Читать книгу Der Bastard von Mauléon - Александр Дюма - Страница 6

Erstes bis viertes Bändchen
Sechstes Kapitel.
Wie Mothril dem Großmeister bei dem König Don Pedro von Castilien zuvorkam

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Es gibt Städte, welche durch die Lage, die ihnen die Natur gegeben, durch die Schätze an Schönheiten, mit denen sie durch die Menschen bereichert worden sind, nicht nur der Sache nach, sondern auch dem Rechte nach, Königinnen der Länder, die sie umgeben, zu sein scheinen: so ist Sevilla diese Königin des schönen Andalusien, was wiederum eine von den königlichen Ländereien Spaniens ist. Die Mauren, die es mit Freude erobert, die es mit Liebe behauptet hatten, trennten sich auch mit Schmerz davon, indem sie ihr die Krone des Orients ließen, die sie drei Jahrhunderte hindurch auf ihr Haupt gesetzt hatten. Einer von den Palästen, mit denen sie während ihres Aufenthalts diese Favoritsultanin beschenkt hatten, war der, welchen Don Pedro bewohnte, und in den wir nun unsere Leser versetzen werden.

Auf einer marmornen Terrasse, wo die duftenden Orangen, und Citronenbäume mit den Granatbäumen und Myrthen ein so dichtes Gewölbe bilden, daß die Feuer der Sonne nicht durchdringen können, warten maurische Sklaven, bis die glühenden Strahlen des Tages ihre Flamme im Meere ausgelöscht haben. Dann erhebt sich der Abendwind; Sklaven besprengen die marmornen Platten mit Rosen- und Benzoewasser, und die Brise trägt in die Lüfte die natürlichen und die künstlichen Wohlgerüche fort, welche mit einander vermischt sind, wie der Putz und die Schönheit. Unter die Decke, welche die hängenden Gärten dieses anderen Babylon bilden, bringen maurische Sklaven Betten von Seide und weiche Kissen, denn mit der Nacht lebt Spanien wieder aus, denn mit der Frische des Abends bevölkern sich, die Straßen, die Promenaden und die Terrassen.

Bald hebt sich der Vorhang, der die Terrasse von einem weiten Gemache trennt, und ein Mann erscheint; aus seinen Arm stützt sich eine schöne Frau von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, mit schwarzen glatten Haaren, mit schwarzen samtenen Augen und einer matten dunkelfarbigen Haut, was die Frische der Frauen des Süden ist; der Mann mag achtundzwanzig Jahre alt sein, er ist blond, hochgewachsen und trägt in seinen blauen Augen und aus seiner Gesichtshaut, welche die Sonne Spaniens nicht zu bräunen vermochte, alle die unvertilgbaren Charaktere der Racen des Norden von Europa.

Diese Frau ist Dona Maria Padilla; dieser Mann ist der König Don Pedro.

Beide schreiten schweigend unter dem grünen Gewölbe vor; doch es ist leicht zu sehen, daß bei ihnen dieses Schweigen nicht von der Abwesenheit, sondern im Gegentheil von der Ueberfülle der Gedanken herrührt. Die schöne Spanierin hat übrigens weder für die Mauren, die aus ihre Befehle warten, noch für alle die Reichthümer, die sie umgeben, Blicke. Obgleich von mittlerem Stande und beinahe in der Armuth geboren, hat sie sich doch mit Allem vertraut gemacht, was der königliche Luxus Glänzendstes zu bieten vermag, seitdem sie, wie ein Kind mit der Klapper spielt, mit dem Scepter des Königs von Castilien gespielt.

»Pedro,« sagte sie endlich, zuerst das Stillschweigen brechend, das jedes von ihnen, wie es schien, zu brechen zögerte, »Ihr habt Unrecht, wenn Ihr behauptet, ich sei Eure Freundin und Eure geehrte Geliebte; ich bin Sklavin und erniedrigt, hoher Herr.«

Pedro lächelte und machte eine unmerkliche Bewegung mit der Schulter.

