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Erstes bis Fünftes Bändchen
II
Der Baum von Krakau

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Der Baum von Krakau war, die Einen sagen eine Linde, die Andern ein Kastanienbaum; die Archäologen sind getheilt über diese wichtige Frage.

In jedem Falle war es ein Baum viel höher, viel buschiger, viel reicher an Schatten und Kühle, als die anderen Bäume, die ihn umgaben. Zur Zeit der ersten Zerstückelung von Polen, im Jahre 1772, hielten sich die Neuigkeitskrämer und die Politiker unter diesem Baume in der freien Luft zu ihren Besprechungen auf. Der Mittelpunkt der Gruppe, welche über das Leben und den Tod dieser von Friedrich und Katharina ans Kreuz geschlagenen und von Ludwig XV. verleugneten edlen Missethäterin discutirte, war ein Abbé, der, da er Verbindungen in Krakau hatte, sich zum Verbreiter aller nach Frankreich aus dem Norden kommenden Gerüchte machte, und dieser Abbé, welcher, wie es scheint, überdies ein großer Tactiker war, ließ jeden Augenblick und bei jedem Anlaß eine Armee von dreißigtausend Mann manoeuvriren, deren Märsche und Gegenmärsche die Bewunderung der Zuhörer verursachten.

Eine Folge hiervon war, daß der Strategiker-Abbé den Beinamen der Abbé dreißigtausend Mann erhielt und der Baum, unter dem er seine geschickten Manoeuvres ausführte, der Baum von Krakau genannt wurde.

Vielleicht hatten auch, die Nachrichten, die er mit derselben Leichtigkeit verkündigte, mit welcher er seine Armee manoeuvriren ließ, dazu beigetragen, daß dieser Baum unter seiner fast ebenso gasconischen, als polnischen Benennung bekannt wurde.

Wie dem sein mag, der Baum von Krakau, der unter den im Palais-Royal vom Herzog von Orleans vorgenommenen Veränderungen stehen geblieben war, bildete fortwährend den Mittelpunkt der Zusammenkünfte, welche 1788 nicht minder zahlreich im Palais-Royal, als 1772; nur bekümmerte man sich nicht mehr um Polen unter dem Baume von Krakau, sondern um Frankreich.

Der Anblick der Menschen hatte sich auch beinahe eben so sehr verändert, als der der Oertlichkeiten.

Was besonders diese Veränderung im Anblicke der Oertlichkeiten bewerkstelligt hatte, das waren der Circus und das Lager der Tartaren, was Beides der Herzog von Orleans, begierig, Nutzen aus seinem Terrain zu ziehen, hatte bauen lassen: den Circus mitten im Garten, und das Lager der Tartaren auf der Seite, welche den Hof schloß, und die heute die Gallerie d'Orleans einnimmt.

Sagen wir zuerst, was der Circus war, in den wir in einem gegebenen Augenblicke den Leser einzuführen veranlaßt sein werden.

Das war ein ein verlängertes Parallelogramm bildendes Gebäude, das sich verlängernd die zwei reizenden Grasplätze von Louis dem Frommen verschlungen hatte und, ehe es nur vollendet, schon besetzt war, einmal von einem Lesecabinet, einem damals ganz neuen Etablissement, dessen Eigenthümer, ein Herr Girardin, durch diese Erfindung die jedem Neuerer gebührende Berühmtheit erlangt hatte; sodann von einem Clubb, den man den Club Social nannte, und der der Sammelplatz aller Philanthropen, aller Reformatoren und aller Negrophilen war; und endlich von einem Truppe Gaukler, welche zweimal im Tage, wie zur Zeit von Thespis, Vorstellungen auf improvisirten Gerüsten gaben.

Dieser Circus glich einer ungeheuren Laube, ganz bekleidet, wie er war, mit Gittern und grünem Blätterwerk. Zweiundsiebzig Säulen von dorischer Ordnung, die ihn umgaben, stachen allerdings ein wenig gegen diesen ländlichen Anblick ab, doch zu jener Zeit gab es so viel entgegengesetzte Dinge, die sich einander zu nähern und sogar mit einander zu vermengen anfingen, daß man nicht mehr auf dieses, als auf die andern, Acht gab.

Was das Lager der Tartaren betrifft, Mercier, der Verfasser des Tableau de Paris, wird uns sagen, was es war.

