Читать книгу Bittersüß - berührt - Adele Mann - Страница 4

Kapitel 2

Оглавление

Cami

„Ich kann nicht glauben, dass du tatsächlich dieses Kleid getragen hast!“

Meine Freundin Ella wirft einen fassungslosen Blick auf das ziemlich knappe Frühlingskleid, das achtlos über einen Sessel geworfen harmlos aussieht, obwohl es in letzter Zeit für einigen Wirbel gesorgt hat. Für jemanden wie Ella, eine der vernünftigsten Frauen, die ich kenne, ist die Vorstellung, derart gekleidet zu einem geschäftlichen Termin zu gehen, unvorstellbar. Sie arbeitet als Managerin im Hotel No.1 Wien und gehört mehr zu den Befürworterinnen des stilvollen Businesslooks. Ihr steht es auch richtig gut.

Sie sieht darin sexy und kompetent aus, was wohl an ihren ausgeprägten Kurven liegt, auf die ich etwas neidisch bin, zumindest was den Bereich der Oberweite angeht.

„Erde an Cami!“ Ella wedelt amüsiert mit ihren Armen herum. „Hörst du mir zu? Ich sagte, dass ich nicht glauben kann, dass du den Job wirklich in diesem Kleid an Land gezogen hast.“ Noch immer bester Laune schnappt sie sich einen Stapel DVDs und stellt eine nach der anderen auf das noch leere Regal.

„Vielleicht lag es ja nicht am Kleid. Vielleicht verdanke ich den Job meinen ausgezeichneten Grafiken“, halte ich dagegen, auch wenn ich mir da gar nicht so sicher bin.

Nun bin ich an der Reihe, weitere DVDs zu den anderen zu stellen. Viel mehr ist noch nicht in der neuen leeren Wohnung zu sehen. Nur ein paar aufgestellte DVDs, Essenskartons vom Chinesen und ein paar von Ellas alten Möbeln, die hiergeblieben sind. Als ich nach meiner Auszeit in Berlin zurück in meine Heimatstadt Wien kam, wollte ich um alles in der Welt nicht bei meiner Mutter wohnen, und eine lange Wohnungssuche war deshalb unmöglich. Da bot Ella mir an, dass ich ihre alte kleine Wohnung übernehmen könnte. Dafür war ich ihr dankbar und habe natürlich sofort zugeschlagen. Wer schlägt schon eine mietpreisgebundene Wohnung in Wien aus, die auch noch zentral liegt und teilweise eingerichtet ist? Ich jedenfalls nicht. Für Ella war es, wie sie sagt, die optimale Lösung. Sie liebt diese Wohnung, musste sie aber aufgeben, als sie mit ihrem Freund Jan zusammengezogen ist. Ich habe beide in Berlin zusammen erlebt, als Ella und ich uns eine Wohnung geteilt haben. Dabei habe ich zwangsläufig einiges von ihnen als Paar mitbekommen und muss zugeben, dass ich selbst nie eine derartige Beziehung geführt habe, auch wenn ich über zwei Jahre mit jemandem zusammengelebt habe. Ella und Jan lieben sich wie verrückt, haben aber lange gebraucht, um endlich zusammenzukommen. Ella wurde dank meiner Auszeit in Berlin zu einer wahren Freundin, zu einer Zeit in meinem Leben, in der ich dringend eine gebraucht habe, und ich denke, ihr ging es genauso. Seither sind wir beinahe unzertrennlich. Als sie damals ihr schwuler bester Freund Sascha in Berlin besucht hat, hatte ich keine andere Wahl, als auch ihn in mein Leben zu lassen. So ist er nun mal. Zuerst findet man ihn aufdringlich, vielleicht sogar unmöglich, aber wenn Sascha einen mag, wird man ihn nicht mehr los. Und das ist auch gut so.

„Wo bleibt eigentlich Sascha?“, frage ich Ella, die gerade weitere Umzugskartons mit einem Teppichmesser öffnet.

„Er muss für einen kranken Kollegen am Empfang einspringen und schafft es heute leider nicht mehr“, lässt sie mich wissen und streicht sich die Haare aus dem Gesicht.

„Schade, ich hätte gedacht, mein Einzug wäre eine Aktion für die drei Musketiere.“ Ella lacht sofort auf.

„Das stimmt. Aber geben wir es zu! Wir wollen doch nur einen Kerl, der die richtig schweren Kartons hebt, und dafür können wir Jan einplanen … Er kommt später nach.“ Hintergründig lächelnd sortiert sie meine Sachen. Jan und Ella, die mir beim Einzug helfen …

Wenn das mal nicht damit endet, dass die beiden wieder vor mir rummachen.

„Natürlich bin ich für jede Hilfe dankbar … Aber versprich mir, dass du nicht wieder die ganze Zeit mit ihm rummachst. Ich bin Single und brauche Abstand von allem Romantischen, wie du ja weißt.“ Mitfühlend legt Ella ihre Hand auf meinen Oberarm.