»Ja, allerdings,« fuhr Maria fort, »Sklavin und erniedrigt. Ich habe es gesagt und wiederhole es.«

»Wie so? Erklärt Euch,« sprach der König.

»Oh! das ist sehr leicht, hoher Herr. Der Großmeister von San Jago soll, wie man sagt, zu einem Turnier, das Ihr ihm bereitet, in Sevilla ankommen. Auf Kosten der meinigen vergrößert, hat man seine Wohnung mit dem kostbarsten Tapetenwerk und den schönsten Gerätschaften ausgeschmückt, welche aus den verschiedenen Gemächern des Palastes dahin gebracht worden sind.«

»Es ist mein Bruder,« sagte Don Pedro.

Dann fügte er mit einem Tone bei, dessen Ausdruck er allein verstand:

»Mein viel geliebter Bruder.«

»Euer Bruder?« erwiderte sie; »ich glaubte, es wäre der Bruder von Enrique Transtamare.«

»Ja, Senora; doch sie sind Beide die Söhne von König Don Alphonso, meinem Vater.«

»Und Ihr behandelt ihn als König; ich begreife es, in der That, er hat beinahe ein Recht aus diese Ehre, da er von einer Königin geliebt wird.«

»Ich verstehe Euch nicht,« entgegnete Don Pedro, unwillkührlich erbleichend, doch ohne daß irgend ein anderes Zeichen, als gerade diese unwillkührliche Blässe andeutete, der Streich habe ins Herz getroffen.

»Ah! Don Pedro I Don Pedro I Ihr seid sehr blind oder sehr Philosoph.«

Der König antwortete nicht, er schaute nur mit einer absichtlichen Geberde nach dem Osten.

»Nun, was schaut Ihr?« fragte die ungeduldige Spanierin; »etwa, ob Euer viel geliebter Bruder kommt?»

»Nein, Senora,« erwiderte Don Pedro. »Ich schaue, ob man von dieser königlichen Terrasse, wo wir sind, die Thürme von Medina Sidonia nicht sehen kann.«

»Ja,« sagte Maria Padilla, »ich weiß wohl, daß Ihr mir antworten werdet, was Ihr mir Immer antwortet, nämlich die ungetreue Königin werde gefangen gehalten; wie kommt es aber, daß Ihr, den man den Justiciar nennt, das Eine bestraft, ohne das Andere zu bestrafen, wie kommt es, daß die Königin gefangen ist, während ihr Mitschuldiger mit Ehren überhäuft wird?«

»Was hat Euch denn mein Bruder Don Federigo gethan, Senora?« fragte Don Pedro.

»Wenn Ihr mich liebtet, würdet Ihr mich nicht fragen, was er mir gethan habe, und Ihr hättet mich schon gerächt. Was er mir gethan hat? Er hat mich verfolgt, nicht mit seinem Haß, das wäre nichts, der Haß ehrt, sondern mit seiner Verachtung, und Ihr müßtet Jeden bestrafen, der die Frau verachtet, die Ihr allerdings nicht liebt, die Ihr aber zu Eurem Lager zugelassen, und die die Einzige ist, welche Euch Söhne geschenkt hat.«

Der König antwortete nicht: es war eine undurchdringliche Seele, in der man unmöglich unter der ehernen Lage, die sie bedeckte, lesen konnte.

»Oh! wie schön ist es, sich mit Tugenden zu schmücken, die man nicht hat,« sprach Maria Padilla mit verächtlichem Tone: »wie leicht ist es für listige Frauen, ihre schmählichen Leidenschaften unter einem schüchternen Blick zu verschleiern, ihr ärgerliches Leben durch das Vorurtheil zu schützen, welches behauptet, die Töchter Galliens seien kalt und unempfänglich im Vergleich mit den spanischen Frauen I«

Don Pedro schwieg fortwährend.

