Читать книгу Der Bastard von Mauléon - Александр Дюма - Страница 3

Erstes bis viertes Bändchen
Drittes Kapitel.
Wie der Ritter Agenor von Mauléon Coimbra und den Palast von Don Federigo, dem Großmeister von San Jago, ohne die Hilfe des Mauren fand

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Wüthend über das, was er gehört, und über das, was ihm sein Knappe wiederholte, hatte Agenor einen Augenblick den Gedanken, durch Gewalt zu erlangen, was der Maure seiner Höflichkeit verweigerte. Als er aber sein Pferd den Sporn fühlen ließ, um dem unverschämten Sarazenen nachzujagen, zeigte das arme Thier so wenig Geneigtheit, seinen Herrn in seinen Wünschen zu unterstützen, daß der Ritter auf dem mit Kieselsteinen besäten Abhang anhalten mußte. Die Nachhut des Mauren beobachtete die Schritte der zwei Franken und wandte sich in Zwischenräumen um, wohl um nicht überfallen zu werden.

»Messire Agenor,« rief Musaron, unruhig über diese Kundgebung, der indessen die Müdigkeit des Pferdes jede Chance von Gefahr benahm, »Messire Agenor, habe ich Euch nicht gesagt, dieser Maure verstehe das Französische nicht, habe ich Euch nicht zugestanden, geärgert wie Ihr über dieses Stillschweigen, sei mir der Gedanke gekommen, ihn in spanischer Sprache zu befragen, doch erst, da er schon zu fern gewesen, als daß ich diesen Gedanken hätte in Ausführung bringen können? Ihm müßt Ihr also nicht grollen, sondern mir, der ich diesen glücklichen Gedanken nicht früher gehabt habe. Uebrigens« fügte er bei, als er sah, daß der Ritter einen Halt zu machen genöthigt war, »übrigens sind wir allein, und Ihr seht, daß Euer Pferd abgemattet ist.«

Mauléon schüttelte den Kopf und sprach:

»Das ist Alles schön und gut, doch dieser Maure hat nicht natürlich gehandelt. Man kann wohl das Französische nicht verstehen, aber in jedem Lande versteht man die allgemeine Sprache der Geberde. Während Du das Wort Coimbra aussprachst, deutetest Du abwechselnd auf die eine und auf die andere Stadt, und er mußte errathen, daß Du nach dem Weg fragtest. Ich kann den unverschämten Mauren zu dieser Stunde nicht mehr einholen, doch bei dem Blute unseres Herrn, das Rache gegen diese Ungläubigen schreit, er finde sich nie wieder auf meinem Wege!«

»Im Gegentheil, Messire,« sagte Musaron, bei dem die Klugheit weder den Muth, noch den Groll ausschloß. »Im Gegentheil, trefft ihn, doch nur unter andern Bedingungen. Trefft zum Beispiel ihn allein mit den Knechten, welche die Sänfte hüten, Ihr übernehmt den Herrn, und ich übernehme die Knechte; dann werden wir wohl sehen, was der Kasten von vergoldetem Holz enthält.«

»Irgend ein Götzenbild ohne Zweifel,« erwiderte der Ritter.

»Oder wohl seinen Schatz.« sagte Musaron, »eine große Kiste mit Diamanten, Rubinen, Perlen, um mit den Händen darin zu wühlen. Denn diese verfluchten Ungläubigen kennen die Beschwörungen, mit deren Hülse man die verborgenen Schätze findet. Oh! wenn wir nur zu sechs oder wenigstens zu vier gewesen wären, wir hätten Euch etwas gezeigt, Herr Maure. Oh! Frankreich! Frankreich! wo bist du? Ihr tapferen Kämpen, wo seid Ihr? Ihr ehrwürdigen Abenteurer, meine Compagnons, warum seid Ihr nicht da!«

»Ah!« sagte plötzlich der Ritter, der während dieses Ausfalls seines Knappen überlegt hatte, »wenn ich daran denke!«

»Woran?«

»An den Brief von Don Federigo,«

»Nun?«

»In diesem Brief gibt er uns vielleicht über den Weg nach Coimbra eine Erläuterung, die ich vergessen habe.«

»Ah! wahrhaftiger Gott! das heiße ich vernünftig denken und gescheit sprechen. Den Brief, Sire Agenor, den Brief, und wenn er nur dazu dienen würde, uns durch die schönen Versprechungen, die man uns darin macht, zu stärken.«

Der Ritter häkelte von seinem Sattelbogen eine kleine Rolle von parfumirtem Leder los, und zog aus dieser Rolle ein Pergament. Es war dies der Brief von Don Federigo, den er zugleich als einen Paß und als einen Talisman aufbewahrte.

