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Erstes bis viertes Bändchen
Zweites Kapitel.
Wie der Bastard von Mauléon auf dem Wege von Pinchel nach Coimbra einen Mauren traf, den er nach dem Wege fragte und der vorüberzog, ohne ihm zu antworten

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>An einem schönen Morgen des Monats Juni 1361 hätte derjenige, welcher bei einer Hitze von vierzig Graden sich ins Freie zu wagen nicht bange gehabt haben würde, auf der Straße von Pinchel nach Coimbra in Portugal eine Gestalt, für deren Schilderung die Leute unserer Tage uns Dank wissen werden, einherziehen sehen können.

Es war nicht ein Mann, sondern eine völlige Rüstung, bestehend aus einem Helm, einem Panzer, Armschienen und Beinschienen, mit der Lanze im Arm, der Tartsche am Hals, Alles überragt von einem rothen Federbusch, über den die Lanzenspitze noch empor stand.

Diese Rüstung saß im Gleichgewicht aus einem Pferde, von dem man nur die schwarzen Beine und das entstammte Auge erblickte, denn es verschwand wie sein Herr unter seiner Kriegswappnung, welche mit einer weißen, mit rothem Tuche eingefaßten Schabracke bedeckt war. Von Zeit zu Zeit schüttelte das edle Thier den Kopf und wieherte mehr aus Zorn, als aus Schmerz; dies geschah, wenn eine Bremse unter die Falten der schweren Decke geschlüpft war und es seinen gierigen Stich fühlen ließ.

Was den Reiter betrifft, der steif und fest in den Bügeln hielt, als ob er an den Sattel genietet wäre, so schien er seinen Stolz darein zu setzen, daß er der glühenden Hitze Trotz bot, die vom kupfernen Himmel herabfiel, die Lust entzündete und das Gras vertrocknete. Viele, welche Niemand deshalb der Weichlichkeit beschuldigt hätte, würden sich erlaubt haben, das vergitterte Visir, zu öffnen, welches das Innere des Helmes in eine Badewanne verwandelte; doch aus der unempfindlichen Haltung und aus der edlen Unbeweglichkeit des Ritters ersah man, daß er selbst in der Wüste die Stärke seines Temperaments und seine Abhärtung gegen die Strapazen des Kriegerstandes zur Schau trug.

Wir haben gesagt die Wüste, und in der That, die Gegend, durch die der Ritter zog, verdiente wohl diesen Namen. Es war eine Art von Thal, gerade tief genug, um aus dem Weg, dem der Ritter folgte, die glühendsten Sonnenstrahlen zusammenzudrängen. Schon seit mehr als zwei Stunden war die Hitze, die man hier empfand, so groß, daß das Thal seine beharrlichsten Bewohner verloren hatte; die Hirten und die Herden, welche am Morgen und am Abend an seinem doppelten Abhange erschienene um ein paar Halme gelben, dürren Grases zu suchen, hatten sich hinter die Hecken und Gebüsche geflüchtet, und schliefen im Schatten. So weit das Auge reichen konnte, hätte man auch vergebens einen Reisenden gesucht, der kühn und unempfindlich genug gegen die Flamme gewesen wäre, um diesen Boden zu betreten, welcher aus der Asche von der Sonne vertrockneter Felsen zu bestehen schien. Das einzige lebende Thier, das bewies, daß ein Geschöpf in einem solchen Ofen leben konnte, war die Grille, oder vielmehr die Taufende von Grillen, welche, zwischen den Kieselsteinen sitzend, an den Grashalmen angeklammert, oder auf einem von Staub weißen Olivenzweige sich ausbreitend, die scharfe, eintönige Fanfare von sich gaben, die ihr Triumphgesang war, durch welchen sie die Eroberung der Wüste verkündigten, wo sie als alleinige Souverains herrschten.

Mit Unrecht haben wir behauptet, vergebens hätte das Auge am Horizont einen andern Reisenden gesucht, als denjenigen, welchen wir zu schildern unternahmen, denn hundert Schritte hinter ihm kam eine andere Gestalt, nicht minder seltsam, als die erste, obgleich von einem ganz verschiedenartigen Typus: es war ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, dürr, gebückt, bronzirt, mehr hockend, als reitend auf einem Pferde so mager als er, und auf dem Sattel schlummernd, woran er sich angeklammert hielt, ohne irgend eine von den Sorgen, welche seinen Gefährten wach hielten, sogar ohne die Sorge, seinen Weg zu erkennen, die er offenbar demjenigen überließ, welcher weiser oder mehr dabei interessirt war, sich nicht zu verirren.

