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Erstes bis viertes Bändchen
Zehntes Kapitel.
Wie der Bastard von Mauléon in das Schloß Medina Sidonia kam

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Am andern Morgen nach diesem furchtbaren Tag und als die ersten Sonnenstrahlen den Gipfel der Sierra Aracena beschienen, nahm Mothril, in einen weiten, weißen Mantel gehüllt, unten an den Stufen des Alcazar von Don Pedro Abschied.

»Ich stehe Euch für meinen Diener,« sagte der Maure, »er ist der Mann, wie Ihr ihn für Eure Sache braucht, Sire; ein sicherer, rascher Arm; dabei werde ich ihn überwachen. Laßt mittlerweile den Franzosen, den Mitschuldigen des Großmeisters, aufsuchen, und wenn Ihr ihn findet, habt kein Mitleid mit ihm.«

»Es ist gut,« sagte Don Pedro, »gehe rasch und komm bald zurück.«

»Sire,« erwiderte der Maure, »um größere Eile anzuwenden, werde ich meine Tochter zu Pferde und nicht in der Sanfte mitnehmen.«

»Warum lässest Du sie nicht in Sevilla?« versetzte der König, »hat sie denn nicht ihr Haus, ihre Frauen und ihre Duenen?«

»Sire, ich kann sie nicht verlassen. Wohin ich gehe, muß sie mir folgen. Es ist mein Schatz, den ich bewache.«

»Ah! ah! Maure, Du erinnerst Dich der Geschichte des Grafen Julian und der schönen Florinda?«

»Ich muß mich derselben erinnern,« erwiderte Mothril, »da ihr es die Mauren zu verdanken haben, daß sie nach Spanien gekommen sind, und da mir dadurch folglich die Ehre zu Theil geworden ist, der Minister Eurer Hoheit zu sein.«

»Du sagtest mir aber nichts davon, daß Du eine so schöne Tochter habest.«

»Es ist wahr, meine Tochter ist sehr schön.«

»Nicht wahr, so schön, daß Du sie aus beiden Knieen anbetest?«

Mothril stellte sich, als würde er durch diese Worte sehr beunruhigt.

»Ich!« sprach er, »wer konnte Eurer Hoheit sagen?«

»Man hat mir nichts gesagt, ich habe es gesehen,« antwortete der König. »Es ist nicht Deine Tochter.«

»Ah! Herr, glaubt nicht, es sei meine Frau oder meine Geliebte!«

»Aber wer ist es denn?«

»Eines Tages wird es der König erfahren; doch mittlerweile will ich die Befehle Seiner Hoheit vollziehen.«

Und er nahm Abschied von Don Pedro und entfernte sich. In einen weißen Mantel gehüllt, der nur ihre großen schwarzen Augen und ihre gebogenen Brauen sehen ließ, war Aissa wirklich unter dem Gefolge des Mauren; doch dieser log, als er sagte, sie müsse ihn aus der ganzen Reise begleiten. Zwei Meilen von Sevilla ging er von seinem Wege ab und brachte das Mädchen in Sicherheit in dem Palaste einer reichen Maurin, der er sich anvertraute.

Und dann trieb er rasch sein Pferd an und kürzte den Weg durch einen ununterbrochenen Laus ab.

Bald setzte er über den Quadabete an derselben Stelle, wo der König Don Rodrigo nach der bekannten Schlacht, welche sieben Tage dauerte, verschwunden war, und zwischen Tarisa und Cadix sah er das Schloß Medina Sidonia, ganz beladen mit jener Traurigkeit, welche aus der Wohnung der Gefangenen lastet, sich erheben.

Hier lebte eine junge, blonde, bleiche Dame, seit langer Zeit in Gesellschaft einer einzigen Frau. Die Wachen vermehrten sich um sie her, wie um die gefährlichsten Gefangenen, und unbarmherzige Augen folgten ihr unablässig, ob sie nun, die Arme hängend und den Kopf gesenkt, langsam die von der Sonne verzehrten Gärten durchwanderte, oder an ihrem mit eisernen Gittern verschlossenen Fenster liegend, nach Freiheit seufzend und den endlosen, beständig sich wiedergebärenden Wellen des ungeheuren Oceans folgend, mit einem schwermüthigen Blick den Raum befragte.