Er enthielt Folgendes:

»Edler und hochherziger Don Agenor von Mauléon, erinnerst Du Dich des schönen Lanzenstoßes, den Du in Narbonne mit Don Federigo, dem Großmeister von San Jago, austauschtest, als die Castilianer in Frankreich Dona Bianca von Bourbon einholten?«

»Damit will er sagen, Madame Blanche von Bourbon,« unterbrach ihn der Knappe, indem er den Kopf von oben nach unten schüttelte, wie ein Mensch, der das Spanische zu verstehen sich anmaßt und eine Gelegenheit, bekannt zu machen, was er weiß, nicht vorübergehen lassen will.

Der Ritter sah Musaron von der Seite mit dem Ausdruck an, mit dem er die Prahlereien jeder Art, die sich sein Knappe erlaubte, auszunehmen pflegte. Dann schaute er wieder in das Pergament und fuhr fort:

»Ich habe Dir ein gutes Andenken versprochen, denn Du warst edelmüthig und artig gegen mich.«

»Es ist wahr,« unterbrach ihn zum zweiten Male Musaron, »Eure Herrlichkeit konnte ihm vortrefflich ihren Dolch in die Gurgel stoßen, wie sie es so zart dem Mongat von Lourdes bei dem Kampfe am Pas-de-Larre bei ihrem ersten Auftreten gethan hat. Denn bei dem berühmten Tournier, wo Ihr ihn ans dem Sattel hobet, und wo er wüthend, aus dem Sattel gehoben worden zu sein, mit scharfen Waffen, statt mit stumpfen, den Kampf fortzusetzen verlangte, hieltet Ihr ihn vollkommen unter Eurem Knie. Und statt Euren Sieg zu mißbrauchen, sagtet Ihr großmüthig (ich höre noch diese schönen Worte): »»Erhebt Euch, Großmeister von San Jago, um die Ehre der castilianischen Ritterschaft zu sein.««

Musaron begleitete dies» letzten Worte mit einer Geberde voll Majestät, durch die er, ohne es zu vermuthen, die Geberde parodirte, die sein Herr bei dieser feierlichen Gelegenheit hatte machen müssen.

»Wurde er aus dem Sattel gehoben,« sprach Mauléon, »so war dies der Fehler seines Pferdes, das den Stoß nicht anshalten konnte. Diese halb arabischen, halb castilianischen Pferde taugen mehr beim Rennen, aber weniger beim Kampfe als die unsrigen. Und wenn er unter mich fiel, so war dies der Fehler seines Spornes, der sich an einer Baumwurzel in dem Augenblick anhing, wo ich ihm einen Streich mit der Art aus den Kopf versetzte; denn er ist ein unerschrockener und gewandter Ritter. Gleichviel,« fügte Agenor mit einem Gefühle des Stolzes bei, das er bei all der Bescheidenheit, mit der er sich ausdrückte, nicht ganz zurückzudrängen vermochte, »der Tag, an welchem dieser merkwürdige Kampf in Narbonne statt fand, war ein schöner Tag für mich.«

»Abgesehen davon, daß Ihr den Preis von Madame Blanche von Nourbon erhieltet, welche sehr bleich wurde und sehr zitterte, die sanfte Prinzessin, als sie sah, daß das Tournier, dem sie beizuwohnen glaubte, sich in einen wirklichen Kampf verwandelte. Ja, edler Herr,« sprach Musaron, ganz zitternd bei dem Gedanken an die Herrlichkeiten, welche in Coimbra seines Gebieters und seiner harrten, »Ihr habt Recht, wenn Ihr sagt es sei ein schöner Tag gewesen, denn Euer Glück ward an demselben geboren.«