»Pedro! Pedro!« rief die Favoritin gereizt, als sie sah, daß der Spott an dem unverwundbaren Fürsten abglitt, »Pedro, ich glaube, Ihr würdet wohl daran thun, auf die Stimme Eures Volkes zu hören. Hört Ihr es rufen: »,Ah! Maria Padilla, die königliche Courtisane, die Schmach des Landes, seht sie, die Schuldbefleckte, die Verbrecherin; sie hat es gewagt, ihren Fürsten nicht seines Ranges wegen, denn er war verheirathet, sondern seiner selbst wegen zu lieben! Während sich die andern Frauen gegen seine Ehre verschworen, hat sie, auf seinen Schutz und seine Dankbarkeit rechnend, die ihrige preisgegeben. Während seine Gemahlinnen, denn der Christ Pedro hat Frauen wie ein maurischer Sultan, unfruchtbar blieben, hat sie ihm zwei Söhne geschenkt, die sie liebt; welche Schmach! Verfluchen wir die Maria Padilla, wie man die Cava verflucht hat; diese Frauen richten stets die Völker und die Könige zu Grund!« « Das ist die Stimme Spaniens. Hört sie also, Don Pedro! Doch wenn ich Königin wäre, würde man sagen: »Arme Maria Padilla, Du warst sehr glücklich, als Du, noch Jungfrau, mit den Jungfrauen, Deinen Gefährtinnen, am Gestade der Guadalopa spieltest! Arme Maria Padilla, Du warst sehr glücklich, als der König Dir Dein Glück nahm, indem er sich den Anschein gab, als liebte er Dich! Deine Familie war so berühmt, daß die vornehmsten Herren Castiliens um Dich freiten, doch Du begingst den Fehler, daß Du einen König vorzogst. Armes, unerfahrenes Mädchen, das Du noch nicht wußtest, daß die Könige keine Menschen sind; er hintergeht Dich, Dich, die Du ihn nie hintergingen hast, nicht einmal in Gedanken, nicht einmal im Traum! Er schenkt sein Herz andern Geliebtinnen und vergißt Deine Treue, Deine Ergebenheit, Deine Fruchtbarkeit.«« Wenn ich Königin wäre, würde man dies Alles sagen und mich für eine Heilige erklären, ja, für eine Heilige. Ist das nicht der Titel, den man einer Frau gibt, die ich kenne, und die ihren Gatten durch seinen Bruder verrathen hat?«

Don Pedro, dessen Antlitz sich unmerklich mit Wolken bedeckt hatte, fuhr mit seiner Hand über seine Stirne hin, und seine Stirne erschien ruhig und beinahe lächelnd.

»Was wollt Ihr im Ganzen, Senora?« sagte er, »Königin sein? Ihr wißt wohl, daß dies nicht möglich ist, da ich verheirathet bin, und zwar zweimal. Verlangt von mir mögliche Dinge, und ich werde sie Euch bewilligen.«

»Ich glaube das verlangen zu können, was Juana von Castro verlangte und erhielt.«

»Juana von Castro verlangte nichts, Senora. Es war die Notwendigkeit, diese unerbittliche Königin der Könige, welche für sie verlangte. Sie hatte eine mächtige Familie, und in der Zeit, wo ich mir dadurch, daß ich Blanche verstieß, einen Feind auswärts machte, mußte ich mir Verbündete im Innern machen. Wollt Ihr nun, daß ich meinen Bruder Federigo Kerkerknechten in dem Augenblick überantworte, wo der Krieg mich bedroht, wo mein anderer Bruder, Enrique von Transtamare, Aragonien gegen mich zum Aufruhr bewegt, Toledo nimmt, Toro erstürmt, was ich von meinen nächsten Verwandten mit größerer Mühe wiedererobern muß, als es mir machte, Granada von den Mauren wiederzuerobern. Vergeßt Ihr, daß ich, der ich Andere gefangen halte, einen Augenblick selbst Gefangener und genöthigt war, zu heucheln, das Haupt zu beugen, denjenigen zuzulächeln, welche ich beißen wollte, zu kriechen wie ein Kind unter dem ehrgeizigen Willen meiner Mutter; daß ich sechs Monate der Verstellung brauchte, um eines Tags eine Minute lang die Thüre meines eigenen Palastes offen zu finden: daß ich genöthigt war, nach Segovia zu fliehen, Stück für Stück den Händen derjenigen, welche sich derselben bemächtigt, die Erbschaft, die mir vom Vater hinterlassen, zu entreißen, Garcilaso in Burgos erdolchen, Albuquerque in Toro vergiften, zweiundzwanzig Köpfe in Toledo fallen zu lassen, und meinen Beinamen: der Justiciar, in den des Grausamen zu verwandeln, ohne zu wissen, welchen die Nachwelt mir aufbewahren wird? Und was die Französin betrifft, wie Ihr sie nennt, ist es nicht genug, daß ich sie für ein gemuthmaßtes Verbrechen nach Medina Sidonia verbannt habe. . . beinahe allein, beinahe arm, beinahe verachtet, weil es Euch beliebt hat, sie so zu sehen?«

