Читать книгу Die poetische Sprache der Hypnose - Agnes Kaiser Rekkas - Страница 8
Die Kraft der poetischen Hypnose
ОглавлениеSobald wir in positive, therapeutische Trance gehen, betreten wir einen fantastischen Ort, den »hypnotischen Raum«. Dieser ist energetisch hoch aufgeladen und voll ungeahnter Freiheiten. Typisch ist das sich schnell einstellende Gefühl von Wohlbehagen, Geborgenheit und Angenommensein. Kaum entkrampft und innerlich zurückgelehnt, verändern sich, durch stimmige Suggestionen angeregt, Perspektiven und innere Muster. Wahrnehmungen entzerren sich, und rigide Strukturen werden elastisch. Zeit kann sich be- oder entschleunigen, rückwärts- oder vorwärtslaufen, in die Vergangenheit springen, um Ressourcen aufzutanken, und ebenso in die Zukunft, um dieselben auf der inneren Bühne gleich mal auszuprobieren.
Die Trancelogik (Orne 1959) lässt, vordergründig harmlos wirkend und klug zugleich, Widersprüchliches friedlich nebeneinander existieren, und das typische Wörtlichnehmen lässt den Hörenden wortwörtlich jedes Wort einzeln auskosten. Ja, die innere Welt gerät angenehm aus den Fugen, mit dem insgeheim verpackten Ziel eines besseren Konzepts unseres Selbst und unserer Möglichkeiten. Innere Bewertungen und Einschätzungen sowie die Beurteilung unserer Erfahrungen und Geschichte vermögen sich zum Positiven zu verändern, immer im Sinn von Befähigung, Entwicklung, Meisterung und Heilung. Empfindet sich jemand als nicht liebenswert, unattraktiv und lebensuntüchtig, vermag er im Raum der Hypnose innere Zustände auf neue Weise zu betrachten und seine Ressourcen zu erkennen. Dabei spielt die Erwartungshaltung – auch des Therapeuten – eine große Rolle:
»Nun seien Sie einfach erwartungsvoll …
und legen schon mal ein feines Lächeln über Ihr Gesicht …
denn … Sie werden … wenn Sie denn mögen …
bald in angenehme Hypnose sinken …«
(Lavendelblau)2
»… und legen schon mal ein feines Lächeln über Ihr Gesicht!« Ja, da steigt die freudige Erwartung an Hypnose und erhöht sich die Motivation, während im Moment schon eine Veränderung erlebt wird, nämlich ein Lächeln im Gesicht. Erfolgreicher als die neutrale Aufforderung »Entspannen Sie bitte Ihr Gesicht!« löst dieses heiteroffene Angebot ein spontanes Lächeln aus und glättet angestrengte Gesichtszüge, ohne diese zu erwähnen.
Eine »Hypnosewunderpille« war der ausdrückliche Wunsch eines Herrn mit einem psychosomatischen Leiden. Und da nicht nur der Kunde König ist, sondern auch der Patient, erhielt er diese – selbstverständlich gleich in der ersten Sitzung. Die zugehörige Audioaufnahme diente ihm für die Selbsthypnose zu Hause. Und, kein Wunder, die »Hypnosewunderpille« wirkte:
»Ihre erste Hypnose … Ihre Wunschhypnose … Ihre Wunderhypnose …
Ihre, wie Sie es sich ausdrücklich wünschen, ›Hypnosewunderpille‹ wird womöglich anders sein, als Sie es sich ausmalen …
denn Sie werden immer wissen, wo Sie sind …
Sie werden immer hören, was ich zu Ihnen spreche …
Sie werden sicher meinen, alles zu hören, und hören jedes Mal doch etwas anderes … … und … vielleicht … nach geraumer Zeit …
hören Sie mir nur noch mit einem Ohr zu … oder schalten einfach ab … und sind an einem wunderschönen Ort …«
(Die Hypnosewunderpille)
Je höher die sprachliche Kompetenz – natürlich auf der Basis fachlichen Wissens um Psychodynamik, neuronale Plastizität und hypnotische Prinzipien –, umso leichter lässt sich in Trance ein Höchstmaß an Wirkung erzielen. Im besten Falle bietet der hypnotische Raum dem Eintretenden – unter sorgfältiger Führung des Therapeuten – eine ungeahnte Fülle an offenen Angeboten von Bildern und Gefühlen, Möglichkeiten und Handlungsstrategien.
