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Erstes bis viertes Bändchen
Elftes Kapitel.
Wie der Bastard von Mauléon von Blanche von Bourbon beauftragt wurde, der Königin von Frankreich, ihrer Schwester, einen Ring zu überbringen

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Man vernehme, was vorgefallen war, oder was vielmehr bei der Königin vorfiel.

Kaum hatte Blanche von Bourbon den Corridor durchschritten und war, ihrer Amme folgend, einige Stufen hinaufgestiegen, welche in ihr Zimmer führten, als der schnelle Gang mehrerer Soldaten auf der großen Treppe des Thurmes erscholl.

Doch die Truppe stellte sich in den unteren Stockwerken auf, zwei Männer kamen herauf, und Einer von ihnen blieb noch im Corridor, während der Andere nach dem Zimmer der Königin ging.

Man klopfte an die Thüre.

»Wer ist da?« fragte die Amme ganz zitternd.

»Ein Soldat, der im Auftrage des Königs Don Pedro kommt, um Dona Blanche eine Botschaft zu überbringen,« antwortete eine Stimme.

»Oeffne,« sagte die Königin.

Die Amme öffnete und wich vor einem Mann von hoher Gestalt zurück, der, in ein Soldatengewand, nämlich in ein Panzerhemd gekleidet, das ihm den ganzen Leib umhüllte, überdies in einen weiten, weißen Mantel gewickelt war, dessen Capuze seinen Kopf verhüllte und dessen Falten seine Hände verbargen.

»Entfernt Euch, gute Amme,« sagte er mit dem leichten, gutturalen Accent, der auch die im Sprechen der castilianischen Sprache am meisten geübten Mauren unterschied, »entfernt Euch, ich habe mit Eurer Gebieterin über wichtige Dinge zu reden.«

Von einem ersten Gefühle bewogen, wollte die Amme trotz der Aufforderung des Soldaten bleiben; doch ihre Gebieterin, die sie mit dem Blicke befragte, hieß sie durch ein Zeichen weggehen, und sie gehorchte. Doch als sie durch den Corridor ging, bereute sie alsbald diesen Gehorsam, denn sie sah aufrecht und stillschweigend an der Mauer den zweiten Soldaten, der sich ohne Zweifel bereit hielt, die Befehle desjenigen zu vollziehen, welcher zu der Königin eingetreten.

Sobald die Amme an diesem Menschen vorübergegangen war und sie sich von ihrer Gebieterin durch diese zwei seltsamen Besuche, wie durch eine unübersteigbare Schranke, getrennt fühlte, begriff sie, daß Blanche verloren war.

Kalt und majestätisch, wie die Gefangene auf den angeblichen Soldaten deren Boten des Königs zu. Dieser neigte den Kopf als ob er erkannt zu werden befürchtete.

»Wir sind nun allein, sprecht,« sagte die Königin.

»Madame,« erwiderte der Unbekannte, »der König weiß, daß Ihr im Briefwechsel mit seinen Feinden gestanden seid, was, wie Euch bekannt, ein Verbrechen des Verraths an dem obersten Haupte ist.«

»Und der König weiß dies erst heute?« entgegnete die Königin mit derselben Ruhe und derselben Majestät. »Mir scheint, ich werde schon lange genug für das Verbrechen bestraft, das man erst seit heute zu wissen vorgibt.«

Der Soldat erhob das Haupt und erwiderte:

»Madame, der König spricht diesmal nicht von den Feinden seines Thrones, sondern von den Feinden seiner Ehre. Die Königin von Castilien darf in keinem Verdacht stehen, und dennoch hat sie Anlaß zum Aergerniß gegeben.«

»Vollzieht Euren Auftrag und geht, wenn Ihr damit zu Ende seid,« sprach die Königin.

Der Soldat schwieg einen Augenblick, als ob er weiter zu gehen zögerte, und sagte sodann:

»Kennt Ihr die Geschichte von Don Guitiere?«

»Nein.«

»Sie ist doch neu und hat ziemlich viel Lärmen erregt.«

»Die neuen Dinge weiß ich nicht,« erwiderte Blanche, »und der Lärmen, so groß er auch sein mag, dringt nur schwer durch die Mauern dieses Schlosses.«

»Nun wohl, ich will sie Euch erzählen,« sagte der Bote.

Genöthigt, zu hören, blieb die Königin ruhig und würdig stehen.

»Don Guttiere,« sprach der Bote, »heirathete eine junge, schöne Frau von sechzehn Jahren, gerade von dem Alter, das Eure Hoheit hatte, als sie den König Don Pedro heirathete.«

Die Königin blieb unempfindlich bei dieser Anspielung, so unmittelbar sie auch war.