Man höre die Diatribe dieses zweiten Diogenes, der beinahe so cynisch und so witzig als der, welcher mit einer Laterne in der Hand am hellen Tage unter den Säulenhallen des Gartens von Akademos einen Menschen suchte:

»Die Athenienser,« sagt er, »errichteten ihren Phrynen Tempel; die unsern finden den ihren in diesem Bezirke. Dahin gehen gierige Agioteurs, welche das Seitenstück zu den hübschen Freudenmädchen bilden, dreimal täglich im Palais-Royal, und der Mund aller dieser Menschen spricht nur von Geld und von politischer Prostitution. Die Banque wird in den Kaffeehäusern gehalten, und da muß man die plötzlich durch den Verlust oder den Gewinn entstellten Gesichter sehen und studieren: Dieser geräth in Verzweiflung, Jener triumphiert. Dieser Ort ist also eine hübsche Büchse Pandoras; sie ist ciselirt, sie ist ausgearbeitet; Jedermann aber weiß, was die Büchse der durch Vulcan belebten Statue enthielt. Alle Sardanapale, alle die kleinen Lucullus wohnen im Palais-Royal in Gemächern, um welche sie der König von Assyrien und der römische Consul beneidet hätten.«

Das Lager der Tartaren, das war die Höhle der Diebe und der Winkel der Lustdirnen; – es war endlich das, was wir bis zum Jahre 1828 unter dem Namen Galerie de Bois5 gesehen haben.

Sich verändernd, hatte der Anblick der Oertlichkeiten dazu beigetragen, den Anblick der Menschen zu verändern.

Was aber hauptsächlich zu dieser Metamorphose beigetragen, das war die politische Bewegung, welche um diese Zeit in Frankreich vor sich ging und von unten nach oben kommend die Gesellschaft von ihren Tiefen bis zu ihrer Oberfläche erschütterte.

In der That, man begreift, welcher Unterschied es für wahre Patrioten ist, ob sie sich mit dem Loose einer fremden Nation, oder mit den Interessen ihres Landes beschäftigen, und man wird nicht leugnen, daß die Nachrichten, welche zu dieser Stunde von Versailles kamen, viel erregender für die Pariser sein mußten, als es sechzehn Jahre früher die waren, welche von Krakau kamen.

Gleichwohl sah man noch mitten unter der politischen Aufregung, wie Schatten aus einer andern Zeit, einige von jenen heiteren Gemüthern oder einige von jenen beobachtenden Geistern umherirren, welche ihren Weg durch die reizenden Träume der Poesie oder die herben Tumulte der Kritik verfolgen.

So kann, abgesehen von der im Schatten des Baumes von Krakau gruppirten großen Menge, welche das Journal de Paris oder die I,unette philosophique et litteraire lesend die Nuvelles à la main erwartete, der Leser, der uns begleitet, in einer nach den Linden mündenden Seitenallee zwei Männer von fünfunddreißig bis sechsunddreißig Jahren bemerken, welche Beide die Uniform, der Eine der Dragoner von Noailles mit rosa Revers und rosa Kragen, der Andere der Dragoner der Königin mit weißen Revers und weißem Kragen tragen. Sind diese zwei Männer Officiere, die von Schlachten sprechen? Nein, es sind zwei Dichter, welche von Poesie sprechen, zwei Verliebte, welche von Liebe sprechen.

Sie sind übrigens reizend, was die Eleganz, und vollkommen, was den guten Ton betrifft. Das ist die Aristokratie in ihrem bezauberndsten und vollständigsten Ausdrucke; in dieser Zeit, wo der Puder von den Anglomanen, von den Americanern, kurz von den Vorgerückten ein wenig vernachlässigt zu werden anfängt, ist ihr Kopfputz äußerst sorgfältig behandelt, und um seine Harmonie nicht zu derangiren, trägt der Eine seinen Hut unter dem Arme, während ihn der Andere in der Hand hält.

