Читать книгу David Voss - Scharfrichter zu Wolfenbüttel - Adam Fuchs - Страница 5

Оглавление

Die Taufe

In einem Monat werde ich achtundfünfzig Jahre alt, das Alter, in dem mein Vater, der alte David Voss, gestorben ist.

Wenn ich länger darüber nachdenken würde, könnte ich fast trübsinnig werden, aber das ist nicht nötig und ganz besonders nicht an diesem herrlichen Sonntag, an dem wir die Taufe meines kleinen Enkels Ambrosius feiern werden und gleichzeitig die Einweihung des neuen Hauses.

Freunde aus der Stadt sind geladen wie auch unsere neuen Nachbarn sicherlich vorbeischauen werden.

Vor allem aber ist es meine Verwandtschaft, die aus Schöningen, Hildesheim, Schöppenstedt und sogar aus dem Märkischen, der Heimat meines Schwiegersohnes Siegmund angereist ist.

Bislang ist er meiner Tochter Catharina ein ordentlicher Ehemann gewesen und nach ihren zwei Mädchen haben sie jetzt den kleinen Ambrosius, der nach meinem ersten Schwiegervater, Catharinas Großvater, dem alten Schlotte, benannt wurde.

Ein Jahr wird der Kleine bald alt und so langsam musste es mal angehen mit der Taufe.

Es war mein besonderer Wunsch gewesen, sie in der Kirche in Groß Stöckheim und nicht im Hause, wie es in meiner Verwandtschaft häufig gehalten wird, stattfinden zu lassen und am Ende hatte meine Katharina gemeint, man solle mir doch diese Freude gönnen und die Kinder haben sich überzeugen lassen.

Nur mit dem Herrn Pfarrer war es nicht ganz leicht gewesen.

„Ihr müsst verstehen“, fing er immer wieder an zu quengeln.

„Die Gemeindemitglieder haben es nicht so gerne, wenn die Henkersfamilie in der Kirche auftaucht und ich kann doch auch zu Euch auf den Hof kommen.“

Gar nichts muss ich verstehen! Was interessieren mich seine Gemeindemitglieder. Sollen sie doch zetern und sich beschweren.

Wir werden sowieso in Zukunft in der neu gebauten Trinitatiskirche sitzen und dann können die Stöckheimer Bauern mich mal allesamt gern haben.

Kaum hatte ich aber das Grundstück, welches unsere Familie im Dorf noch besitzt und auf das der Pfarrer schon lange ein Auge geworfen hatte, in Aussicht gestellt, da wurde der Mann gesprächsbereit.

Für mich hat das alte Haus, in dem wir vor langer Zeit gewohnt haben, keinen Nutzen mehr und wenn der Herr Pfarrer vernünftig ist und über verschiedene Dinge mit sich reden lässt, dann werden wir uns schon einig werden.

Die Taufe jedenfalls habe ich bekommen, wie von mir gewünscht in der Apostelkirche zu Groß Stöckheim, das die Alten noch gern „Großen Stocken“ nennen.

Dort habe ich für meine Familie und mein Gesinde immer noch eine eigene Bank, ganz hinten zwar in der Kirche, aber dennoch eine eigene Bank, was nicht selbstverständlich ist.

Dieses Recht ist von meinem Vater auf mich gekommen und der Pfaffe hat es bislang nicht gewagt, mir das streitig zu machen.

Er ist ein furchtsamer kleiner Mann, der sich gerne tief duckt, wenn er auf Obrigkeiten trifft und bei mir weiß er leider nie so genau, woran er ist. Einerseits bin ich Vertreter der Obrigkeit, andererseits aber eben doch nur ein elender Scharfrichter.

Die christlichen Schäfchen beschweren sich gelegentlich bei ihm, weil sie Sorge haben, sie könnten beim Hinaustreten aus der Kirche mit uns in Berührung kommen und dann ihrerseits unrein sein, wie sie auch uns für unrein und unehrenhaft halten.

Mein Gott, wenn ich solch dummes Gerede höre.

Sie sind so kleinlich, diese Bauern.

Kleinlich, ungebildet und dumm und erheben sich dennoch über Andere, die auch nur ihre Arbeit machen.

Zum Taufessen mit einem gut gemästeten Lamm in Sauce mit Zwiebelchen in Rotwein gegart, zu dem ich ihn selbstverständlich geladen habe, wollte er nicht kommen, wobei ich ein leises Zögern im Hinblick auf den feinen Braten doch bemerkt zu haben meine.

Nein, nein, man bedaure. Man habe noch eine wichtige Verabredung.

Natürlich, im Großen Weghaus drüben im kleinen Stöckheim im Braunschweigischen.

Dorthin marschiert unser Herr Pfarrer fast jeden Sonntag nach dem Gottesdienst zu Fuß über die Schäferbrücke, den Wiesenpfad hinauf zum Braunschweiger Fahrweg, um am Wald entlang zum Wirtshaus zu gelangen und es sich dort mit seinen Gesellen gutgehen zu lassen.

Ich weiß es, denn er muss an der alten Richtstätte vorbei, wo ich mich gelegentlich aufhalte, wenn es etwas vorzubereiten oder zu überprüfen gibt und dann sehe ich ihn eilen, den schwarzen Mann, damit er nach seinem Sonntagsgottesdienst nicht allzu spät zu seinen Kumpanen stößt.

Die nehmen es nämlich nicht so sehr genau mit dem Kirchenbesuch, sondern fangen lieber schon einmal bei einem kräftigen Schluck von dem frisch gebrauten Bier, mit dem die Wirtin sich einen Namen gemacht hat, an, über Gott und die Welt zu spinnisieren, um Verbesserungen für unser aller Leben zu erdenken und wenn unser Pfaffe dann endlich dazu stößt, sind sie schon recht heiter und halten große Reden.

Nun denn, sollen sie. Wenn sie später betrunken nach Hause torkeln, kann es schon geschehen, dass mein Knecht sie mit dem Karren aufsammelt und ein Stück mitfahren lässt.

Dann sind die Herren meist sehr tolerant gestimmt und es macht ihnen nichts aus, auf dem Schinderkarren zu fahren.

Wir werden also den Taufschmaus ohne unseren verehrten Herrn Pfarrer abhalten.

In meinem neuen Haus!

Ich freue mich, dass es gerade zeitig fertig geworden ist, wenn man bedenkt, wie viele Jahre schon der Herzog immer wieder verlangt und auch verfügt hat, dass der Wohnsitz des herzöglichen Scharfrichters endlich wieder an alter Stelle zu nehmen ist.

An dieser Stelle, von der vor fast sechzig Jahren meine Eltern vor der großen Flut geflüchtet und auf einen Hof nach Groß Stöckheim umgesiedelt sind, wobei der Aufenthalt im Dorf eigentlich nur ein vorübergehender sein sollte, aber dann kam alles ganz anders und es sind viele Jahrzehnte daraus geworden.

Das alte Haus, völlig verwahrlost inzwischen, habe ich abreißen lassen. Nur ein paar Balken und eine Tür waren noch zu gebrauchen und durften in das neue Haus umziehen, der Rest taugte bestenfalls noch als Brennholz.

David Voss - Scharfrichter zu Wolfenbüttel

Подняться наверх