkbar, wenn man fast zwanzig Jahre nicht mehr auf höchstem Niveau gespielt hat. Als Schachlehrer und Leiter der Schachklasse auf dem Sportgymnasium NTG stand er natürlich im täglichen Training, dennoch ist es erstaunlich, dass er sich der Weltelite als ebenbürtiger Gegner erwies.
Als Vishy Anand in Chennai den Weltmeistertitel verteidigen musste beziehungsweise in Sotschi versuchte, ihn zurückzugewinnen, waren die meisten Beobachter der Meinung, dass Magnus Carlsen wegen seines deutlich niedrigeren Alters klar im Vorteil wäre. Ist jemand jedoch in einer so guten physischen Verfassung wie Anand, ist es keineswegs sicher, dass das Alter von so großer Bedeutung ist. Die meisten Schachweltmeister waren relativ jung, doch es gibt genügend Beispiele von Spielern, die auch noch im Alter zur Weltelite gehörten.
Aus der jüngeren Vergangenheit sind Wassili Smyslow und Viktor Kortschnoi zwei gute Beispiele. Mit dreiundsechzig Jahren gelang es Smyslow 1984, bis ins Finale des Kandidatenturniers vorzudringen, dann jedoch verlor er mit 4,5:8,5 gegen Kasparow. Der russische Autor, Psychologe und Schachspieler, GM Nikolai Krogius, untersuchte zweiunddreißig Spieler der Weltspitze aus dem Zeitraum von 1881 bis 1967. Er fand heraus, dass ein Schachspieler durchschnittlich im Alter von fünfunddreißig Jahren die besten Resultate erzielt. Mit siebenundvierzig Jahren kommt es bei den meisten Spielern zu deutlich schwächeren Ergebnissen. Laut Krogius war es durchaus möglich, die Weltspitze zu erreichen, auch wenn man nicht schon in sehr jungen Jahren mit dem Schach angefangen hatte.
Er verwies auf eine Gruppe von zehn Spitzenspielern, darunter die Weltmeister Lasker und Botwinnik. Im Durchschnitt begannen sie mit 14,3 Jahren Schach zu spielen. Der russische Schachmeister Michail Tschigorin begann mit sechzehn Jahren, Lasker und Botwinnik waren zwölf Jahre alt.
In einer anderen Gruppe von zehn Topspielern, in der weitere Weltmeister vertreten waren, lag das durchschnittliche Einstiegsalter bei sechs Jahren und vier Monaten. Hier findet man Nimzowitsch, der mit acht Jahren begann, Capablanca, der vier Jahre alt war; Aljechin begann mit sieben und Euwe mit fünf Jahren. Bei Krogius’ Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Schachkarriere von Spielern, die sehr früh angefangen hatten, länger dauerte.11
Diese Zahlen wären niedriger, würde man eine entsprechende Untersuchung mit aktiven Spielern von heute durchführen. Es besteht kein Zweifel, dass die aktuellen Spitzenspieler bei ihren Anfängen als Schachspieler im Durchschnitt jünger waren als ihre Vorgänger.
Die heutigen Vertreter der absoluten Weltspitze begannen fast alle, sehr früh Schach zu spielen, meist im Alter von fünf oder sechs Jahren. Heute ist es quasi undenkbar, dass jemand, der erst mit dreizehn oder vierzehn Jahren beginnt, noch die Weltspitze erreichen kann. Es ist wesentlich leichter geworden, Schachprogramme und wichtige Informationen über das Spiel zu bekommen. Daher ist die Möglichkeit, unter die zehn weltbesten Spieler zu kommen, verschwindend gering, wenn man zu spät beginnt. Und doch gibt es weit mehr Ausnahmen beim Schach als in den meisten anderen Sportarten.