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Vom Koloniebewohner zum Kolonisator

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Den Koloniebewohner gibt es nicht, da es nicht vom einzelnen Europäer in den Kolonien abhängt, ob er Koloniebewohner bleibt, selbst wenn er die Absicht dazu hätte.

Ob er es ausdrücklich gewünscht hat oder nicht, er wird durch die Institutionen, die Sitten und die Menschen als Privilegierter empfangen. Vom Zeitpunkt seiner Ankunft oder von Geburt an befindet er sich in einer Situation vollendeter Tatsachen, in der sich jeder Europäer befindet, der in der Kolonie lebt, und die ihn zum Kolonisator macht. Tatsächlich stellt sich jedoch das moralische Grundproblem für den Kolonisator nicht auf dieser Ebene, nämlich das der Verpflichtung seiner Freiheit und damit seiner Verantwortung. Er hätte zweifellos auch die Wahl gehabt, das koloniale Abenteuer nicht zu wagen, aber sobald das Unternehmen gestartet ist, hängt es nicht mehr von ihm ab, dessen Bedingungen abzulehnen. Wir müssen noch hinzufügen, dass er sich vielleicht als Opfer dieser Bedingungen gefunden hat, unabhängig von jeder vorherigen Wahl, wenn er in der Kolonie als Kind von Kolonisatoren geboren wurde oder wenn er zum Zeitpunkt seiner Entscheidung den realen Sinn der Kolonisation wirklich nicht gekannt hat.

Das eigentliche Problem des Kolonisators stellt sich auf einer zweiten Ebene: wenn er einmal den Sinn der Kolonisation erkannt und sich seine eigene Lage sowie die des Kolonisierten und die notwendige Beziehung zwischen beiden bewusst gemacht hat, wird er dann diese Bedingungen akzeptieren? Wird er sich als Privilegierten verneinen oder bejahen und so das Elend des Kolonisierten, dieses zwangsläufige Korrelat seiner Privilegien verstärken? Wird er Usurpator bleiben und damit die Unterdrückung und das Unrecht gegenüber dem eigentlichen Einwohner der Kolonie bestätigen, diese notwendigen Bedingungen der eigenen weitgehenden Freiheit und des eigenen Prestiges? Wird er sich schließlich als Kolonisator bejahen, dieses Bild von ihm, das bereits auf ihn wartet, von dem er spürt, wie es bereits Gestalt annimmt unter der beginnenden Gewöhnung an das Privileg und die Unrechtmäßigkeit, ständig unter den Blicken der Usurpierten? Wird er sich mit dieser Situation abfinden, mit diesem Blick und mit seiner eigenen Verurteilung, der er bald nicht mehr entgehen kann?

*Höherer arabischer Beamter im Dienst der Kolonialmacht (A.d.Ü.)

Der Kolonisator und der Kolonisierte

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