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1. Unterscheidung zwischen Vertretung und Vertretungsmacht

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Aus der Unvollständigkeit des § 164 Abs. 1 S. 1 und der im Gutachten notwendigen Zusammenschau mit anderen Regeln sind wichtige Rückschlüsse für den Aufbau zu ziehen.

Zunächst ist bei der jeweiligen Willenserklärung zu prüfen, ob überhaupt ein Rechtsgeschäft mit Beteiligung eines Vertreters vorliegt. Die Vertretungsmacht spielt dabei noch keine Rolle. Erst auf der weiteren Ebene der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist der Frage nachzugehen, ob der handelnde Vertreter über die erforderliche Vertretungsmacht verfügte.

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Für den Vertragsschluss folgt dies aus §§ 177, 178, der § 164 ergänzt. Das Gesetz bringt in § 177 Abs. 1 zum Ausdruck, dass ein Vertrag sogar durch das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters geschlossen werden kann, und zwar zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner. Der Vertrag ist dann allerdings noch nicht wirksam, sondern bedarf gem. § 177 Abs. 1 zu seiner Wirksamkeit noch der Genehmigung des Vertretenen. Das ist auch unmittelbar einsichtig, da es der Privatautonomie widerspricht, wenn man unbefugt Verträge mit unmittelbarer Wirkung für und gegen Dritte schließen könnte. Aber: Der Vertrag ist auch bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht bereits als äußerlicher Regelungstatbestand zwischen dem Vertretenen (nicht Vertreter!) und dem anderen Geschäftspartner zustande gekommen. Der Vertretene – und nicht die Person des Vertreters – stehen nach dem Inhalt der Vereinbarung als Vertragspartner fest. Nur weil der Vertrag bereits derart zustande gekommen ist, kann „der Vertrag“ – und damit die in der Vereinbarung getroffenen Regelungen – Gegenstand einer rückwirkenden Genehmigung i.S.d. §§ 177, 182, 184 sein. Deshalb scheitern weder Abgabe noch Zugang von Angebot und Annahmeerklärung daran, dass ein eingeschalteter Vertreter keine Vertretungsmacht hat.[11] Der BGH hat das einmal sehr anschaulich am Beispiel eines mündlichen Vertragsschlusses durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht wie folgt formuliert (Hervorhebungen nur hier)[12]:

„Auch das einem vollmachtlosen Vertreter mündlich oder fernmündlich unterbreitete Angebot ist unter Anwesenden abgegeben. Für die Abgabe unter Anwesenden ist entscheidend, dass das Angebot an jemanden gerichtet ist, der es vernehmen und – entsprechend dem Erfordernis des § 147 Abs. 1 S. 1 BGB – sofort annehmen kann. Nicht anders als der berechtigte vernimmt auch der vollmachtlose Vertreter das Angebot und kann sogleich die Annahme erklären. Der Vertrag ist damit geschlossen. Beim Abschluß durch einen vollmachtlosen Vertreter ist er allerdings bis zur Genehmigung durch den Vertretenen schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Verweigert dieser die Genehmigung, ist die Unwirksamkeit endgültig. Die Genehmigung des Vertrages gehört jedoch – wie insbesondere § 182 Abs. 2 BGB zeigt – nicht mehr zum Tatbestand des Abschlusses, setzt diesen vielmehr voraus. Ein noch nicht abgeschlossener Vertrag könnte nicht genehmigt werden. Wäre bei Einschaltung eines vollmachtlosen Vertreters die Offerte stets an den (abwesenden) Vertretenen und nicht an den (anwesenden) Vertreter gerichtet, würde § 177 Abs. 1 BGB nur für den Fall der Aktivvertretung gelten. Eine derartige Einschränkung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Sie wäre auch mit den Bedürfnissen der Praxis nicht zu vereinbaren. Könnte der (abwesende) Vertretene den (durch die Annahmeerklärung des vollmachtlosen Vertreters abgeschlossenen) Vertrag nicht durch formlose (vgl. BGHZ 125, 218, 222 ff) Genehmigung in Kraft setzen, müßte er ihn vielmehr erst durch eine – von ihm selbst oder einem bevollmächtigten Vertreter abzugebende, unter Umständen formbedürftige – Annahmeerklärung zustande bringen, würde das Verfahren in vielen Fällen umständlicher, zeitaufwendiger und teurer. Allerdings geht mit dem Zugang der Willenserklärung bei dem vollmachtlosen Vertreter das Übermittlungsrisiko auf den Vertretenen über. Das ist indessen unbedenklich, weil es der Vertretene in der Hand hat, etwaigen Mißbräuchen dadurch den Boden zu entziehen, dass er die Genehmigung des Geschäfts verweigert.“

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Aus §§ 164, 177 Abs. 1 ergeben sich beim Vertragsschluss durch einen Vertreter folglich zwei alternative Wirksamkeitserfordernisse: Entweder verfügt der Vertreter über die erforderliche Vertretungsmacht. Dann wirkt der Vertragsschluss – so wie es § 164 Abs. 1 beschreibt – unmittelbar für und gegen den vertretenen Vertragspartner.[13] Verfügt der Vertreter jedoch nicht über ausreichende Vertretungsmacht, ist der Vertrag zwar geschlossen, er kann aber erst unter den Voraussetzungen der §§ 177, 178 durch die Genehmigung des Vertretenen wirksam werden (ausführlich unter Rn. 147 ff.).

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Beim einseitigen Rechtsgeschäft gibt es folgende Varianten: Der Vertreter nimmt das Rechtsgeschäft im fremden Namen vor (aktive Vertretung) oder ist an ihm nur als Empfangsvertreter beteiligt (passive Vertretung). Für beide Varianten gilt, dass das einseitige Rechtsgeschäft in Bezug auf den Vertretenen zustande kommt. Auch hier ist die Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts davon gedanklich zu trennen:

Verfügte der Vertreter über die erforderliche Vertretungsmacht wirkt das Rechtsgeschäft unmittelbar für und gegen die vertretene Person, sofern alle sonstigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit erfüllt sind.

Fehlt die erforderliche Vertretungsmacht, ist das Rechtsgeschäft nach § 180 S. 1 grundsätzlich nichtig. Ausnahmsweise kann es aber unter den Voraussetzungen des § 180 S. 2 und 3 schwebend unwirksam sein und entsprechend §§ 177, 178 durch Genehmigung wirksam werden (ausführlich unter Rn. 158 ff.).

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