»Ich hoffe es,« erwiderte Agenor bescheiden; »doch fahren wir fort.«

Und er las weiter,

»Ich erinnere Dich heute an Dein Versprechen, Niemand als mir Waffenbrüderschaft zu bewilligen. Wir sind beide Christen; komm zu mir nach Portugal, nach Coimbra, das ich von den Ungläubigen erobert habe. Ich verschaffe Dir Gelegenheit, schöne Waffenthaten gegen die Feinde unserer heiligen Religion zu vollbringen. Du lebst in meinem Palaste wie ich selbst, und an meinem Hofe wie mein Bruder. Komm also, mein Bruder, denn ich bedarf eines Mannes, der mich liebt, ich, der ich von gewandten und gefährlichen Feinden umgeben lebe. Coimbra ist eine Stadt, die Du kennen mußt, und liegt, wie ich Dir gesagt habe, in Portugal, zwei Meilen vom Meer, am Flusse Mondigo. Du hast nur befreundete Länder zu durchziehen: zuerst Aragonien, welches das Hauptbesitzthum ist, das Don Sancho der Große Ramiro hinterlassen hat, der ein natürlicher Sohn war wie Du, und ein großer König wurde, wie Du ein braver Rittersmann bist; sodann Neucastilien, das König Alfons VI. von den Mauren wiederzuerobern begonnen hat, und das von seinem Nachfolger vollends erobert worden ist; ferner Leon, den Schauplatz großer Waffenthaten des berühmten Pelago, dieses tapferen Ritters, dessen Geschichte ich Dir erzählt habe. Endlich wirst Du durch Acqueda kommen und Dich in Portugal befinden, wo ich Dich erwarte. Nähere Dich nicht zu sehr den Bergen, die Du zu Deiner Linken sehen wirst, wenn Du nicht ein beträchtliches Gefolge hast, und traue weder den Juden, noch den Mauren, die Du auf Deinem Wege findest.

»Gott befohlen! erinnere Dich, daß ich mich einen ganzen Tag Dir zu Ehren Don Agenor genannt habe, wie Du Dich einen Tag, um mich zu ehren, Federigo nanntest.

»Ich habe an jenem Tag Deine Farben getragen, und Du hast die meinigen getragen. So ritten wir, Du mit meiner Schärpe, ich mit der Deinigen, neben einander bis nach Urgel und geleiteten unsere viel geliebte Königin Dona Bianca von Bourbon. Komm, Don Agenor: ich bedarf eines Bruders und eines Freundes; komm.«

»In diesem Briefe steht nichts, was uns leiten könnte,« sagte Musaron.

»Doch; im Gegentheil. Alles,« sprach Agenor. »Hast Du nicht gehört, und das ist wahr, daß ich einen Tag seine Schärpe getragen habe?«

»Nun?«

»Seine Farben waren gelb und roth. Suche wohl, Musaron, Du, dessen Gesicht so scharf ist, suche, ob Du nicht in einer von den beiden Städten ein Gebäude erblickst, aus dem ein Banner gelb wie Gold, roth wie Blut flattert, und dieses Gebäude wird der Palast meines Freundes Don Federigo sein, und rings um diesen Palast liegt die Stadt Coimbra.«

Musaron hielt seine Hand über seine Augen, um die Sonnenstrahlen zu brechen, welche alle Gegenstände in Lichtwogen vermengten, die ein Flammenmeer bildeten, und nachdem er seinen Blick nach rechts und nach links hatte schweifen lassen, heftete er seine Augen fest auf die Stadt, welche rechts vom Fluß in einer von den Krümmungen seines Laufes lag.

»Sire Agenor,« sprach Musaron, »in diesem Fall ist Coimbra dort rechts, am Fuße jenes Abhang« und hinter jener Wand von Platanen und Aloen, denn aus dem Hauptgebäude flattert das von Euch bezeichnete Banner; nur wird es von einem rothen Kreuze überragt.«

»Das Kreuz von San Jago!« rief der Ritter, »so ist es. Doch irrst Du Dich nicht, Musaron?«

»Eure Herrlichkeit wolle selbst schauen.«

»Die Sonne ist so glühend, daß ich schlecht unterscheide; leite ein wenig meinen Blick.«

»Dort, Messire, dort . . . folget dem Weg. . . dort zwischen jenen zwei Armen des Flusses. Er scheidet sich in zwei Zweige, nicht wahr?«

»Ja.«

»Folgt dem rechten Zweig, der am Flusse hinläuft; seht die Truppe des Mauren durch eines der Thore einziehen . . . Seht, seht . . .«

Gerade in diesem Augenblick kam die Sonne, welche bis jetzt ein Hinderniß für die zwei Reisenden gewesen war, Mauléon zu Hilfe, indem sie einen Feuerstahl aus den ganz mit Gold damascirten maurischen Rüstungen springen ließ.

