Читать книгу Der Bastard von Mauléon - Александр Дюма - Страница 9

Erstes bis viertes Bändchen
Neuntes Kapitel.
Wie der Bastard von Mauléon das Billet erhielt, das er hatte holen wollen

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Die ersten Schatten der Nacht fielen grau und finster auf den trostlosen Palast herab. Don Pedro saß düster und unruhig in den unteren Gemächern, wohin er sich geflüchtet hatte, da er es nicht wagte, in dem Gemach zu bleiben, welches an das stieß, wo der Leichnam seines Bruders lag. An seiner Seite weinte Maria Padilla.

»Warum weint Ihr, Senora?« fragte plötzlich der König voll Bitterkeit. »Habt Ihr denn nicht erlangt, was Ihr so sehr wünschtet? Ihr verlangtet von mir den Tod Eures Feindes; Ihr müßt befriedigt sein, denn Euer Feind ist nicht mehr.«

»Sire,« antwortete Maria, »ich habe vielleicht in einem Augenblick weiblichen Stolzes, in einem Ausbruch wahnsinnigen Zornes diesen Tod gewünscht. Gott verzeihe mir, wenn dieser Wunsch je in mein Herz eingedrungen ist! Doch ich glaube dafür stehen zu können, daß ich ihn nie gefordert habe.«

»Ah! so sind die Frauen!« rief Don Pedro; »glühend in ihren Wünschen, furchtsam in ihren Entschließungen; sie wollen immer, doch sie haben nie den Muth, zu handeln; dann, wenn ein Anderer wahnsinnig genug ist, ihrem Gedanken Folge zu geben, leugnen sie, diesen Gedanken je gehabt zu haben.«

»Sire, im Namen des Himmels,« sprach Maria, »sagt nie, Ihr habet mir den Großmeister geopfert; es wäre meine Qual in diesem Leben, es wäre mein Gewissensbiß im andern . . . Nein, sagt mir das, was wahr ist, sagt mir, Ihr habet ihn Eurer Ehre geopfert. Ich will nicht, hört Ihr wohl? ich will nicht, daß Ihr mich verlaßt, ohne daß Ihr mir sagt, nicht ich habe Euch zu diesem Morde angetrieben. . .«

»Ich werde Alles sagen, was Ihr wollt Maria,« erwiderte mit kaltem Tone der König, indem er aufstand und Mothril entgegenging, der mit den Rechten eines Ministers und der Sicherheit eines Günstlings eintrat.

Anfangs wandte Maria die Augen ab, um diesen Menschen nicht zu sehen, gegen den der Tod des Großmeisters, obschon er ihren Interessen diente, ihren Haß noch verdoppelt hatte; sie ging in eine Fenstervertiefung und erblickte hier, während der König mit dem Mauren sprach, einen völlig gewappneten Ritter, der die Verwirrung benützend, welche die Hinrichtung von Don Federigo in das ganze Schloß gebracht hatte, in den Hof trat, ohne daß sich die Schildwachen um ihn bekümmerten und ihn fragten, wohin er gehen wollte.

Dieser Ritter war Agenor, der der Aufforderung des Großmeisters entsprach und mit den Augen die purpurnen Vorhänge suchend, welche ihm Federigo als die seiner Wohnung bezeichnet hatte, an der Ecke der Mauer verschwand.

Maria Padilla folgte maschinenmäßig mit ihren Augen, und ohne zu wissen, wer er war, dem Ritter, bis sie ihn aus dem Blicke verloren. Dann kehrte sie vom Aeußeren zum Inneren zurück, und schaute wieder nach dem König und nach Mothril.

Der König sprach lebhaft. Aus seinen Geberden ersah man, daß er furchtbare Befehle gab. Ein Blitz durchzuckte den Geist von Dona Maria; mit jener raschen, den Frauen eigenthümlichen Anschauung errieth sie, wovon die Rede war.

Sie stürzte auf Don Pedro in dem Augenblick zu, wo er durch ein Zeichen Mothril weggehen hieß.

»Sire,« sprach sie, »Ihr werdet nicht zwei gleiche Befehle an einem und demselben Tage geben.«

Ihr, habt also gehört?« rief der König erbleichend.

