Читать книгу Der Bastard von Mauléon - Александр Дюма - Страница 5

Erstes bis viertes Bändchen
Fünftes Kapitel.
Der Uebergang über den Fluß

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Der Maure, der zuerst abgegangen war, kam zuerst an das User des Flusses.

Ohne Zweifel hatte er entweder bei seiner Ankunft oder während der andern Reise die Furt untersucht, denn ohne das geringste Zögern ging er zum Rand des Flusses hinab, bis um den halben Leib in den Oleandern verborgen, welche im südlichen Theil von Spanien und Portugal beinahe immer die Flüsse begleiten. Auf ein Zeichen von ihm nahmen die Führer der Sänfte die Maulthiere am Zügel und stiegen, nachdem ihnen Mothril den Weg bezeichnet hatte, dem sie folgen sollten, und den ein kleines in dieser Richtung stehendes Orangenwäldchen leicht erkennbar machte, in den Fluß hinab und schickten sich an, ihn zu durchschreiten, eine Operation, die sie ausführten, ohne daß das Wasser höher als bis zum Bauch der Maulthiere ging.

So sehr auch Mothril mit der Sicherheit der Furt vertraut zu sein schien, folgte er doch nichtsdestoweniger mit den Augen dem Uebergang, bis er die kostbare Sänfte am andern User angelangt sah.

Nun erst schaute er umher und fragte, indem er sich bis zum Niveau der Oleander bückte: »Bist Du da?«

»Ja,« antwortete eine Stimme.

»Nicht wahr, Du wirst den Pagen wohl erkennen?«

»Es ist derjenige, welcher dem Hund gepfiffen hat.«

»Der Brief ist in einem Beutel, den er in einer Waidtasche trägt, welche an seiner Seite hängt.

Diese Waidtasche muß ich haben.«

»Ihr sollt sie haben,« erwiderte der Maure.

»Ich kann ihn also rufen? Du bist an Deinem Posten?«

»Ich werde daran sein, sobald es Zeit ist.«

Mothril stieg wieder am User hinauf und kehrte zu Don Frederigo und Fernando zurück.

Während dieser Zeit waren Agenor und Musaron ebenfalls auf der Böschung des Flusses angelangt, und der Ritter hatte, wie er es gesagt, ohne sich um die Tiefe des Wassers zu bekümmern, muthig sein Pferd in die Strömung getrieben.

Der Fluß hatte an den Usern nur eine geringe Tiefe. Der Ritter und sein Knappe sanken nur langsam und stufenweise ein. Als sie ungefähr drei Viertel des Uebergangs gemacht hatten, verlor das Pferd den Boden; aber unterstützt durch den Zügel und die Liebkosungen seines Reiters, schwamm es kräftig und faßte den Boden wieder ungefähr zwanzig Schritte von der Stelle, wo es ihn verloren hatte. Musaron folgte seinem Herrn wie sein Schatten und kam, nachdem er ungefähr dasselbe Manoeuvre gemacht hatte, wie er unversehrt auf die andere Seite der Strömung. Seiner Gewohnheit gemäß, wollte er sich laut zu dieser Heldenthat Glück wünschen, doch sein Herr legte einen Finger auf seine Lippen und hieß ihn durch dieses Zeichen schweigen. Beide erreichten also das User, ohne daß man etwas Anderes hörte, als das leichte Platschen des Wassers, und ohne daß ein anderes Merkmal Mothril den Uebergang des Ritters verrathen hätte.

Hier angelangt, hielt Agenor an, stieg ab und warf den Zügel seines Pferdes Musaron zu; dann beschrieb er einen Kreis und erreichte das andere Ende des Orangenwäldchens, vor dem man einen Mondstrahl auf dem vergoldeten Fries der Sänfte spielen sah; hätte er aber auch nicht gewußt, wo sie war, so würde er sie doch leicht gefunden haben. Die vibrirenden Töne der Guzla erklangen in der Nacht und offenbarten, daß Aissa, um sich zu zerstreuen, bis ihr Wächter ebenfalls übergegangen wäre, zu diesem Instrumente ihre Zuflucht genommen hatte.