»Gut! gut! ich sehe,« sagte er.

Dann, nachdem er einen Augenblick nachgedacht: »Ah! der Maure ging nach Coimbra, und verstand das Wort Coimbra nicht; vortrefflich. Als erste Artigkeit muß mir Don Federigo Genugthuung von diesem Frechen verschaffen. Doch wie kommt es,« fuhr der Ritter, immer mit sich selbst sprechend, fort, »daß Don Federigo, dieser fromme Fürst, den sein Titel in die Reihe der ersten Vertheidiger der Religion stellt, Mauren in der neuerdings erst eroberten Stadt, in der Stadt, aus der er sie vertrieben, duldet?«

»Was wollt Ihr, Messire?» antwortete Musaron, ohne befragt zu werden. »Ist Don Federigo nicht der natürliche Bruder von Don Pedro, dem König von Castilien?«

»Nun?«

»Wißt Ihr nicht (und das würde mich wundern, denn das Gerücht ist auch nach Frankreich gekommen), wißt Ihr nicht, daß die Liebe zu den Mauren dieser Familie angeboren ist? Der König kann ihrer nicht mehr entbehren, wie man versichert. Er hat Mauren als Räthe, Mauren als Aerzte, Mauren als Leibwachen, und endlich Maurinnen als . . . Liebschaften.«

»Schweige, Meister Musaron, und mische Dich nicht in die Angelegenheiten des Königs Don Pedro, eines sehr großen Fürsten und Bruders meines erhabenen Freundes.«

»Bruder! Bruder!« murmelte Musaron, »ich habe sagen hören, es sei dies eine von den maurischen Brüderschaften, welche früher oder später mit dem Stricke oder mit dem Säbel endigen. Ich will lieber Guillonnet, der die Ziegen im Thale von Andorre hütet und dabei singt:

Auf dem Berge sitzt der Hirte,

Schauet traurig in die Fern',


zum Bruder haben, als Don Pedro von Castilien. Das ist meine Ansicht.«

»Es kann wohl Deine Ansicht sein, doch es ist die meinige, daß Du nicht ein Wort mehr diesem beifügst. Wenn man Gastfreundschaft von den Leuten verlangt, so ist es doch das Wenigste, daß man nicht schlimm von ihnen spricht.«

»Wir kommen nicht zu Don Pedro von Castilien, da wir zu Don Federigo, dem Herrn von Coimbra in Portugal, kommen,« erwiderte der wunderliche Musaron.«

»Zu dem Einen oder zu dem Andern,« sprach der Ritter, »schweige, ich will es haben.«

Musaron nahm sein weißes Beret mit rother Eichel ab und verbeugte sich mit einem höhnischen Lächeln, das seine langen, ebenholzschwarzen Haare verbargen, die aus seine magern, dunkelbraunen Wangen herabfielen.

»Wenn Eure Herrlichkeit ausbrechen will, so ist ihr unterthänigster Diener zu ihrem Befehl,« sagte er nach einem kurzen Stillschweigen, »Das mußt Du Dein Pferd fragen,« erwiderte Mauléon. »Jeden Falls, wenn es nicht weiter ziehen will, lassen wir es, wo es ist, und wenn der Abend kommt und es die Wölfe heulen hört, wird es schon allein nach der Stadt gehen.«

Und in der That, als ob das Thier, das den Namen, den ihm der Knappe gab, dem Thale verdankte, wo es geboren war, die Drohung gehört hätte, erhob es sich behender, als man hätte denken sollen, und bot seinem Herrn seinen noch ganz von Schweiß triefenden Widerrist.

»Aufgebrochen also,« sprach Agenor.

Und er setzte sich wieder in Marsch und hob zum zweiten Male das Helmvisir auf, das er beim Vorbeiziehen des Mauren herabgelassen hatte.

Wenn der Araber da gewesen wäre, so hätte nun sein durchdringender Blick durch die Oeffnung des Helmes ein Gesicht edel und schön, ganz erhitzt, ganz bestaubt, aber voll Charakter, einen sichern Blick, seine, schlaue Lippen, Zähne weiß wie Elfenbein, ein Kinn noch ohne Hart, aber von jener kräftigen Formung, welche den hartnäckigen Willen andeutet, sehen können.