Diese Frau war Blanche von Bourbon, die Gemahlin von Don Pedro, die dieser in der Hochzeitnacht verstoßen hatte. Sie verzehrte sich allmälig in den Thränen. und in der Reue darüber, daß sie dem eitlen Gespenste der Ehre die so süße Zukunft geopfert, die sie einst in den blauen Augen von Don Federigo hatte glänzen sehen.

Wenn die arme Frau auf dem Felde die Mädchen vorübergehen sah, welche die Trauben von Xeres oder von Marbella gelesen hatten, wenn sie ihre Liebhaber, die ihnen entgegen gingen, singen hörte, dann schwoll ihr Herz an, dann entstürzten die Thränen ihren Augen, Und bedenkend, daß sie hätte fern vom Thron und frei wie eine von den jungen Winzerinnen mit der gebräunten Gesichtshaut geboren werden können, rief sie auch ein geliebtes Bild an, und flüsterte ganz leise einen Namen, den sie schon oft ausgesprochen hatte.

Seit Blanche von Bourbon hier gefangen saß, schien Medina Sidonia ein verfluchter Ort zu sein. Die Wachen entfernten davon den Reisenden, der stets in den Verdacht kam, er sei ein Mitschuldiger, oder mindestens ein Freund. Die Königin hatte jeden Tag nur einen Augenblick der Freiheit, oder vielmehr der Einsamkeit: dies war die Stunde, wo die Schildwachen, unter der glühenden Sonne Siesta haltend, selbst beschämt durch so viele Vorsichtsmaßregeln, die man nahm, um eine Frau zu bewachen, sich auf ihre Spieße stützten und im Schatten einer grünen Platane oder einer weißen Mauer schliefen.

Dann stieg die Königin auf die Terrasse hinab, welche auf einen Graben mit fließendem Wasser ging, und wenn sie in der Ferne einen Reisenden erblickte, streckte sie in der Hoffnung, sich deinen Freund aus ihm zu machen, der König Karl Nachricht von ihr bringen würde, ihre Arme flehend gegen ihn aus.

Doch Niemand hatte noch diese Anrufungen der Gefangenen erwidert.

Eines Tags jedoch sah sie auf dem Wege von Arcos zwei Reiter, von denen der eine trotz der Sonne, welche wie eine Feuerkugel auf seinen Helm drückte, in seiner vollständigen Rüstung ganz bequem zu sein schien. Er trug so stolz seine Lanze, daß man in ihm einen muthigen Ritter erkannte. Sobald sie ihn gewahrte, hefteten sich die Augen von Blanche auf ihn und vermochten ihn nicht mehr zu verlassen. Er sprengte im raschen Galopp eines kräftigen Rappen heran, und obgleich er sichtbar von Sevilla kam, obgleich er sich gegen Medina Sidonia zu wenden schien und alle Boten, die sie bis jetzt von Sevilla empfangen hatte, Schmerzensboten gewesen waren, erfaßte Blanche doch mehr ein Gefühl der Freude, als der Angst, da sie den Ritter gewahrte.

Sobald er sie ebenfalls erblickte, hielt er an. In einem unbestimmten Vorgefühl der Hoffnung schlug das Herz der Gefangenen immer stärker; sie näherte sich dem Wall, machte das Zeichen des Kreuzes und faltete, wie aus Gewohnheit, die Hände.

Alsbald ritt der Unbekannte im Galopp gerade gegen die Terrasse.

Eine Geberde des Schreckens von Seiten der Königin bezeichnete ihm die Schildwache, welche, an einen Adamsfeigenbaum angelehnt, schlief.

Der Ritter stieg ab, winkte seinen Knappen zu sich und sprach ein paar Augenblicke leise mit ihm.

