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Erstes bis Fünftes Bändchen
I
Das Palais-Royal

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Will uns der Leser mit jenem Vertrauen folgen, das wir ihm seit den zwanzig Jahren, die wir ihm als Führer durch die tausend Krümmungen des Labyrinths dienen, welches wir, ein moderner Dädalos, zu erbauen unternommen, eingeflößt zu haben uns schmeicheln, so werden wir ihn in den Garten des Palais-Royal am Morgen des 24. Aug. 1788 einführen.

Ehe wir uns aber unter den Schatten der wenigen Bäume wagen, welche die Art der Speculation verschont hat, sagen wir ein Wort vom Palais-Royal.

Das Palais-Royal, – das zu der Zeit, wo wir den Vorhang von unserem ersten revolutionären Drama aufziehen, eben durch seinen neuen Eigenthümer, den Herzog von Chartres, der seit dem 18. October 1785 Herzog von Orleans geworden ist, einer bedeutenden Umwandlung unterworfen wird, – verdient in der That durch die Wichtigkeit der Scenen, welche in seinem Umkreise vorgehen sollen, daß wir die verschiedenen Phasen, die es durchlaufen hat, erzählen.

Im Jahre 1629 fing Jacques Lemercier, Architekt Seiner Eminenz des Cardinal-Herzogs von Richelieu, an auf der Stelle der Hotels Armagnac und Rambouillet das Gebäude zu errichten, das Anfangs bescheiden den Titel Hotel Richelieu annahm; sodann, da diese Macht, die sich von Tag zu Tag vergrößerte, eine ihrer würdige Wohnung bedurfte, sah man allmälig vor diesem Manne, dessen Geschick es war, alle Wände zu durchbrechen, die alte Ringmauer von Karl V. einstürzen; niederstürzend, füllte die Mauer den Graben, und die Schmeichelei konnte ebenen Fußes in das Palais-Cardinal eintreten.

Darf man den herzoglichen Archiven glauben, so hatte das Terrain allein, auf welchem sich das Meisterwerk von Jacques Lemercier erhob, beim Ankaufe achtmalhundertsechzehntausend sechshundert und achtzehn Livres gekostet, eine ungeheure Summe für jene Zeit, die jedoch sehr gering im Vergleiche mit der war, welche man für das Gebäude selbst ausgegeben; diese verheimlichte man sorgfältig, wie später Ludwig XIV. sorgfältig verheimlichte, was ihn Versailles gekostet hatte; wie dem sein mag, diese Summe trat durch eine solche Pracht an den Tag, daß der Verfasser des Cid.1 der in einer Dachkammer wohnte, vor dem Palaste des Verfassers von Mirame ausrief:

Non, l'univers entier ne peut rien voir d'égal

Aux superbes dehors du Palais-Cardinal;

Toute une ville entiére, avec pompe bâte,

Semdle d'un vieux fossé par miracle sortie,

Et nous fait présumer, à, ses superbes toits,

Que tous ses habitans sont des dieux ou des rois.2


Dieser Palast war in der That so prachtvoll mit seinem Schauspielsaale, der dreitausend Zuschauer fassen konnte; mit seinem Salon, wo man Stücke spielte, die man gewöhnlich auf dem Theater der Marais-du-Temple gab; mit seinem in Mosaik auf Goldgrund von Philipp von Champagne decorirten Gewölbe; mit seinem Museum großer Männer gemalt von Vouet, Juste d'Egmont und Paerson, ein Museum, in welchem, der Zukunft vertrauend, der Cardinal zum Voraus seinen Platz bezeichnet hatte; mit seinen antiken Statuen, welche von Rom und Florenz gekommen; mit seinen lateinischen Distichen von Bourdon componirt; mit seinen Devisen von Guise, dem königlichen Dolmetscher, ersonnen, – daß der Cardinal-Herzog, der doch bekanntlich nicht leicht erschrak, vor dieser Herrlichkeit erschrak und, um sicher zu sein, seinen Palast bis zu seinem Tode bewohnen zu können, denselben zu seinen Lebzeiten König Ludwig XII. schenkte.

Eine Folge hiervon war, daß am 4. December 1649, an welchem Tage der Cardinal-Herzog verschied, Gott bittend, er möge ihn bestrafen, wenn er im Laufe seines Lebens Etwas gethan habe, was nicht für das Beste des Staates gewesen sei, dieser Palast, in welchem er gestorben, den Namen Palais-Royal annahm, ein Name, den ihm die Revolutionen von 1793 und 1848 entrissen, um ihm die Namen Palais-Egalite und Palais-National zu geben.