»Diese Frau fuhr der Soldat fort, »nannte sich, ehe sie Senora Guttiere war, Dona Mencia, und unter diesem ihrem Mädchennamen hatte sie einen Herrn geliebt, der kein anderer war, als der Bruder des Königs, der Graf Enrique von Transtamare.

Die Königin schauerte.

Als Don Guttiere in einer Nacht nach Hause zurückkehrte, fand er sie ganz zitternd und ganz ängstlich. Sie behauptete, einen Mann in ihrem Zimmer verborgen gesehen zu haben. Don Guttiere nahm eine Kerze und suchte; doch er fand nichts, als einen so reichen Dolch, daß er wohl sah, dieser Dolch könne nicht einem einfachen Edelmann gehören.

Der Name des Fabrikanten stand auf dem Griff; er suchte ihn auf und fragte ihn, an wen er diesen Dolch verkauft habe.

»»An den Infanten Don Enrique, den Bruder des Königs Don Pedro,«« antwortete der Fabrikant.

Don Guttiere wußte Alles, was er wissen wollte. Er konnte sich nicht an dem Prinzen Don Enrique rächen, denn er war ein alter Castilianer, voll Achtung und Ehrfurcht für seine Herren, der, welche Beleidigung ihm auch angethan worden, seine Hände nicht in ein königliches Blut hätte tauchen wollen.

»Aber Dona Mencia war die Tochter eines einfachen Edelmanns, an ihr konnte er sich also rächen, und er rächte sich auch.«

»Wie dies?« fragte die Königin, fortgerissen durch die Theilnahme, die ihr die Erzählung dieses Abenteuers einflößte, welches eine so große Ähnlichkeit mit dem ihrigen hatte.

»Oh! aus eine ganz einfache Weise,« erwiderte der Bote. »Er erwartete einen armen Wundarzt Namens Ludovico vor seiner Thüre, und als dieser nach Hause kehrte, setzte er ihm den Dolch an die Kehle, verband ihm die Augen und führte ihn in sein Haus.

»Sobald sie hier waren, nahm er ihm die Binde ab. Eine Frau war aus ein Bett gefesselt; zwei Kerzen brannten, die eine zu ihren Häupten, die andere zu ihren Füßen, als ob sie schon todt wäre.

Ihr linker Arm besonders war so fest angebunden, daß sie sich vergebens angestrengt hätte, um sich von ihren Banden loszumachen. Der Wundarzt blieb ganz bestürzt, denn er begriff dieses Schauspiel nicht.

»»Oeffnet dieser Frau eine Ader,«« sprach Don Guttiere, »»und laßt ihr Blut fließen, bis sie stirbt.««

»Der Wundarzt wollte Widerstand leisten, doch er fühlte, wie der Dolch von Guttiere durch seine Kleider drang und seine Brust zu durchbohren im Begriff war, und gehorchte. In derselben Nacht warf sich ein bleicher, ganz blutiger Mann zu den Füßen von Don Pedro.

»»Sire,«« sprach er, »»in dieser Nacht hat man mich mit verbundenen Augen und den Dolch an meiner Kehle in ein Haus geschleppt, und daselbst durch Gewalt gezwungen, einer Frau eine Ader zu öffnen und das Blut fließen zu lassen, bis sie todt war,««

»»Wer hat Dich gezwungen?«« fragte der König, »»Wie heißt der Mörder?««

»»Ich weiß es nicht,«« antwortete Ludovico. »»Doch, ohne daß mich Jemand sah, tauchte ich meine Hand in das Gefäß, und da ich wegging, stellte ich mich, als stolperte ich, und drückte meine blutige Hand an die Thüre. Sucht, Sire, und das Haus, an dessen Thüre Ihr eine blutige Hand sehen werdet, ist das des Schuldigen.««

»Der König Don Pedro nahm den Alcayde von Sevilla mit sich, und sie durchwanderten mit einander die Stadt, bis er das blutige Merkmal gefunden hatte; er klopfte an die Thüre, und Don Guttiere öffnete selbst, denn er hatte durch das Fenster den hohen Besuch erkannt.«

»»Don Guttiere,«« sagte der König, »»wo ist Dona Mencia?««

»»Ihr sollt sie sehen, Sire,«« antwortete der Spanier.

»Und er führte den König in das Zimmer, wo die Kerzen noch brannten, und wo das Becken voll lauen Blutes noch rauchte, und sprach:

»»Sire, hier ist Diejenige, welche Ihr sucht.««

»»Was hatte Euch diese Frau gethan?«« fragte der König.