Ohne Zweifel am Ende überdrüssig, seine Lanze so hoch zu tragen und sich so steif im Sattel zu halten, hielt der Ritter an, um sein Visir aufzuschlagen und dem Dampfe Durchgang zu lassen, der aus seiner eisernen Umhüllung in seinen Kopf aufzusteigen anfing; doch ehe er diese Bewegung ausführte, schaute er umher wie ein Mensch, der entfernt nicht der Ansicht ist, der Muth sei minder schätzbar, wenn er von einer geziemenden Dose von Klugheit begleitet werde.

Bei dieser Rundbewegung sah er seinen sorglosen Gefährten, und indem er ihn aufmerksam anschaute, bemerkte er, daß er schlief.

»Musaron!« rief der geharnischte Ritter, nachdem er zuvor sein Helmvisir ausgeschlagen hatte, »Musaron, wache auf, Taugenichts, oder bei dem kostbaren Blute von San Jago! wie die Spanier sagen, Du kommst nicht nach Coimbra mit meinem Felleisen, sei es nun, daß Du es unter Weges verlierst, oder daß es Dir die Diebe stehlen. Musaron! wirst Du denn immer schlafen, Bursche?«

Doch der Knappe, denn dies war der Grad, den bei dem Ritter derjenige einnahm, welchen er angeredet hatte, der Knappe, sagen wir, schlief zu tief, als daß ihn der einfache Lärmen der Stimme erweckt hätte; der Ritter bemerkte also, daß er ein anderes, kräftigeres Mittel anwenden mußte, um so mehr, als das Pferd des Schläfers, da es sah, daß sein Vordermann anhielt, es für geeignet erachtete, ebenfalls anzuhalten, so daß Musaron, von der Bewegung zur Unbeweglichkeit übergehend, eine nur um so bessere Chance hatte, sich eines tiefen Schlafes zu erfreuen; er nahm deshalb ein elfenbeinernes, mit Silber eingelegtes Horn, das an einem Haken an seinem Gürtel hing, hielt es an seinen Mund und ließ mit kräftigem Athem ein paar Noten ertönen, welche sein Pferd sich bäumen und das seines Gefährten wiehern machte.

Diesmal erwachte Musaron plötzlich.

»Hollah!« rief er, indem er eine Art von Messer zog, das an seinem Gürtel hing, »hollah! was wollt Ihr, Ihr Schurken? Hollah! was verlangt Ihr, Zigeuner, Enkel des Teufels? Entfernt Euch, oder ich schlitze Euch bis zum Gürtel den Bauch auf!«

Und der brave Knappe focht rechts und links mit seinem Messer, bis er am Ende, wahrnehmend, daß er nur die Luft schlitzte, anhielt, die Augen weit aufriß, seinen Herrn mit erstaunter Miene anschaute und fragte:

»Ei! was gibt es denn, Messire Agenor? Wo sind denn die Leute, die uns angreifen? Sind sie wie Dunst verschwunden? oder habe ich sie vernichtet, ehe ich gänzlich erwachte?«

»Was es gibt, Taugenichts?« sagte der Ritter, »Du träumst, und während Du träumst, schleppst Du meinen Schild am Ende seines Riemens, was entehrend für die Waffen eines wackeren Rittersmannes ist. Auf! Auf! erwache vollends, oder ich zerschmettere Dir meine Lanze auf der Schulter.«

Musaron schüttelte den Kopf mit einer ziemlich frechen Miene.

»Bei meiner Treue, Sire Agenor,« sagte er, »Ihr werdet wohl daran thun, und damit wird wenigstens eine Lanze auf unserem Wege gebrochen sein. Statt mich Eurem Vorhaben zu widersetzen, fordere ich Euch auf, es in Ausführung zu bringen.«

»Was soll das bedeuten, Schurke?« rief der Ritter.

