Читать книгу Schuldig - Aaron Holzner - Страница 12
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ОглавлениеBei der angegebenen Adresse standen Lea und Rene vor einem Hochhaus. Rene ging die Klingelschilder auf der Suche nach Herrn Stubnick durch. Schließlich fand er den Namen und klingelte. Eine Zeit lang passierte gar nichts, er wartete, dass eine Stimme durch die Gegensprechanlage tönen würde, aber es blieb still. Möglicherweise war Herr Stubnick nicht zu Hause oder die Anlage kaputt, was beim allgemeinen Zustand des Hauses gut möglich war. Nach einiger Zeit ging doch noch der Türsummer.
Herr Stubnick wohnte im siebten Stock. Lea deutete auf den Fahrstuhl und sagte mit einem Lächeln: „Oder brauchst du noch eine zusätzliche Sporteinheit und möchtest die Treppe nehmen?“
„Ich würde ja gerne ein kleines Duell mit dir starten, aber wir sollten Herrn Stubnick nicht so lange warten lassen.“
Der Fahrstuhl kam, und als sich die Türen geschlossen hatten, rümpfte Rene die Nase.
„Was ist das für ein Gestank?“
„Ich habe da so meine Vorstellungen. Aber ich erspare dir die Details“, sagte Lea.
„Was veranstalten die hier drin?“
„Es ist halt ein Haus mit vielen Parteien. Und das Gebäude könnte mal wieder einen frischen Anstrich vertragen.“
„Ich glaube, der reicht da nicht. Eine Kernsanierung würde besser sein.“
Die Fahrstuhlanzeige zeigte eine Sieben an, und Lea sagte noch schnell: „Das Duell hätte ich gewonnen. Das ist dir klar, oder?“
Rene konnte nichts erwidern, da die Türen sich schon geöffnet hatten und sie schon von Herrn Stubnick erwartet wurden. Ein Mann in zerschlissenen Jeans und dreckigem T-Shirt stand im Flur.
„Ich musste doch mal gucken, wer etwas von mir will, hatte nämlich keinen Besuch erwartet. Und diese Scheiß-Gegensprechanlage ist schon wieder kaputt.“
„Herr Stubnick?“, erkundigte sich Rene.
„Ja, Sie haben doch bei mir geklingelt, oder nicht?“
„Doch, das ist richtig. Mein Name ist Rene Kettler, das ist meine Kollegin Lea Burckhardt. Wir sind von der Mordkommission.“
„Und was wollen Sie von mir?“
„Das würden wir ungern auf dem Flur klären.“ Rene schaute sich um, als könne jeden Moment eine der anderen Türen aufgehen.
„Dann kommen Sie halt rein. Aber seien Sie gewarnt, ich habe nicht aufgeräumt.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, wir sehen in unserem Job so einiges, da wird uns eine dreckige Wohnung nicht erschrecken.“
Trotz seiner Worte schüttelte Rene ganz leicht den Kopf, als er mit Lea die Wohnung betrat. Überall standen Pappkartons rum, und es roch nach Müll, weshalb Rene vermutete, dass auch noch andere Dinge rumlagen.
Herr Stubnick führte sie ins Wohnzimmer, wo noch eine angefangene Pizza auf einem Teller lag und eine Flasche Bier auf dem Tisch stand.
„Sind Sie gerade am Umziehen?“, fragte Lea.
Herr Stubnick erwiderte: „Sie meinen, wegen der vielen Kartons? Wie gesagt, ich habe nicht aufgeräumt, will das aber in den nächsten Tagen nachholen.“
„Wie ich sehe, haben Sie sich einen neuen Fernseher gekauft“, sagte Rene.
„Was geht Sie denn mein Fernseher an und warum denken Sie, dass der neu ist?“
„Ich habe gehört, dass es damit Probleme gab.“
„Sie scheinen sich ja ziemlich gut über mich informiert zu haben.“
„Das machen wir immer, bevor wir jemanden befragen.“
„Schön, dass die Schadensregulierung hier war, fand ich schon übertrieben. Aber was geht der Fall die Mordkommission an. Was wollen Sie von mir?“
„Wir ermitteln in dem Fall Christina Müller.“
Bisher hatten sie die Befragung im Stehen geführt. Jetzt setzte sich Herr Stubnick auf einen Sessel und nahm erst einmal einen Schluck aus der Bierflasche. „Und wer soll das sein?“ Nach einer kurzen Pause meinte er: „Wenn Sie sich auch setzen wollen, können Sie sich gerne einen Platz suchen.“
Rene schaute sich in dem zugemüllten Raum um und entgegnete: „Wir bleiben lieben stehen.“
„Wie Sie wollen. Was habe ich jetzt mit dieser Frau, wie sagten Sie, Müller, zu tun?“
„Sie haben in letzter Zeit ziemlich oft mit ihr telefoniert, da müssten Sie ihren Namen inzwischen kennen“, sagte Lea.
