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Luckys Glück

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Während der Umbauarbeiten wurden erstmals seit Jahrzehnten alle Schränke, Kommoden und Truhen ausgeräumt. Melchior, der sich dieser Arbeit hauptsächlich annahm, warf beinahe achtlos alles weg, was ihm an altem Krempel in die Hände fiel. Es war reiner Zufall, dass nicht er, sondern Franz auf einen an den Waisenvogt des Dorfes adressierten, aber offensichtlich nicht zum Versand gebrachten vergilbten Briefumschlag aufmerksam wurde.

Er dachte sich nicht viel, als er ihn aufbrach und aus lauter Neugier zu lesen begann. Geschrieben worden war er von Emma, Lukas› Mutter, vermutlich kurz bevor sie starb. Sie sorgte sich um die Zukunft ihres ersten Sohnes, falls sie sterben sollte und bat den Empfänger, sich nach ihrem Tod um Lukas zu kümmern, denn sie wisse nicht, ob ihr Mann dazu in der Lage sein würde oder dies wirklich wolle.

Dieser Bitte und den Zweifeln gegenüber ihrem Mann folgte kurz und klar die traurige Geschichte von dem Verbrechen, das ihr Vater ihr angetan hatte. Göpf war nicht nur ihr eigener, sondern auch Lukas› Vater. Sie vermochte die Blutschande nicht offen zu legen, fürchtete sich auch vor ihrem Vater und fasste Mut, als Melch ihr versprochen hatte, ein guter Mann zu sein.

Die alte Stine hatte das Geheimnis gekannt, die Gefahr geahnt und versucht, ihr Grosskind zu schützen und kam doch zu spät. Es war Stines Idee gewesen, Melch zur Annahme des Kindes und zur Heirat mit Emma zu überreden und ihm dafür das Erbe der Familie in Aussicht zu stellen. So würde er zu einer guten Partie kommen, früher oder später sein eigener Herr sein und nicht als elender kleiner Knecht auf Lebzeiten für sein notgedrungen sehr bescheidenes Auskommen rackern müssen. Was weder die Stine noch der Göpf wussten: Melch mochte Emma, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Franz fühlte sich durch diesen Brief überfordert. Sein erster Impuls war, ihn zu vernichten. Er fürchtete jedoch, auf Dauer mit dem Wissen nicht ruhig leben zu können. Er wollte auch nicht mit Melch darüber reden. Er besprach sich mit Felix und der meinte, der Brief gehöre dorthin, wo die Emma ihn hatte haben wollte. Er steckte ihn kommentarlos in einen grösseren Umschlag ohne Absender und brachte ihn zur Post.

Der zuständige Gemeinderat bestellte Melch zu einem Gespräch. Der alte Melch soll, so später das Gerücht, nach diesem Treffen stundenlang geweint haben.

1967 verkaufte Melchior den Stadelhof an Hannes Brand. Franz, inzwischen Vater zweier Kinder, könne Pächter bleiben, schlug der neue Besitzer vor und versprach, in den kommenden Jahren mehr Land zu kaufen und eine neue richtig grosse Scheune bauen zu lassen.

Melch sicherte sich und Lukas mit dem Geld eine Rente. Er lebte noch fünf Jahre. 1971 verunglückte der 80-Jährige tödlich beim Holzschlag im Gemeindewald, er konnte nicht ohne Arbeit sein. Lukas starb kurz danach an Herzversagen, so schrieb es der Doktor als Ursache.

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