Da wir aber zu denjenigen gehören, welche, trotz der Decrete, den Menschen ihre Titel erhalten und, trotz der Revolutionen, den Monumenten ihre Namen bewahren, so wird, wenn unsere Leser es gütigst erlauben wollen, das Palais-Royal fortwährend für sie und für uns das Palais-Royal heißen.

Ludwig XIII. erbte also das glänzende Gebäude. Ludwig XIII. war aber nur ein einen Leichnam überlebender Schatten, und wie es der Geist in Hamlet seinem Sohne macht, so winkte der Geist des Cardinals Ludwig XIII, ihm zu folgen, und Ludwig XIII., mit welchem Widerstande er sich auch bleich und zitternd an das Leben anklammerte, folgte ihm fortgezogen durch die unwiderstehliche Hand des Todes.

Dann war es der junge König Ludwig XIII. der diesen schönen Palast erbte, aus welchem ihn eines Morgens die Herren Frondeurs verjagten, weshalb er einen solchen Haß gegen denselben faßte, daß er, als er am 21. October 1652 von Saint-Germain nach Paris zurückkam, nicht mehr im Palais-Royal, sondern im Louvre abstieg, so daß dieses Gebäude, welches den großen Corneille so sehr in Verwunderung setzte, der Aufenthaltsort von Frau Henriette wurde, die das Schaffot von Whitehall zur Witwe gemacht hatte, und der Frankreich die Gastfreundschaft gab, welche England zwei Jahrhunderte später Karl X. geben sollte, die Gastfreundschaft, die zwischen Stuart und Bourbon geübt wird.

Im Jahre 1692 bildete das Palais-Royal die Mitgift von Francoise Marie von Blois, dieser matten, schläfrigen Tochter von Ludwig XIV. und Frau von Mortespan, von der uns die Prinzessin von der Pfalz, die Frau von Monsieur, ein so interessantes Portrait hinterlassen hat.

Es war der Herzog von Chartres, später Regent von Frankreich, welcher, die Backe noch geröthet von der Ohrfeige, die ihm seine Mutter gegeben, als sie seine zukünftige Verbindung mit der königlichen Bastardtochter erfahren hatte, unter dem Titel einer Apanage-Erhöhung, das Palais-Royal dem Hause Orleans als Eigenthum brachte.

Diese Monsieur und seinen von ihm aus gesetzlicher Ehe abstammenden männlichen Kindern gemachte Schenkung wurde beim Parlament am 13. März 1693 einregistrirt.

Während der zwischen der Flucht des Königs und der Schenkung des Palais-Royal an Monsieur abgelaufenen Periode waren große Veränderungen im Schlosse vorgegangen. Anna von Oesterreich hatte zur Zeit ihrer Regentschaft einen Badesaal, ein Betzimmer, eine Gallerie und über Allem dem den berufenen geheimen Gang beigefügt, von dem die Prinzessin von der Pfalz spricht, und durch welchen sich die Königin Regentin zu Herrn von Mazarin begab, und Herr von Mazarin zu ihr: »denn,« setzt die indiskrete Deutsche hinzu, »es ist heute weltbekannt, daß Herr von Mazarin, der kein Priester war, die Witwe von Ludwig XIII. geheirathet hatte.«

Diese Thatsache war noch nicht, wie die Prinzessin von der Pfalz sagte, weltbekannt, doch durch sie sollte sie sich sonderlich im Volke verbreiten.

Seltsame Laune eines Weibes und einer Königin, die einem Buckingham widersteht und einem Mazarin nachgibt!

Die von Anna von Oesterreich beigefügten Constructionen verunstalteten indessen durchaus nicht die glänzende Schöpfung des Cardinal-Herzogs.

Der Badesaal war mit Blumen und Chiffres gezeichnet auf Goldgrund verziert; die Blumen waren von Louis und die Landschaften von Belin.

Das Betzimmer war mit Gemälden geschmückt, in welchen Philipp von Champagne, Vouet, Bourdon, Stella, Lahire, Dorigny und Paerson das Leben und die Attribute der Jungfrau dargestellt hatten.

Die Gallerie endlich, die man am abgelegensten Orte des Schlosses angebracht hatte, zeichnete sich zugleich durch ihren Plafond, der von Vouet, und durch ihren Boden in eingelegter Arbeit, der von Macé war, aus.

In dieser Gallerie hatte die Königin Regentin 1650 durch Guitaut, ihren Kapitän der Garden, die Herren von Condé, von Conti und von Longueville verhaften lassen.