„Wir werden uns benehmen.“ Ella setzt sich auf einen der Stühle, die ich gestern Abend noch zusammengebaut habe. Hoffentlich hält er, denn ich habe verdammt lange gebraucht, um das Ding zusammenzubasteln.

„Ich weiß ja, dass es lange gedauert hat, deine letzte Beziehung zu verdauen. Aber gibt es denn wirklich niemanden, an dem du Interesse hast? Romantisch oder auch nicht ganz so romantisch?“, fragt sie mich mit einem Augenzwinkern.

Sofort taucht das Bild eines gewissen Mannes in meinen Gedanken auf, das ich so schnell wie möglich verdränge. Ich muss dabei wohl irgendein Gesicht gemacht haben, denn Ella beginnt gleich darauf breit zu grinsen.

„Oh. Mein. Gott. Kann das wahr sein? Dir gefällt jemand?“

Aufgeregt blickt sie mich an.

„Nein, da gibt es niemanden. Du weißt doch, dass ich die Finger von Männern lasse. Ich konzentriere mich auf meinen Job.“ Ich sage ihr besser nicht, dass besagter Job mit dem heißesten Mann zusammenhängt, den ich je gesehen habe.

„Und bist du deswegen schon aufgeregt?“

„Ja“, gebe ich zu. „Nächste Woche soll ich ein paar Tage lang in der Agentur bleiben, um alles kennenzulernen. Danach kann ich selbst entscheiden, ob ich von Zuhause aus arbeiten oder meine Workstation in der Agentur nutzen will. Beides geht. Ich muss nur einmal in der Woche zum wöchentlichen Agenturmeeting, um auf dem Laufenden zu bleiben. Mal sehen, wie es sich entwickelt.“ Ich schnappe mir meine Klamotten und hänge sie in meinen neuen Kleiderschrank, dankbar dafür, dass Ella einen annähernd gleich großen Bedarf an Platz für ihre Kleidung benötigt hat wie ich.

„Klingt gut. Und wie ist der Chef so, dieser Veith?“

Connor Veith … Wie soll man ihn bloß jemandem beschreiben, der ihn noch nicht gesehen hat? Fast unmöglich.

„Connor Veith ist … anders, als ich erwartet habe.“

„Soll heißen?“

„Er ist Anfang dreißig, sieht sehr gut aus und gibt tatsächlich jemandem eine Chance, die dieser hoffentlich nicht in den Sand setzt“, antworte ich ausweichend.

„Und … ist er auch ein Fan deines Kleidungsstils?“ Sie zieht mich auf, ohne zu ahnen, dass sie dabei genau ins Schwarze trifft. Ohne es verhindern zu können, erröte ich.

„Du wirst ja rot“, stellt sie erstaunt fest. „Sieht er so gut aus?“

„Es ist nicht nur das“, murmle ich vor mich hin, während ich mich fast schon im Schrank verkrieche.

„Was ist es dann?“ Typisch Ella. Sie lässt niemals locker.

„Keine Ahnung … Der Kerl ist irgendwie … intensiv. Und ich glaube, dass er mir definitiv auf die Beine gestarrt hat.“ Meine Haut prickelt, wenn ich daran denke.

„Natürlich hat er dir in dem Kleid auf die Beine gestarrt. Er ist ein Mann!“ Ich werfe Ella einen genervten Blick zu.

„Sieh mich nicht so an, Cami! Du bist eine der schönsten Frauen, die ich kenne, mit Beinen bis hier.“ Sie macht eine vage Geste in die Höhe. „Den Kerl, der dich in dem Kleid nicht schön und heiß findet, den gibt es nicht. Auch wenn ich mir von einem Agenturbesitzer erwartet hätte, dass er es in einem Bewerbungsgespräch ignoriert oder zumindest so tut, als ob.“ Nachdenklich kaut sie auf ihrer Unterlippe.

„Ignoriert hat er es bestimmt nicht! Er hat mir sogar nahegelegt, mich in Zukunft etwas züchtiger zu kleiden. Ist doch nicht zu fassen!“, stöhne ich. Niemand schreibt mir vor, wie ich mich anziehe. Niemand. So etwas lasse ich nicht mehr zu.

„Ich wette, er dachte sich: Gefahr erkannt, Gefahr besser gebannt“, säuselt Ella neckisch. Amüsiert lacht sie.

„Sehr witzig.“

„Hast du ihn gegoogelt?“ Natürlich habe ich das.

„Vielleicht“, flüstere ich und tue so, als ob das nicht so wichtig wäre.

„Von wegen. Du hast! Was ist dabei rausgekommen?“

„Ich sage es dir“, verspreche ich, „wenn du dafür wieder an die Arbeit gehst. Ich will endlich mal hier wohnen und nicht länger nur hier einziehen.“ Ella erhebt sich.

„Einverstanden.“

Während Ella meine Sachen auf den Schreibtisch packt, setze ich mich und erzähle ihr von meiner nicht besonders erfolgreichen Netzrecherche über Connor.