»»Sie hatte mich verrathen, Sire.««

»»Und warum habt Ihr Euch an Ihr und nicht an ihrem Mitschuldigen gerächt?««

»»Weil Ihr Mitschuldiger der Prinz Don Enrique von Transtamare, der Bruder des Königs Don Pedro ist.««

»»Habt Ihr einen Beweis für das, was Ihr sagt?«

» »»Hier ist der eigene Dolch des Prinzen, den er in dem Zimmer meiner Frau fallen ließ, und den ich daselbst bei meinem Eintritt fand.««

»»Es ist gut,«« sprach der König, »»laßt Dona Mencia beerdigen und die Thüre Eures Hauses reinigen, an der man eine blutige Hand sieht.««

»»Nein, Sire,«« entgegnete Don Guttiere:

»»Jeder, der ein, öffentliches Geschäft treibt, pflegt das darstellende Zeichen seines Gewerbes über seine Thüre zu setzen; ich bin der Arzt meiner Ehre, und diese blutige Hand ist mein Schild.««

»»Es sei,«« sprach Don Pedro, »»sie bleibe also daran und lehre Eure zweite Frau, wenn Ihr eine solche nehmt, was sie an Treue und Verehrung ihrem Manne schuldig ist.««

»Und es ist nichts Anderes geschehen?«

»Doch, Senora; als der König Don Pedro in den Palast zurückkehrte, verbannte er den Infanten Don Enrique.«

»Nun! in welchem Zusammenhang steht diese Geschichte mit mir?« fragte die Königin, »und in welcher Hinsicht gleicht mir Dona Mencia?«

»Darin, daß sie wie Ihr die Ehre ihres Gatten verrathen hat,« erwiderte der Soldat, »und darin, daß der König Don Pedro wie Don Guttiere, dessen Verfahren er guthieß und den er begnadigte, schon an Eurem Mitschuldigen Gerechtigkeit geübt hat.«

»An meinem Mitschuldigen! Was willst Du damit sagen, Soldat?« fragte Blanche, welche diese Worte an das Billet von Don Federigo und an ihren vorangegangen Schrecken erinnerten.

»Ich will damit sagen, daß der Großmeister todt ist,« antwortete mit kaltem Tone der Soldat »todt für das Verbrechen des Verraths an der Ehre seines Königs, und daß Ihr Euch, desselben Verbrechens schuldig, wie er, zum Sterben bereit halten müßt,«

Blanche war wie in Eis verwandelt, nicht durch die Ankündigung, daß sie sterben sollte, sondern durch die Nachricht, ihr Geliebter sei todt.

»Todt?« sagte sie, »es ist als, wahr, er ist todt!«

Die geschickteste Betonung der menschlichen Stimme hätte nicht, die Verzweiflung auszudrücken vermocht, welche in diesen Worten der jungen Frau lag.

»Ja, Senora,« erwiderte »er maurische Soldat, »und ich habe dreißig Soldaten mitgebracht, um den Leib der Königin von Medina Sidonia nach Sevilla zu begleiten, wo ihr, obgleich sie schuldig ist, die letzte Ehre erwiesen werden soll.«

»Soldat,« sprach die Königin, »ich habe Dir schon gesagt, der König Don Pedro sei mein Richter, und Du seist es nicht.«

»Es ist gut, Senora,« versetzte der Soldat.

Und er zog aus seiner Tasche eine lange, biegsame seidene Schnur, an deren Ende er eine Schlinge machte.

Diese kalte Grausamkeit empörte die Königin.

»Oh!« rief sie, »wie konnte der König Don Pedro in seinem ganzen Reiche einen Spanier finden, der diesen schändlichen Auftrag übernahm? . . .«

»Ich bin kein Spanier: ich bin ein Maure!« entgegnete der Soldat, während er den Kopf erhob und die weiße Capuze zurückschlug, die sein Gesicht verhüllte.

»Mothril!« rief sie, »Mothril, die Geißel Spaniens! . . .«

»Ein Mann von vornehmer Abkunft, Senora, der den Kopf seiner Königin, wenn er ihn berührt, nicht entehrt,« erwiderte Mothril lachend.

Und er that, den unseligen Strick in der Hand, einen Schritt gegen Blanche.

Der Instinct der Lebenserhaltung machte, daß die junge Frau von dem Mörder einen Schritt dem gleich, zurückwich, welchen er gethan hatte, um sich ihr zu nähern.