»Nein, doch ich habe errathen. Oh! Sire, Sire,« fuhr Maria vor dem König aus die Kniee fallend fort, oft habe ich mich über sie beklagt, oft habe ich Euch gegen sie ausgereizt, doch tödtet sie nicht, Sire, tödtet sie nicht; denn nachdem Ihr sie getödtet, würdet Ihr mir auch sagen, wie Ihr mir in Beziehung aus Don Federigo gesagt habt, weil ich ihren Tod verlangt, habet Ihr sie getödtet.«

»Maria,« sprach der König mit finsterer Miene, »steht auf, bittet nicht, es ist vergeblich. Alles war voraus beschlossen. Man hätte nicht anfangen sollen, oder muß nun endigen: der Tod des Einen zieht den Tod des Andern nach sich. Wenn ich nur Don Federigo schlüge, würde man alsbald glauben, Don Federigo habe nicht ein Verbrechen gesühnt, sondern er sei einer Privatrache geopfert worden.«

Dona Maria schaute den König voll Bangen an; sie war dem Reisenden ähnlich, der erschrocken vor einem Abgrund anhält.

»Oh!« sprach sie, »dies Alles wird aus mich zurückfallen, aus mich und meine Kinder: man wird sagen, ich habe Euch zu diesem doppelten Mord angetrieben, und Du siehst es doch, mein Gott,« fügte sie, sich zu seinen Füßen schleppend bei, »ich bitte ihn, ich siehe ihn an, mir nicht ein Gespenst aus dieser Frau zu machen.«

»Nein, denn ich werde laut meine Schande und ihr Verbrechen verkünden, nein, denn ich werde den Brief von Don Federigo an seine Schwägerin zeigen.«

»Aber Ihr werdet nie einen Spanier finden, der die Hand an seine Königin legen würde,« rief Dona Maria.

»Ich habe auch einen Mauren gewählt,« erwiderte unempfindlich Don Pedro.

»Wozu wären die Mauren gut, wenn man sie nicht thun ließe, was die Spanier zu thun sich weigern?«

»Oh! ich wollte diesen Morgen gehen, warum bin ich geblieben?« rief Dona Padilla. »Doch es ist noch diesen Abend Zeit, erlaubt, daß ich den Palast verlasse; mein Haus ist Euch zu jeder Stunde des Tags und der Nacht geöffnet, Ihr werdet mich in meinem Hause besuchen.«

»Thut, was Ihr wollt, Senora,« erwiderte Don Pedro, dem durch eine seltsame Wendung des Gedächtnisses in diesem Augenblick das Bild der schönen Maurin erschien, wie sie in ihrem wollüstigen Schlummer im Kiosk lag, während ihre Frauen mit großen Fächern über ihrem Schlafe wachten. »Thut, was Ihr wollt. Ich bin es müde, Euch immer sagen zu hören, Ihr werdet abreisen, ohne daß Ihr je reist.«

»Mein Gott!« sprach Maria Padilla, »Du bist Zeuge, daß ich von hier weggehe, weil ich, nachdem ich den Tod von Don Federigo nicht gefordert, vergebens das Leben der Königin Blanche fordere.«

Und ehe der König sich dieser Handlung widersetzen konnte, öffnete sie rasch die Thüre und schickte sich an, wegzugehen; doch in diesem Augenblick erscholl ein gewaltiger Lärmen im Palast: man sah Leute von einem wahnsinnigen Schrecken ergriffen entfliehen; man hörte Schreie, deren Ursache man nicht begreifen konnte; der Schwindel schien mit weit geöffneten Flügeln über dem Palast zu schweben.

»Hört!« sagte Maria, »hört!«

»Was geht denn vor?« rief Don Pedro, sich der Spanierin nähernd, »was soll dies Alles bedeuten? Antwortet, Mothril,« fuhr der König fort, indem er sich an den Mauren wandte, der am anderen Ende des Vorplatzes flehend, bleich, die Augen aus einen Gegenstand geheftet, den Don Pedro nicht sehen konnte, unbeweglich, eine Hand an seinem Dolch, mit der andern den Schweiß abwischend, der von seiner Stirne stoß, verharrte.