Anfangs waren es nur Accorde ohne Folge, eine Art von unbestimmter Klage, dem Wind und der Nacht von den zerstreuten Fingern des Mädchens zugeworfen. Doch auf diese Accorde folgten Worte, und der Ritter erkannte zu seiner großen Freude, daß diese Worte, obgleich aus dem Arabischen übersetzt, im reinsten Castilianisch gesungen wurden. Die schöne Aissa verstand also das Spanische; der Ritter würde mit ihr sprechen können. Er trat immer näher hinzu, diesmal geleitet durch das Instrument und durch die Stimme.

Aissa hatte die Vorhänge ihrer Sänfte auf der dem Fluß entgegengesetzten Seite zurückgezogen, und die zwei Führer hatten sich, ohne Zweifel, um dem Befehle des Herrn zu gehorchen, ungefähr zwanzig Schritte von derselben entfernt. Das Mädchen lag mitten im Palankin, den der reinste Strahl des Mondes beleuchtete, dessen Lauf sie am wolkenlosen Himmel folgte. Ihre Haltung, war wie die aller Mädchen des Orients, voll natürlicher Anmuth und tiefer Wollust. Sie schien durch alle Poren jene Wohlgerüche der Nacht einzuathmen, welche ein warmer Südwind von der Ceuta gen Portugal sandte. Was das Lied betrifft, so war es eine von den orientalischen Compositionen ungefähr folgenden Inhalts:

»Es war die Abendstunde, die Stund' im Dämmerlicht, wo die Nachtigall dem Flug entsagt, und dann einsam aus dem Zweige, in des Thales Tiefe, ihren Sang ertönen läßt.

»Es war die Abendstunde, die Stunde spät und still, wo der Lärmen rings erlischt, wo die Rose ihren Wohlgeruch an des Flusses Rand dunkler Nacht als Opfergabe bringt.

»Die Lust ließ ihre Lieder schweigen, die Quell' sie murmelte nicht mehr, und Alles lauschte und selbst die Sterne horchten aus des Vogels Stimme.

»Er sprach zur Rose: »»Warum, der Frauen Blume, öffnest nur am Abend du den Kelch?«« Und sie sprach: »»Warum schenkst du dein Lied den Seelen nur, wenn schwarz der Himmel?««

»Darauf erwiedert er: »»Mein Sang gehört des Ufers Blume, die in der Nacht sich nur erschließt.«« »»Mein Duft dem Vogel, der schüchtern erst sein Lied beginnt, wenn das Geräusch des Tags erstirbt.««

»Und es vermengt' geheimnißvoll die Nacht des Herzens Wohlgeruch und seinen Liederschmuck. Und als der Morgen kam, fand er gesenkt zum Boden den Vogel zur Seit' der Blume.«

Als sie das letzte Wort geendigt, und als die letzten Accorde harmonisch in der Lust nachklangen, erschien der Ritter, außer Stands, seine Ungeduld länger zu bemeistern, in dem von den Mondstrahlen beleuchteten leeren Raum, zwischen dem Wäldchen und der Sänfte. Eine Frau des Occident, wenn sie plötzlich so einen Mann hätte auftauchen sehen, würde einen Schrei ausgestoßen und um Hilfe gerufen haben. Die schöne Maurin that weder das Eine, noch das Andere; sie erhob sich aus ihre linke Hand und zog mit der rechten einen kleinen Dolch, den sie im Gürtel trug; doch beinahe in demselben Augenblick stieß sie, den Ritter erkennend, den Dolch wieder in seine Scheide, ließ ihr Haupt auf eine ihrer weich gerundeten Hände fallen, näherte die andere ihren Lippen und bedeutete dem Ritter durch ein Zeichen, er möge sich geräuschlos nähern. Agenor gehorchte. Die langen Draperien der Sänfte, die großen Decken der Maulthiere bildeten eine Art von Wandung, die ihn unsichtbar für die Augen der zwei Wächter machte, welche überdies damit beschäftigt waren, daß sie nachdem andern User hinüberschauten, wo man Vorkehrungen zum Uebergang von Don Federigo und Fernando traf; er näherte sich also kühn der Hand des jungen Mädchens, welche außerhalb der Sänfte war, nahm sie, drückte seine Lippen daraus und sprach:

»Aissa liebt mich, und ich liebe Aissa.«

»Sind die Leute Deines Landes Nekromanten?« erwiderte sie, »daß sie im Herz der Frau die Geheimnisse lesen, die sie nur der Nacht und der Einsamkeit anvertraut hat?«

»Nein,« sprach der Ritter; »doch sie wissen, daß Liebe Liebe heischt. Sollte ich mich unglücklicher Weise getauscht haben?«