»Ah! nicht weil es mir beliebt hat, sie so zu sehen,« rief Maria Padilla, die Augen flammend; »weil Ihr durch sie entehrt worden seid.«

»Nein, Senora,« sprach Don Pedro, »ich bin nicht entehrt worden, da ich nicht zu denjenigen gehöre, welche die Ehre oder die Schande eines Königs auf etwas so Gebrechlichem, wie die Tugend einer Frau, beruhen lassen. Alles, was für die anderen Menschen ein Beweggrund der Freude oder des Schmerzes ist, ist für uns Könige nur ein politisches Mittel, zu einem ganz entgegengesetzten Ziele zu gelangen. Nein, ich bin durch die Königin Blanche nicht entehrt worden; aber man hat mich sie wider meinen Willen zu heirathen genöthigt, und ich ergriff die Gelegenheit, die sie und mein Bruder mir zu bieten so unklug waren. Ich stellte mich, als hätte ich einen furchtbaren Verdacht über sie geschöpft. Ich demüthigte Blanche, ich entsetzte sie ihrer Würde, sie, die Tochter des ersten Hauses der Christenheit. Wenn Ihr mich also liebt, wie Ihr sagt, müßt Ihr zu Gott beten, daß mir kein Unglück widerfährt, denn der Regent, oder vielmehr der König von Frankreich ist ihr Schwager. Das ist ein großer Fürst, Senora, der gewaltige Heere hat, befehligt von dem ersten Feldherrn der Zeit, von Messire Bertrand Duguesclin.«

»Oh! König, Du hast Furcht!« rief Maria Padilla, den Zorn des Königs dieser kalten Unempfindlichkeit vorziehend, die aus Don Pedro bei seiner Selbstbeherrschung den gefährlichsten Fürsten der Erde machte.

»Ich habe Furcht vor Euch, ja, Senora,« erwiderte der König, »denn Ihr allein habt bis jetzt die Macht gehabt, mich die einzigen Fehler begehen zu lassen, die ich begangen habe.«

»Mir scheint, ein König, der seine Räthe und Unterhändler unter den Mauren und Juden sucht, müßte die Fehler Anderen als der Frau, die er liebt, zuschreiben.«

