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2. Aufbaufragen

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Ob ein Vertretergeschäft vorliegt, ob jemand also eine Willenserklärung „im Namen eines anderen“ (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1) abgeben hat, ist nach dem eben Gesagten zwingend bei der Bestimmung des Inhalts der Willenserklärung zu untersuchen. Ob jemand als Vertreter handelt, richtet sich nach dem erkennbaren Auftreten und ist im Zweifel durch Auslegung der Willenserklärung zu bestimmen. Mit diesem sogenannten „Offenkundigkeitsprinzip“ beschäftigen wir uns unter Rn. 22 ff.

Beim einseitigen Rechtsgeschäft, bei dem ein Vertreter nur als Empfangsvertreter beteiligt ist, wird die Offenkundigkeit zunächst beim Zugang der vom ihm entgegengenommenen Willenserklärung bearbeitet.

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Die Behandlung der Offenkundigkeit ist grundsätzlich von der Frage der Vertretungsmacht zu trennen. Denn die Vertretungsmacht betrifft ja die nachgelagerte Frage der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes (§ 177 Abs. 1 bzw. § 180!). Beim Vertragsschluss hat die Prüfung der Vertretungsmacht bereits bei dem Angebot bzw. der Annahme eines Vertreters also eigentlich nichts zu suchen. Entsprechendes gilt beim einseitigen Rechtsgeschäft eines Vertreters.

Trotzdem wird die Vertretungsmacht häufig bei der jeweiligen Willenserklärung des Vertreters mitgeprüft, indem die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 S. 1 einschließlich der Vertretungsmacht „am Stück heruntergebetet“ werden. Die kompakte Formulierung des § 164 Abs. 1 verleitet dazu. Dieser Ansatz hat insbesondere beim Vertragsschluss durch einen Vertreter so seine Tücken.[14] Denn meistens gelingt den Bearbeitern bei fehlender Vertretungsmacht der Übergang zu § 177 BGB nicht. Dieser setzt ja einen Vertragsschluss voraus. Und um den zu bejahen, muss man nicht nur die eine Willenserklärung des Vertreters, sondern sowohl Angebot als auch Annahme fertig geprüft haben.

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Es empfiehlt sich folgender Mittelweg:

Verfügt der Vertreter nach dem Sachverhalt unproblematisch über die für das Rechtsgeschäft erforderliche Vertretungsmacht, macht es wenig Sinn, hierauf in einem gesonderten Prüfungspunkt „Wirksamkeit“ einzugehen. Sie können dann bei der Vertretererklärung direkt alle Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 „am Stück“ prüfen und damit auch die Frage der Vertretungsmacht erledigen.

Im Falle des Vertragsschlusses durch einen Vertreter könnten Sie auch nach Prüfung der Einigung kurz darauf hinweisen, dass die Einigung keiner Genehmigung nach § 177 bedarf, da der bzw. die beteiligten Vertreter innerhalb der ihm/ihnen zustehenden Vertretungsmacht handelten und die Vertretungsmacht kurz begründen.

Besteht hingegen die Möglichkeit, dass die Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrages bzw. bei Vornahme des einseitigen Rechtsgeschäftes überschritten wurde oder sogar jegliche Vertretungsmacht fehlte, empfehle ich Ihnen dringend, das Thema Vertretungsmacht – so wie es § 177 bzw. § 180 vorschreibt – getrennt erst nach dem Vertragsschluss bzw. beim einseitigen Rechtsgeschäft nach der Willenserklärung als Wirksamkeitsfrage zu erörtern und auf diesen separaten Punkt am Anfang kurz hinzuweisen. Dazu folgendes

Beispiel

K erteilt dem S den Auftrag und die Vollmacht, in seinem Namen beim Händler V eine Waschmaschine für maximal 500 € zu erwerben. S erscheint bei V und legt seine Vertretung offen. V ist rhetorisch derart begabt, dass er den S für Maschinen eines höheren Preisniveaus begeistert. V bietet den Abschluss eines Vertrages über eine Maschine des Modells „LavoStar 999“ zu einem tatsächlich günstigen Sonderpreis von 700 € an. S meint, dass er sich dies noch überlegen und kurz Rücksprache mit K halten müsse. V sagt, er reserviere die Maschine für den Rest des Tages. S verlässt den Laden. Da S den K nicht erreichen kann, meldet er sich am selben Tag nicht mehr. Obwohl S mit K immer noch nicht gesprochen hat, teilt er dem V nach zwei Tagen durch Nachricht auf dessen Mailbox mit, er sei mit dessen Angebot einverstanden. S befürchtete, dass dem K das Schnäppchen sonst entgehen werde. K meldet sich endlich am folgenden Tag bei S. Er ist trotz des höheren Preises begeistert und stimmt dem Geschäft durch Erklärung gegenüber S zu. S meldet sich telefonisch bei V.

