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Bill zu erreichen war nicht schwierig. Am nächsten Morgen fuhr Bündel nach London – diesmal, ohne unterwegs ein Abenteuer bestehen zu müssen – und rief ihn an. Bill machte eifrig Vorschläge, wo man sich treffen solle – zum Lunch, zum Tee, zum Abendessen und zum Tanzen. Aber Bündel lehnte alle der Reihe nach ab.

»In ein oder zwei Tagen vielleicht, Bill! Im Augenblick bin ich geschäftlich hier.«

»Ach«, meinte Bill. »Wie entsetzlich langweilig!«

»Nicht so, wie du denkst. Ganz im Gegenteil. Kennst du einen gewissen Jimmy Thesiger, Bill?«

»Natürlich, und du auch.«

»Nein, du täuschst dich.«

»Aber du musst ihn einfach kennen! Sieht mit seinem rosa Gesicht ein bisschen dämlich aus, hat aber keineswegs weniger Hirn als ich.«

»Was du nicht sagst«, meinte Bündel. »Ist er da nicht ein bisschen kopflastig?«

»Was soll der Sarkasmus?«

»Sarkasmus? So hoch würde ich mich nicht vergreifen. Was macht Jimmy Thesiger?«

»Ob er einen Job hat? Nein.«

»Also hat er noch mehr Geld als Hirn?«

»Das möchte ich nicht behaupten. Ich meinte nur, dass er mehr Hirn hat, als du denkst.«

Bündel schwieg. Es kamen ihr mehr und mehr Zweifel. Goldjunge Thesiger schien ihr kein sehr erfolgversprechender Verbündeter zu sein. Und doch war es sein Name gewesen, den der sterbende Ronny Devereux genannt hatte. Als hätte Bill erraten, an wen Bündel dachte, sagte er plötzlich:

»Ronny hält sehr viel von ihm. Du weißt schon, Ronny Devereux. Thesiger ist sein bester Freund.«

»Ronny …« Bündel brach unentschlossen ab. Offensichtlich wusste Bill nichts von Ronnys Tod. Plötzlich fiel ihr auch auf, dass merkwürdigerweise die Zeitungen über das tragische Ereignis nicht berichtet hatten.

»Ich habe Ronny seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen«, fuhr Bill fort. »Seit jenem Wochenende in eurem Haus! Du weißt schon, als der arme Gerry Wade starb.« Er machte eine kleine Pause. »War eine scheußliche Geschichte …«

Sollte sie Bill von Ronnys Tod erzählen? Sie entschied sich dagegen – nicht am Telefon … »Bill?«

»Ja …?«

»Morgen Abend könnte ich mit dir essen.«

»Wunderbar! Und hinterher gehen wir tanzen. Ich muss dir eine Menge erzählen. Mir ist da nämlich was Dummes passiert … ich habe richtig Pech gehabt …«

»Davon kannst du mir ja morgen Abend berichten«, unterbrach Bündel ihn etwas unfreundlich. »Gibst du mir Jimmy Thesigers Adresse?«

»Jermyn Street! Warte einen Augenblick, ich suche die Hausnummer!« Es entstand eine Pause. »Bist du noch da?«

»Ja.«

»Nummer hundertdrei. Hast du’s?«

»Hundertdrei. Danke, Bill.«

»Was willst du eigentlich von ihm? Du kennst ihn doch angeblich gar nicht.«

»Noch nicht, aber in einer halben Stunde werde ich ihn kennenlernen.«

»Du besuchst ihn in seiner Wohnung?«

»Ganz recht, Sherlock Holmes.«

»Tja … er wird noch nicht auf sein.«

»Tatsächlich?«

»Ich glaube nicht. Wer würde schon früh aufstehen, wenn er nicht dazu gezwungen wäre? So musst du das sehen! Du hast keine Ahnung, was für Anstrengungen es mich kostet, jeden Morgen um elf Uhr dreißig hier zu sein. Und das Theater, das Codders macht, wenn man zu spät kommt, ist einfach absurd. Du weißt nicht, was für ein Hundeleben das hier ist …«

»Davon kannst du mir morgen erzählen«, unterbrach ihn Bündel eilig.

Sie warf den Hörer auf die Gabel und überdachte die Situation. Es war fünf nach halb zwölf Uhr. Entgegen Bills Meinung über die Gewohnheiten seines Freundes glaubte sie, dass Mr Thesiger um diese Zeit sicher in der Lage sein würde, Besucher zu empfangen. Sie nahm ein Taxi und fuhr in die Jermyn Street.