„Connor Julius Veith. Zweiunddreißig. Sohn von Robyn James, der irisch-englischen Designerin, und dem Politiker Julius Veith. Kennst du sicher … Die Agentur hat er seit ein paar Jahren. Privat ist kaum etwas über ihn im Netz. Ehrlich … Es gibt bloß ein paar Fotos von ihm auf Events, die meisten davon ohne weibliche Begleitung. Er gilt als begehrter Junggeselle. Aber es ist einfach nicht rauszubekommen, ob er vergeben ist oder nicht. Die wenigen Interviews und Berichte, die ich über ihn finden konnte, drehen sich hautsächlich um die Agentur und seine Erfolge oder berichten über seine Unterstützung für Robyn James oder karitative Projekte. Das war’s.“

Fast schon enttäuscht sieht Ella mich an, während sie versucht, Ordnung in meinen Kleiderschrank zu bringen, was ihr nicht gelingen wird. Dazu ist mein Stil zu speziell und vielfältig.

„Das war’s? Keine Infos darüber, was für ein Mann er ist, welche Interessen er hat oder ob er eine wilde Ehe führt? Gar nichts?“ Ich schüttle den Kopf.

„Das ist schon seltsam … Ich meine, heutzutage ist das Internet doch voll mit Infos über bekannte und prominente Leute. Und ausgerechnet bei ihm findet man kaum etwas.“ Misstrauisch blickt Ella in die Ferne. Kurz schaudere ich, als sie mich anblickt und verlangt:

„Zeig mir mal ein Foto von ihm!“

Mit einem mulmigen Gefühl nehme ich mein Smartphone vom Tisch und gebe Connors Namen in die Bildersuche ein. Sofort erscheinen dutzende Bilder von ihm, die mich weder kaltlassen noch das vage Bild, das ich mir selbst von ihm machen konnte, ins Wanken bringen. Er ist unverschämt gut aussehend.

Ella steigt über die Kartons. Ich halte ihr das Handy entgegen. Als sie die Bilder von ihm sieht, weiten sich ihre Augen.

„Cami! Der ist ja ein Bild von einem Mann, ein richtiger Adonis!“, entkommt ihr, woraufhin sie sich nervös über den Nacken fährt. „Sag Jan ja nicht, dass ich das gesagt habe.“

„Immer noch so eifersüchtig?“, ziehe ich sie auf.

„Ich fürchte, ja. Aber ich bin genauso schlimm, also …“ Strahlend errötet sie. Ich freue mich für sie, für sie beide, vor allem nach dem ganzen Drama, das sie hinter sich haben. Aber es ist nicht leicht, eine leidenschaftliche Liebe wie die ihre mit anzusehen, wenn man selbst nie so etwas hatte.

„Aber zurück zum Thema“, ordnet Ella an und lässt einen kleinen Eindruck von ihrer leitenden Tätigkeit durchblicken.

„Wie wirst du es hinbekommen, für einen Mann zu arbeiten, der so gut aussieht und eine offensichtliche Schwäche für deine Beine hat?“

Gute Frage.

„Du übertreibst! Außerdem macht er nicht den Eindruck, als würde er sich an seine Angestellten ranmachen. Als ich ihm gegenüber vage von meinem letzten Chef berichtet habe, hat er sogar angenommen, dass er mich belästigt hätte, und das fand er überhaupt nicht gut. Er hat fast sauer ausgesehen“, versuche ich ihr zu erklären.

„Aber du bist ja nicht seine Angestellte. Du hast selbst gesagt, dass er dich als ‚Freie‘ engagiert hat und damit ist er nur dein Auftraggeber. Ich finde, das klingt … verdächtig.“ Ella setzt sich auf einen der Kartons und blickt mich ernst und ein wenig besorgt an.

„Aber er hat es mir erklärt. Auf diese Weise minimiert er das Risiko.“ Selbst für mich klingt das ein wenig seltsam.

„Vielleicht … Vielleicht hat er aber auch einfach bemerkt, dass du nicht nur eine gute Grafikerin bist, der er eine Chance geben will, sondern auch eine schöne Frau, und er möchte sich Chancen bei dir offen halten.“ Ella grinst mich zweideutig an. Alleine bei dem Gedanken, an dem, was sie sagt, könne etwas dran sein, wird mir ganz warm.

„Das glaube ich einfach nicht“, sage ich dennoch, weil ich mich selbst davon überzeugen möchte. Schließlich würde das alles infrage stellen, was ich für meinen Neustart ins Auge gefasst habe. Das ist kein Teil meines Planes, auch wenn ein Teil von mir sich noch so sehr wünscht, endlich einmal einem Mann zu begegnen, für den ich Leidenschaft empfinde und der in mir das verborgene Feuer entdeckt. Wäre ich Ella und Jan nicht begegnet, könnte ich mich vielleicht weiter damit zufriedengeben, mein Leben in den Griff zu bekommen, alleine glücklich zu sein und als Grafikerin erfolgreich zu werden. Doch seit ich gesehen habe, wie sie sich ansehen und welches Feuer zwischen zwei Menschen brennen kann, will ich auch davon kosten. Ein gefährlicher Gedanke, aber einer, den ich immer schwerer verdrängen kann.

Bittersüß - berührt

Подняться наверх