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Kapitel 7
ОглавлениеCami
Die letzten zwei Wochen bestanden im Grunde nur aus Arbeit, dem Einrichten der Wohnung und verbotenen Träumen von Connor Veith. Seit der spannungsgeladenen Begegnung im Aufzug in jener Nacht suchen sie mich mehrmals die Woche heim. Es sind Träume, wie ich sie noch nie hatte. Um ehrlich zu sein, sind die Träume von Connor erotischer und intensiver als alles, was ich bisher mit Männern erlebt habe. Das ist deprimierend, aber wahr. Leider machen es die heißen Träume und Fantasien zu einer Tortur, in Connors Nähe zu sein oder mit ihm zu sprechen. Beides ist in den letzten Tagen nur äußerst selten vorgekommen. Wenn es nicht völlig absurd wäre, würde ich denken, er geht mir absichtlich aus dem Weg. Doch das ist nur Unsinn. Er ist der Besitzer einer florierenden Agentur, sehr beschäftigt und warum sollte er seine Zeit mit einer seiner Grafikerinnen verschwenden. Obwohl ich ständig darauf brenne, ihn zu sehen, halte ich es für besser, dass es dafür kaum Gelegenheiten gibt. Meine Reaktion auf seine bloße Nähe in diesem Aufzug beweist es. Ich war völlig neben der Spur. Nur weil er so nahe bei mir stand, zog und pochte es in meinem Unterleib, und meine Haut brannte und prickelte wie verrückt. Eine derartige Anziehungskraft habe ich bisher noch nie verspürt. Beinahe schon beängstigend. Vor allem die Intensität meiner nächtlichen Heimsuchungen.
Letzte Nacht war es besonders heiß und intensiv. Ich wachte in meinem Traum auf, weil es an der Wohnungstür geklopft hatte. Ohne nachzudenken, öffnete ich die Tür und Connor stand vor mir, mit gelockerter Krawatte, in einem weißen Hemd. Sein Bartschatten sah herrlich verwegen und kratzig aus, also fasste ich danach und rieb mich ungeniert an seinem Gesicht. Als er daraufhin nach mir fasste, fühlte ich, wie dünn das Nachthemd war, das ich trug. Ich hatte das Gefühl, in Flammen zu stehen, als er seine Hände über meinen Körper wandern ließ. Ich stöhne und keuchte, als könne ich mich keinen Moment länger beherrschen. Er sah mich aus diesen faszinierenden grauen Augen an und sagte mir, dass er mich haben müsse, und ich gab mich ihm hin, auf dem Boden meiner Wohnung. Schamlos. Ich tat in diesem Traum all das, was ich im Leben nicht getan oder nicht genossen hatte. Doch mit ihm war es heiß und intensiv. Als ich aufgewacht bin, hatte ich erneut die Hand zwischen meinen Beinen und schnaubte frustriert. Der verdammte Wecker hatte mich um diese Traumfantasie gebracht. Selbst als ich mir kurze Zeit später die Zähne putzte, schlug mein Herz immer noch schneller als normal, und das feine Haar an meinen Schläfen war noch immer nassgeschwitzt von dem unglaublichen Sex-Traum der letzten Nacht.
Wie soll ich nur das heutige Agenturmeeting durchstehen, ohne dass Connor mir an der Nase, oder wohl eher an meinen erröteten Wangen, ansieht, was ich von ihm träume? Leider habe ich die ganze Woche keine Zeit gehabt, um mich mit Sascha oder Ella zu treffen, denn ich hätte gerne einen Rat von ihnen, wie ich meinen heißen Auftraggeber aus dem Kopf bekomme.
In meinem Boho-Kleid und den pinken Fransenstiefeletten fühle ich mich wenigstens ganz wie ich selbst und nicht wie diese Frau, die in meinen Träumen mein Gesicht trägt. Auf dem Weg in die Agentur muss ich ständig an Richard, meinen Ex, denken, was meine Laune nicht gerade verbessert. Ich höre förmlich seine Worte, wenn ich an mir herabsehe.
