Читать книгу Akrons Crowley Tarot Führer - Akron Frey - Страница 46
Andere Verbindungen
Оглавление– Tiefenpsychologische Zusammenhänge –
Der Narr und die Mutterimago
Blättern wir zurück: Nachdem der Narr seine Über-Mutter vergewaltigt hat und sich damit von der spirituellen Mutter (Mutter Gottes) löste10, kann er in der Kaiserin jetzt der Großen Göttin begegnen. Damit ist die Gefahr aber nicht gebannt – ganz im Gegenteil. Die Hohepriesterin zu »vögeln« ist ein normaler virtueller Akt im Kopf, der in den meisten Pubertierenden während ihrer ersten Masturbationsphasen heranwächst. Doch die Mutterimago, die die Kaiserin ausstrahlt, ist etwas ganz anderes. Dahinter erscheint, wenn der Trieb erwacht, die Erinnerung an eine sinnliche Gestalt aus Fleisch und Blut und gleichzeitig – damit verbunden – ein Schuldgefühl, das den Jüngling umfasst, nämlich das Gefühl, die leibliche Mutter mit dem inneren Bild der Hohepriesterin betrogen zu haben. Deshalb ist es auch nicht eine äußere Kaiserin, die ihm begegnet, sondern es ist seine eigene unterdrückte innere Weiblichkeit, die in ihm erwacht und die ihn zwingt, sich für die begangene Vergewaltigung im Kopf an eine sinnliche Frau zu verlieren, die nichts anderes mit ihm vorhat, als ihn mit Haut und Haaren in sich »einzuführen« (also zu verschlingen wie die Hexe im Märchen Hänsel und Gretel). Der Psychologe spricht von der pubertären Lust, in den Mutterleib zurückkehren zu wollen.
Die Kaiserin symbolisiert also die schreckliche Gefahr, die von der Mutterimago ausgeht. Diese Gefahr besteht darin, dass die Persönlichkeit durch die unbewusste Faszination gelähmt werden kann, die dieses Bild auslöst. Der Schatz, den die Mutter in der Tiefe bewacht, steht für das Wachstum der Lebenskräfte, und die können vom Narren nur entwickelt werden, wenn er ihr die ihm zustehende Libido unter ihren Rockschößen hervorstielt. Doch der Preis ist hoch: Ist die Mutterimago für ihn zu stark, dann kann er von ihrer unbewussten Kraft überwältigt und wie eine Spinne im Netz der Urschlange gefangen werden. Bei Goethe ist Fausts Reise hinab zu den Müttern die gefährlichste seiner Höllen, doch genauso wie der Narr mit einer Liebenden kehrt Faust mit seiner Helena zurück. Durch diesen erfolgreichen Akt ist die Beziehung zu seiner inneren Weiblichkeit verwandelt.
Was zeigt uns dieses Beispiel im Falle Crowley? Wenn wir seinen Spruch akzeptieren, dass der Narr sozusagen alle Karten in sich beinhaltet, die sich als verschiedene Stationen auf seinem Lebensweg hintereinander entfalten, müssen wir auch umgekehrt hinnehmen, dass beispielsweise Kaiserin oder Hohepriesterin oder auch die Karte Lust, die ebenfalls eine Materialisation kompensierter negativer Gefühle darstellt, Teile des Gesamtwesens des Narren alias Aleister Crowley sind. Die vergewaltigte Scharlachhure aus der Mischung Hohepriesterin – Kaiserin– Lust ist sozusagen die aggressive Antwort auf das prüde mütterliche Sektenbild.11 Während er seine Projektion bewusst nicht durchschaut, dirigiert er sie unbewusst sehr gut: Es handelt sich um die schöpferische Kreation seiner zerstörerischen Neigungen, die von seinem eigenen Dämon so zurechtgeformt und zurechtgestutzt worden sind, dass sie ihn nicht mehr bedrohen können. Der Preis bedingt natürlich das Opfer der inneren Mutter, die nicht erlöst werden kann. Das eine hängt direkt mit dem anderen zusammen, denn seine Scarlet Woman hätte sich nicht entwickeln können, wenn er das Trauma mit seiner Mutter aufgearbeitet hätte.12 Deshalb verkörpern die Scharlachfrauen Crowleys dunkle Kraft, und die Tatsache, dass er in jeder Frauenbeziehung die innere Göttin sucht, die er äußerlich völlig zu beherrschen und in seinen Bann zu ziehen trachtet, zeigt, dass er in seinen Frauen eigentlich seine eigenen destruktiven Energien, die nach innen gerichtet waren, bearbeitete.
Kehren wir zum Narren zurück. Der Segen der schrecklichen Begegnung mit der Mutter besteht darin, dass er gestärkt und geläutert aus dem Zusammenbruch hervorgehen kann, wenn sich der Staub in der Seele wieder gesetzt hat. Auf den Lebensbaum bezogen bedeutet das: Die tote Mutter verliert keine Zeit und kehrt als neugeborene Tochter wieder zurück auf den Thron.13 Aus psychologischer Sicht kann man auch sagen: Die unbewusste Mutter, die mit ihrem schrecklichen Gesicht den Weg des Narren kreuzt, nimmt nun den freundlichen Ausdruck der guten Mutter an. Er kann sie jetzt mit gutem Gewissen verlassen, ohne sich schuldig zu fühlen oder von ihr weiter abhängig zu sein. Der Ruf seiner Instinkte durchströmt ihn ohne Einbindung seiner desaströsen, unterentwickelten Neigungen, sondern in zunehmender Unterstützung seiner erwachenden Männlichkeit.
Die Kaiserin als Shuttle zwischen Idee und Wirklichkeit
Mit der Karte Kaiserin verlassen wir die Ebene der reinen Ideen und manifestieren uns im Bereich, den man als die Materialisierung unserer Vorstellung bezeichnen kann. Die Addition der Zahlenwerte I und II zeigt, dass sie die Polarität von Magier und Hohepriesterin in sich vereint, denn die III ist das Produkt der Vereinigung der beiden vorangegangenen Karten. Die materielle Ebene wird traditionell unterhalb der Welt der Ideen angesiedelt, was die Sichtweise des aus dem Himmel geworfenen Menschen spiegelt, der zu Gott aufschaut, der ihm das verlorene Paradies wieder zu finden verspricht. Zumindest, wenn er das tut, was ihm (später) der Hierophant aufträgt!
Deshalb wohnt jeder Idee der vitale Antrieb der Kaiserin inne, sich im Leben zu verwirklichen. Es ist das weibliche Verlangen, die Sehnsucht nach der Urquelle durch das Gebären eigener Kinder zu stillen. Man könnte auch sagen: Atu III ist der Stempel, der die Schwingungen von I und II der Realität (IV und V) aufprägt, ein gespiegeltes Bild der Seele in einer Realität, die selbst Spiegel ist. Dieser unauslöschliche Wunsch nach dem Höheren ist der Funke des Magus, der allem Leben innewohnt: die Erkenntnis, dass es etwas Größeres geben muss als die eigene Existenz. Auf der vertikalen Achse zwischen der Idee und der Materie wird die Kaiserin, obwohl sie einen Teil von ihm selbst in sich trägt, damit zur Erfüllungsgehilfin von Magus und Hohepriesterin (auf der materiellen Ebene gleichzeitig auch zur Gegenspielerin des Kaisers).
Fazit:
Die ersten beiden Karten sind diejenigen, die die Ideen aus dem Nichts entstehen lassen, und die Kaiserin als Vollstreckerin ist die Dritte im Bunde, die aus deren Ideen feste Formen hervorbringt.