»Die beiden wandern durch die Stadt … die Fee zeigt auf die federleichten Wolken am Himmel … gerade in dem Moment, als sie unbemerkt an einem Geschäft (mit Süßigkeiten) vorbeischlendern … sie plaudern miteinander … entdecken neue Dinge … schmieden Pläne …
interessieren sich für etwas ganz anderes …
Glückliche Stunden …«
(Die Zähmung des süßen Monsters)
Jede gute Hypnose besteht aus einer Vielfalt von unterschiedlichen, wirkungsvollen Elementen, die sich, abgestimmt auf die betreffende Person, frei kombinieren lassen. Dabei offeriert die poetische Hypnose durch die ihr eigene Sprachform ihre Angebote besonders permissiv, offen, vielschichtig. Deshalb wird der Hörende, beziehungsweise der sich in Hypnose Befindende, auf ungewöhnliche Weise in ihren Bann gezogen. Er wird verführt. Verführt, sich einzulassen, um zum Beispiel auszuprobieren, wie es sich auf der Sonnenseite des Lebens spazieren lässt oder auch wahlweise an der See.
»Sind Sie auch so gerne an der See?
Viele Menschen lieben die See … mit ihren hohen Wellen …
der Brandung … der unendlichen Weite …
Gischt auf den Wangen … und Salz auf den Lippen …
Wind in den Haaren … und Meeresbrise in der Nase …
das Auge erkennt die Küstenlandschaft wieder …
die sanft geschwungenen Dünen … die endlose Fläche des Wassers …
am Himmel wilde Wolkengebilde …«
(Go with the flow)
Natürlich eröffnet auch die folgende nüchterne Variante ein Geruchserlebnis mit beruhigendem Lavendel und eine Gefühlsoase der Erdung und Stärke:
»Sie riechen den Duft von Lavendel und fühlen sich seelisch ruhig und ausgeglichen …«
Aber um wie viel intensiver erleben wir die ätherischen Öle, wenn sich diese direkt in der Nase versprühen, und um wie viel kraftvoller wird die Seele, wenn sie sich farbig ausmalt:
»In Ihrer Nase Duft von Lavendel …
in Ihrer Seele das kraftvolle Rot des Hibiskus …
das zarte Rosa des Oleanders …
das klare Weiß der frischen Zitronenblüte … und …
das geheimnisvolle Blau des Lavendels …«
(Lavendelblau)
Völlig in Ordnung ist:
»Stellen Sie sich vor zu lächeln, und spüren Sie nach, wie sich das anfühlt!«
Aber um wie viel leichter kann ein Lächeln aufblühen, wenn die Gesichtsmuskeln sich in Eigenregie aktivieren:
»Feine Impulse steuern Ihre Gesichtsmuskeln …
und diese entwerfen ein feines Lächeln … und …
dieses feine Lächeln macht sich genüsslich breit …
und wirkt bald in die Tiefe …«
Nicht schlecht ist die folgende Prophezeiung mit suggestivem Charakter:
»Sie werden nachts gut träumen und morgens frisch und erholt aufwachen …«
Doch ist die Vorstellung nicht einfach herrlich, dass schöne Träume mich schon erwarten? Dann aber nix wie ab in die Heia und schnell einschlafen!