»Das soll bedeuten,« erwiderte der Knappe, der mit seiner spöttischen Sorglosigkeit immer näher heran ritt, »das soll bedeuten, daß wir seit sechzehn vollen Tagen, die wir in Spanien, in diesem Lande voll Abenteuer reisen, wie Ihr bei unserem Aufbruche sagtet, nicht einen einzigen Feind außer den Fliegen und der Sonne, und als ganze Ausbeute nur Wasserblasen und Staub gefunden haben. Gottes Tod! Herr Agenor, ich habe Hunger; Gottes Tod! Herr Agenor, ich habe Durst; Gottes Tod! Herr Agenor, meine Börse ist leer, das heißt, ich bin den drei größten Calamitäten dieser Welt preisgegeben, und ich sehe die großen Plünderungen ungläubiger Mauren nicht kommen, welche, wie Ihr mir schmeicheltet, unsern Leib bereichern und unsere Seele retten sollten, und worüber ich süße Träume dort in unserem schönen Lande Bigorre hatte, ehe ich Euer Knappe war, und besonders seitdem ich es bin.«

»Wirst Du es zufällig wagen, Dich zu beklagen, während ich mich nicht beklage?«

»Ich hätte wohl Veranlassung dazu, und es fehlt mir in der That nur die Keckheit. Wir haben beinahe unsere letzten Franken für die Waffenschmiede von Pinchel ausgegeben, welche Eure Art schärften, Euer Schwert schliffen und Eure Rüstung putzten, und es fehlt uns in der That nichts mehr, als daß wir mit Räubern zusammentreffen.«

»Hasenherz!«

»Wartet einen Augenblick, daß wir uns verständigen, Sire Agenor; ich sage nicht, daß ich ein solches Zusammentreffen fürchte.«

»Was sagst Du denn?«

»Ich sage, daß ich es wünsche.«

»Warum?«

»Weil wir die Räuber berauben würden,« erwiderte Musaron mit dem spöttischen Lächeln, das den Hauptcharakter seiner Physiognomie bildete.

Der Ritter hob die Lanze, in der sehr sichtbaren Absicht auf, sie auf die Schulter seines Knappen fallen zu lassen, der nahe genug gekommen war, daß er auf eine ersprießliche Art eine solche Zurechtweisung versuchen konnte; doch mit einer einfachen kleinen Bewegung voll Gewandtheit, an die er gewöhnt zu sein schien, wich der Knappe dem Streich aus, während er mit seiner Hand die Lanze hielt.

»Nehmt Euch in Acht, Sire Agenor,« sagte er, »scherzen wir nicht so; ich habe harte Knochen und wenig Fleisch darauf. Ein Unglück ist bald geschehen, mit einem falschen Schlag würdet Ihr Eure Lanze zerbrechen, und wir wären genöthigt, ihr selbst einen andern Schaft zu machen, oder uns mit einer unvollständigen Rüstung vor Don Federigo zu zeigen, was demüthigend für die Ehre der bearn'schen Ritterschaft wäre.«

»Schweige, verfluchter Schwätzer; Du würdest besser daran thut, wenn Du durchaus sprechen mußt, jenen Hügel zu erklettern und mir zu sagen, was Du von oben siehst.«

»Ah!« rief Musaron, »wenn es der wäre, wohin Satan unsern Herrn führte, und wenn ich Einen fände, und wäre es auch der Teufel, der mir dafür, daß ich ihm die Klaue küßte, alle Königreiche der Erde böte. . .«

»Du würdest es annehmen, Abtrünniger?«

»Mit Dank, Ritter.«

»Musaron,« sprach der Ritter mit ernstem Tone, »scherze mit Allem, was Du willst, nur nicht mit heiligen Dingen.«

Musaron verbeugte sich und fragte:

»Der gnädige Herr wünscht also immer noch zu, erfahren, was man von diesem Hügel herab wahrnehme?«

»Mehr als je, gehe also,«

Musaron machte eine leichte Wendung . . . gerade so viel als er brauchte, um sich außerhalb des Bereiches der Lanze seines Herrn zu halten, und ritt dann den Hügel hinan.

»Ah!« rief er, als er den Gipfel erreicht hatte, »ah! Jesus und Gott! was sehe ich!«

Und er bekreuzte sich.

»Nun, was siehst Du?« fragte der Ritter.

»Das Paradies, oder wenigstens beinahe das Paradies,« antwortete Musaron, in die tiefste Bewunderung versunken.