„Wie kannst du nur solche Sachen tragen? Musst du jedem zeigen, was du zu bieten hast, und erst diese Schuhe … Also wirklich!“
Richard war nicht immer so gewesen, zumindest nicht am Anfang. Aber er hatte seine Vorstellungen davon, wie ich zu sein hatte, wie unsere Beziehung zu sein hatte, und aus einem Grund, den ich mir bis heute nicht erklären kann, ließ ich es geschehen, dass er mehr und mehr nahm und ich mich mit der Zeit immer weiter von mir selbst entfernte. Anfangs bemerkte ich es kaum. Es waren nur Kleinigkeiten. Erst als er mich drängte, den Job in der großen Firma anzunehmen, weil Cami Designs nicht gut genug lief und er einfach nicht glaubte, dass ich daran etwas ändern könnte, kam mir langsam die Erkenntnis, dass wir vielleicht nicht zusammen sein sollten. Doch es war zu spät. Nach zwei Jahren miteinander, wobei die großen Gefühle meinerseits immer ausgeblieben waren, hatte ich den Großteil meines Freundeskreises verloren, weil wir immer nur mit seinen Freunden Zeit verbrachten. Ich bemerkte auch, dass es ihm mehr bedeutete, mich vorzuführen, als tatsächlich mit mir zusammen zu sein. Anfangs hatte er mir immer gesagt, wie schön ich sei, und ich habe ihm geglaubt, doch später ging mir auf, dass er nur an meinem Aussehen interessiert war, weil es ihn besser dastehen ließ. Es passte in seine Vorstellung von einem perfekten Vorzeigepaar. Es ging ihm nie wirklich um mich. Weder unterstützte er mich und meinen Berufswunsch noch war er für mich da, als es anfing, mit meinem Boss schlimm zu werden. Er sagte, ich solle mich nicht so haben und einfach tun, was er mir sagte. Ständig genervt von mir rollte er am Ende nur noch die Augen, wenn ich von der Arbeit sprach. Und der Sex? Schon kurz nachdem wir zusammengezogen waren, war er gerade mal lau, und ich hatte das Gefühl, dass es nur noch um ihn ging, darum, was er wollte, was ihn befriedigte. Die große Leidenschaft war es nie gewesen, von Anfang an nicht. Aber er hatte mir die ersten Wochen das Gefühl gegeben, ich sei begehrenswert, und gab sich Mühe. Ich begnügte mich damit und begann mich dafür zu hassen. Ich erkannte in meinem Verhalten meine Mutter, und als mir das klar wurde, zog ich die Reißleine und beendete es, kurz nachdem ich gekündigt hatte und er deshalb einen Streit vom Zaun brach. Ich hatte einfach genug, ich wollte nicht, dass ständig jemand an mir herumkritisierte und mich nicht wie eine erwachsene Frau behandelte. Schließlich habe ich dafür bereits meine Mutter. Die Beziehung zu ihr ist nie leicht gewesen, aber es gibt Gründe dafür. Ich schüttle den Kopf und versuche diese düsteren Gedanken zu vertreiben.
Die U-Bahn ist brechend voll, und ich versuche, mich von dem Lärm der Leute ablenken zu lassen. Als ich in einer Scheibenreflexion sehe, wie sich ein Pärchen mit Blicken verschlingt, wird mir klar, dass Richard mich nie so angesehen hat. Connor dagegen …
Wenn er mich ansieht, ist es so intensiv, dass ich vergesse zu atmen.
So wie jetzt.
Ich sitze am Ende des Konferenztisches, zusammen mit den anderen freien Mitarbeitern wie Paul und höre Connors Ausführungen zu. Immer wieder zuckt sein Blick ganz kurz zu mir und sofort prickelt meine Haut. Paul neben mir versteckt ein breites Grinsen hinter der Hand.
„… und deshalb werden wir die Einladung zum Pitch von Henners Kosmetik nicht annehmen“, verlautbart Connor und alle nicken zustimmend.
„Vielmehr richten wir unsere Energie auf die anstehenden Sommerkampagnen unserer Stammkunden.“
„Sollten wir nicht doch jemanden zu Henners schicken? Den Etat möchte ich mir nicht entgehen lassen“, wendet David ein. Alle Augen richten sich auf Connor, dem die Widerworte von David über seine bereits getroffene Entscheidung nicht passen. Er hat wirklich gerne das Sagen und die Zügel fest in der Hand. Das ist offensichtlich.
