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Die Taube
Fünfter Brief

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Den 11. Mai, mit Tagesanbruch.

Iris ist ohne Brief oder Billet zurückgekehrt. Die arme Kleine hatte eine ganz betrübte Miene, so ihres Ranges als Botin entsetzt wieder zu erscheinen, sie hob von selbst ihren Flügel auf, wie um mich zu fragen, was das bedeuten solle.

Das will sagen, liebe Iris, daß Du mir allein angehörst, daß der Tag, der an unserem dunkeln Himmel entstanden war, erloschen ist, daß der Bruder ein Fremder, daß der Freund ein Gleichgültiger war.

Und dieses, liebe Kleine, schreibe ich für mich allein. Diese Klage meiner Seele, welche in ihrer Einsamkeit jammert, wird nicht bis zu ihm gelangen, ich sage es Dir, daß ich leide, ich sage es Dir, daß ich weine, ich sage es Dir, daß ich unglücklich bin.

Ach!ach! mein Gott, verirrt sich Deine Gerechtigkeit nicht zu weilen, und treffen nicht die Streiche, welche Du den Schuldigen vorbehältst, von irgend einem unsichtbaren und bösen Engel abgewandt, die Unschuldigen? Man sagt uns, daß die Leiden dieses Lebens die Glückseligkeit des andern vorbereiten, aber warum Leiden für die, welche nichts gethan hat, die vielleicht einen Fehltritt, die aber gewiß kein Verbrechen zu büßen hat? Warum die Verzeihung Jesus für die Magdalena? warum die Nachsicht Christus für die Ehebrecherin? warum diese Strenge gegen mich, gegen mich allein, mein Gott!

Ich habe geliebt, es ist wahr; aber indem ich liebte, habe ich einer anderen Liebe geantwortet; ich war für das Leben der Welt, und nicht für das Leben des Klosters geboren. Indem ich liebte, habe ich das von Dir den Thieren, den Menschen, den Pflanzen auferlegte Gesetz befolgt. Alles liebt auf dieser Welt, Alles sucht sich zu vereinigen, und sich in ein und dasselbe Leben zu verschmelzen; die Bäche mit den Flüssen, die Flüsse mit!den Strömen, die Strome mit dem Ocean. Diese Sterne, welche des Nachts den Himmel durchziehen, indem sie von einem Horizonte aufbrechen, das Firmament mit einer, goldenen Linie durchfurchen, und an dem entgegengesetztem Horizonte erlöschen, gehen, um in dem Schooße eines anderen Sternes zu erlöschen; selbst unsere Seelen, diese Ausströmungen Des göttlichen Hauches, suchen auf der Erde nur eine andere Seele, um sich eine Gefährtin der Liebe aus ihr zu machen, und wenn sie unseren Körper verlassen, um sich mit demselben Fluge in Dir zu verschmelzen, der Du die allgemeine Seele und die Liebe ohne Ende bist.

Nun denn! mein Gott, ich hatte mich einen Augenblick lang bei der Hoffnung gefreut, an dem äußersten Ende meines Horizontes eine unbekannte, aber schwesterliche Seele wiedergefunden zu haben, eine Schwester für das Leiden, denn bei dem ersten Klagen hatte ich gesehen, daß es der Mund des Herzens war, der sich beklagt. Warum, arme leidende Seele, willst Du nicht Deinen Antheil an meinem Kummer nehmen, wie ich meinen Antheil an Deinem Schmerze nehmen werde? Es ist das Gesetz, daß die getheilten Lasten weniger schwer sind, und daß die Last welche zwei einzelne Kräfte erdrückt, zuweilen zwei vereinigten leicht erscheint.

Da läutete es zum Gebete; Du rufst mich, mein Gott! und ich gehe zu Dir! ich gehe zu Dir in dem Vertrauen auf meine Reinheit, mit offenem Herzen, damit Du in ihm lesen kannst, und wenn ich Dich durch irgend eine That oder irgend eine Unterlassung erzürnt hätte, o mein Gott! so laß es mich durch ein Zeichen, durch eine Eingebung, durch irgend eine Offenbarung wissen, und ich werde mit der Stirn im Staube, mit ausgestreckten Händen vor Deinem Altare auf den Knieen bleiben, bis daß Du mir verziehen hast.

Du, liebe Taube, sei die treue Bewahrerin dieser Gedanken meines schwachen Herzens, dieser Regung meiner armen Seele! bedecke mit Deinem Flügeln dieses Papier, das ich zusammenfalte um es den Blicken Aller zu entziehen, und das mich erwarten wird wie die halb gefüllte Schale den Rest des bitteren Trankes erwartet, der ihm verheißen ist.

Die Taube

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