»Du weißt wohl, daß Du Dich nicht getäuscht hast,« sprach das Mädchen. »Seit Don Mothril mich in seinem Gefolge mit sich führt, als ob ich seine Frau und nicht seine Tochter wäre, habe ich die schönsten maurischen und castilianischen Ritter vorüberziehen sehen, ohne daß meine Augen sich von den Perlen meiner Armspange abwandten, ohne daß meine Gedanken dem Gebet abspänstig wurden. Aber bei Dir war es nicht wie bei den andern Männern: von dem Augenblick an, wo ich Dich im Gebirge traf, hätte ich gern aus meinem Palankin aussteigen und Dir folgen mögen. Du wunderst Dich, daß ich so mit Dir spreche; doch ich bin keine Frau der Städte: ich bin eine Blume der Einsamkeit, und wie die Blume ihren Wohlgeruch demjenigen gibt, welcher sie pflückt, und stirbt, so werde ich Dir meine Liebe geben, wenn Du sie willst, und sterben, wenn Du sie nicht willst.«

Wie Agenor der erste Mann war, aus den die schöne Maurin ihre Augen geheftet hatte, so war sie die erste Frau, die durch die Harmonie der Stimme, der Geberde und des Blickes so süß zu seinem Herzen gesprochen. Er schickte sich auch an, dieses seltsame Geständniß zu erwidern, das, statt ihn abzuweisen, ihm gleichsam entgegenkam, als plötzlich ein schmerzlicher, tiefer Schrei erscholl und Agenor und das junge Mädchen beben machte.

Zu gleicher Zeit hörte man die Stimme des Großmeisters rufen: »Zu Hilfe! Agenor! zu Hilfe! Fernando ertrinkt!» Mit einer raschen Bewegung kam das Mädchen beinahe aus seinem Palankin hervor, streifte die Stirne des jungen Mannes mit ihren Lippen, und sagte nur die Worte:

»Nicht wahr, ich werde Dich wiedersehen?«

»Oh! bei meiner Seele,« sprach Agenor.

»Eile also dem Pagen zu Hülse.«

Und sie schob ihn mit einer Hand zurück, während sie mit der andern die Vorhänge wieder zuzog.

Mit zwei Sprüngen und mit Hilfe einer leichten Wendung befand sich der Ritter wieder am Rande des Flusses. In einem Augenblick entledigte er sich seines Schwertes und seiner Sporen, und da er glücklicher Weise ohne Rüstung war, so stürzte er sich nach dem Punkte, wo die Bewegung des Wassers das Verschwinden des Pagen bezeichnete.

Man vernehme, was vorgefallen war:

Nachdem Mothril seine Sänfte hatte übersetzen lassen, nachdem er dem in den Oleandern verborgenen Mauren seine Instruction gegeben, kehrte er zu dem Großmeister und zu Fernando zurück, welche ungefähr hundert Schritte vom Ufer mit dem übrigen Gefolge warteten.«

»Senor,« sagte der Maure, »die Furt ist gefunden und die Sänfte, wie Eure Hoheit sehen kann, ohne Unfall am andern User angelangt. Doch, zu größerer Vorsicht werde ich zuerst Euren Pagen und dann Euch führen; meine Leute kommen hernach.«

Dieses Anerbieten entsprach so sehr den Wünschen des Großmeisters, daß er nicht den Gedanken hatte, die geringste Einwendung dagegen zu machen. Es konnte in der That nichts die Ausführung des zwischen Fernando und Don Federigo verabredeten Planes mehr erleichtern.

»Es ist gut,» sagte er zu Mothril. »Fernando wird zuerst gehen, und da er uns aus der Straße nach Sevilla voranreiten muß, so wird er seinen Weg fortsetzen, während wir den Uebergang über den Fluß vollends bewerkstelligen.«

Mothril deutete durch eine Verbeugung an, es stehe diesem Wunsche des Großmeisters kein Hinderniß entgegen.

»Habt Ihr durch dieselbe Gelegenheit dem König Don Pedro, meinem Bruder, etwas sagen zu lassen?« fragte Don Federigo.