„Was soll ich? Davon wüsste ich aber.“
„Die Sachbearbeiterin bei der Versicherung im Falle Ihres Fernsehers“, half Rene Herrn Stubnick auf die Sprünge.
„Ach die Tusse, die mein Geld nicht rausrücken will. So heißt die? Ja, das könnte sein. Ich habe dort tatsächlich einige Male angerufen, hat aber nichts gebracht. Auf mein Geld warte ich immer noch.“
„Für einen neuen Fernseher hat es scheinbar gereicht.“
„Mein Bruder hat mir was geborgt. Und was ist nun mit dieser Frau Müller? Ist ihr was zugestoßen?“
„Sie ist gestern Morgen tot aufgefunden worden“, erklärte Lea.
„Dann muss ich jetzt wahrscheinlich noch länger auf mein Geld warten.“
Rene meinte: „Ihr Tod lässt sie ja ziemlich kalt.“
„Soll ich jetzt heulen? Ich habe mit der Frau überhaupt nichts zu tun, außer dass sie meine Sachbearbeiterin in einem Versicherungsfall war. Ich konnte mir ja nicht einmal ihren Namen merken. Sie werden doch jetzt unmöglich alle Kunden von ihr aufsuchen. Also warum sind Sie hier? Weil ich in so einem Drecksloch wohne oder weil ich mir einen neuen Fernseher gekauft habe?“
Rene hielt kurz Augenkontakt mit Lea und erklärte dann: „Ihre Wohnverhältnisse spielen dabei keinerlei Rolle. Sie waren der Einzige, dem das Geld nicht ausgezahlt wurde und der Frau Müller danach mit Anrufen terrorisiert hat.“
„Terrorisiert? Ich habe mich nur erkundigt, wann ich endlich mein mir zustehendes Geld erhalte. Ich bin vielleicht nicht der freundlichste Zeitgenosse, das gebe ich ja zu. Aber mein Bruder will sein Geld auch irgendwann zurückhaben.“
„Sie haben Frau Müller nicht zufällig dafür verantwortlich gemacht, dass Ihnen die Schadensregulierung auf den Hals gehetzt wurde?“
„Nein, habe ich nicht. Doch auf den Hals gehetzt trifft es wirklich. Wie Sie sehen, werde ich nicht gerade vom Glück verfolgt, und da gehen halt bei mir manches Mal elektronische Geräte kaputt. Frau Müller wird sicher auch ihre Vorgesetzten haben, aber an wen hätte ich mich denn wenden sollen?“
„Vielleicht wollten Sie Ihr Schicksal mal selbst in die Hand nehmen.“
„Wie ich das sehe, wird sich nun erst einmal ein neuer Sachbearbeiter in meinen Fall einarbeiten müssen, ihr Tod bringt mir also nichts.“
„Sie haben Frau Müller zufällig bei Facebook gefunden, haben ihre Berufsangabe gesehen und eins und eins zusammengezählt. Dann sind Sie ihr über den Weg gelaufen. Ihre Wut hat sich auf die Frau entladen, und da haben Sie zugestochen.“
Herr Stubnick sprang entsetzt auf: „Glauben Sie, ich laufe mit einem Messer in der Tasche rum? Die Frau ist mir völlig egal, ich will nur mein Geld.“
„Warum haben Sie aufgehört, Frau Müller anzurufen?“, wollte Lea wissen.
„Weil es ja doch nichts gebracht hat. Sie hat mich immer wieder vertröstet, dass erst der Fall bei der Schadensregulierung abgeschlossen sein müsste. Eine so hohe Telefonrechnung kann ich mir nicht leisten. Das Arbeitslosengeld ist heutzutage auch nicht mehr so doll.“
Rene schaute sich noch einmal in dem Raum um, der zwar voller Müll war, aber in dem auch einige Elektroartikel standen. „So schlecht scheinen Sie es nicht zu haben. Aber ich weiß, das Geld haben Sie von Ihrem Bruder.“
„Das kann Ihnen auch gleichgültig sein.“
„Natürlich, so gleichgültig, wie Ihnen Frau Müller ist. Momentan haben wir keine weiteren Fragen. Vielen Dank für Ihre Zeit.“
Herr Stubnick gab keine Antwort, sodass Rene sagte: „Danke, wir finden alleine raus.“
Zurück im Fahrstuhl fragte Lea knapp: „Hehlerei?“
Rene antwortete: „Gut möglich. Da sollen sich die Kollegen drum kümmern. Ich denke, mit dem Mord hat er nichts zu tun.“
In dem Moment klingelte sein Telefon.
Als Rene aufgelegt hatte, wandte er sich an Lea: „Die Eltern sind eingetroffen.“