Es war im Ganzen ein junger und schöner Ritter, dieser Messire Agenor von Mauléon, und dies konnte er sich wohl selbst sagen, wenn er sich' in der glatten Oberfläche seines Schildes spiegelte, den er wieder aus den Händen von Musaron genommen hatte.

Dieser Halt von einem Augenblick hatte den zwei Pferden wieder einige Kraft gegeben. Sie zogen daher mit ziemlich raschem Schritte aus ihrem Wege weiter, der ihnen fortan aus eine untrügerische Weise durch das aus dem Palaste flatternde Banner des Großmeisters von San Ingo angedeutet wurde.

Während sie so fortritten, sah man die Einwohner trotz der Hitze des Tages aus, den Thoren hervorkommen. Man hörte die Trompeten erschallen, und das Glockenspiel der Thürme breitete seine freudigen vibrirenden Töne in der Luft aus.

»Hätte ich Musaron vorangeschickt,« sprach Agenor zu sich selbst, »so könnte ich wahrhaftig glauben, dieser ganze Lärmen, diese ganze Feierlichkeit finden mir zu Ehren statt. Aber so schmeichelhaft ein solcher Empfang für meine Eitelkeit wäre, so muß ich doch all' dieses Geräusch einer andern Ursache zuschreiben.«

Musaron aber, der in diesem ganzen Lärmen offenbare Zeichen der Heiterkeit erblickte, erhob munter das Haupt, da er lieber von freudigen Leuten, als von traurigen empfangen werden wollte.

Die zwei Reisenden hatten sich nicht getäuscht, Es herrschte eine große Aufregung in der Stadt, und wenn das Gesicht der Einwohner nicht gerade die lächelnde Maske der Freude an sich trug, welche ihnen das Läuten der Glocken und die Fanfaren der Trompeten zu befehlen schienen, so w« ihre Physiognomie wenigstens die von Leuten, in deren Mitte eine wichtige und unerwartete Neuigkeit vorgefallen ist.

Agenor und sein Knappe hatten nicht nöthig, nach dem Weg zu fragen, denn sie brauchten nur der Menge zu folgen, die nach dem Hauptplatze der Stadt eilte.

In dem Augenblick, wo sie das Gedränge durchschnitten, um aus den Platz zu kommen, und während Musaron, um seinen edlen Herr, der ihm folgte, einen Weg zu bahnen, rechts und links Hiebe mit dem Peitschenstiel austheilte, sahen sie plötzlich vor sich, von hohen Palmbäumen und von buschigen, in der Richtung, die ihnen an Tagen des Sturms der Seewind gab, geneigten Sycomoren beschattet, den prächtigen maurischen Alcazar sich erheben, der für den König Muhamed erbaut worden war und nun dem jungen Eroberer, Don Federigo, als Wohnung diente.

So sehr sie sich aber auch beeilten, um an Ort und Stelle zu kommen, so blieben doch Agenor und sein Knappe in Bewunderung vor dem weiten, launenhaften Monument, das ganz mit der feinsten steinernen Spitze gestickt, ganz mit marmorenen Mosaiken incrustirt war, welche breite Platten von Topas, von Saphir und von Lapislazuli zu sein schienen, die irgend ein Baumeister von Bagdad für einen Palast von Feen oder von Huris gefaßt hätte. Der Occident, und selbst derjenige Theil des Occidents, den man, in Beziehung aus Spanien, den Süden von Frankreich nennt, kannte noch nichts Anderes, als seine romanischen Kathedralen, oder seine antiken Brücken und Bogen, hatte aber keinen Begriff von jenen Ohrgewölben und Kleezügen von Granit, welche der Orient hundert Jahre später an die Fronte der Kathedralen und an die Spitze der Thürme zeichnen sollte. Er bot also einen herrlichen Anblick, der Alcazar von Coimbra, selbst für unsere unwissenden und barbarischen Altvorderen, welche in jener Zeit die arabische und italienische Civilisation, die sie später bereichern sollte, verachteten.

Während sie so unbeweglich und in Betrachtung verharrten, sahen sie durch die zwei Seitenpforten des Palastes zwei Truppen von Leibwachen und Pagen, Maulthier und Pferde an der Hand führend, herauskommen.