»Nein, hoher Herr, mein Bote ist abgegangen und wird vor dem Eurigen ankommen.«

»Es ist gut,« sagte Don Federigo, »geht voran.«

Der Großmeister widmete den kurzen Raum, der ihm bis zum Flusse blieb, einer zärtlichen und klugen Ermahnung an Fernando. Er liebte ungemein diesen Pagen, den er noch als Kind zu sich genommen, und der junge Mann war ihm innig ergeben. Auch halte Don Federigo nicht gezögert, ihn, so jung er noch war, zum Vertrauten aller seiner Geheimnisse zu machen.

Mothril wartete am User des Flusses, Vom Mond beschienen, da und dort durch die großen Schatten des Gebirges unterbrochen, stellenweise durch die glänzenden Reflexe des Stromes beleuchtet, schien die Landschaft einem von jenen Feenreichen anzugehören, wie man sie im Traum sieht. Beruhigt durch dieses Schweigen und durch diese nächtliche Durchsichtigkeit, würde auch der mißtrauischste Mensch, wenn man ihn gewarnt hätte, nicht an die Gefahr haben glauben wollen.

Von Natur tapfer und abenteuerlich, wie man es in seinem Alter ist, empfand Fernando auch nicht die geringste Furcht und ritt aus seinem Rosse hinter dem Maulthier des Mauren nach dem Fluß.

Mothril ritt voran. Ungefähr fünfzehn Schritte hielten das Pferd und das Maulthier gerade Linie, doch allmälig zog sich der Maure gegen rechts.

»Ihr geht vom Wege ab, Mothril!« rief Don Federigo vom Ufer aus. »Nimm Dich in Acht, Fernando, nimm Dich in Acht!«

»Seid unbesorgt, Hoheit, da ich voran reite,« erwiderte Mothril. »Wenn eine Gefahr vorhanden wäre, so würde ich sie zuerst erkennen.«

Diese Antwort war nicht zu verwerfen. Fernando, obgleich der Maure immer mehr von der geraden Linie abging, faßte auch keinen Verdacht. Vielleicht war es überdies ein Mittel, das sein Führer anwandte, um die Strömung mit geringerer Schwierigkeit zu durchschneiden.

Das Maulthier des Mauren verlor den Boden, und das Pferd von Fernando fing an zu schwimmen; doch der Page kümmerte sich wenig darum, denn er selbst schwamm so, daß er sich wohl durch den Fluß arbeiten konnte, falls er zu seinen eigenen Kräften Zuflucht zu nehmen genöthigt gewesen wäre.

Der Großmeister beobachtete mit wachsender Unruhe den Uebergang.

»Ihre geht schräge, Mothril,« rief er. »Halte Dich zur linken Seite, Fernando!«

Doch Fernando, der sein Pferd kräftig schwimmen fühlte und dem der Maure immer voran ritt, faßte keine Angst ob diesem schiefen Zuge, worin er nur ein Spiel sah, und aus dem Sattel sich umwendend, antwortete er seinem Gebieter:

»Seid unbesorgt, Hoheit, ich folge dem guten Weg, da Herr Mothril vor mir ist.«

Doch während er diese Bewegung machte, war ihm eine seltsame Vision erschienen; er hatte in dem Sog, den sein Pferd hinter sich ließ, den Kopf eines Menschen zu sehen geglaubt, der sogleich, als er sich umgedreht, niedergetaucht war, doch nicht schnell genug, um seinem Blick zu entgehen.

»Senor Mothril,« sagte er zu dem Mauren, »mir scheint in der That, wir täuschen uns.

Eure Sänfte ist nicht hier hinübergekommen, und wenn mich nicht Alles trügt, sehe ich sie dort, in den Strahlen des Mondes, vor dem Orangenwäldchen und ganz zu unserer Linien.«

»Das ist nur ein kleiner etwas tieferer Raum,« erwiderte der Maure.

»Du gehst ganz ab!« rief abermals Don Federigo, doch schon so entfernt, daß seine Stimme kaum bis zu dem Jüngling gelangte.

»Es ist wahr,« sprach Fernando, den eine gewisse Unruhe zu ergreifen anfing, als er sah, daß sein wie durch eine Unbekannte Gewalt in die Strömung fortgezogenes Pferd vergeblich sich anstrengte, während, Herr seines Maulthiers, Mothril zu seiner Linken ziemlich entfernt von ihm blieb.

