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2.1.4 Zusammenhänge

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Im vorangegangenen Abschnitt wurden bereits einige Determinanten dafür benannt, warum Menschen bei ihrer Urteilsfindung grundlegende statistische Zusammenhänge wie die Base Rates nicht beachten. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang die Frage, ob jemand Informationen über Base Rates nur als mehr oder weniger interessante Hintergrundinformationen ansieht oder ob er ihnen auch eine kausale Bedeutung beimisst. Die Logik ist zwar in beiden Fällen die gleiche, die Psychologik macht allerdings einen deutlichen Unterschied. So kann man die Durchfallquote in einer Klausur beispielsweise als einfache Häufigkeitsinformation betrachten oder aber als Indikator für die Schwere der Klausur. Ist Letzteres der Fall, dann wird man die Information stärker gewichten und seltener bei einer entsprechenden Prognose vernachlässigen.

Auch eine weitere Einflussgröße wurde oben bereits erwähnt: die Spezifität. Je spezifischer eine Information ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die Base Rates vernachlässigt. Beispielhaft zeigt sich das an einer Modifikation des Taxi-Problems: Wenn der Augenzeuge keine Auskunft über die Farbe des Taxis machen kann, sondern sich lediglich an ein Sprechfunkgerät erinnert, das in Betrieb war (die grünen und blauen Taxis sind unterschiedlich häufig mit Sprechfunkgeräten ausgestattet), kommt es zu einem deutlich abgeschwächten Vernachlässigungseffekt der Base Rates (BAR-HILLEL 1980).

Im Zusammenhang mit den Fähigkeiten, die notwendig sind, um statistische Informationen angemessen zu würdigen, kommen (neben den statistischen Kenntnissen) Größen wie Zeitdruck, Überschaubarkeit der Situation und Informationsüberlastung ins Spiel. Wem beispielsweise wenig Zeit zur Verfügung steht um die verschiedenen Wahrscheinlichkeiten abzuwägen, der wird eher auf eine schnelle heuristische Lösung zurückgreifen als jemand, der sich gelassen einer soliden Problembearbeitung widmen kann.

Wichtig ist außerdem die Rolle, die man bei der Bearbeitung mit Base Rate Problemen einnimmt. ZUKIER UND PEPITONE (1984) fanden heraus, dass Personen, die aufgefordert wurden, wie Statistiker zu denken, den Base Rate Fehler seltener begingen als Personen, die aufgefordert wurden, wie Psychologen zu denken. Schließlich hängt die Interpretation einer Situation auch von Vorurteilen, Stereotypen oder ganz allgemein von den persönlichen Hintergrundvorstellungen ab (EVANS u.a. 2002). Wer eine unverbrüchliche Meinung über einen Sachverhalt hat, lässt sich weder vom Augenschein noch von statistischen Informationen sonderlich beeindrucken (ROKEACH 1960).

Die Experimente zur Base Rate Fallacy wurden verschiedentlich heftig kritisiert. Moniert wurden Verständnisprobleme, die durch die Aufgabenformulierung entstehen könnten, die Reihenfolge, in der die Informationen dargeboten werden, die sprachlichen Wendungen, die Präsentation von Hintergrundinformationen usw. Bei dieser methodischen Kritik geht es oft um die Frage, inwieweit die Art der Aufgabenstellung dazu führt, dass man die wichtigen Informationen über die Base Rates nicht genügend beachtet. Die Aufmerksamkeitslenkung ist in der Tat ein wichtiger Faktor. Wird das Aufgabendesign so gestaltet, dass sich der Blick auf die gesamte Situation und nicht so sehr auf das einzelne Handeln der Akteure richtet, dann tritt der Base Rate Fehler tatsächlich auch seltener auf (BAR-HILLEL 1990, S. 206). Die methodischen Kritikpunkte lösen die Wirklichkeit der Base Rate Fallacy – anders als manche Kritiker meinen – allerdings nicht auf, im Gegenteil, sie erfüllen den eigentlichen Forschungszweck, in dem sie darauf hinweisen, unter welchen Umständen Menschen dazu neigen, Base Rates bei ihrer Urteilsfindung zu ignorieren.

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