»Gräßlich! Gräßlich!« wiederholten alle Stimmen. Ungeduldig machte Don Pedro einen Schritt vorwärts, und es traf in der That seine Blicke ein Grauen erregendes Schauspiel. Oben aus den breiten Platten der Treppe sah man den Hund von Don Federigo, die Haare gesträubt wie die eines Löwen, blutig und furchtbar erscheinen; er hielt in seinem Rachen den Kopf seines Herrn, den er sachte aus dem Marmor an seinen langen Haaren fortzog. Vor ihm flohen, die Schreie ausstoßend, welche Don Pedro gehört hatte, alle Diener, alle Wachen des Palastes. So muthig. so verwegen, so unempfindlich er war, suchte doch Don Pedro auch zu fliehen; doch seine Füße schienen wie die des Mauren aus den Boden genagelt. Eine blutige Spur hinter sich lassend, stieg der Hund immer weiter herab. Sobald er aber zwischen Don Pedro und Mothril kam, legte er, als hätte er in ihnen die zwei Mörder erkannt, den Kopf auf die Erde und gab ein so klägliches Geheul von sich, daß die Favoritin darob in Ohnmacht sank, und der König schauerte, als ob ihn der Engel des Todes mit seinen Flügeln berührt hätte; dann nahm er seine kostbare Last wieder auf und verschwand im Hof.

Noch ein anderer Mann hörte das Geheul des Hundes und schauerte dabei. Dieser Mann war der vollständig gewappnete Ritter, den Dona Maria in den Alcazar hatte eintreten sehen, und der als guter Christ, wenigstens so abergläubisch als ein Maure, sich bei dem Geheule bekreuzte und, Gott bat, jedes schlimme Zusammentreffen von ihm abzuwenden.

Dann versetzte ihn aber diese Schaar erschrockener Diener, welche, an einander stoßend, sich niederwerfend. entflohen, in ein Erstaunen, das dem Schrecken glich. Der würdige Ritter lehnte sich an eine Platane an und sah, die Hand an seinem Dolch, diese rasche Procession bleicher Schatten vor sich vorüberziehen; endlich erblickte er den Hund und der Hund erblickte ihn.

Der Hund ging gerade aus ihn zu, geleitet von dem seinen Instinkt, der ihn in dem Ritter den Freund seines Herrn erkennen ließ.

Agenor wurde von einem Schauer ergriffen. Dieses blutige Haupt, dieser Hund, einem Wolfe ähnlich, der seine Beute fortschleppt, diese Welt fliehender Diener mit bleichen Gesichtern und unterdrücktem Geschrei, Alles stellte ihm einen von jenen gräßlichen Träumen dar, wie sie die vom Fieber verzehrten Kranken machen. Der Hund näherte sich immer mehr mit einer schmerzlichen Freude, und legte zu seinen Füßen den von Staub befleckten Kopf; dann erhob er zu den Gewölben das traurigste und durch dringendste Geheul, das er noch ausgestoßen. Einen Augenblick unbeweglich vor Schrecken, glaubte Agenor, sein Herz müßte brächen; endlich errieth er einen Theil von dem, was vorgefallen war: er bückte sich, schob mit seinen Händen die schönen Haare auseinander, und erkannte, obgleich in die Schatten des Todes getaucht, die ruhigen, sanften Augen seines Freundes. Sein Mund war freundlich, wie da er noch lebte, und man hätte glauben sollen, das Lächeln, das bei ihm Gewohnheit war, wolle noch aus seinen blauen Lippen zu Tage ausgehen. Agenor sank aus seine Kniee, und schwere, stille Thränen rollten aus seinen Augen über seine Wangen herab. Er wollte den Kopf nehmen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, und jetzt erst gewahrte er, daß die Zähne des unglücklichen Großmeisters eine kleine Pergamentrolle festhielten; er trennte sie mit seinem Dolch, entrollte das Pergament, und las gierig, wie folgt:

»Freund, unsere traurigen Ahnungen täuschten uns nicht, mein Bruder tödtet mich. Benachrichtige und warne die Königin Blanche: auch sie ist bedroht. Du hast mein Geheimniß: bewahre mein Andenken.«

»Ja, Herr,« sprach der Ritter: »ja, ich werde gewissenhaft Deinen letzten Willen vollziehen!. . . Doch wie von hier wegkommen?. . . Ich weiß nicht mehr, wie ich hereingekommen bin. Mein Kopf verwirrt sich: ich habe kein Gedächtniß mehr, und meine Hand zittert dergestalt, daß mir mein Dolch, den ich nicht mehr in die Scheide stecken kann, entschlüpfen wird.«