»Senor Mothril!« rief der Page, »das ist eine Verrätherei!«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als das Pferd plötzlich stöhnte, aus eine Seite sank, und das Wasser mit aller Gewalt schlug, doch ohne wie zuvor mit dem rechten Beine zu schwimmen. Beinahe in derselben Secunde wieherte es schmerzlich und hörte auch mit dem linken Beine auf zu schwimmen. Und nun, da es sich nur noch mit den Vorderbeinen zu halten vermochte, sank das Thier allmälig mit dem Kreuz unter das Wasser.

Fernando sah, daß der Augenblick, sich in den Fluß zu stützen, gekommen war, doch er wollte vergebens die Steigbügel verlassen: er fühlte sich an das Pferd festgebunden und rief:

»Zu Hilfe! zu Hilfe!«

Dies war der schmerzliche Rus, den Agenor hörte, und der ihn der Begeisterung entriß, in die ihn der Anblick und die Stimme der schönen Maurin versetzt hatten.

Das Pferd sank in der That immer mehr unter; nur noch seine Nüstern waren über der Oberfläche des Flusses und schnauften geräuschvoll, während seine Vorderfüße das Wasser rings umher aufspringen machten.

Fernando wollte zum zweiten Male um Hilfe rufen: doch fortgerissen durch die geheime Gewalt, der er schon vergebens zu widerstehen versucht hatte, folgte er dem Pferde in den Abgrund; nur seine Hand bewegte sich noch, zum Himmel emporgestreckt, als wollte sie Rache oder Hilfe fordern, einen Augenblick über dem Schlund; bald aber verschwand sie wie der übrige Körper, und man sah nichts mehr, als einen Wirbel, der aus der Tiefe des Flusses an die Oberfläche emporstieg, wo zahlreiche und blutige Blasen zerplatzten.

Zwei Freunde eilten Fernando zu Hilfe; einerseits, wie wir gesagt, Agenor, andererseits der Gebirgshund, der gewohnt war, der Stimme des Pagen so getreu zu, gehorchen, als der seines Gebieters.

Beide suchten vergebens, obgleich Agenor den Hund zwei oder dreimal in derselben Richtung untertauchen sah; als das Thier zum dritten Male wieder erschien, hatte es einen Fetzen Stoff in seinem keuchenden Rachen. Doch als hätte er diesen Fetzen abreißend, Alles gethan, was er hatte thun können, schwamm der Hund an das User, legte sich zu den Füßen seines Herrn nieder und ließ jenes klägliche, verzweiflungsvolle Geheul vernehmen, das in der Stille der Nacht auch die muthigsten Herzen mit Schauer erfüllt. Dieser Fetzen Stoff war Alles, was von dem unglücklichen Fernando übrig blieb.

Die Nacht verging mit vergeblichen Nachsuchungen. Don Federigo, der ebenfalls ohne Unfall über den Fluß gesetzt war, blieb die ganze Nacht am Ufer. Er konnte sich nicht entschließen, das bewegliche Grab zu verlassen, aus dem er jeden Augenblick seinen Freund hervorkommen zu sehen hoffte.

Sein Hund heulte zu seinen Füßen.

Träumerisch und düster, hielt Agenor den von dem Hund zurückgebrachten Fetzen in der Hand und schien mit Ungeduld den Tag zu erwarten.

Mothril, der seinerseits, als suchte er den Jüngling, lange in die Oleander gebückt geblieben war, kehrte mit verzweifeltem Gesicht zurück, rief wiederholt: »Allah! Allah!« und suchte den Großmeister mit jenen Alltagsphrasen zu trösten, die für den Leidenden ein Schmerz mehr sind.

Es kam der Tag; seine ersten Strahlen beleuchteten Agenor, der zu den Füßen von Don Federigo saß; offenbar erwartete der Ritter diesen Augenblick mit großer Ungeduld, denn kaum schlüpften die ersten Strahlen durch die Oeffnung der Thüre, als er sich dieser Oeffnung näherte und mit dieser Aufmerksamkeit den von dem Wammse des unglücklichen Pagen abgerissenen Fetzen Stoff betrachtete.

Diese Prüfung bestärkte ihn ohne Zweifel in seinem Verdacht, denn er sprach, schmerzlich den Kopf schüttelnd, zum Großmeister:

»Hoher Herr, das ist ein sehr beklagenswerthes und besonders sehr seltsames Ereigniß.«

»Ja,« erwiderte Federigo, »sehr beklagenswerth und sehr seltsam! Warum hat mir die Vorsehung einen solchen Schmerz bereitet!«

»Hoheit,« entgegnete Agenor, »ich glaube, daß Ihr hierbei die Vorsehung nicht anklagen dürft. Schaut diese letzte Reliquie des Freundes an, den Ihr beklagt.«

»Meine Augen würden stumpf werden durch die Thränen, die ich bei ihrer Beschauung vergießen müßte,« versetzte Federigo.

