Читать книгу Bittersüß - befreit - Adele Mann - Страница 10

Kapitel 8

Оглавление

Anna, 2016

„Herrgott noch mal! … Hast du mich vielleicht erschreckt.“ Fest presse ich meine Handfläche gegen die Brust. Mein Herz hört nicht auf, zu rasen. Unfassbar.

Paul lehnt vor meiner Wohnungstür und hat mich beinahe zu Tode erschreckt. Der Kerl besitzt auch noch die Frechheit, schnaubend zu grinsen. Ich funkle ihn böse an.

„Ich hätte dich nicht für schreckhaft gehalten.“

„Normalerweise lungern auch nicht irgendwelche Kerle vor meiner Wohnung rum.“ Obwohl mein Herz noch immer etwas zu schnell schlägt, muss ich ihm ja nicht zeigen, dass er mich nervös macht. Als wäre das hier nicht so unangenehm, wie es ist, schlinge ich mir meine Handtasche um die Schulter. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, gehe ich die Treppen hinunter. Er folgt mir. Sichtlich unbeeindruckt von meiner abweisenden Art schlendert er neben mir her.

„Guten Morgen, Paul. Wie geht es dir? Was machst du hier so früh?“, tönt er, ein freches Grinsen auf den Lippen.

„Erstens: Der Morgen ist nicht gut, wenn jemand vor meiner Tür lauert, der dort nichts zu suchen hat. Zweitens muss ich dich gar nicht erst fragen, wie es dir geht, dein breites Grinsen spart mir Frage und Antwort. Und drittens, ja … was machst du hier eigentlich? Und woher weißt du überhaupt, wo ich wohne?“

Paul stoppt mich mit einer Hand und dreht mich zu sich um. Ich wünschte, mir würde nicht auffallen, wie warm sich seine Hand auf meinem bloßen Arm anfühlt.

„Ich habe David nach deiner Adresse gefragt.“ Sofort verfliegt sein amüsiertes Lächeln und mir drückt der Magen.

„Ich hätte besser nie mit deinem Bruder ausgehen sollen“, spreche ich aus, was mir gerade durch den Kopf geht. Als ich merke, was ich damit andeute, ist es bereits zu spät.

„Da kann ich nur zustimmen.“ Ernst sieht er mich an und lässt keinen Zweifel daran, wie sehr es ihm missfällt, dass ich es doch getan habe.

„Wie hast du ihn dazu gebracht, es dir zu verraten?“ Neugierig mustere ich sein Gesicht. Wenn er doch nur nicht dermaßen attraktiv wäre. Aber ich weiß, besser als mir lieb ist, dass die besonders gut aussehenden Männer den Ärger, den sie zwangsläufig verursachen, nicht wert sind. Es fällt mir nur verdammt schwer, mich daran zu erinnern, während ich in Pauls warme braune Augen blicke.

„Mit der Wahrheit.“ Sofort sackt mein Magen eine Etage tiefer. Nein, das hat er nicht. Er hat ihm nicht erzählt, dass wir einen One-Night-Stand hatten. Oder etwa doch?

„Ich habe ihm gesagt, dass ich dich zu Hause abholen will, um die Designer zu interviewen.“ Erleichterung durchfährt mich, bis mir klar wird, was er mir da gerade gesagt hat.

„Moment mal … Was soll das bedeuten?“ Um meine Hände zu beschäftigen, umfasse ich den Riemen meiner Tasche.

„Na, du warst doch einverstanden mit dem neuen Konzept und ich für meinen Teil finde meinen Einfall ziemlich genial.“

„Welchen Einfall?“

„Während ich die Fotos mache …“ Demonstrativ hebt er seine Kameratasche. „… sprichst du mit den Designern und holst dir Material für das Buch.“ Paul sieht mich mit diesem Bin-ich-nicht-ein-schlaues-Kerlchen-Blick an, bei dem seine Grübchen deutlich hervortreten. Ich hasse diese Grübchen, und ich hasse es, was sie mit meinem Magen anstellen. Also versuche ich, sie zu ignorieren. Wenn ich das nur meinem Unterleib beibringen könnte, der sich jedes Mal zusammenzieht, wenn eins von ihnen aufblitzt. Paul hat einfach diese Wirkung auf mich. Korrektur. Auf meinen Körper. Dagegen bin ich vielleicht machtlos, dennoch entscheide ich, ob ich dem nachgebe oder nicht. Und ich habe nicht vor, das zu tun. Und genau das will ich mir selbst beweisen. Und ihm.