»Schöne, gute Träume …
heiter und frei …
werden Sie erwarten …
lassen Sie am Morgen …
leicht und beschwingt …
in den jungen Tag starten …«
(Die lachenden Träume)
Auch das hört sich nicht unangenehm an:
»Sie fühlen sich ruhig und bleiben in der Zeit Ihrer Wechseljahre stabil und zuversichtlich.«
Mehr Anregung auf unbewusster Ebene gibt die poetische Version:
»Sie sind ganz in Ihrer Ruhe … und … Ihnen ist bewusst wie nie zuvor:
Ich erlaube mir, diesen Lebensabschnitt zu genießen …
und lass mich überraschen, wie …
ich bin die schöne Kriegerin …
Stabilität … Kraft … Zuversicht … sind meine drei treuen Begleiter.«
(Die schöne Kriegerin)
In Hypnose hören wir anders als im Wachbewusstsein. Worte werden direkt rezipiert und »übersetzt«. Sie gehen unter die Haut. Ja, sie werden real, zeitnah und vital:
»Ich fühle meinen Körper herrlich schweben …
und meine Seele lustvoll schwingen … denn …
ich tanze auf dem Berg … ausgelassen … heiter … frei …
die Stimmung ist wundervoll … und alles spielt sich von alleine ab …
oben auf dem Berg … und unten im Tal … in der Tiefe …
ich tanze mich fröhlich frei … und erlebe, wie herrlich anders es ist!
ich werde davon träumen … und in den Träumen lernen …
und mich in den Träumen freisprechen … freileben … und freilieben …
und es wird einfacher sein, als ich denke …
ich tanze mich einfach frei …«
(Ich tanze mich frei)
Weiter unten in diesem Text erhält das Unbewusste durch sensible Formulierung vollkommen freie Hand:
»Unten im Tal … ist mein Unbewusstes tätig … hält alte Szenen an …
spult sie zurück … spielt sie in neuer Version … in einer guten, neuen Aufführung …
… lustvoll … spannend … frei … spontan …
… löst die Nebel auf …«
(Ich tanze mich frei)
Um Hypnose zu verstehen, muss sie erfahren werden. Um Hypnosetexte wirklich zu erfassen, sollten sie im veränderten Bewusstseinszustand der Trance aufgenommen werden. So ist es von Vorteil, die Beispiele in diesem Kapitel nicht nur durch normales Lesen aufzunehmen, sondern in leichter Trance oder zumindest mit geschlossenen Augen zu vernehmen und dabei selbst zu testen, wie unterschiedlich die zwei Versionen jeweils wirken. Dafür kann man die Sätze laut sprechen und dann noch mal mit geschlossenen Augen wiederholen. Oder man lässt sich die Textstellen von einer anderen Person vorlesen. In diesem Sinne setze ich auf implizites Lernen, Lernen durch Erleben und Verinnerlichen.
Deshalb sind die Erläuterungen zum Spektrum und zur Struktur der poetischen Hypnose eher knapp gehalten, dafür aber an einer großen Anzahl an beispielhaften Textfragmenten aus den Hypnosen in Teil 3 verdeutlicht. Lassen Sie sich diese Textstellen auf der Zunge zergehen, schließen Sie die Augen, lassen sie nachklingen und genießen einfach!
Eine weitere Möglichkeit, meine in Teil 3 präsentierten Hypnosetexte intensiv zu erleben, ist das Hören der zahlreichen von mir gesprochenen und im Carl-Auer Verlag veröffentlichten CDs. (Siehe dazu die vollständige Liste im Anhang.) Diese erweisen sich nicht nur als erfolgreich in der Anwendung der Hypnose in Eigenregie, sondern bieten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Buch reiches Lehrmaterial bezüglich der hypnotischen Sprachtechnik und Sprachgestaltung bezüglich Intonation, Sprachfluss, Sprachmelodie, Lautstärke, Timing (Pausen) und Untermalung. Bei guter Artikulation der Laute lässt sich durch ein einzelnes Wort spontan ein Gefühl oder ein Bild erzeugen. Kleines Beispiel: Wenn Sie »Luft« mit einem sehr luftigen f sprechen, ist tatsächlich ein leichter Wind zu spüren.
2 Der in Klammern angeführte Name jeweils am Ende des Auszugs verweist auf den (Haupt-)Titel des zugehörigen vollständigen Trancetexts in Teil 3.