»Aber seht Ihr denn nichts daran, Senor?«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß das Wamms des unglücklichen Fernando weiß war wie das Kleid eines Engels; ich will damit sagen, daß das Wasser des Flusses durchsichtig und klar ist wie der Krystall, und dennoch, schaut edler Herr, ist die Farbe dieses Fetzen röthlich: es ist Blut aus diesem Stoffe gewesen.«

»Blut?«

»Ja, Hoheit.«

»Alan wird sich verwundet haben, indem er denjenigen, welchen er liebte, zurückzuhalten suchte, denn Ihr seht, er hat dieselbe Farbe aus dem Kopf.«

»Ich dachte Anfangs wie Ihr; doch ich mochte, immerhin schauen, ich fand keine Wunde, Das Blut kommt nicht vom Hund.«

»Sollte sich nicht Fernando selbst an irgend einem Felsen gestoßen haben?«

»Hoheit, ich bin an der Stelle untergetaucht, wo er verschwunden ist, und ringsumher waren mehr als zwanzig Fuß Wasser; doch hier ist etwas, was uns vielleicht leiten kann. Seht diesen Riß in dem Stoff.«

»Das ist der Zahn des Hundes.««

»Nein, mein hoher Herr, denn hier ist der sehr sichtbare Ort, wo der Hund hinein gebissen hat. Dieses Loch ist, mit einem schneidenden Instrument gemacht: mit der Klinge eines Dolches.«

»Oh! welch ein finsterer Gedanke!« rief Don Federigo, der sich bleich, die Haare gesträubt, Wuth und Schrecken im Blick erhob; »Du hast Recht! Du hast Recht! Fernando war ein vortrefflicher Schwimmer; in meinen Gestüten ausgezogen, hat sich sein Pferd hundertmal durch andere, viel raschere Strömungen als diese gearbeitet. Agenor, es ist ein Verbrechen vorgefallen!«

»Ich würde nicht daran zweifeln, wenn ich eine Ursache dazu sehen könnte.«

»Ah! . . . es ist wahr . . . Du weißt nicht, daß Fernando dieses User berührend mich verlassen sollte, nicht um sich zu dem König Don Pedro zu begeben, wie ich dem Mauren sagte, der es nicht geglaubt haben wird, sondern um eine Sendung zu erfüllen, mit der ich ihn beauftragt hatte. Mein armer Freund! mein so sicherer und treuer Vertrauter! Oh! für mich und durch mich stirbt er.«

»Mein edler Herr, es ist unserer Aller Pflicht, für Eure Hoheit zu sterben.«

»Oh! wer kann wissen, welche furchtbare Folgen dieser Tod haben soll?« sagte Don Federigo, seinen eigenen Gedanken beantwortend.

»Warum bin ich nicht in demselben Grad Euer Freund, wie Fernando?« sprach traurig der Ritter: »ich würde Euer Vertrauen erben und Euch dienen, wie er Euch gedient hat.«

»Du bist ungerecht, Agenor,« entgegnete der Prinz, indem er ihm die Hand reichte und ihn mit jener unendlichen Sanftmuth anschaute, die man stets in dem Blicke eines solchen Mannes zu finden staunte. »Ich hatte zwei Theile aus meinem Herzen gemacht, einen für Dich, den andern für Fernando. Fernando ist todt, Du bist fortan mein einziger Freund, und ich will es Dir dadurch beweisen, daß ich Dir sage, welchen Auftrag Fernando von mir erhalten hatte. Er sollte Deiner Landsmännin, der Königin Bianca, einen Brief überbringen.«

»Ah! das ist die Ursache . . . Und wo war dieser Brief?«

»Dieser Brief war in dir Waidtasche, die er an seinem Gürtel trug. Ist Fernando wirklich ermordet worden, und ich glaube nun wie Du, daß er es ist, haben die Mörder den Leichnam, der nicht wieder zum Vorschein kam, aus ein ödes, verborgenes User geschleppt, so ist mein Geheimniß entdeckt, und wir sind verloren.«