»Beschreibe mir Dein Paradies,« erwiderte der Ritter, der stets von einem Scherze seines Knappen bethört zu werden befürchtete.

»Ah! edler Herr, was wollt Ihr?« rief Musaron, »Orangenwälder mit goldenen Früchten, ein großes Fluß mit silbernen Wellen, und jenseits das Meer, glänzend wie ein stählerner Spiegel.«

»Wenn Du das Meer sehest,« sagte der Ritter, der sich noch nicht beeilte, seinen Antheil an dem Gemälde zu nehme«, aus Furcht, wenn er selbst den Gipfel erreicht hätte, würde sich dieser herrliche Horizont in Dunst auflösen, wie jene Luftspiegelungen, von denen er die Pilger des Orients hatte sprechen hören; »wenn Du das Meer siehst, Musaron, so mußt Du noch besser Coimbra sehen, das nothwendig zwischen uns und dem Meere liegt, und wenn Du Coimbra siehst, so sind wir am Ziele unserer Reise, da es Coimbra ist, wohin mich mein Freund, der Großmeister Federigo, beschieden hat.«

»Oh! ja,« rief Musaron, »ich sehe eine schöne und große Stadt, ich sehe einen hohen Thurm.«

»Gut, gut,« sprach der Ritter, der nun an das, was ihm sein Knappe sagte, zu glauben anfing und diesmal den ein wenig zu lange ausgedehnten Scherz, wenn es etwa ein Scherz wäre, ernstlich zu bestrafen sich gelobte. »Gut, es ist die Stadt Coimbra, es ist der Thurm der Kathedrale.«

»Was sage ich: eine Stadt! was sage ich: ein Thurm! ich sehe zwei Städte, ich sehe zwei Thürme.«

»Zwei Städte! zwei Thürme!« rief der Ritter, als er ebenfalls auf den Gipfel des Hügels kam, »Du wirst sehen, vorhin hatten wir nicht genug und nun werden wir zu viel haben.«

»Zu viel,« sagte Musaron, »das ist die Wahrheit; seht, Sire Agenor, die eine rechts, die andere links, seht Ihr den Weg, der sich jenseits dieses Citronenwaldes gabelförmig trennt? Welche von den zwei Städten ist Coimbra? welchem von den zwei Wegen müssen wir folgen?«

»In der That,« murmelte der Ritter, »das ist eine neue Verlegenheit, an die ich nicht dachte.«

»Eine um so größere Verlegenheit,« sagte Musaron, »als wir, wenn wir uns täuschen und unglücklicher Weise den Weg nach dem falschen Coimbra einschlagen, im Grunde unserer Börse nichts finden, um damit unser Nachtlager zu bezahlen.«

Der Ritter schaute zum zweiten Male rings umher, doch diesmal in der Hoffnung, einen Vorübergehenden zu gewahren, bei dem er sich erkundigen könnte.

»Verfluchtes Land,« sagte er, »oder vielmehr verfluchte Wüste! denn wenn man Land sagt, so setzt man einen von anderen Geschöpfen, als von Eidechsen und Grillen, bewohnten Ort voraus. Oh! wo ist Frankreich?« fuhr der Ritter mit einem von jenen Seufzern fort, die zuweilen den am wenigsten schwermüthigen Herzen bei dem Gedanken an das Vaterland entschlüpfen; »Frankreich, wo Jeder stets eine ermuthigende Stimme findet, um ihm den Weg zu zeigen.«

»Und einen Schafkäse, um ihm den Gaumen zu erquicken; so ist es, wenn man sein Vaterland verläßt. Ah! Sire Agenor, Ihr hattet Recht, wenn Ihr sagtet: Frankreich! Frankreich!«

»Schweige, Thier!« rief der Ritter, der gern ganz leise denken wollte, was Musaron ganz laut sagte, der aber nicht wollte, daß Musaron laut sagte, was er leise dachte. »Schweige.«

Musaron hütete sich wohl, dies zu thun, und der Leser muß den würdigen Knappen schon hinreichend kennen, daß es in diesem Punkt nicht seine Gewohnheit war, blindlings seinem Herrn zu gehorchen; er fuhr also fort und sprach, als ob er seine eigenen Gedanken beantwortete:

»Wie sollte man uns auch beistehen, oder uns nur grüßen? Wir sind allein in diesem verdammten Portugal. Oh! die großen Compagnien, das ist schön, das ist angenehm, das ist herrlich, und besonders bequem zum Leben; oh! Sire Agenor, warum gehören wir nicht ganz einfach in diesem Augenblick zu einer großen berittenen Compagnie auf der Straße des Languedoc oder der Guienne!«

»Du urteilst wie ein Jacques, weißt Du das, Meister Musaron?« sagte der Ritter.