„Nein. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie mit diesem Trick nur ihre derzeitige Agentur unter Druck setzen wollen, um einen besseren Preis rauszuschlagen. Sie verstehen doch, dass ich da nicht mitmachen möchte und Energie und Ressourcen auf eine aussichtlose Sache verschwende.“ Widerstrebend nickt David. „Verständlich.“
„Wie sieht es mit Ihrer Zeit aus, Cami?“, fragt er mich vor allen anderen. Ich mochte es noch nie, im Mittelpunkt zu stehen. Ich räuspere mich und frage nach. „Wie meinen Sie das?“
„Ich meine, werden Sie alle Aufgaben fristgerecht schaffen oder sollen wir eine neue Aufteilung vornehmen, jetzt, wo Sie den Leitfaden für den Naturkosmetik-Kunden ebenfalls übernehmen?“ Ernst sehen alle zu mir. Ein unangenehmes Gefühl.
Ich sollte einfach Ja sagen. Aber wenn er mich derart mit seinem Blick fixiert, rutscht mir immer mehr heraus, als ich möchte.
„Das wird sich ausgehen. Ich habe zwar, seit ich Veith Media als Referenz angebe, mehr Aufträge als sonst, aber mit ein paar Stunden am Wochenende zusätzlich ist alles kein Problem.“ Erleichtert atme ich aus, da ich nun vom Haken bin.
„Gut. Dann haben wir alle Punkte bis nächste Woche besprochen.“ Connor beginnt, seine Sachen zusammenzusuchen, da flüstert Daniel ihm etwas zu.
„Ach ja. Eine Sache gibt es da noch.“ Schnell setzen sich alle wieder hin.
„Wie jedes Jahr sind wir wieder auf die Media Gala der ‚Wirtschaft – Heute & Morgen‘ eingeladen. Für die Neuen unter euch … Das Magazin veranstaltet zweimal im Jahr ein großes Fest. Im Herbst vergeben sie Preise und nächste Woche findet die Gala für unsere Branche statt. Wie jedes Jahr bekommen wir drei Karten, eine davon ist für mich und einen Begleiter, Daniel, wenn es seine Zeit erübrigt, gehört Karte Nummer zwei und die dritte Karte wird wie üblich verlost.“ Hektisch kramt Daniel eine große Glasbowle hervor, die mit gefalteten Zetteln gefüllt ist.
„Jeder, der für Veith Media arbeitet, angestellt oder auf freier Basis, hat ein Los“, verkündet Daniel freudig. Offenbar gefällt ihm seine Aufgabe als Glücksfee, was mich zum Lachen bringt.
„Abgesehen von Paul, der aus unerfindlichem Grund, immer eine Einladung erhält“, zieht Connor seinen Freund vor versammelter Mannschaft auf, der daraufhin lediglich mit der Schulter zuckt.
„Was so ein geheimes Aktshooting für einen gewissen Herausgeber und eine noch gewissere Dame doch für einen Vorteil hat“, hält er amüsiert dagegen und zwinkert in die Runde. Die meisten schmunzeln oder lachen darüber. Nur Connor verdreht genervt die Augen.
„Also gut, dann machen Sie Ihrem Amt alle Ehre und ziehen den Gewinner, der uns – in Abendgarderobe! – nächste Woche begleiten wird.“
Mit breitem Grinsen versenkt Daniel seine Hand in das volle Glas und macht eine Show daraus, indem er die Zettel darin wirbeln lässt. Langsam nimmt er einen davon heraus und faltet ihn auseinander. Sein hintergründiges Kichern ist ein wenig boshaft.
„Herzlichen Glückwunsch, Cami. Sie werden uns begleiten, und ich für meinen Teil bin mir sicher, Sie werden eine umwerfende Begleitung sein.“
Mir fehlen die Worte. Erschrocken starre ich erst Daniel an, dann Connor, der meinen Blick mindestens ebenso geschockt erwidert. Es steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihm wäre jeder andere lieber gewesen. Und mir ehrlich gesagt auch. Connor im Anzug, auf einem Fest, mit nie versiegendem Sekt und Wein. So ähnlich fängt einer meiner schmutzigen Träume an.