Das Musterexemplar eines älteren Gentleman öffnete ihr die Tür. Seine ausdruckslose Miene gehörte zu einem Gesicht, das man gerade in diesem Viertel von London häufig antraf.

Er bat sie nach oben in ein ausgesprochen gemütliches Wohnzimmer mit riesigen Ledersesseln. In einem dieser Monstren saß ein Mädchen, um einige Jahre jünger als Bündel, ein schlankes blondes Mädchen in Schwarz.

»Wen darf ich melden, Madam?«

»Mein Name wird Mr Thesiger nichts sagen«, meinte Bündel. »Aber es ist sehr wichtig.«

Der ernste Mann machte eine leichte Verbeugung und ging hinaus. Geräuschlos schloss er die Tür hinter sich.

Es entstand eine Pause.

»Ein schöner Morgen«, sagte das blonde Mädchen schüchtern.

»Ein wunderschöner Morgen«, stimmte Bündel zu.

Wieder entstand eine Pause.

»Ich bin heute Morgen vom Land hereingefahren«, erklärte Bündel, um das Gespräch wieder aufzunehmen. »Und ich dachte schon, hier herrschte wieder entsetzlicher Nebel. Aber es stimmte nicht.«

»Nein«, antwortete das Mädchen. »Es war keiner.« Und sie fügte hinzu: »Ich bin auch von außerhalb in die Stadt gekommen.«

Bündel betrachtete sie genauer. Zuerst hatte sie sich über ihre Anwesenheit geärgert. Bündel gehörte zu jenen energischen Leuten, die alles möglichst schnell erledigen wollen, und sie sah voraus, dass die Besucherin erst abgeschoben werden musste, bevor sie mit ihrem eigenen Anliegen herausrücken konnte. Ihre Geschichte konnte man nicht vor Fremden abhandeln.

Ein merkwürdiger Gedanke stieg in Bündel auf. Konnte es möglich sein? Ja, das Mädchen trug Trauer! Es war ein Schuss ins Blaue, aber Bündel war überzeugt, dass ihre Vermutung stimmte. Sie holte tief Luft.

»Hören Sie«, begann sie, »Sie sind nicht zufällig Loraine Wade?«

Loraines Augen wurden groß. »Doch, das bin ich. Wie kommen Sie darauf?«

»Ich habe Ihnen gestern geschrieben. Ich bin Eileen Brent.«

»Es war so reizend von Ihnen, mir Gerrys Brief zu schicken«, erklärte Loraine. »Ich habe Ihnen schon geantwortet. Ich hätte ja nie gedacht, Ihnen hier zu begegnen.«

»Kannten Sie Ronny Devereux?«

Loraine nickte. »Er kam an jenem Tag zu mir, an dem Gerry … Seitdem besuchte er mich ein paarmal. Er war einer von Gerrys besten Freunden.«

»Ich weiß. Nun – er ist tot.«

Loraine riss vor Erstaunen den Mund auf. »Tot?«

Bündel erzählte ihr so knapp wie möglich von den Ereignissen des vergangenen Tages. Furcht und Entsetzen spiegelten sieh auf Loraines Gesicht.

»Dann ist es also wahr! Es ist doch wahr!«

»Was?«

»Meine Vermutung: Gerry ist keines natürlichen Todes gestorben! Er wurde umgebracht!«

»Sie haben das wirklich gedacht?«

»Ja. Gerry hätte nie Schlafmittel genommen.« Sie lächelte scheu … »Er schlief viel zu gut. Mir ist die Sache von Anfang an komisch vorgekommen. Und ihm auch – das weiß ich.«

»Wem?«

»Ronny. Und dann passierte es. Dann wurde er auch ermordet.« Sie schwieg einen Moment und fuhr fort: »Deswegen bin ich nämlich hier. Sobald ich Gerrys Brief gelesen hatte, versuchte ich, Ronny zu erreichen, aber man sagte mir, er sei verreist. Da fiel mir Jimmy ein – er war auch ein guter Freund von Gerry. Ich dachte, er könnte mir vielleicht raten, was ich tun sollte.«

»Sie meinen … wegen Seven Dials

In diesem Moment trat Jimmy Thesiger ins Zimmer.

Der letzte Joker

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