Der Garten enthielt damals ein Mail, eine Reitschule und zwei Bassins, von denen man das größere das Rond-d'Eau nannte: er war mit einem Wäldchen bepflanzt, das buschig und einsam genug, daß König Ludwig XIII» der Letzte der französischen Falkner, darin Elsternjagd halten konnte.

Ueberdies hatte man dem Palais einen zur Wohnung des Herzogs von Anjou bestimmten Bau beigefügt und, um denselben zu errichten, den linken Flügel des Palastes eingerissen, der von Philipp von Champagne dem Ruhme des Cardinals geweiht worden war.

Monsieur starb an einem Schlaganfalle am 1. Juni 1701.

Es war dies der Mensch, den Ludwig XIV. am meisten auf der Welt geliebt hatte; dessen ungeachtet, als zwei Stunden nach seinem Tode Frau von Maintenon in das Zimmer ihres erhabenen Gemahls, – denn sie war auch verheirathet, – eintrat, dessen ungeachtet, sagt Saint-Simon, fand sie ihn eine kleine Opernarie zu seinem eigenen Lobe singend.

Von dieser Stunde an wurde also das Palais-Royal Eigenthum von demjenigen, welcher vierzehn Jahre später Regent von Frankreich werden sollte.

Wir wissen Alle, etwas mehr, etwas weniger, etwas besser, etwas schlechter, was in dem ernsten Bau des Cardinals vom 1. September 1715 bis zum 25. December 1723 vorging; – und seit jener Zeit vielleicht hat sich das Sprichwort verbreitet: »Die Wände haben Augen und Ohren.«

Außer den Augen und den Ohren hatten die Wände des Palais-Royal eine Sprache, und diese Sprache hat durch den Mund von Saint-Simon und durch den des Herzogs von Richelieu seltsame Dinge erzählt.

Am 25. December 1723 fühlte der Regent, der bei Frau von Phalaris saß, seine Stirne ein wenig beschwert; er neigte den Kopf auf die Schulter des kleinen schwarzen Raben, – so nannte er seine Geliebte, – stieß einen Seufzer aus und starb.

Am Tage vorher hatte Chirac, sein Arzt, den Prinzen dringend ermahnt, er möge sich zur Ader lassen; doch der Herzog hatte die Sache aus den andern Tag verschoben. Der Mensch denkt, Gott lenkt.

Mitten unter allen seinen Lustbarkeiten, so seltsam sie waren, hatte der Regent, der im Ganzen Künstler, durch seinen Architekten Oppenort einen herrlichen, als Eingang für die von Mansart errichtete Gallerie dienenden Salon bauen lassen; diese zwei Constructionen erstreckten sich bis zur Rue de Richelieu und haben dem Saale des Théatre-Francais Platz gemacht.

Dann ließ Louis, der gottesfürchtige Sohn eines sittenlosen, leichtfertigen Vaters, Louis, auf dessen Befehl für dreihunderttausend Franken Bilder von Albano und Tizian wegen der Nuditäten, die sie darstellten, verbrannt werden sollten, Louis ließ, mit Ausnahme der großen Allee des Cardinals, die er beibehielt, den Garten des Palais-Royal nach einer neuen Zeichnung pflanzen; das den Buntspechten theure buschige Gehölze verschwand; zwei schöne Grasplätze dehnten sich aus eingefaßt von Ulmen mit Kugelform, welche ein in einem Halbmonde angebrachtes und mit Gitterwerk und Statuen geschmücktes großes Bassin umgaben; dann, jenseits dieses Halbmondes, fand sich eine Kreuzpflanzung von Linden, die sich der großen Allee anschloß und eine für die Sonnenstrahlen undurchdringliche Laube bildete.

Am 4. Februar 1752 starb Louis von Orleans in der Sainte-Geneviéve-Abtei, in der er seit zehn Jahren seine Wohnung genommen hatte; es war, als hätte er sich, ein frommer Sohn, zurückgezogen, um über die Sünden seines Vaters zu beten! »Das ist ein Seliger, der viele Unglückliche zurückläßt,« sagte Maria Leszinka,3 diese andere Heilige, als sie den frühen Tod des seltsamen Fürsten erfuhr, der seinen Leib der königlichen Chirurgie-Schule vermacht hatte, damit er zum Unterrichte der Zöglinge diene.

Louis Philipp von Orleans folgte ihm als Erbe: die Berühmtheit von diesem bestand darin, daß er sich zur ersten Ehe mit der Schwester des Prinzen von Conti und zur zweiten mit Charlotte Jeanne Béraud de la Haie de Riou, Witwe des Marquis von Montesson, verheirathet hatte.