»Ich bin auch einer, Messire, oder ich war wenigstens einer, ehe ich in den Dienst Eurer Herrlichkeit trat.«

»Rühme Dich dessen, Elender!«

»Sprecht nicht schlimm von ihnen, Sire Agenor, denn die Jacques haben wenigstens Mittel gefunden, zu speisen, während sie Krieg führen; wir fuhren allerdings nicht Krieg, wir speisen aber auch nicht.«

»Dies Alles sagt uns nicht, welche von den zwei Städten Coimbra ist,« murmelte der Ritter.

»Nein,« erwiderte Musaron, »doch dort kommt etwas, was es uns sagen wird.«

Und er deutete mit dem Finger auf eine Staubwolke, die durch eine kleine Karavane in die Höhe getrieben wurde, welche eine halbe Stunde hinter ihnen kam, denselben Weg verfolgte, wie sie, und in deren Mitte die Sonne von Zeit zu Zeit etwas wie Goldflittern glänzen ließ.

»Ah!« sprach der Ritter, »da kommt endlich, was wir suchen.«

»Oder was uns sucht,« sagte Musaron.

»Nun wohl! so eben verlangtest Du Räuber.«

»Doch ich verlangte nicht zu viel,« entgegnete Musaron.

»Der Himmel ist in der That im Zug, uns mit Gnaden zu überhäufen; ich verlangte drei bis vier Räuber, und er schickt uns eine Truppe; wir verlangten eine Stadt, und er schickt uns zwei. Herr Ritter,« fuhr Musaron fort, indem er sich seinem Herrn näherte, »berathschlagen wir und sprechen wir unsere Ansichten aus, zwei Ansichten sind mehr werth als eine, Ihr wißt es wohl, sagt zuerst die Eure.«

»Meine Ansicht ist, daß wir nach dem Citronenwalde reiten, durch den die Straße zieht, und der uns zugleich Schatten und Sicherheit gibt; dort warten wir sodann, zum Angriff oder zur Vertheidigung bereit.«

»Oh! das ist eine Ansicht voll Vernunft,« rief der Knappe mit seinem halb spöttischen, halb überzeugtem Tone, »es ist eine Ansicht, der ich ohne Widerspruch beitrete; Schatten und Sicherheit, das ist Alles, was ich in diesem Augenblick wünschte. Schatten ist die Hälfte des Wassers; Sicherheit ist drei Viertheile des Muthes. Reiten wir also nach dem Citronenwalde, und zwar so schnell als möglich.«

Doch die zwei Reisenden hatten ohne ihre Pferde gerechnet. Die armen Thiere waren so müde, daß sie, obgleich vielfach gespornt, nur im Schritt gehen konnten. Zum Glück hatte die Langsamkeit keine anderen unangenehmen Folgen, als daß sie die Reisenden länger der Sonne ausgesetzt ließ. Die kleine Truppe, gegen welche sie diese Vorsichtsmaßregeln nahmen, war noch zu weit entfernt und hatte sie folglich nicht sehen können. Einmal in dem Gehölze angelangt, brachten,sie die verlorene Zeit wieder ein. In einem Augenblick war Musaron von seinem Pferde herab, das sich in seiner Müdigkeit beinahe so schnell als er niederlegte; der Ritter stieg ebenfalls ab, warf den Zaum seines Pferdes in die Hände seines Knappen und setzte sich an den Fuß eines Palmbaumes, der sich wie der König dieses duftenden Waldes erhob.

Musaron band das Pferd an einen Baum und suchte seine Nahrung im Gehölze umher. Nach einem Augenblick kehrte er mit einem Dutzend süßer Eicheln und ein paar Citronen zurück, deren Erstlinge er dem Ritter anbot, welcher ihm, den Kopf schüttelnd, dankte.