Der Ritter erhob sich in der That bleich, schauernd, und beinahe wahnsinnig; er ging, ohne zu sehen, stieß sich an den marmornen Säulen und streckte die Hände vor sich aus wie ein Trunkener, der die Stirne zu zerschmettern befürchtet. Endlich befand er sich in einem herrlichen, ganz mit Orangenbäumen, Granatbäumen und Oleandern bepflanzten Garten: Wassergarben, denen silberner Cascaden ähnlich, sprangen in porphyrnen Vasen. Er lief zu einem dieser Bassins, trank gierig, erfrischte seine Stirne, indem er sie in das eiskalte Wasser tauchte, und suchte sich nun zurechtzufinden: da zog ein schwaches Licht, das er durch die Bäume erschaute, seinen Blick an und leitete ihn. Er lies daraus zu: eine weiße Gestalt, die sich aus das Geländer eines Balcon stützte, stieß einen Seufzer aus und flüsterte seinen Namen. Agenor schaute empor, sah eine Frau, die die Arme nach ihm ausstreckte, rief: »Aissa, Aissa!« und eilte aus dem Garten zu der Maurin: das Mädchen streckte ihm die Arme mit einem Ausdruck tiefer Liebe entgegen, doch plötzlich wich es voll Unruhe zurück und fragte:

»Oh! mein Gott! Franzose, bist Du verwundet?«

Agenor hatte in der That blutige Hände: doch statt ihr zu antworten, statt ihr eine lange Erklärung zu geben, legte er eine von seinen Händen aus ihren Arm und deutete mit der andern aus den Hund, der ihm gefolgt war. Bei dieser furchtbaren Erscheinung stieß das Mädchen ebenfalls einen Schrei aus; Mothril, der gerade nach seiner Wohnung zurückkehrte, vernahm diesen Schrei, Man hörte, wie seine Stimme nach Fackeln verlangte; man hörte seine Tritte und die seiner Diener, die sich näherten.

»Fliehe!« rief das Mädchen, »fliehe; er würde Dich tödten, und ich würde sterben, weil ich Dich liebe.«

»Aissa,« sprach der Ritter, »ich liebe Dich auch; »sei mir treu, und Du wirst mich wiedersehen.«

Dann schloß er das Mädchen an sein Herz, drückte ihm einen Kuß aus die Lippen, ließ das Visir seines Helmes nieder, zog sein langes Schwert, sprang durch das niedrige Fenster und entfloh durch die Zweige streifend und die Blumen niedertretend; er kam bald vor den Garten, durchschnitt den Hof, stürzte ganz erstaunt, daß man ihn nicht aufzuhalten versuchte, aus dem Thor und erblickte in der Ferne Musaron, der fest in seinem Sattel saß und das schöne schwarze Roß an der Hand hielt, das ihm Don Federigo gegeben hatte.

Ein scharfes Schnaufen begleitete den Ritter von hinten; er wandte sich um, und der geringe Eifer, mit dem ihm die Wachen den Weg zu versperren gesucht hatten, war ihm erklärlich. Der Hund, der den einzigen Freund, welcher ihm blieb, nicht hatte verlassen wollen, folgte ihm.

Von Angst ergriffen bei dem Geschrei, das er gehört hatte, lief Mothril mittlerweile zu Aissa. Er fand sie bleich und am Fenster stehend: er wollte sie befragen, doch sie erwiderte seine ersten Fragen nur durch ein düsteres Stillschweigen. Endlich vermuthete der Maure, was vorgefallen war.

»Ist Jemand hierhergekommen? . . . Aissa, antworte.«

»Ja,« sprach das Mädchen, »der Kopf vom Bruder des Königs.«

Mothril schaute das Mädchen aufmerksamer an. Aus dem weißen Gewande war der Abdruck einer blutigen Hand zurückgeblieben.

»Der Franzose hat Dich gesehen!« rief Mothril außer sich.

Doch diesmal schaute ihn Aissa mit stolzem Auge an und antwortete nicht.

Der Bastard von Mauléon

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