Diese zwei Truppen, welche jede einen Viertelkreis beschrieben, vereinigten sich, indem sie das Volk zurücktrieben und vor der Mittelthüre, zu der man ans einer Treppe von zehn Stufen hinausstieg, einen großen Platz, dessen eine Seite die Facade des Palastes bildete, leer ließen. Die Mischung des blendenden Luxus von Afrika mit der strengeren Eleganz der occidentalen Tracht verlieh diesem Schauspiel einen unwiderstehlichen Zauber, dessen Einfluß auch Agenor und sein Knappe unterlagen, als sie einerseits das Gold und den Purpur aus Sattel und Zeug der arabischen Pferde schimmern sahen und die Kleider der maurischen Reiter gewahrten, und andererseits die Seide und die getriebene Arbeit, und besonders jenen fränkischen Stolz, so zu sagen, in die Haltung der Rosse incrustirt erblickten.

Was das Volk betrifft, so rief es, als es dieses ganze Schauspiel sich entwickeln sah: »Es lebe!« wie es dies beim Anblicke aller Schauspiele thut.

Plötzlich erschien das Banner des Großmeisters von San Jago unter dem hohen, im Kleezug ausgehauenen Gewölbe, das die Mittelpforte des Alcazar bildete; begleitet von sechs Leibwachen und getragen von einem mächtigen Kriegsmann, wurde dieses Banner im Mittelpunkte des leeren Raumes ausgepflanzt.

Agenor begriff, daß Don Federigo irgend eine Prozession durch die Straßen halten, oder eine Reise von einer Stadt zur andern zu machen im Begriff war, und er fühlte sich, trotz der Dürftigkeit seiner Börse, versucht, sich nach irgend einem Gasthaus zu begeben, wo er seine Rückkehr abwarten könnte, denn er wollte die Anordnung des Auszuges nicht durch seine lästige Gegenwart stören.

Doch in demselben Augenblick sah er durch eines von den Seitengewölben die Vorhut des maurischen Häuptlings und dann, stets geschaukelt aus dem Rücken weißer Maulthiere, die bekannte Sänfte von vergoldetem Holz hervorkommen, welche Musaron so starke und so religiöse Versuchungen bereitete. Endlich verkündigte ein gewaltiger Lärmen von Posaunen und Trompeten, der Großmeister würde erscheinen, und vierundzwanzig Musiker, acht in der Front, rückten aus dem Gewölbe bis zu den Stufen vor, die sie, stets blasend, hinabstiegen.

Hinter ihnen sprang ein Hund heraus: es war einer von den kräftigen, aber schlanken Hunden der Sierra, mit einem Kopfe spitzig wie der des Bären, mit Augen funkelnd wie die des Luchses, mit Beinen nervig wie die des Hirsches, Sein ganzer Körper war mit glatten, langen, seidenen Haaren bedeckt, welche in der Sonne ihre silbernen Reflexe spielen ließen; er hatte am Hals ein breites Collier von Gold mit Rubinen besetzt, und daran ein Glöckchen von demselben Metall; seine Freude verrieth sich durch Sprünge, und seine Sprünge hatten ein sichtbares Ziel und ein verborgenes Ziel. Das sichtbare Ziel war ein Pferd weiß wie der Schnee, bedeckt mit einer großen Schabracke von Purpur und Brocat, das seine Liebkosungen, als wollte es antworten, wiehernd ausnahm. Das verborgene Ziel war ohne Zweifel irgend ein edler Herr, der unter dem Gewölbe ausgehalten wurde, in das der Hund ungeduldig zurückkehrte, um nach einigen Sekunden springend und freudig wieder zu erscheinen.

Derjenige, für welchen das Pferd wieherte, derjenige, für welchen der Hund sprang, erschien endlich ebenfalls, und es erscholl ein einziger Ruf, wiederholt von tausend Stimmen:

»Es lebe Don Federigo!«

Es kam wirklich Don Federigo, mit dem arabischen Häuptling plaudernd, der zu seiner Rechten ging, her vor; zu seiner Linken schritt ein junger Page von reizendem Antlitz, obgleich seine schwarzen Augenbrauen und das leichte Zusammenziehen seiner frischrothen Lippen seinen Zügen den Ausdruck der Festigkeit verliehen; er hielt weit geöffnet eine Börse voll Goldstücke, aus der Don Federigo, als er auf die erste Stufe kam, mit allen Fingern schöpfte, um, sodann mit seiner frauenartig weißen und zarten Hand einen blendenden Regen auf die bewegten Häupter der Menge strömen zu lassen, welche bei dieser unter den Vorgängern ihres neuen Herrn ungewohnten Freigebigkeit ihr Geschrei verdoppelte.

