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Kapitel 3

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Connor

Ihr erster Arbeitstag.

Ich könnte die Wände hochgehen.

Seit über vier Stunden schwirrt sie durch die Agentur, in Seidenshorts und einer Schluppenbluse. Als wolle sie mich damit an meinen Kommentar unseres letzten Gespräches erinnern, stecken ihre herrlich langen Beine auch noch in High Heels. Welcher Teufel hat mich geritten, diese Frau zu engagieren?

Nein, ermahne ich mich kopfschüttelnd, mein Instinkt lag richtig. Ihre Bewerbung war mit Abstand die einzige, die anders, die tatsächlich interessant und vielversprechend war. Jeder andere erzählte mir nur, was ich hören wollte, oder eher das, von dem sie dachten, es würde mir gefallen. Sie war einfach ehrlich.

Wie erfrischend!

Mal abgesehen davon, dass ihre Arbeiten mehr als überzeugend sind, vor allem wenn man ihren nicht zu leugnenden Mangel an Erfahrung bedenkt. Trotz allem war es die richtige Entscheidung, ihr eine Chance zu geben, Cami eine Chance zu geben. Ich muss endlich anfangen, ihren Namen zu benutzen und sie in meinen Gedanken nur als das zu sehen, was sie ist, eine neue Grafikerin, die für mich arbeitet.

Das erklärt jedoch nicht, warum ich gegen die Tür gelehnt in Daniels Büro herumlungere und Cami seit Minuten beobachte. Es ist schwer zu ignorieren, wie sie alles in sich aufsaugt. Sie ist Feuer und Flamme für diesen Job. Man kann es ihr deutlich ansehen, und genau das gefällt mir, auch wenn es das nicht sollte. Seit sie in meinem Büro gestanden und mich mit diesen grünen Augen angesehen hat, fällt es mir schwer, die Augen von ihr zu lassen. Und das liegt nicht bloß an diesem wunderschönen langen Haar. Ich hatte bisher auch nichts für Blondinen übrig.

Aber wie hätte ich sie nicht anstarren sollen, wo mich bereits das Foto in ihren Bewerbungsunterlagen regelrecht verhext hat.

Seit einer Ewigkeit ist es keiner Frau gelungen, mich derart zu fesseln, dabei kenne ich sie doch gar nicht. Aber mein Instinkt, die Kompassnadel, nach der ich mich richte, zeigt mir klar und deutlich, dass sie gefährlich für mich ist. Ärger, verpackt in die Hülle von Schönheit, Ehrlichkeit und Unschuld. Es gibt kaum eine schlimmere Verführung, keine, die so trügerisch und unwiderstehlich zugleich ist.

So viel weiß ich.

Mein bester Freund Paul kommt gerade mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Gang entlang, direkt auf mich zu. Cami, die gerade mit einer meiner Mitarbeiterinnen redet, wirft er einen Seitenblick zu, ehe er mich gut gelaunt fest an der Schulter packt und mich in mein Büro zerrt. Sein Verhalten quittiere ich mit einem finsteren Blick. Wir sind seit Ewigkeiten Freunde, aber sein kindisches Benehmen kann ich in der Agentur nicht ausstehen, und das weiß er, was ihn aber nicht davon abhält. Ganz im Gegenteil. Also schließe ich die Tür hinter mir, in der weisen Voraussicht, dass Paul mir vielleicht ein paar Dinge sagt, die nicht das halbe Büro mithören sollte.

„Du hast ja blendende Laune, mein Freund“, begrüße ich ihn und setze mich dabei auf meinen Stuhl. Seine Sitzgelegenheit ignoriert er und lehnt provokant gegen meine Schreibtischkante. Immer noch grinsend starrt er mich an. Wir beide haben so einige Vaterprobleme gemeinsam, dennoch habe ich mein pubertäres Trotzverhalten inzwischen abgelegt und muss nicht immer auf Konfrontationskurs gehen und jedem zeigen, dass ich nicht auf Autorität stehe. Paul sieht das anders. Und nach knapp zweiunddreißig Jahren wird sich daran wohl so schnell nichts ändern.

„Wie sollte ich nicht bester Laune sein. Ich habe vorhin deine neue Grafikerin kennengelernt … Cami.“ Paul zieht ihren Namen absichtlich in die Länge, als genieße er einen süßen Geschmack, solange es geht, auf der Zunge. Ich würde mich nicht als pubertär bezeichnen, dennoch will ich ihm gerne eine verpassen.

„Du kennst sie jetzt also“, sage ich beiläufig.

Kennen? Das würde ich nun nicht sagen. Aber sie angesehen habe ich mir auf jeden Fall.“ Das dreckige Grinsen in seinem Gesicht gefällt mir nicht, aber ich lasse das unkommentiert.

„Seit wann stellst du Frauen ein, die so aussehen? Habe ich da etwas verpasst? Ich dachte, du lebst noch immer nach der Devise: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – privat und beruflich.“ Abwartend fixiert er mich und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich kenne ihn. Er wird sich nicht ohne eine Antwort abspeisen lassen.

„Erstens wäre es diskriminierend, wenn ich sie nicht eingestellt hätte, nur weil sie sehr attraktiv ist – sie war immerhin die mit Abstand beste Bewerberin. Zweitens halte ich mich für erwachsen und professionell genug, die Tatsache ihres attraktiven Äußeren, soweit es geht, zu ignorieren. Ich bin schließlich Herr meiner Sinne, mein Lieber! Und drittens weißt du, dass ich mir bisher nie viel aus Blondinen gemacht habe.“ Zugegeben ein wenig arrogant, aber ich habe zumindest meinen Standpunkt deutlich gemacht.