»Also, mein lieber Bertin,« sagte derjenige von den Spaziergängern, welcher die Uniform der Dragoner der Königin trug, »es ist bei Ihnen fester Entschluß, Sie verlassen Frankreich und verbannen sich nach St. Domingo?«

»Sie irren sich, mein lieber Evariste: ich ziehe mich nur nach Cythera zurück.«

»Wie so?«

»Sie begreifen nicht?«

»Bei meinem Ehrenworte, nein.«

»Haben Sie mein drittes Buch der Amours gelesen?«

»Ich lese Alles, was Sie schreiben, mein lieber Kapitän?«

»Nun, dann erinnern Sie sich wohl gewisser Verse?«

»An Eucharis oder an Catilie?«

»Ach! Eucharis ist todt und ich habe meinen Tribut der Thränen und der Poesie ihrem Andenken bezahlt; ich spreche also von meinen Versen an Catilie.«

»Welche meinen Sie?«

»Diese:

Va, ne crains pas que je l'oublie,

Ce jour, ce fortune moment,

Où, peins d'amour et de folie,

Tous les deux, saus savoir comment,

Dans un rapide emportement,

Nousi fimes le teudre serment,

De nous aimer toute 1a, vie!6


»Nun?«

»Nun, ich halte meinen Schwur: ich erinnere mich . . .«

»Wie! Ihre schöne Catilie . . .?«

»Ist eine reizende Creolin von St. Domingo, , mein lieber Parny, welche vor einem Jahre nach dem Meerbusen von Mexico abgereist ist.«

»Und Sie folgen ihr nach?«

»Ich folge ihr nach und heirathe . . . Sie wissen übrigens, mein lieber Parny, ich bin, wie Sie, ein Kind des Aequators, und wenn ich nach St. Domingo gehe, werde ich glauben, ich kehre nach unserem Heimathlande, nach unserer schönen Insel Bourbon mit ihrem Azurhimmel, mit ihrer üppigen Vegetation zurück; habe ich nicht das Vaterland, so werde ich doch sein Aequivalent haben, wie man noch das Portrait hat, wenn man das Original nicht mehr besitzen kann.«

Und der junge Mann sprach mit einer Begeisterung, welche heute sehr lächerlich scheinen würde, zu jener Zeit aber sehr schicklich war, die folgenden Verse:

Toi dont 1'image en mon coeur est tracée,

Toi qui recus ma premiere pensée,

Les Premiers sons que ma bouche a formes,

Mes premiers pas sur la terre imprimes

Sous d'autres cieux cherchant un autre monde

J'ai vu tes bords s'enfuir au loin dans l'onde. . .

Que de regrets ont suivi mes adieux!

Combien de pleurs ont coulé de mes yeux!

Que J'aime encore, aprés quinze ans d'absence,

Ce Col, temoin des jeux de mon enfance!7


»Vortrefflich, mein lieber Bertin! Doch ich sage Ihnen vorher, Sie werden mit Ihrer schönen Catilie kaum dort sein, so haben Sie die Freunde, die Sie in Frankreich zurücklassen, vergessen.«

»Oho! Mein lieber Evariste, wie täuschen Sie sich!

En amitié fidéle, encor plus qu'en amour.

Tout ce qu'aima mon coeur, il l'aima plus d'un jour.8

»Wird nicht überdies, mein großer Dichter, Ihr Ruf da sein, um zu machen, daß ich an Sie denke? Wäre ich so unglücklich, Sie zu vergessen, haben nicht Ihre Elegien Flügel, wie die Schwalben und die Amoretten, und der Name einer anderen Eleonore wird mich dort schauern machen wie ein Echo von diesem schönen Paris, welches mich so gut aufgenommen, und das ich dennoch mit so großer Freude verlasse!«

»Es ist also beschlossen, mein Freund, Sie reisen ab?«

»Oh! so fest beschlossen, als nur etwas beschlossen sein kann . . . Hören Sie, mein Abschied ist schon vollendet:

Oui, c'en est fait, j'abandonne Paris;

Qu'un peuple aimable, y couronnant sa téte,

Change l'année en un long jour de féte:

Pour moi, je pars! Où sont mes matelots?

Venez, montez et sillonez les flots;

Au doux Zéphyr abandonnez la voile,

Et de Vénus interrogez l'etoile.9


»Ah! Sie wissen wohl, an wen Sie Ihr Gebet richten, mein lieber Bertin!« sagte eine dritte Stimme, sich ins Gespräch mischend; »Venus ist Ihre Jungfrau Maria!«

»Ah! Sie da, mein lieber Florian!« riefen gleichzeitig die zwei Freunde, indem sie auch zugleich ihre Hände ausstreckten, welche Florian in den seinigen drückte.