Der Knappe führte die zwei Pferde hinter einen Felsen, der sie den Blicken entzog, kehrte dann zu seinem Herrn zurück, und Beide gingen nach einem Gebüsch von Mastixstauden und Myrthen, das man von der Terrasse aus mit der Stimme erreichen konnte.

Der würdige Ritter, der wie Karl der Große, in seinem Leben mit der Feder keine andere Zeichen hatte machen können, als Buchstaben, welche die Form eines Dolches oder eines Schwertes hatten, befahl seinem Knappen mit einem Bleistift, das der letztere, in den Wissenschaften besser bewandert, stets bei sich trug, ein paar Worte aus einen großen Kieselstein zu schreiben.

Dann bedeutete er der Königin durch ein Zeichen, sie möge sich ein wenig entfernen, weil er den Kieselstein aus die Terrasse schleudern werde.

Er ließ in der That mit kräftigem Arm den Stein stiegen: dieser durchschnitt die Lust und fiel auf die Platte, ein paar Schritte von der Königin.

Der Lärmen seines Falles machte, daß der in einen schweren Schlaf versunkene Soldat erwachte, da er aber um sich her nichts erblickte, als die unbewegliche, trostlose Königin, die er alle Tage an derselben Stelle zu sehen gewohnt war, schloß er seine geblendeten Augen und schlief bald wieder ein.

Die Königin hob den Kieselstein aus und las folgende Worte:

»Seid Ihr die unglückliche Königin Blanche, die Schwester meines Königs?«

Die Antwort der Königin war erhaben in Schmerz und Majestät. Sie kreuzte ihre Arme über ihrer Brust und machte von oben nach unten ein Zeichen mit dem Kopfe, wobei zwei schwere Thränen zu ihren Füßen fielen.

Der Ritter verbeugte sich ehrfurchtsvoll, wandte sich sodann an seinen Knappen, der schon mit einem zweiten Kieselstein für einen zweiten Brief versehen war, und sagte:

»Schreibe Folgendes:

»Madame, könnt Ihr heute Abend um acht Uhr aus dieser Terrasse sein? Ich habe Euch einen Brief von Don Federigo zu übergeben.«

Der Knappe gehorchte.

Das zweite Sendschreiben gelangte ebenso glücklich als das erste an Ort und Stelle. Blanche machte eine Bewegung der Freude, dachte lange Zeit nach und erwiderte:

»Nein!«

Ein dritter Stein wurde geschleudert.

»Gibt es ein Mittel bis zu Euch zu gelangen?« fragte genöthigt durch die Pantomime die Stimme, welche den Soldaten hätte erwecken können, oder die Schrift zu ergänzen, die sein Arm aus die andere Seite des Grabens zu schleudern nicht die Kraft hatte.

Die Königin bezeichnete dem Ritter einen Adamsfeigenbaum, mit dessen Hilfe er auf die Mauer steigen konnte; dann deutete sie aus eine Thüre, welche von dieser Mauer nach dem von ihr bewohnten Thurme führte.

Der Ritter verbeugte sich. Er hatte begriffen.

In diesem Augenblick erwachte der Soldat und versah wieder seinen Dienst als Schildwache.

Der Ritter blieb eine Zeit lang verborgen, benützte sodann einen Augenblick, wo die Aufmerksamkeit der Schildwache nach einer andern Seite gezogen wurde, und schlüpfte mit seinem Knappen hinter den Felsen, wo die Pferde warteten.

»Edler Herr,« sagte der Knappe, »wir haben da ein schwieriges Stück Arbeit unternommen; warum habt Ihr nicht das Billet des Großmeisters sogleich der Königin zugeschleudert? Ich meinerseits würde nicht verfehlt haben, dies zu thun.«

»Weil es ein Zufall unter Weges losmachen konnte, und die Königin mir nicht geglaubt haben würde, wenn das Billet verloren gegangen wäre. Diesen Abend also, und laß uns ein Mittel suchen, aus die Terrasse zu kommen, ohne von der Schildwache gesehen zu werden.«

Es kam der Abend, und Agenor hatte noch kein Mittel gesunden, in die Beste zu dringen. Es mochte halb acht Uhr sein.