»Oh! Ihr auch, Ihr seid auch auf den gewöhnlichen Irrthum verfallen,« sprach Don Pedro die Achseln zuckend; »meine Räthe Mauren, meine Unterhändler Juden, ei! Senora, ich wähle meine Räthe nach dem Verstand, und schöpfe meine Mittel, wo Geld ist. Wenn Ihr und diejenigen, welche mich anklagen, sich die Mühe geben wollten, die Augen auf Europa zuwerfen, so würdet Ihr sehen, daß bei den Mauren die Civilisation ist, daß bei den Juden die Reichthümer sind. Wer hat sie gebaut, die Moschee von Cordoba, die Alhambra von Granada, alle die Alcazars, welche die Zierde unserer Städte bilden? den Palast sogar, wo wir sind, wer hat dies Alles gemacht? Die Mauren. In wessen Händen ist der Handel? In wessen Händen ist die Gewerbthätigkeit? In wessen Händen häuft sich das Geld der sorglosen Nationen an? In den Händen der Juden! Was darf man von unsern halbbarbarischen Christen erwarten? Gewaltige, aber unnütze Lanzenstöße, große Kämpfe, welche die Nationen bluten machen. Doch wer schaut ihnen dabei zu, diesen wahnsinnigen Nationen? wer blüht, wer singt, wer liebt, wer genießt das Leben in ihrer Nähe während ihrer Convulsionen? Die Mauren. Wer stürzt auf ihre Leichname nieder, um sie zu plündern? Die Juden. Ihr seht also, daß die Mauren und die Juden die wahren Minister und die wahren Agenten eines Königs sind, der frei und unabhängig von den Königen, seinen Nachbarn, leben will. Nun wohl! das ist es, was ich versuche, das ist es, wonach ich seit sechs Jahren trachte, das ist es, was so viele Feindschaften gegen mich erhoben, so viel Verleumdungen hervorgerufen hat. Diejenigen, welche meine Minister sein, diejenigen, welche meine Agenten werden wollten, sind meine unversöhnlichen Feinde geworden, und das ist ganz natürlich; ich hatte nichts für sie gethan, ich wollte nichts von ihnen, ich entfernte sie von mir. Doch Euch, Maria, Euch habe ich im Gegentheil genommen, wo Ihr waret; ich habe Euch meinem Thron so nahe gebracht, als ich vermochte; ich habe Euch den Antheil an meinem Herzen gegeben, über den ein König verfügen kann, ich habe Euch geliebt, ich, den man beschuldigt, ich habe nichts geliebt.«

»Oh! wenn Ihr mich geliebt hättet,« entgegnete Maria mit jener Beharrlichkeit der Frauen, welche nie auf die Beweise, mit denen man ihre tollen Anklagen widerlegt, sondern immer nur auf ihre eigenen Gedanken antworten, »wenn Ihr mich geliebt hättet, so wäre ich nicht zu Thränen und zur Schmach verurtheilt, weil ich meinem König «geben gewesen bin; wenn Ihr mich lieben würdet, wäre ich gerächt.«

»Ei mein Gott!« sprach Don Pedro, »wartet, und Ihr werdet gerächt sein, wenn sich ein Anlaß dazu gibt. Glaubt Ihr, ich trage Don Federigo in meinem Herzen? Glaubt Ihr, ich wäre nicht glücklich, eine Gelegenheit zu finden, dieser ganzen Race der Bastarde ein Ende zu machen? . . . Wenn Don Federigo Euch wirklich verletzt hat, was ich bezweifle . . .«

»Ist es nicht eine Verletzung,« entgegnete Maria Padilla bleich vor Zorn, »ist es nicht eine Verletzung, daß er Euch den Rath gegeben hat, wie er dies gethan, mich nicht als Geliebte zu behalten und die Königin Blanche wieder als Frau anzunehmen?«

»Und Ihr seid sicher, daß er mir diesen Rath gegeben hat, Maria?«

»Oh! ja, ich bin dessen sicher,« rief die Spanierin mit einer halb drohenden Geberde, »sicher wie meines Lebens.«

»Meine liebe Maria,« fuhr Don Pedro mit dem Phlegma fort, das die Leute, welche sich durch den Zorn hinreißen lassen, zur Verzweiflung bringt, »meine liebe Maria, wenn mir Don Federigo Euch nicht als Geliebte zu behalten und die Königin Blanche wieder als Frau anzunehmen gerathen hat, so begeht Ihr einen Irrthum, daß Ihr ihn beschuldigt, er sei der Geliebte von eben dieser Königin Blanche, sonst, Ihr begreift das, Ihr, die Ihr eifersüchtig seid, hätten sie sich glücklich gefühlt, eine so große Freiheit zu genießen, wie man sie einer verachteten Frau läßt.«

»Ihr seid ein zu großer Redner für mich, Sire Pedro,« sagte Maria, welche rasch aufstand, da sie die Unmöglichkeit, ihre Wuth länger zu bemeistern, fühlte. »Ich grüße Euch und werde mich allein rächen.«