Dann fügte Parny rasch bei:

»Empfangen Sie meinen Glückwunsch zu Ihrem Eintritte in die Academie, mein Lieber.«

»Und mein Compliment zu Ihrem reizenden Hirtengedichte Estelle,« sagte Bertin.

»Bei meiner Treue!« fuhr Parny fort, »Sie haben Recht, daß Sie auf Ihre Hammel zurückkommen: wir brauchen Ihre Hirtenwelt, damit sie uns die Welt von Wölfen, in der wir leben, vergessen macht; sehen Sie, Bertin verläßt sie auch.«

»Ah! es war also kein poetischer Abschied, der Abschied, den Sie so eben von uns nahmen, mein lieber Kapitän?«

»Nein, in der That, es war ein wirklicher Abschied.«

»Und errathen Sie, nach welchem Antipoden er abreist? Nach St. Domingo, nach der Königin der Antillen. Er wird Kaffeepflanzer, Zuckerraffinirer, während wir . . . Gott weiß, ob man uns nur wird Kohl pflanzen lassen. Aber was schauen Sie denn so?«

»Ei! bei Gott! wenn ich mich nicht täusche, ist er es!« rief Florian.

»Wer, er?«

»Oh! meine Herren,« sprach der neue Academiker, »kommen Sie doch mit mir, ich habe ihm ein paar Worte zu sagen.«

»Wem?«

»Rivarol.«

»Gut! ein Streit!«

»Warum nicht?«

»Ah! Sie sind also immer noch Raufer?«

»Oh! ich habe seit drei Jahren keinen Degen angerührt.«

»Und Sie wollen sich die Hand wieder gelenk machen?«

»Dürfte ich eintretenden Falles auf Sie zählen?«

»Bei Gott!«

Die drei jungen Leute gingen in der That zum Verfasser des Petit Almanach de nos Grands hommes, wovon eben eine zweite Ausgabe erschienen war, welche noch mehr Lärm gemacht hatte, als die erste.

Rivarol saß oder lag vielmehr auf zwei Stühlen, den Rücken an einen Kastanienbaum angelehnt und dem Anscheine nach nicht sehend, was um ihn her vorging; nur von Zeit zu Zeit warf er nach rechts und nach links einen von jenen Blicken, worin die Flamme des ausgezeichneten französischen Witzes knisterte, der je existirt hat.

Sodann, nach diesem Blicke, der ein Factum einregistrirte oder eine Idee angab, näherte er seine zwei Hände einander und schrieb auf die Tabletten, die er in der einen hielt, ein paar Worte mit dem Bleistifte, das er in der andern hatte.

Er sah die drei Spaziergänger heranschreiten, doch, obgleich er sich denken konnte, sie kommen zu ihm, gab er sich den Anschein, als schenkte er ihnen keine Aufmerksamkeit, und fing wieder an zu schreiben.

Plötzlich warf sich indessen ein Schatten auf sein Papier: es war der der drei Freunde. Rivarol sah sich genöthigt, den Kopf zu erheben.

Florian grüßte ihn mit der größten Höflichkeit; Parny und Bertin verbeugten sich leicht.

Rivarol richtete sich auf seinem Stuhle auf, ohne seine Lage zu verändern.

»Verzeihen Sie, mein Herr, wenn ich Sie in Ihren Betrachtungen störe!« sagte Florian zu ihm; »doch ich habe eine kleine Reclamation an Sie zu machen.«

»An mich, Herr Edelmann?« versetzte Rivarol mit seiner spöttischen Miene. »Wäre es wegen des Herrn von Panthiévre, Ihres Meisters?«

»Nein, mein Herr, es betrifft mich selbst.«

»Sprechen Sie.«

»Sie hatten mir die Ehre erwiesen, meinen Namen in der ersten Ausgabe von Ihrem Kleinen Almanach unserer großen Männer aufzuführen.«

»Das ist wahr, mein Herr.«

»Wäre es unbescheiden, Sie zu fragen, mein Herr, warum Sie meinen Namen in der zweiten Ausgabe, welche so eben erschienen ist, herausgenommen haben?«

»Weil Sie zwischen der ersten und der zweiten Ausgabe das Unglück gehabt haben, zum Mitgliede der Academie ernannt zu werden, und weil, so dunkel auch ein Academiker sein mag, er doch nicht das Privilegium der Unbekannten ansprechen kann; Sie wissen aber, Herr von Florian, unser Werk ist ein philanthropisches Werk, und Ihr Platz ist reclamirt worden.«