Agenor lag daran, wo möglich ohne Gewalt und eher mit List, als durch Anwendung der Kraft hineinzukommen. Doch wie gewöhnlich war Musaron gerade der entgegengesetzten Meinung.

»Wie Ihr Euch auch dabei benehmen möget, edler Herr,« sagte er, »stets werden wir genöthigt sein, ein Treffen zu liefern und zu tödten. Euer Bedenken ist also keines Wegs vernünftig. Tödten bleibt immer tödten, der Mord ist eine Sünde um halb acht Uhr wie um acht Uhr Abends. Ich behaupte also, daß von allen Mitteln, die Ihr vorschlagen könnt, das meinige allein annehmbar ist.«

»Worin besteht es?«

»Ihr sollt es sehen. Die Schildwache ist gerade ein häßlicher Maure, ein abscheulicher Ungläubiger, der weiße Augen im Kopfe rollt, als ob er schon halb in die Flammen getaucht wäre, in die er eines Tags ganz und gar hineingetaucht werden muß. Wollt also, Herr Ritte ein In manus sprechen, und im Geist diesem Ungläubigen die Taufe geben.«

»Und welches Resultat wird dies haben?« fragte Agenor.

»Das einzige, um das wir uns unter diesen Umständen bekümmern müssen. Wir tödten seinen Leib, doch wir retten seine Seele.«

Der Ritter begriff noch nicht ganz das Mittel, das Musaron anzuwenden gedachte: da er jedoch ein großes Zutrauen zu der Einbildungskraft seines Knappen hatte, welche er bei mehr als einer Gelegenheit zu würdigen im Stande gewesen war, so trat er dem Vorschlag bei und verrichtete das Gebet. Während dieser Zeit spannte Musaron mit einer Ruhe, als ob er einen silbernen Becher bei einem ländlichen Feste zu gewinnen gehabt hätte, seine Armbrust, legte einen Bolzen daraus und zielte aus den Mauren: beinahe in demselben Augenblick hörte man ein scharfes Schwirren. Agenor, der die Schildwache mit den Augen nicht verließ, sah, wie ihr Turban schwankte, wie ihre Arme sich ausstreckten. Zusammensinkend öffnete der Soldat den Mund, als wollte er schreien, doch es kam kein Ton aus seiner Kehle: erstickt durch das Blut und unterstützt durch die Mauer, an die er angelehnt war, blieb er beinahe aufrecht und gänzlich unbeweglich.

Agenor wandte sich nun gegen Musaron um, der, ein Lächeln aus seinen Lippen, die Armbrust wieder zurecht richtete, von welcher in diesem Augenblick der in das Herz geschnellte Bolzen abgegangen war.

»Seht Ihr, Herr Ritter,« sagte Musaron, »es sind zwei Vortheile bei dem, was ich so eben gethan habe: der erste besteht darin, daß ich einen Mauren wider seinen Willen ins Paradies geschickt habe, der andere, daß ich ihn: Wer da! zu rufen verhinderte! Nun vorwärts, nichts hindert uns mehr, die Terrasse ist verlassen und der Weg ist uns geöffnet.«

Sie sprangen nach dem Graben, durch den sie schwammen. Das Wasser glitt von der Rüstung des Ritters ab, wie von den Schuppen eines Fisches. Was Musaron betrifft, so hatte er stets voll Vorsicht und Achtung für sich selbst seine Kleider ausgezogen, die er in einem Päckchen auf seinem Kopfe trug. Als sie an den Fuß des Adamsfeigenbaums kamen, kleidete er sich wieder an, während sein Herr das Wasser durch alle Oeffnungen seines Panzers ablaufen ließ, und an den Zweigen des Baumes hinaufkletternd, kam der Knappe zuerst zu dem Gipfel, der die gleiche Höhe mit dem Wall hatte.