Don Pedro folgte ihr mit dem Blick, ohne ein Wort zu sagen, er sah sie weggehen, ohne daß er sie mit einer Geberde zurückrief, und dennoch war diese Frau die einzige, die ihm zuweilen ein anderes Gefühl eingeflößt hatte, als das befriedigter materieller Leidenschaft. Gerade aber deshalb fürchtete er seine Geliebte, wie er einen Feind gefürchtet, hätte. Er drängte also das schwache Gefühl des Mitleids zurück, das sich im Grunde seines Herzens regte, streckte sich auf den Kissen aus, welche Maria Padilla verlassen hatte, und schaute hinaus auf die Straße nach Portugal, denn von dem Balcon, wo der König ruhte, könnte man durch die Ebene, die Wälder oder Berge die verschiedenen Straßen sehen, welche nach den verschiedenen Punkten des Königreichs führten.

»Die Lage der Könige ist eine schreckliche Lage!« murmelte Don Pedro. »Ich liebe diese Frau und dennoch darf ich es weder sie, noch die, Anderen, noch irgend Jemand sehen lassen, daß ich sie liebe; denn wenn sie diese Liebe bemerkte, würde sie Mißbrauch davon machen. Niemand darf glauben, er habe Herrschaft genug über den König, um ihm eine Genugthuung für Beleidigungen oder irgend einen Vortheil zu entreißen. Niemand darf sagen können: »»Die Königin hat den König verletzt, der König weiß es und hat sich nicht gerächt!«« Oh!« fuhr Don Pedro fort, nachdem er einen Augenblick geschwiegen, während seine Physiognomie ausdrückte, was Alles in seinem Herzen vorging, »es fehlt mir nicht am Verlangen, mich zu rächen, Gott sei Dank! doch wenn ich zu heftig handelte, würde mein Königreich vielleicht durch diese unkluge Gerechtigkeit zu Grunde gehen. Was Don Federigo betrifft, so hängt er nur von mir ab, und der König von Frankreich hat sich nicht um seinen Tod oder sein Leben zu bekümmern. Nur fragt es sich, wird er kommen? oder wenn er kommt, wird er nicht Zeit gehabt haben, seine Mitschuldige zu warnen?«

Als er diese Worte sprach, erblickte der König auf der Straße der Sierra Aracena etwas wie eine Staubwolke. Diese Wolke vergrößerte sich. Bald gewahrte er durch ihren durchsichtiger gewordenen Schleier die weißen Gewänder der maurischen Reiter; dann erkannte er Mothril an seiner hohen Gestalt und an dem vergoldeten Palankin.

Die Truppe rückte rasch heran.

»Allein!« murmelte der König.

Als er mit dem Blicke die ganze Truppe von dem ersten bis zu dem letzten der Menschen, aus denen sie bestand, hatte umfassen können, sagte er:

»Allein!i was ist denn aus dem Großmeister geworden? Sollte er sich zufällig geweigert haben, nach Sevilla zu kommen? oder wird man ihn in Coimbra suchen müssen?«

Die Truppe kam indessen immer näher.

Nach einem Augenblick verschwand sie unter den Thoren der Stadt. Der König folgte ihr mit den Augen und sah sie von Zeit zu Zeit wieder erscheinen und in den gekrümmten Straßen glänzen; er sah sie in den Alcazar einziehen; indem er sich über das Geländer neigte, konnte er ihr in die Höfe folgen; es war klar, daß er in einem Augenblick bestimmte Kunde erhalten würde.

Der Maure hatte freien, unbeschränkten Zutritt beim König. Nach wenigen Secunden erschien er aus der Terrasse und fand Don Pedro, der die Augen aus den Ort geheftet hielt, von wo er kommen mußte. Sein Gesicht war düster und ersuchte durchaus nicht seine Unruhe zu verbergen.

Der Maure kreuzte seine Hände über seiner Brust und berührte beinahe die Erde mit der Stirne. Doch Don Pedro erwiderte diesen Gruß nur durch eine Geberde der Ungeduld.