»Ah! Ja,« sprach Musaron, »ich weiß wohl, daß dies Alles nicht sehr erquickend für Leute ist, welche vierhundert Meilen in sechzehn Tagen gemacht haben; aber was wollt Ihr, gnädigster Herr! man muß sich gedulden. Wir begeben uns zu dem erhabenen Don Federigo, dem Großmeister von San Jago und Bruder, oder ungefähr Bruder des mächtigen Don Pedro, des Königs von Castilien, und wenn er nur die Hälfte von dem hält, was uns sein Brief verspricht, so haben, wir für unsere nächste Reise frische Pferde, Maulthiere, mit Schellen, welche die Vorübergehenden anziehen, Pagen mit Kleidern, die den Augen schmeicheln, und wir sehen dann die Mädchen aus den Posadas, die Maulthiertreiber und die Bettler herbeilaufen; die Einen geben uns Wein, die Anderen Früchte, und diejenigen, welche am mindesten karg sind, bieten uns ihre Häuser an, nur um die Ehre zu haben, uns zu beherbergen, und dann wird es uns an nichts fehlen, gerade weil wir nichts mehr nöthig haben; mittlerweile aber müssen wir Eicheln knacken und Citronen aussaugen.«

»Es ist gut, es ist gut, Sire Musaron,« sprach der Ritter lächelnd, »in zwei Tagen werdet Ihr Alles haben, was Ihr sagt, und dieses Mahl ist Euer letztes Fasten.«

»Gott höre Euch, gnädiger Herr!« sprach Musaron, indem er seinen Blick voll Zweifel zum Himmel ausschlug, und zugleich von seinem Kopf seine Sturmhaube nahm, woraus eine Feder von einem Pyrenaenadler befestigt war: »ich werde bemüht sein, mich aus die Höhe meines Glückes zu stellen, und dazu brauche ich nur aus Meer vergangenes Elend zu steigen.«

»Bah!« sagte der Ritter, »das vergangene Elend bildet das zukünftige Glück.«

»Amen,« sprach Musaron.

Ohne Zweifel wollte Musaron trotz dieses ganz religiösen Schlusses ein Gespräch über einen andern Gegenstand anfangen, als plötzlich das Klingeln von Schellen von einem Dutzend Pferde oder Maulthiere, und ein gewisses Klirren von Eisen in der Ferne zu ertönen anfing.

»Aufgepaßt!«sprach der Ritter, »das ist die fragliche Truppe, Teufel! sie hat,sich beeilt, und es scheint, die Pferde derjenigen, welche sie bilden, sind minder müde als die unsrigen.«

Musaron steckte in ein Büschel Gras den Rest seiner Eicheln und seine letzte Zitrone, und sprang nach dem Steigbügel seines Herrn, der in einem Augenblick im Sattel saß und die Lanze in der Faust hatte.

Da sahen sie mitten aus den Bäumen, wo sie diesen kurzen Halt gemacht hatten, auf dem Gipfel des Hügels eine Truppe Reisender erscheinen, welche gute Maulthiere ritten und reich, die einen nach spanischer, die andern nach maurischer Sitte, gekleidet waren. Nach dieser ersten Truppe kam ein Mann, der das Haupt derselben zu sein schien und, in einen langen Caban von seiner weißer Wolle mit seidenen Quasten gehüllt, dem Eindruck der Luft nur zwei hinter diesem Wall funkelnde Augen preisgab.

Es waren im Ganzen, diesen Häuptling mit einbegriffen, zwölf sehr starke und wohl bewaffnete Männer nebst sechs Maulthieren, geführt von vier Knechten; diese zwölf Männer bildeten, wie gesagt, die Spitze, dann kam, auch wie gesagt, der Anführer, und hinter diesem, die Nachhut bildend, die sechs Maulthiere und die vier Knechte, in deren Mitte. man eine angemalte und vergoldete Sänfte von Holz erblickte, welche, hermetisch durch seidene Vorhänge verschlossen, den Luftstrom durch Löcher empfing, die in den Verzierungen eines kleinen geschnitzten, um die Sänfte lausenden Frieses angebracht waren. Zwei in der von uns gegebenen Erzählung nicht einbegriffene Maulthiere trugen diese Sänfte und marschirten im Schritt.