Schlimmer noch ist, dass mich alle Mitarbeiter der Agentur anstarren, als warten sie darauf, dass ich mich freue, dass ich etwas sage. Aber ganz ehrlich, mein Hirn ist leer.
„Dann sollte ich wohl bald einkaufen gehen“, höre ich mich selbst sagen, woraufhin ein paar der Anwesenden lachen, als hätte ich einen Witz gemacht. Habe ich einen Witz gemacht? Herrje! Eine ganze Nacht mit Connor zusammen.
Die meisten stehen auf und gehen an ihre Arbeit. Ich bleibe lieber noch etwas, zumindest so lange, bis der Schock aus meinen Knien weicht.
„Mann, du hast ein Glück. Ich gewinne nie“, jammert Charlotte mir ins Ohr, ehe sie ebenfalls den Raum verlässt. Connor geht mit Daniel an mir vorbei und wirft mir nicht einmal einen Blick zu. Für mich sieht er ziemlich sauer aus.
„Na, das nenne ich mal einen interessanten Abend.“ Erschrocken über seine Anwesenheit, sehe ich zu Paul. Ich wusste gar nicht, dass er noch da ist.
„Ich denke, dieses Jahr werde ich sogar wirklich zu diesem Affentheater hingehen“, murmelt er amüsiert und presst dabei die Lippen aufeinander, als müsse er sich davon abhalten, noch eins draufzusetzen.
„Wieso finden Sie das eigentlich so amüsant?“
„Du.“
„Was?“, frage ich ihn irritiert.
„Lass das Sie weg, Cami. Sonst komme ich mir vor wie mein alter Herr, und das ist etwas, das ich so gar nicht leiden kann.“
„Okay … Wieso findest du das Ganze also eigentlich so amüsant?“ Er wirft mir ein charmantes Lächeln zu, das bei den meisten Frauen wirken würde, schließlich ist Paul ein sehr attraktiver Mann. Seltsamerweise bringt es mich aber nicht dazu, mich von ihm angezogen zu fühlen.
„Sagen wir mal … Daniel und ich machen uns manchmal einen Spaß daraus, diese kleine Verlosung etwas interessanter zu gestalten.“
„Soll das heißen, ihr habt die Zettel manipuliert?“, frage ich ihn empört.
„Sagen wir mal … Du hattest nur eine Fifty-fifty-Chance zu verlieren.“ In fast schon kindlicher Freude zuckt er mit den Augenbrauen.
„Erstens“, fahre ich ihn wütend an, „ist das ziemlich pubertär. Und zweitens … Warum zum Teufel macht ihr das? Und wieso gerade mit mir?“
„Rate mal … Aber ich denke, das musst du gar nicht. Ich denke, du kannst dir denken, warum.“ Fest blickt er mir in die Augen, ehe er aufsteht. Ich ahne es, aber ich will es nicht zugeben. Mir gefällt es nicht, manipuliert zu werden, und noch weniger gefällt mir, dass die beiden ahnen, dass zwischen Connor und mir irgendeine Art von Anziehung ist.
„Nur so aus Neugier … Wer stand auf den anderen Zetteln?“
Paul verkneift sich ein Lachen. „Hannah“, haucht er lachend. „Aber diese stocksteife Gewitterziege würde niemals mitgehen. Und wenn, würde sie Connor den letzten Nerv rauben.“
„Das ist aber nicht sehr nett von dir“, ermahne ich ihn.
„Na ja, manchmal braucht Connor jemand, der ihm ein bisschen unter die Arme greift. Er hat vergessen, wie man sich richtig amüsiert. Als sein Freund habe ich die Pflicht, ihn daran zu erinnern.“
„Was für eine Bürde, hm?“
„Das kannst du laut sagen. Aber du wirst es ja noch sehen“, warnt er mich und seine Stimme klingt eher ernst als heiter.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.