»Der Großmeister?« sagte er.

»Sire,« erwiderte Mothril, »ich mußte mich beeilen, zu Euch zurückzukommen. Die großen Interessen, von denen ich zu sprechen habe, werden hoffentlich bewirken, daß Eure Hoheit die Stimme ihres getreuen Dieners hört.«

Obgleich gewohnt, in der Tiefe des Herzens zu lesen, war Don Pedro doch zu sehr von den Leidenschaften in Anspruch genommen, die ihn in diesem Augenblick bewegten, um zu sehen, was Alles an schlauer Vorsicht in den absichtlich ausweichenden Worten des Mauren enthalten war.

»Der Großmeister?« wiederholte er mit dem Fuße stampfend.

»Hoheit, er Wird kommen,« antwortete Mothril.

»Warum habt Ihr ihn verlassen? Warum, wenn er nicht schuldig ist, kommt er nicht frei? Und wenn er es ist, warum kommt er nicht durch Gewalt?«

»Senor, der Großmeister ist nicht unschuldig, und dennoch wird er kommen, seid unbesorgt; er möchte vielleicht gern fliehen, doch er wird von meinen Leuten überwacht, die ihn mehr bringen, als geleiten. Wenn ich ihm voran geeilt bin, so geschah es, um mit dem König nicht von vergangenen Dingen, sondern von Dingen zu sprechen, die er noch zu thun hat.«

»Er kommt also, Du bist dessen sicher?« wiederholte Don Pedro.

»Morgen Abend wird er vor den Thoren von Sevilla sein. Ich habe mich beeilt, wie Ihr seht.«

»Niemand ist von seiner Reise unterrichtet?«

»Niemand.«

»Ihr begreift die Wichtigkeit meiner Frage und den Ernst Eurer Antwort?«

»Ja, Sire.«

»Nun wohl! was gibt es noch Neues?« fragte Don Pedro mit einem furchtbaren Zusammenpressen des Herzens, dessen Folter indessen sein Gesicht nicht verrieth, denn sein Gesicht hatte Zeit gehabt, wieder gleichgültig zu werden.

»Der König weiß, wie eifersüchtig ich aus seine Ehre bin.« sprach der Maure.

»Ja, aber Ihr wißt auch, Mothril,« erwiderte Don Pedro die Stirne faltend, »Ihr wißt, daß die Einflüsterungen über diesen Gegenstand von Maria Padilla zu mir, das heißt, von einer eifersüchtigen Frau zu einem vielleicht zu geduldigen Geliebten, gut sind; aber Euch gegen Don Pedro, Euch, dem Minister gegen den König, ist jede mißbilligende Aeußerung über das tadellose Benehmen der Königin Blanche untersagt, das wißt Ihr, und wenn Ihr es nicht wißt, wiederhole ich es Euch.«

»Sire Pedro,« erwiderte der Maure, »ein mächtiger, glücklicher, geliebter, liebender König, wie Ihr seid, findet weder für den Neid, noch für die Eifersucht Platz in seinem Herzen; ich begreife das: Euer Glück ist groß, hoher Herr; aber Euer Glück darf Euch nicht blind machen.«

»Diesmal weißt Du etwas,« rief Don Pedro seinen tiefen Blick auf den Mauren heftend.

»Sire,« erwiderte dieser mit kaltem Ton, »Eure Hoheit hat ohne Zweifel mehr als einmal über die Fallen nachgedacht, von denen sie umgeben ist? Sie hat sich in ihrer Weisheit gefragt, wohin die Monarchie Kastiliens kommen werde, da der König keinen Erben habe?«

»Keinen Erben?« wiederholte Don Pedro.