„Na schön … Vielleicht hast du recht. Eigentlich müssen wir die Interviews und Fotos nicht gleichzeitig machen, aber warum nicht … Es spart zumindest Zeit.“ Demonstrativ lächle ich ihn an. Dieses Spiel können auch zwei spielen.

„Wer weiß, vielleicht werden wir auf diese Weise schneller mit dem Projekt fertig als geplant.“ Als ich Paul diesen Dämpfer verpasse, fallen seine Mundwinkel nach unten. Vorbei ist es mit den Grübchen. Er sieht fast aus, als habe er gerade erfahren, dass seine Lieblingskamera nie wieder Nacktbilder machen wird. Meinen kleinen Triumph genießend drücke ich mich an ihm vorbei. Ein dummer Fehler. Sein Duft steigt mir in die Nase, ein Duft, der verführerisch ist, herb und seltsam vertraut. Als könne er meine Gedanken lesen, atmet er tief ein, als würde auch er an mir riechen. Als wäre das gerade nicht passiert, gehe ich die letzten Stufen nach unten und halte das Tor für ihn auf.

„Kommst du?“

„Wann immer du mich darum bittest.“

Mit einem breiten Grinsen geht er langsam an mir vorbei.

„Du hast wohl das Erwachsenwerden einfach übersprungen“, werfe ich ihm vor und ziehe mir eine Jacke über.

„Das meiste daran wird überbewertet … Ich meine, sieh dich an!“

Was soll das jetzt wieder? Ich bleibe auf dem Gehsteig stehen und blicke Paul an. „Wie meinst du das?“

„Na, du wirkst so vernünftig, kontrolliert und bist ständig genervt.“ Wow, das sitzt und es fühlt sich nicht gut an. Es gefällt mir nicht, dass Paul mich so sieht.

„Genervt bin ich nur von dir“, scherze ich bitter.

„Das kaufe ich dir nicht ab … Es gibt keinen Grund dafür. Außer mit dir zu flirten und dir zu sagen, wie sehr mir die Nacht mit dir damals gefallen hat, habe ich dir nichts getan … Gut, ich rücke dir ein wenig auf die Pelle, aber das kann man mir nicht übel nehmen. Ich meine, sieh dich doch an!“ Wieder trifft er einen Nerv, aber dieses Mal ist das Gefühl dabei nicht schmerzhaft, dieses Mal verursachen seine Worte ein heißes Brennen in meiner Brust. Ich bin sprachlos. Denn wenn ich ehrlich bin, hat er recht. Er hat mir nichts getan, während ich ständig abweisend und sogar zickig zu ihm bin. Und obwohl ich mich so schwierig gebe, steht er hier und sagt mir auf seine direkte Art, dass er mich schön findet. Das wirklich Erstaunliche daran ist, dass ich ihm glaube. Es ist schon verdammt lange her, dass ich etwas aus dem Mund eines Mannes glauben konnte. Dieser Umstand verwirrt mich.

„Paul, ich …“, beginne ich, weiß aber gar nicht, was ich ihm sagen will. „Es hat nichts mit dir zu tun, okay?“

Ich starre in seine dunkelbraunen Augen und flehe ihn an, es mit dieser Antwort gut sein zu lassen.

„Okay“, sagt er ruhig und schenkt mir ein Lächeln, das ich zaghaft erwidere. Ich muss zugeben, es fühlt sich gut an, es zuzulassen.

Bittersüß - befreit

Подняться наверх