Es war dies die ganze Truppe, welche, sich nähernd, so großen Lärmen mit Glöckchen und Schellen gemacht hatte,

»Ah!« sagte Musaron etwas erstaunt, »diesmal sind es wahre Mauren, und ich glaube, ich habe zu bald gesprochen, Messire. Schaut doch, wie schwarz sie aussehen. Jesus! man sollte meinen, es wäre die Leibwache des Teufels. Und wie reich gekleidet sind diese Ungläubigen I Sagt doch, welch ein Unglück, Sire Agenor, daß ihre Zahl so groß ist, oder daß wir nicht größere Gesellschaft haben. Ich denke, es dürfte dem Himmel sehr angenehm gewesen sein, wenn alle diese Reichthümer in die Hände von guten Christen wie wir übergegangen wären. Ich sage Reichthümer, und das ist das richtige Wort, denn die Schätze dieses Ungläubigen sind sicherlich in jenem angemalten und vergoldeten Kasten, der ihm folgt und gegen den er jeden Augenblick den Kopf umwendet.«

»Stille!« sagte der Ritter; »siehst Du nicht, daß sie sich berathen, daß zwei bewaffnete Pagen voraus geritten sind, und daß sie angreifen zu wollen scheinen? Auf! auf! halte Dich bereit, mir, wenn es nothwendig ist, beizustehen, und reiche mir meinen Schild, damit man, falls sich eine Gelegenheit bietet, erfahre, was ein französischer Rittersmann ist.«

»Messire,« erwiderte Musaron, der sich weniger als sein Herr für eine feindliche Stellung zu entscheiden schien, »ich glaube, Ihr seid in einem Irrthum begriffen; diese edlen maurischen Herren können nicht daran denken, zwei harmlose Menschen anzugreifen; seht, einer von den zwei Pagen hat seinen Gebieter um Rath gefragt, und die vermummte Gestalt hat keinen Befehl gegeben, sondern ihnen nur durch ein Zeichen bedeutet, sie sollen vorwärts gehen. Ei! seht, Messire, sie ziehen ihres Weges, ohne ihre Pfeile zugerichtet, ohne, ihre Armbrüste gespannt zu haben; sie legen nur die Hand an ihr Schwert, und es sind im Gegentheil Freunde, die uns der Himmel schickt.«

»Freunde bei den Mauren! und die heilige Religion . . . was machst Du denn, verfluchter Heide?«

Musaron fühlte, daß er sich dieses Anfahren mit Recht zugezogen hatte; er beugte ehrfurchtsvoll das Haupt und sprach:

»Verzeiht, Messire, ich täuschte mich, als ich sagte: Freunde. Ein Christ, ich weiß es wohl, kann nicht der Freund eines Mauren sein; es sind Rathgeber, wollte ich sagen; es ist erlaubt, Rathschläge von Jedermann anzunehmen, wenn die Rathschläge gut sind. Ich will diese ehrlichen Herren fragen, und sie werden uns unsern Weg bezeichnen.«

»Es sei, ich will es auch,« sprach der Ritter; »ich will es um so mehr, als sie, wie mir scheint, ein wenig zu stolz an mir vorüberziehen, und der Gebieter den höflichen Gruß, den ich ihm mit der Spitze meiner Lanze entbot, nicht erwidert hat; gehe und frage sie artig, welche von den zwei Städten Coimbra sei; füge bei. Du kommst im Auftrage von Messire Agenor von Mauléon, und im Austausch für meinen Namen frage diesen maurischen Ritter nach dem seinigen: vorwärts.«

Musaron, der vor dem Anführer der Truppe mit allen seinen Vorzügen erscheinen wollte, versuchte es, sein Pferd zum Aufstehen zu bringen; doch das Thier hatte so lange keinen Schatten und kein Gras mehr gefunden, und es schien ihm so bequem und besonders so angenehm, liegend zu weiden, daß es der Knappe nicht für einen Augenblick auf seine Beine bringen konnte; er entschloß sich also rasch und lief zu Fuß der Truppe nach, welche, da sie während der Berathung ihren Marsch fortgesetzt hatte, auf dem gekrümmten Abhang, bei der Biegung einiger Olivenbäume zu verschwinden im Begriffe war.