»Nun!« fragte Mauléon, »was siehst Du?«

»Nichts,« erwiderte der Knappe, »wenn nicht die Thüre, welche Niemand bewacht, und die Eure Herrlichkeit mit zwei Artstreichen sprengen kann.«

Mauléon war zu derselben Höhe gelangt, wie sein Knappe, und konnte sich folglich durch sich selbst von der Wahrheit des Gesagten überzeugen. Der Weg war frei und die bezeichnete, am Abend geschlossene, Thüre schnitt allein die Verbindung des Zimmers der Gefangenen mit den Terrassen ab.

Mit der Schneide seiner Art, die er zwischen die Steine schob, sprengte Agenor zuerst das Schloß und dann die zwei Riegel.

Die Thüre öffnete sich. Vor der Thüre zeigte sich eine Wendeltreppe, welche als Nebenausgang für die Wohnung der Königin diente, deren Hauptausgang im inneren Hose war. Im ersten Stocke fanden sie eine Thüre, an welche der Ritter dreimal klopfte, ohne daß er Antwort erhielt.

Agenor vermuthete, die Königin befürchte einen Ueberfall.

»Fürchtet Euch nicht, Madame, wir sind es,« sagte der Ritter.

»Ich habe Euch wohl gehört,« erwiderte die Königin von der andern Seite der Thüre; »doch verrathet Ihr mich nicht?«

»Ich verrathe Euch so wenig, Madame,« sprach Agenor, »daß ich Euch diese Thüre öffne, um Euch fliehen zu lassen. Ich habe die Schildwache getödtet. Wir setzen über diesen Graben, das wird die Sache eines Augenblicks sein, und in einer Viertelstunde seid Ihr frei und im offenen Feld.«

»Aber diese Thüre, habt Ihr den Schlüssel dazu?« fragte die Königin. »Ich bin eingeschlossen.«

Agenor antwortete damit, daß er dasselbe Manoeuvre ausführte, welches ihm schon bei der unteren Thüre gelungen. Nach einem Augenblick war die der Königin gesprengt wie die erste.

»Mein Gott, ich danke!« rief die Königin, als sie ihre Befreier erblickte. »Aber,« fügte sie mit zitternder, beinahe unverständlicher Stimme bei, »aber Don Federigo?«

»Ah! Madame,« erwiderte langsam Agenor, indem er ein Knie auf die Erde setzte und der Königin das Pergament überreichte, »Don Federigo . . . hier ist sein Brief.«

Bei dem Scheine einer Lampe las Blanche das Bittet.

»Er ist verloren!» rief sie; »dieses Billet ist das letzte Lebewohl eines Sterbenden!«

Agenor antwortete nicht.

»Im Namen des Himmels!« rief die Königin, »im Namen Eurer Freundschaft für den Großmeister, sagt mir, ob er lebt, oder todt ist.«

»Ihr seht, daß Euch Don Federigo in dem einen und in dem andern Fall fliehen heißt.«

»Warum fliehen, wenn er nicht mehr ist? Warum leben, wenn er todt ist?« rief die Königin.

»Um seinem letzten Wunsche zu gehorchen, Madame, und um Rache in Eurem und in seinem Namen von Eurem Schwager, dem König von Frankreich, zu fordern.«

In diesem Augenblick öffnete sich die innere Thüre der Wohnung, und die Amme von Blanche, die ihr von Frankreich gefolgt war, trat bleich und erschrocken ein.

»Oh! Madame,« rief sie, »das Schloß ist voll von bewaffneten Männern, welche von Sevilla kommen, und man meldet einen Abgesandten des Königs, der Euch zu sprechen verlangt.«

»Kommt, Madame, es ist keine Zeit zu verlieren,« sagte Agenor.

»Im Gegentheil,« sprach die Königin, »wenn man mich in diesem Augenblick nicht fände, würde man uns nachsetzen und unfehlbar einholen. Es ist besser, ich empfange diesen Abgesandten, und wenn er dann durch meine Anwesenheit und durch unsere Unterredung beruhigt ist, fliehen wir.«

»Doch wenn dieser Abgesandte mit unheilvollen Befehlen beauftragt wäre?« entgegnete der Ritter; »wenn er schlimme Absichten hätte?« »Ich werde durch ihn erfahren, ob er todt ist oder lebt,« sagte die Königin.