»Oh! Ihr werdet mich nicht so ohne Gebet und im Zustande der Sünde tödten!« rief Blanche.

»Senora,« erwiderte der wilde Bote, »Ihr seid nicht im Zustande der Sünde, da Ihr Euch unschuldig nennt.«

»Elender! der Du es wagst, Deine Königin zu beschimpfen, ehe Du sie erwürgst. Oh! Feigling! daß ich nicht einen meiner braven Franzosen zu meinem Schutze hier habe!«

»Ja,« sagte Mothril lachend, »doch unglücklicher Weise sind Eure braven Franzosen jenseits der Pyrenäen, und wenn nicht Euer Gott ein Wunder thut. . .«

»Mein Gott ist groß!« rief Blanche.

»Zu Hilfe! Ritter zu Hilfe!«

Und sie sprang nach der Thüre; doch ehe sie die Schwelle erreicht, hatte Mothril die Schnur geschleudert, welche auch auf ihren Schultern blieb.

Er zog nun die Schlinge an sich, und in diesem Augenblick geschah es, daß die Königin, als sie fühlte, wie ihr das kalte Halsband die Kehle zusammenschnürte, das klägliche Geschrei ausstieß. In diesem Augenblick geschah es auch, daß Mauléon, den Rath seines Knappen vergessend, nach die Seite fortstürzte, woher die Stimme der Königin kam.

»Zu Hilfe!« rief die junge Frau mit zusammengepreßter Stimme, während sie sich auf dem Boden sträubte.

»Rufe, rufe,« sprach der Maure, die Schlinge anziehend, an welche sich die junge Frau mit beiden Händen krampfhaft anklammerte, »rufe, und wir werden sehen, wer Dir zu Hilfe kommt. Dein Gott oder Dein Liebhaber,«

Plötzlich klirrten Sporen im Corridor, und auf der Thürschwelle erschien der Ritter vor dem erstaunten Mauren.

Die Königin stieß einen Seufzer gemischt aus Freude und Schmerz aus. Agenor schwang sein Schwert, doch Mothril zwang mit kräftigem Arm die Königin, sich zu erheben, und machte sich einen Schild aus ihrem Leibe.

Das Stöhnen der Unglücklichen hatte sich in ein dumpfes, ersticktes Röcheln verwandelt, ihre Arme krümmten sich durch die Gewalt des Schmerzes und ihre Lippen wurden blau.

»Kedir!« rief Mothril arabisch, »Kedir! komm mir zu Hilfe.«

Und er bedeckte sich zugleich mit dem Leibe der Königin und mit einem von jenen furchtbaren Säbeln, deren innere Krümmung einen Kopf, wenn sie ihn faßt, abschneiden und fliegen macht, wie die Sichel eine Aehre.

»Ah! Ungläubiger!« rief Agenor, »Du willst eine Tochter Frankreichs tödten!«

Und er suchte über dem Kopfe der Königin Mothril mit seinem Schwerte zu schlagen.

Doch in demselben Augenblick fühlte er sich mitten um den Leib gepackt und zurückgebogen durch Kedir, dessen beide Arme ihm einen eisernen Gürtel machten.

Er wandte sich gegen diesen neuen Gegner um, doch damit ging eine kostbare Zeit verloren. Die Königin war wieder auf ihre Kniee gefallen; sie schrie nicht mehr, sie röchelte nicht mehr. Sie schien todt zu sein.

Kedir suchte mit den Augen an dem Ritter eine Stelle, wo er, die Arme eine Secunde von seinem Leibe lösend, den Dolch einbohren könnte, den er zwischen den Zähnen hielt.

Diese Scene hatte weniger Zeit gebraucht, um bis zu dem Punkte zu gelangen, wo wir sind, als der Blitz braucht, um zu glänzen und zu verschwinden. Es war auch die Zeit, die Musaron brauchte, um seinem Herrn zu folgen und ebenfalls in das Zimmer der Königin zu kommen.

Er kam.

Der Schrei, den er ausstieß, als er sah, was vorging, belehrte Agenor von der unerwarteten Verstärkung, die er erhielt.

»Die Königin zuerst!« rief der Ritter, stets von dem kräftigen Kedir zusammengepreßt.

Es trat ein kurzes Stillschweigen ein, dann hörte Mauléon ein Schwirren an seinem Ohr vorüber, und er fühlte, wie sich die Arme des Mauren lösten.

Der von der Armbrust von Musaron geschleuderte Bolzen hatte ihm die Kehle durchbohrt.