Während Musaron fortlief, um sich seiner Botschaft zu entledigen, verlor Agenor von Mauléon, aufrecht auf seinem Sattel, fest in den Steigbügeln, unbeweglich wie eine Reiterstatue, den Mauren und seine Gefährten nicht aus dem Blick; bald sah er ihn bei dem Rufe seines Knappen anhalten; seine Escorte machte Halt, wie er; alle diejenigen, welche dieselbe bildeten, schienen das Leben ihres Anführers zu leben, als wären sie von seinen Wünschen durch eine innere Stimme unterrichtet worden, und als bedürften sie nicht einmal eines Zeichens, um seinem Willen zu gehorchen.

Es war ein so reines Wetter, es herrschte ein so tiefes Stillschweigen in dieser ganzen Natur, welche unter der Hitze des Himmels entschlummert ruhte, der Seewind war so sanft, daß er ohne Hinderniß zu den Ohren des Ritters die Worte von Musaron brachte, und Musaron entledigte sich seines Auftrags nicht nur als ein treuer, sondern auch als ein geschickter Botschafter.

»Eure Herrlichkeit sei gegrüßt,« sprach er, »gegrüßt zuerst von Seiten meines Gebieters, des ehrenhaften und tapferen Sire Agenor von Mauléon, der dort auf seinen Steigbügeln die Antwort Eurer Herrlichkeit erwartet; gegrüßt sodann von seinem unwürdigen Knappen, der sich aufrichtig zu dem Zufall Glück wünscht, welcher ihm das Wort bis zu Euch zu erheben gestattet.«

Der Maure grüßte ernst und vorsichtig nur mit dem Kopfe, und wartete stillschweigend auf das Ende der Rede.

»Möge es,« fuhr Musaron fort, »möge es Eurer Herrlichkeit gefallen, uns anzugeben, welcher von den zwei Thürmen, die man dort sieht, der von Coimbra ist? Wolle mir auch Eure Herrlichkeit, wenn sie es weiß, sagen, welcher von allen den schönen Palästen der einen oder der andern Stadt, die von ihrem Grundgebiete das Meer beherrschen, der des erhabenen Großmeisters von San Jago, des Freundes und ungeduldigen Wirthes des tapferen Ritters ist, der Euch durch mich um diese doppelte Auskunft bitten läßt!«

Um seinem Herrn und sich selbst mehr Glanz zu geben, hatte Musaron lauter als die andern die auf Don Federigo bezüglichen Worte klingen lassen. In der That, gleichsam um seine Gewandtheit zu rechtfertigen, hörte der Maure aufmerksamer bei dem zweiten Theile seiner Rede, und bei diesem zweiten Theile funkelten seine Augen von jenem verständigen Feuer, das den Kindern seiner Nation eigenthümlich ist und einem Sonnenstrahl gestohlen zu sein scheint.

Doch er antwortete eben so wenig auf diesen zweiten Theil, als auf den ersten; erdachte nur einen Augenblick nach, grüßte dann mit dem Kopf, wie er es schon gethan hatte, und sagte seinen Leuten ein einziges arabisches Wort, das mit einer gebieterischen, gutturalen Stimme ausgesprochen wurde, wonach sich die Vorhut in Marsch setzte; der maurische Reiter trieb sein Pferd an, und die Nachhut, in deren Mitte die geschlossene Sänfte getragen wurde, setzte sich ebenfalls in Marsch.

Musaron blieb einen Augenblick ganz erstaunt und gedemüthigt an seinem Platz. Der Ritter aber wußte nicht genau, ob das arabische Wort, das er ebenso wenig als Musaron begriffen hatte, von dem Mauren zu seinem Knappen oder zu seinem Gefolge gesprochen worden war.

»Ah!« sagte plötzlich Musaron, der sich selbst gegenüber nicht zugestehen wollte, man habe ihm eine solche Beleidigung angethan, »er versteht das Französische nicht, das ist die Ursache seines Stillschweigens. Bei Gott! ich hätte Castilianisch mit ihm sprechen sollen.«

Doch da der Maure schon zu weit entfernt war, als daß Musaron ihm zu Fuß hätte nachlaufen können, und da der kluge Knappe überdies vielleicht einen tröstlichen Zweifel einer demüthigenden Gewißheit vorzog, so kehrte er zu seinem Herrn zurück.

Der Bastard von Mauléon

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