»Nun wohl, Madame, wenn Ihr ihn nur aus diesem einzigen Beweggrund empfangt, so werde ich Euch die Wahrheit sagen: Leider ist er todt!«

»Wenn er todt ist,« erwiderte die Königin Blanche, »was bekümmere ich mich um das, was dieser Mensch hier zu thun beabsichtigt? Denkt an Eure Sicherheit, Sire von Mauléon. . . Sagt diesem Menschen, ich folge Euch,« sprach Blanche zu ihrer Amme.

Als sie aber der Ritter immer noch zurückhalten wollte, nöthigte sie ihn durch eine königliche Geberde zum Gehorsam, und verließ das Zimmer.

»Herr Ritter,« sagte Musaron, »wenn Ihr mir glaubt, lassen wir die Königin ihre Angelegenheiten abmachen, wie es ihr gut scheint, und denken wir daran, auf unseren Weg zurückzukehren. Mir sagt Etwas, wir werden hier elendiglich umkommen. Wir wollen die Flucht der Königin ans morgen verschieben, und vor Allem. . .«

»Stille.« erwiderte der Ritter, »die Königin wird in dieser Nacht frei, oder ich werde todt sein.«

»Nun, edler Herr,« sagte der kluge Musaron, »so wollen wir wenigstens die Thüren wieder in Ordnung bringen, damit man nichts bemerkt, wenn man die Terrasse visitirt. Man wird den Leichnam des Mauren finden, Herr.«

»Stoße ihn in's Wasser.«

»Das ist ein Gedanke, doch höchstens aus eine Stunde gut; der Halsstarrige wird wieder aus die Oberfläche kommen.«

»Eine Stunde ist bei gewissen Fällen das Leben,« entgegnete der Ritter; »vorwärts also!«

»Ich möchte zugleich gehen und bei Euch bleiben; wenn ich nicht gehe, wird man den Mauren finden; wenn ich gehe, so habe ich bange, es könnte Euch während des Augenblicks, den ich Euch allein lasse, Unglück widerfahren.«

»Und was soll mir mit meinem Dolche und meinem Schwerte widerfahren?«

»Hm!« machte Musaron.

»Gehe, Du verlierst die Zeit.«

Musaron that drei Schritte gegen die Thüre, doch plötzlich blieb er stehen und sagte:

»Ah! Herr, hört Ihr diese Stimme?«

Es gelangte in der That das Geräusch einiger ziemlich laut ausgesprochenen Worte zu ihnen, und der Ritter horchte.

»Man sollte glauben, es wäre die Stimme von Mothril,« rief der Ritter; »das ist doch unmöglich.«

»Nichts ist unmöglich bei den Mauren, die von der Hölle und der Zauberkunst unterstützt werden,« erwiderte Musaron, der mit einer Schnelligkeit nach der Thüre stürzte, welche für sein Verlangen, sich wieder in freier Luft zu finden, zeugte.

»Ist es Mothril, so haben wir einen Grund mehr, zu der Königin hinein zu gehen,« rief der Ritter; »denn wenn es Mothril ist, so ist die Königin verloren!«

Und er machte eine Bewegung, um seiner hochherzigen Eingebung zu folgen, »Herr sprach Musaron, der ihn an seinem Waffenrock zurückhielt, »Ihr wißt, ob ich ein Feiger bin; ich bin nur vorsichtig, ich leugne das nicht, sondern ich rühme mich dessen sogar. Wartet nur noch einige Minuten, guter Herr, dann folge ich Euch in die Hölle, wenn Ihr wollt.«

»Warten wir,« versetzte der Ritter, »Du hast vielleicht Recht.«

Die Stimme sprach indessen immer fort und wurde allmälig dumpfer; die Königin, welche Anfangs mit leiser Stimme gesprochen hatte, nahm ihrerseits im Gegentheil einen energischen Ton an.

Auf diese seltsame Unterredung folgte ein kurzes Stillschweigen, dann ein gräßlicher Schrei.

Agenor konnte sich nicht mehr hatten und stürzte in den Gang.

Der Bastard von Mauléon

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