»Wenn dem so ist, geht nicht nach Sevilla, Herr,« rief Agenor. »Flieht! Ihr seid noch nahe genug bei Portugal, um ohne Unfall nach Eurer guten Stadt Coimbra zurückzukehren und Euch hinter ihren Wällen in Sicherheit zu bringen.«

»Nicht nach Sevilla gehen heißt sie verlassen; fliehen heißt einen Verdacht offenbaren, der nicht besteht, wenn der Tod von Fernando nur ein gewöhnlicher Unfall ist. Ueberdies hält Don Pedro Dona Bianca zurück, und hält mich durch sie. Ich werde nach Sevilla gehen.«

»Doch worin kann ich Euch dienen?« fragte der Ritter. »Kann ich Fernando ersetzen? Könnt Ihr mir für den Brief, den Ihr ihm gegeben, einen ähnlichen nebst einem Pfande geben, das mich erkenntlich macht? Ich bin kein Knabe von sechzehn Jahren; ich habe kein Wamms von leichtem Tuch mit Seide gefüttert; ich habe einen guten Panzer, an dem sich Dolche abgestumpft, welche gefährlicher waren, als alle Kandschars und alle Yatagans Eurer Mauren. Gebt, ich werde an Ort und Stelle kommen. Und wenn Jedermann acht Tage braucht, um zu ihr zu gelangen, ich bringe ihr Euren Brief, das verspreche ich Euch, in vier Tagen.«

»Ich danke, mein braver Franzose. Doch wenn der König in Kenntniß gesetzt ist, so hieße dies die Gefahr verdoppeln. Das Mittel, das ich anwandte, war nicht gut, da Gott sein Gelingen nicht wollte. Wir werden uns nun nur von den Umständen berathen lassen. Wir setzen unsern Weg fort, als ob nichts geschehen wäre. Zwei Tagereisen von Sevilla und in dem Augenblick, wo keine Erinnerung mehr übrig sein wird, verlassest Du mich, und während ich in Sevilla durch das eine Thor einziehe, reitest Du durch das andere ein. Am Abend schlüpfst Du sodann in den Alcazar des Königs, wo Du im ersten Hofe verborgen bleibst, in dem, welchen majestätische Platanen beschatten, in dessen Mitte sich ein marmornes Bassin mit Löwenköpfen findet; Du wirst Fenster mit purpurnen Vorhängen sehen: das ist meine gewöhnliche Wohnung, wenn ich meinen Bruder besuche. Um Mitternacht komm unter diese Fenster, ich werde nach dem Empfang des Königs Don Pedro wissen, was wir zu fürchten oder zu hoffen haben. Ich spreche mit Dir, oder wenn ich nicht mit Dir sprechen kann, werfe ich Dir ein Billet zu, das Dir sagt, was Du thun sollst. Schwöre mir nur, auf der Stelle auszuführen, was ich Dir entweder schreibe oder sage.«

»Bei meiner Seele, gnädiger Herr, schwöre ich Euch, Euer Wille soll Punkt für Punkt erfüllt werden,« sprach Agenor.

»Es ist gut!« sagte Don Federigo, »ich bin nun ein wenig ruhiger. Armer Fernando!«

»Gnädigster Herr,« sprach Mothril, der in diesem Augenblick auf der Schwelle des Zeltes erschien, »Eure Hoheit wolle sich erinnern, daß wir in dieser Nacht nur die Hälfte unseres Marsches gemacht haben. Wenn es ihr gefiele, Befehl zum Aufbruch zu geben, so kämen wir in drei bis vier Stunden unter den Schatten eines Waldes, den ich kenne, weil ich schon auf dem Wege zu Euch einen Halt unter demselben gemacht habe, und wir würden dann die Hitze des Tages vorübergehen lassen.«

»Brechen wir auf,« sprach Don Federigo, »nichts hält mich hier zurück, nun da ich jede Hoffnung, Fernando wiederzusehen, verloren habe,«

Die Karavane setzte sich in Marsch, doch nicht ohne daß der Großmeister und der Ritter sehr oft die Augen gegen den Fluß umwandten, auch sehr oft wie einen schmerzlichen, ihrer Brust entschlüpften Ausruf wiederholten: »Armer Fernando! armer Fernando!«

So wurde die Reise von Don Federigo nach Sevilla fortgesetzt.

Der Bastard von Mauléon

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