»Geschwinde an die Thüre!« rief Agenor; »versperre jeden Zugang: ich will den Räuber tödten!«

Und den Leichnam von Kedir abschüttelnd, der noch durch einen Rest von Kraftanwendung an ihm hing und dann schwerfällig aus den Boden fiel, sprang er aus Mothril zu; und ehe dieser Zeit gehabt hatte, sich zu erheben und in Verteidigung zu setzen, Führte er einen so gewaltigen Streich, daß das schwere Schwert die doppelte eiserne Verhüllung des Kopfes durchschnitt und in den Schädel eindrang. Die Augen des Mauren verdunkelten sich, sein dickes schwarzes Blut überströmte seinen Bart, und er fiel aus Blanche, als hätte er noch in seinen letzten Convulsionen sein Opfer ersticken wollen.

Agenor entfernte den Mauren durch einen Fußtritt, neigte sich über die Königin herab und zog rasch die beinahe gänzlich im Fleisch verborgene Schlinge auseinander. Ein langer Seufzer deutete allein an, daß die Königin noch nicht todt war; doch ihre ganze Person schien gelähmt.

»Der Sieg ist unser!» rief Musaron. »Herr Ritter, nehmt die junge Dame beim Kopf, ich will sie bei den Füßen nehmen, und so bringen wir sie fort.«

Als ob sie diese Worte gehört hätte, als ob sie ihren Befreiern hätte zu Hilfe kommen wollen, erhob sich die Königin mit einer krampfhaften Bewegung, und das Leben stieg wieder aus ihre Lippen.

»Unnöthig, unnöthig,« sagte sie; »laßt mich; ich bin schon mehr als halb im Grabe. Nur ein Kreuz, daß ich das Sinnbild unserer Erlösung küssend sterbe.«

Agenor gab ihr den Griff seines Schwertes zu küssen, der ein Kreuz bildete.

»Ach! Ach!« sprach die Königin, »kaum vom Himmel herabgestiegen, steige ich wieder zu ihm hinaus, kehre ich unter die Jungfrauen, meine Gefährtinnen, zurück. Gott wird mir vergeben, denn ich habe sehr geliebt, denn ich habe sehr gelitten.«

»Kommt, kommt,« sagte der Ritter, »noch ist es Zeit, wir werden Euch retten.«

Sie ergriff die Hand von Agenor.

»Nein, nein!« sagte sie, »Alles ist für mich vorbei. Ihr habt Alles gethan, was Ihr thun konntet. Flieht, verlaßt Spanien, kehrt nach Frankreich zurück, sucht meine Schwester auf, erzählt ihr Alles, was Ihr gesehen habt, und sie räche uns. Ich will Don Federigo sagen, wie sehr Ihr ein edler und treuer Freund seid.«

Und sie streifte einen Ring von ihrem Finger, reichte ihn dem Ritter und sagte: »Ihr werdet ihr diesen Ring einhändigen, es ist derjenige, welchen sie mir in der Stunde meiner Abreise im Namen ihres Gemahls, des Königs Karl, gegeben.«

Nach diesen Worten erhob sie sich zum zweiten Mal zu dem Kreuz des Schwertes von Agenor, und sie verschied in dem Augenblick, wo sie das symbolische Eisen mit ihren Lippen Berührte.

»Hoher Herr!« rief Musaron, nach dem Gange hinhorchend, »sie kommen, sie laufen, sie sind zahlreich.«

»Man darf den Leib meiner Königin nicht mit den Leibern von Mördern vermischt finden,« sprach Agenor; »hilf mir, Musaron.

Und er nahm den Leichnam von Manche, setzte ihn majestätisch aus ihren geschnitzten Stuhl und stellte ihren Fuß aus das blutige Haupt von Mothril, wie die Maler und Bildhauer den Fuß der Jungfrau aus den zermalmten Kopf der Schlange gesetzt haben.

»Und nun laß uns von hinnen eilen, wenn wir nicht eingeschlossen sind,« sprach Agenor.

Zehn Minuten nachher befanden sich die zwei Franzosen wieder unter dem Himmelsgewölbe und sahen, als sie den Weg nach dem Adamsfeigenbaum nahmen, den Leichnam des Soldaten, der, in derselben Stellung und stets durch die Mauer gehalten, an die er sich angelehnt hatte, mit seinen großen blicklosen Augen, die der Tod zu schließen vergessen hatte, noch Schildwache zu stehen schien.

Sie befanden sich schon jenseits des Grabens, als ein rasches Bewegen der Fackeln und eine Verdoppelung des Geschreis sie belehrten, daß das Geheimniß des Thurms entdeckt war.

Der Bastard von Mauléon

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