»Wenigstens keinen gesetzlichen Erben,« fuhr der Maure fort; »so daß das Königreich, wenn Euch ein Unglück widerführe, dem Kühnsten oder dem Glücklichsten von allen den Bastarden, sei es nun Enrique oder Federigo, oder Tello gehören würde.«

»Warum alle diese Worte, Mothril?« fragte Don Pedro; »würdest Du mir zufällig zu einer dritten Vermählung rathen? die zwei ersten hatten keine so glückliche Resultate, daß ich Deinem Rathe folgen sollte. Das sage ich Dir, Mothril.«

Diese der Tiefe der Seele des Königs durch einen heftigen Kummer entrissenen Worte machten das Auge des Mauren funkeln.

Es war die Enthüllung aller von Don Pedro in seinem so bewegten Innern ausgestandenen Qualen; Mothril wußte die Hälfte von dem, was er wissen wollte; ein Wort sollte ihn von dem Uebrigen belehren.

»Hoher Herr,« sprach er, »warum sollte diese dritte Frau nicht eine Frau sein, deren Charakter von Euch geprüft, deren Fruchtbarkeit sicher wäre? Heirathet zum Beispiel Dona Maria Padilla, da Ihr sie so sehr liebt, daß Ihr Euch nicht mehr von ihr trennen könnt, und da sie von genugsam gutem Hause ist, um Königin zu werden. Auf diese Art werden Eure Söhne gesetzlich sein, und Niemand wird das Recht haben, ihnen den Thron von Castilien streitig zu machen,«

Mothril hatte alle Kräfte seines Verstandes zusammengerafft, um das Gewicht eines Angriffs zu ermessen, der für ihn ohne Unterstützung war. Da sah er mit einer Wollust, die den übrigen Menschen unbekannt und nur den Ehrgeizigen mit weit ausgebreiteten Flügeln, welche das Spiel der Königreiche spielen, bekannt ist, eine düstere Wolke über die Stirne seines Fürsten hinziehen.

»Ich habe schon ohne Erfolg eine Heirath gebrochen, die mich mit dem König von Frankreich verband, ich kann jetzt nicht diejenige brechen, welche mich mit dem Hause Castro verbindet.«

»Gut,« murmelte Mothril; »keine wirkliche Liebe im Herzen, kein Einfluß zu befürchten, es ist ein Platz zu nehmen, wenn nicht aus dem Thron, doch wenigstens in dem Bett des Königs von Castilien.«

»Machen wir ein Ende,« sprach Don Pedro. »Du sagtest mir, Du habest mir etwas Wichtiges mitzutheilen.«

»Oh! was ich Euch zu sagen hatte, war einfach eine Nachricht, die Euch jeder Rücksicht gegen Frankreich entbindet.«

»Diese Nachricht also, sprich geschwinde.«

»Hoher Herr, erlaubt mir zuvor hinabzugehen und den Wächtern der Sänfte, welche unten ist, einige Befehle zu geben. Ich bin unruhig, denn ich habe eine Person, die mir sehr theuer ist, dort gelassen.«

Don Pedro schaute ihn voll Erstaunen an.

»Gehe,« sagte er, »komm rasch zurück,«

Der Maure ging hinab und ließ die Sänfte bis in den ersten Hof bringen, Don Pedro folgte von der Terrasse herab mit irrenden Blicken den Schritten seines Ministers. Mothril erschien nach einigen Augenblicken wieder und sprach: »Sire, bewilligt mir Eure Hoheit auch diesmal wie gewöhnlich eine Wohnung im Alcazar?«

»Ja, gewiß.«

»Erlaubt mir also, daß ich die Person eintreten lasse, welche sich in der Sänfte befindet.«

»Eine Frau?« fragte Don Pedro.

»Ja, Sire.«

»Eine Sklavin, die Du liebst?«

»Nein, Sire, meine Tochter.«

»Ich wußte nicht, daß Du eine Tochter hattest, Mothril.«

Mothril antwortete nicht; der Zweifel und die Neugierde erfaßten zugleich den Geist des Königs. Das war es, was der Maure wünschte.

»Nun sage mir, was Du über die Königin Blanche weißt,« sprach Don Pedro durch die Wichtigkeit der Lage zu den Dingen zurückgeführt, die er erfahren wollte.

Der Bastard von Mauléon

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