„Bisher?“, zieht er mich auf und presst die Lippen aufeinander.

„Klugscheißer mag niemand!“

Das kommt ausgerechnet von dir, Connor? Mister Erstens-Zweitens-Drittens …“

„Warum sind wir noch mal Freunde?“, frage ich rhetorisch und schnappe mir ein paar der anstehenden Pitches auf meinem Schreibtisch, um das Thema zu beenden.

„Weil du mich brauchst, mein irischer Freund. Weil ich das Salz in deiner würzfreien Suppe bin … Außerdem mache ich verdammt gute Fotos.“

Das stimmt immerhin. Paul ist einer der besten Fotografen, die ich kenne. Er hat schon unzählige Shoots für Veith Media gemacht. Aber ich sage ihm nie, wie gut er wirklich ist, denn er würde mich das niemals vergessen lassen.

„Ach ja, das“, nuschle ich, was ihn wahnsinnig macht.

„Rede du nur … Aber zurück zum Thema: die umwerfende Blondine – und nein, ich glaube dir keine einziges Wort. Von wegen du stehst nicht auf blond. Bei einer Schönheit wie ihr, die auch noch was auf dem Kasten hat, ist die Haarfarbe doch völlig egal.“

Kopfschüttelnd schnappt er sich die Papiere, die ich mir gerade angesehen habe, und verlangt damit nach Aufmerksamkeit. Pubertär, wie ich sagte.

Jeder andere, der so mit mir umgehen würde, wäre seines Lebens nicht mehr froh. Aber Paul hat nun einmal einen Sonderstatus. Er ist mit mir durch die Hölle gegangen, das vergesse ich nicht. Deshalb lasse ich ihm auch seine Frechheiten durchgehen. Aber wie eng unsere Freundschaft auch ist, ich würde lieber auf glühenden Kohlen laufen, als ihm zu gestehen, dass Camis wunderschöne goldene Mähne mir alles andere als egal ist. Und ihre Beine erst.

„Du bist wie ein Hund mit seinem Knochen“, werfe ich ihm vor und versuche dabei verständnisvoll zu lächeln.

„Ja, weil ich vorhin gesehen habe, wie du sie ansiehst. Und ich kenne diesen Blick, auch wenn ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe.“ Sein plötzlicher Ernst behagt mir ebenso wenig wie das Gesagte selbst.

„Ich bitte dich! Das ist nicht dasselbe. Du irrst dich!“, fahre ich ihn an. „Ich kenne diese Frau doch kaum … Diese ganze Unterhaltung ist einfach nur lächerlich.“ Ich stehe auf, weil ich eine nervöse Unruhe in mir fühle, die mich zur Bewegung zwingt.

„Vielleicht“, meint er ruhig und sieht mir dabei zu, wie ich auf und ab tigere, etwas, das ich in meinem Büro für gewöhnlich nicht tue.

„Aber damals hast du sie auch nicht gekannt. Und ein einziger Blick hat genügt, und du warst Feuer und Flamme.“ Seine Ruhe verwandelt sich in Sorge, nichts ist mehr von der spielerischen Unterhaltung, die er in Gang gesetzt hat, übrig. Während ich seinem Blick standhalte, verdränge ich jede Erinnerung, die, durch seine Worte angelockt, aus meinem tiefsten Inneren hervorzukriechen versucht.

„Ja, und dieses Feuer hat mich verzehrt. Das wird nicht noch einmal geschehen. Ich sorge seit Jahren dafür. Nichts wird das je ändern“, lasse ich ihn wissen. Und ich meine jedes Wort verdammt ernst. Ich kenne mich, und ich kenne die Grenzen, die ich mir setze. Ich alleine habe die Kontrolle darüber, und das lasse ich mir nicht nehmen – von niemandem.

„Ich glaube dir, Connor. Das tue ich wirklich.“

Ich atme tief ein und aus, ehe ich mich wieder setze. Die Unruhe ist weg. Die Kontrolle kehrt zurück.

„Gut.“

„Aber eins musst du mir dennoch erklären“, verlangt Paul. Ich nicke, denn er kann fragen, was er will.

„Wieso zum Teufel hast du sie dann nicht angestellt?“

Da ist sie nun, die Frage, die ich mir selbst nicht ganz ehrlich beantworten kann. Warum habe ich Cami nicht richtig angestellt, wie es eigentlich geplant war? Ich habe ihr und mir versucht zu erklären, dass ich das Risiko minimieren möchte, dass es für sie und ihre Firma gut wäre und ebenso für mich. Eigentlich eine optimale Lösung für eine aufstrebende Agentur wie Veith Media und eine junge Grafikerin, der es noch an Erfahrung fehlt. Das ist auch die Wahrheit. Irgendwie. Es gibt aber noch einen anderen Grund, einen Grund, für den ich mich schämen sollte, einen Grund, der all die Worte über erwachsenes Verhalten und Kontrolle wie üble Heuchelei aussehen lässt. Denn ein Teil von mir, der Teil, der sich wahnsinnig zu ihr hingezogen fühlt, will nicht zulassen, dass sie tatsächlich meine Angestellte ist, der ich unter keinen Umständen näherkommen darf. Und alleine dafür könnte ich mir in den Hintern treten. Selbst Paul sage ich nicht die Wahrheit. Denn mich selbst zu belügen, passt sehr viel eher zu meinem Plan, mich von Camilla Johansson fernzuhalten.

„Ich hatte meine Gründe“, ist alles, was ich ihn wissen lasse.

„Gute Gründe?“ Skeptisch zieht er eine Braue nach oben.

„Manche davon besser als andere.“

Bittersüß - berührt

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