Das war überdies, – denn wir geben die ruchlose Verleugnung des Sohnes nicht zu, – das war überdies der Vater des berufenen, unter dem Namen Philipp Egalite bekannten, Herzogs von Orleans.

Die Leichenrede dieses Fürsten wurde vom Abte Maury gehalten, eine so seltsame Rede, daß der König den Druck derselben verbot.

Seit einigen Jahren hatte der Herzog von Orleans, der bald auf seinem Landgute Bagnolet, bald in seinem Schlosse Villers-Cotterets zurückgezogen lebte, seinem Sohne nicht nur den Genuß, sondern sogar das Eigenthum des Palais-Royal überlassen; da bekam dieser die Idee, das Schloß des Cardinal-Herzogs in einen großen Bazar zu verwandeln.

Es bedurfte hierzu der Ermächtigung des Königs: der König gab sie durch Patent vom 12. August 1784.

So gleichgültig er im Uebrigen war, der Herzog von Orleans erwachte bei der Kunde, sein Sohn wolle Speculant werden. Vielleicht kam ihm eine Caricatur zu Gesichte, welche zu jener Zeit erschien und den Herzog von Chartres als Lumpensammler verkleidet und Miethsleute4 suchend darstellte.

»Nehmen Sie sich in Acht,« sagte der alte Herzog, »die öffentliche Meinung wird gegen Sie sein, mein Sohn.«

»Bah!« versetzte dieser, »die öffentliche Meinung, ich würde sie für einen Thaler geben!«

Dann sich verbessernd:

»Für einen großen, wohlverstanden!«

Es gab zweierlei Arten von Thalern, die kleinen und die großen; die kleinen waren drei Livres, die großen sechs werth.

Dem zu Folge wurde zwischen dem Prinzen und seinem Baumeister Louis beschlossen, das Palais-Royal sollte nicht nur ein anderes Ansehen, sondern auch eine andere Bestimmung erhalten.

Der alte Herzog starb ein Jahr, nachdem dieser Beschluß gefaßt worden war, und als man eben die Arbeiten auszuführen begann. Man hätte glauben sollen, um nicht zu sehen, was vorgehe, verhülle der Enkel von Heinrich IV. seine Augen mit dem Steine eines Grabes.

Von da an stand den Plänen des neuen Herzogs von Orleans kein Hinderniß mehr entgegen, wenn nicht etwa jene öffentliche Meinung, mit der ihn sein Vater bedroht hatte.

Die ersten Gegner waren die Eigenthümer der Häuser, welche ans Palais-Royal gränzten, und deren Fenster auf den prächtigen Garten gingen: sie machten dem Herzog von Orleans einen Proceß, den sie verloren, und in ihre Hotels durch die neuen Erbauungen eingemauert, waren sie genöthigt, zu niedrigen Preisen zu verkaufen, oder in dunklen, ungesunden Winkeln zu wohnen.

Die anderen Gegner waren die Spaziergänger; jeder Mensch, der zehnmal in einem öffentlichen Garten spazieren gegangen ist, betrachtet diesen Garten als ihm gehörig und glaubt ein Recht der Opposition gegen jede Veränderung zu haben, die man, daran vornehmen will; die Veränderung war aber groß: die Art fällte einen nach dem andern die vom Cardinal gepflanzten herrlichen Kastanienbäume! Keine Siesta mehr unter ihren Blättern, keine Plaudereien mehr in ihrem Schatten; Alles, was blieb, war die Kreuzpflanzung von Linden, und mitten unter diesen Linden der berühmte Baum von Krakau.

Sagen wir, was dieser berühmte Baum von Krakau war, dessen Fall im Jahre 1783 beinahe einen Aufruhr, nicht minder ernst als der Fall der Freiheitsbäume im Jahre 1850, hervorgerufen hätte.

1

Cornel.

2

Nein, das ganze Weltall kann nichts sehen,

was der äußern Herrlichkeit des Palais-Cardinal gliche;

eine ganze Stadt, mit Pracht gebaut,

scheint ans einem alten Graben durch Wunder hervorgegangen zu sein

und läßt uns nach ihren kostbaren Dächern denken,

alle ihre Einwohner seien Götter oder Könige.

3

Gemahlin von Ludwig XV.

4

Ein unübersetzbarer Calembour: cherchant des loataires, Miethsleute suchend, und cherchant des loques à terre, Fetzen auf der Erde suchend.

Ingénue

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