V lässt den S wissen, er habe mit seinem Anruf nicht mehr gerechnet und die Maschine anderweitig verkauft. Zu dem Sonderpreis könne er das Modell „LavoStar 999“nicht noch einmal anbieten.

Kann K von V trotzdem Übereignung und Übergabe einer Maschine des Modells „LavoStar 999“ zum Preis von 700 € verlangen?

Bei Wahl des hier vorgeschlagenen Lösungsansatzes könnte die Lösung folgendermaßen lauten:

Als Anspruchsgrundlage kommt hier einzig ein Kaufvertrag zwischen K und V in Betracht. Zwischen K und V müsste also ein Kaufvertrag zustande gekommen sein, der den V zur Übereignung und Übergabe einer Waschmaschine des Modells „LavoStar 999“ gegen Zahlung eines Kaufpreises von 700 € gem. § 433 Abs. 1 verpflichtet.

Der Abschluss eines solchen Kaufvertrages erfordert zwei übereinstimmende, fristgerecht mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme.

Hier hat zunächst der V ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über eine Waschmaschine zum Preis von 700 € abgegeben. Aus den Umständen ergab sich von Anfang an, dass sein Gegenüber S das Geschäft nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter des K vornehmen wollte. Wegen der Offenlegung des Vertreterhandelns war die Erklärung des V aus Sicht des S so zu verstehen, dass das Angebot inhaltlich auf einen Vertragsschluss mit K und nicht mit S selber gerichtet war. Die Erklärung ist durch Vernehmung des anwesenden S zugegangen, der hier als Abschlussvertreter und damit auch als Empfangsvertreter des K aufgetreten ist.

Ob S dabei auch zur Vertretung des K berechtigt war, ist nach § 177 eine Frage der Wirksamkeit des von S möglicherweise im Namen des K geschlossenen Vertrages. § 177 setzt damit den Vertragsschluss voraus und bringt zum Ausdruck, dass der Zugang der dabei ausgetauschten Erklärung nicht an Mängeln der Vertretungsmacht scheitert.

S seinerseits hatte gegenüber V im Namen des K die Annahme dieses Angebots erklärt. Diese Annahmeerklärung ging dem V auch ohne dessen Vernehmung zu, da die Erklärung im Machtbereich des V auf dessen Mailbox gespeichert wurde und unter normalen Umständen spätestens am nächsten Tag die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand. Die Annahme deckte sich vollständig mit dem Angebot, so dass kein Dissens besteht.

Möglicherweise ist das Angebot des V aber durch Ablauf der Annahmefrist nach § 146 Var. 2 erloschen, so dass die von S verspätet erklärte Annahme den Vertrag nicht zustande gebracht hätte, sondern gem. § 150 Abs. 1 als neues Angebot anzusehen wäre. Nach § 147 Abs. 1 S. 1 kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden. Da auch ein vollmachtloser Vertreter einen Vertrag schließen kann, ist bei den Annahmefristen des § 147 auf den Vertreter abzustellen, auch wenn er ohne Vertretungsmacht handelt. Das dem anwesenden V gegenüber erklärte Angebot des H konnte also nur sofort angenommen werden. „Sofort“ bedeutet im Unterschied zu „unverzüglich“ i.S.d. § 121 Abs. 1 , dass auch schuldlose Verzögerungen den Antrag erlöschen lassen. Dem wird die erst nach zwei Tagen erklärte Annahme nicht gerecht. Zwar kann man hier durchaus annehmen, dass der V dem S eine Fristverlängerung i.S.d. § 148 gewährt hat, indem er dessen Wunsch nach einer Überlegungsfrist nicht widersprochen, sondern die Maschine für den Rest des Besuchstags „reserviert“ hat. Das Angebot war damit bei Ablauf des Besuchstages erloschen und konnte durch die Erklärung des S nicht mehr angenommen werden. Ein Vertrag ist damit nicht zustande gekommen.“

Die Lösung ist schlank und führt zum eigentlichen Punkt: Der Vertragsschluss scheitert an der verspäteten Annahmeerklärung. Auf die fehlende Vertretungsmacht kommt es für die Lösung gar nicht an. Es gibt keinen Vertrag, den K nach § 177 Abs. 1 hätte genehmigen können.

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