»Von wem?«

»Von drei Personen, welche, ich muß es in Demuth gestehen, auf dieses Glück noch mehr Rechte hatten, als Sie.«

»Und wer sind diese drei Personen?«

»Drei reizende Dichter, welche der Erste ein Akrostichon, der Zweite ein Distichon und der Dritte einen Refrain gemacht haben. . . Was das Lied betrifft, – es wird uns unaufhörlich versprochen, doch da der Refrain gemacht ist, so können wir warten.«

»Und wer sind diese drei ausgezeichneten Männer?«

»Die Herren Grouber von Groubental, Fenouillot de Falbaire von Quingey und Thomas Minau von Lamistringue.«

»Wenn ich Ihnen aber Jemand empfehlen würde, Herr von Rivarol?«

»Ich müßte Sie zu meinem Bedauern zurückweisen, Herr von Florian: ich habe meine Armen.«

»Derjenige, welchen ich Ihnen empfehle, hat nur einen Viervers gemacht.«

»Das ist viel!«

»Soll ich Ihnen denselben recitiren, Herr von Rivarol?«

»Gewiß, Herr von Florian, recitiren Sie! . . . Sie sprechen so gut!«

»Nicht wahr, ich habe nicht nöthig, Ihnen zu sagen, an wen er gerichtet ist?«

»Ich werde mein Möglichstes thun, um es zu errathen . . .«

»Also! . . .«

»Ich höre.«

Ci-gît Azor, chéri de ma Syvie;

Il eut même penchant que vous, monsieur Damon:

A mordre il a passê sa vie;

Il est mort d'un coup de bâton.10

»Ah! Herr von Florian,« rief Rivarol, »sollte dieses kleine Meisterwerk von Ihnen sein?«

»Nehmen Sie an, es sei von mir, Herr von Rivarol: was hätten Sie von mir zu verlangen?«

»Oh! mein Herr, ich hätte von Ihnen zu verlangen, daß Sie es mir dictiren, nachdem Sie es mir recitirt haben?«

»Ihnen?«

»Ja, mir.«

»Wozu?«

»Ei! um es zu den Noten meiner dritten Ausgabe zu setzen . . . Jeder an seinem Platze, mein Herr; das Ganze ist, daß man sich Gerechtigkeit widerfahren läßt. Ich habe keine andere Prätension, als die, in der Literatur das zu sein, was der Schleifstein in der Messerschmiede ist: ich schneide nicht, ich mache schneiden.«

Florian kniff sich in die Lippen: er hatte es mit einem mächtigen Gegner zu thun; er sprach indessen:

»Und nun, mein Herr, um ein Ende zu machen: wenn ich Ihnen sagte, in dem Artikel, den Sie mir zu widmen die Güte gehabt, sei Etwas gewesen, was mir mißfallen?«

»In meinem Artikel Etwas, was Ihnen mißfallen? Unmöglich! er hat nur drei Zeilen.«

»Es ist dennoch so, Herr von Rivarol.«

»Oh! wahrhaftig? . . . Wäre es im Geiste?«

»Nein.«

»Wäre es in der Form?«

»Nein.«

»In was denn?«

»Es ist im Grunde.«

»Oh! wenn es der Grund ist, das geht mich nichts an, Herr von Florian, das geht Champcenetz, meinen Mitarbeiter, an, der auf- und abgehend dort mit der Nase von Métra plaudert. Ihr Diener, Herr von Florian!«

Wonach Herr von Rivarol wieder ruhig zu schreiben anfing.

Florian schaute seine zwei Freunde an, und diese bedeuteten ihm mit den Augen, er müsse sich als geschlagen betrachten und es folglich hierbei bewenden lassen.

»Ah! mein Herr,« sagte Florian, »Sie sind entschieden ein Mann von Geist, und ich nehme meinen Viervers zurück.«

»Ach! mein Herr,« rief Rivarol mit einer komisch verzweifelten Miene, »es ist zu spät!«

»Wie so?«

»Ich habe ihn in meinen Tabletten aufgezeichnet, und es ist schon, als ob er gedruckt wäre; doch wollen Sie einen andern, so werde ich mir ein Vergnügen daraus machen, Ihnen denselben an der Stelle des Ihrigen anzubieten.«

»Einen andern? und immer über denselben Gegenstand?«

»Ja, ganz frisch diesen Morgen mit der Post angekommen; er ist an mich, so wie an Champcenetz adressirt: ich kann also in seinem Namen und in meinem darüber verfügen. Es ist ein junger picardischer Advocat, Namens Camille Desmoulins, der bis jetzt nur dies gemacht hat, aber verspricht, wie Sie sehen werden.«

»Ah! ich höre, mein Herr.«

»Zum Verständniß der Sache müssen Sie wissen, mein Herr, daß gewisse Neidische mir und Champcenetz den Adel streitig machen, wie sie Ihnen das Genie streitig machen. Sie begreifen wohl, daß dies dieselben sind. Sie sagen, mein Vater sei Wirth in Bagnols gewesen, und die Mutter von Champcenetz Haushälterin, ich weiß nicht wo. Nachdem dies vorausgestellt ist, hören Sie meinen Viervers, der durch die Erklärung, die ich Ihnen gegeben, nur gewinnen kann:

Au noble hôtel de la Vermine

On est, logé très proprement:

Rivarol y fait la cuisine,

Et Champcenetz, l'appartement.11


»Sie sehen, mein Herr, der erste bildet ein bewunderungswürdiges Seitenstück zum zweiten, und verkaufte ich den einen ohne den andern, so wäre der, den ich behielte, unvollständig.«

Man konnte einem solchen Manne nicht länger grollen. Florian reichte ihm folglich eine Hand und Rivarol nahm sie mit dem seinen Lächeln und dem leichten Blinzeln der Augen, was nur ihm eigenthümlich.

In demselben Momente entstand um Métra und in der Gegend des Baumes von Krakau eine Bewegung, welche die Ankunft einer wichtigen Nachricht bezeichnete.

Die drei Freunde folgten dem von der Menge, die sich unter den Linden zusammenschaarte, gegebenen Impulse und ließen Rivarol sich wieder an seine Notizen machen, die er mit derselben Gleichgültigkeit, als ob er allein gewesen wäre, fortsetzte.

Er that dies jedoch nicht, ohne auf einen Blick von Champcenetz, der besagen wollte; »Was gibt es?« durch einen Blick geantwortet zu haben, welcher bedeutete: »Noch nichts für diesmal.«

5

Diese hölzerne Galerie wurde durch eine steinerne ersetzt.

6

Oh! fürchte nicht, ich vergesse ihn,

den Tag, den seligen Augenblick,

wo wir, von Liebe trunken,

Beide, ohne zu wissen, wie,

uns in einer raschen Aufwallung

voll Zärtlichkeit uns unser ganzes

Leben lang zu lieben schworen.

7

Du, deren Bild in meinem Herzen eingegraben ist,

Du, die Du meinen ersten Gedanken,

die ersten Laute, die mein Mund gebildet,

die ersten Tritte, die ich der Erde eingedrückt,

empfingst, unter einem anderen Himmel

eine andere Welt suchend, sah ich Dein

Schiff in die Ferne auf der Woge fliehen.

Welche Klagen folgten meinem Abschied!

Wie viel Thränen entflossen meinen Augen!

Wie liebe ich noch nach einer Abwesenheit

von fünfzehn Jahren dieses Col (Name eines Schlosses, das Herrn Desforges, einem reichen Pflanzer der Insel Bourbon, gehörte.),

den Zeugen der Spiele meiner Kindheit!

8

In der treuen Freundschaft mehr noch als in der Liebe liebte mein Herz Alles, was es liebte, mehr als einen Tag.

9

Ja, es ist entschieden, ich verlasse Paris; hier sein Haupt bekränzend, verwandle ein liebenswürdig .Volk das Jahr in einen langen Festtag; ich reise ab! Wo sind meine Matrosen? Kommt, besteigt das Schiff und durchfurcht die Wogen; dem sanften Zephyr überlaßt das Segel und befragt den Stern von Venus!

10

Hier liegt Azor, geliebt von meiner Sylvie;

er hatte denselben Hang wie Sie, Herr Damon:

er hat sein Leben mit dem Beißen zugebracht;

an einem Stockstreiche ist er gestorben!

11

Im edlen Gasthause zum Ungeziefer

wohnt man sehr reinlich!

Rivarol besorgt dort die Küche

und Champcenetz die Wohnung.

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