Dieser neue Herr war von einem Wuchse, der selbst zu Pferde majestätisch erschien. Die Mischung des gallischen Blutes mit dem spanischen hatte ihm lange schwarze Haare, blaue Augen und eine weiße Gesichtshaut gegeben: und aus diesen blauen Augen kamen so wohlwollende, so sanfte Blicke hervor, daß Viele, um ihn nicht eine Secunde aus den Augen zu verlieren, nicht einmal daran dachten, die Zechinen aufzuheben, und daß die Luft rings um den Palast von Segnungen erscholl.

War es Zufall, oder geschah es absichtlich, plötzlich nahmen die Trompeten und Posaunen, welche sich kurze Zeit unterbrochen hatten, ihre Fanfaren wieder auf; doch statt der heiteren, lustigen Töne, die sie hatten hören lassen, gaben sie dem Volk nur eine traurige, schwermüthige Melodie, während die Glocken, diese neue Erfindung, um als Dolmetscher zwischen den Menschen, und Gott zu dienen, statt ihres lebhaften und glänzenden Spieles, dumpfe, lange gedehnte Klänge aussandten, die einem Todtengeläute glichen.

Zu gleicher Zeit erhob sich der Hund vor seinem Herrn, stützte seine Vorderpfoten auf seine Brust und ließ ein so düsteres, so klägliches Geheule vernehmen, daß die Muthigsten darob schauerten.

Die Menge blieb stumm, und mitten unter diesem Stillschweigen rief eine Stimme: »Zieht nicht hinaus, Großmeister, bleibt bei uns, Don Federigo.«

Doch Niemand konnte wissen, wer den Rath gegeben hatte.

Bei diesem Rufe sah Agenor den Mauren beben und eine Erdfarbe annehmen, was die Blässe der Kinder der Sonne ist, während sein unruhiger Blick in der Tiefe des Herzens von Don Federigo die Antwort suchte, die er der so allgemeinen Bestürzung und dem vereinzelten Rufe geben würde.

Doch Don Federigo streichelte mit der Hand seinen heulenden Hund, machte seinem Pagen ein sanftes Zeichen, grüßte mit einem traurigen Lächeln die Menge, die ihn mit flehenden Augen und gefalteten Händen anschaute, und sprach:

»Meine guten Freunde, der König, mein Bruder, ruft mich nach Sevilla, wo mich die Feste und Turniere zur Feier unserer Wiederversöhnung erwarten. Statt mich abhalten zu wollen, zu meinem Bruder und meinem König zu gehen, segnet vielmehr die Einhelligkeit zweier Brüder, die sich lieben.«

Doch statt diese Worte mit Freude zu empfangen, empfing sie das Volk mit seinem düsteren Stillschweigen. Der Page flüsterte seinem Herrn einige Worte zu, und der Hund fuhr fort zu heulen.

Mittlerweile verlor der Maure weder das Volk, noch den Pagen, noch den Hund, noch Don Federigo aus dem Blick.

Die Stirne des Großmeisters verdüsterte sich jedoch einen Augenblick. Der Maure glaubte, er zögere, und sprach:

»Hoher Herr, Ihr wißt, daß jedes Menschen Geschick bei den Einen in dem goldenen Buch, bei den Andern in dem ehernen Buch eingeschrieben ist. Das Eurige ist in dem goldenen Buch eingeschrieben, erfüllt also muthig Euer Geschick.«

Don Federigo schlug seine Augen aus, die er eine Minute gesenkt gehalten hatte, als suchte er in dieser ganzen Menge ein befreundetes Gesicht, einen ermuthigenden Blick.

Gerade in dieser Sekunde erhob sich Agenor aus seinen Steigbügeln, um nicht den geringsten Umstand der Scene zu verlieren, die vor ihm in Erfüllung ging; als hätte er errathen, was der Großmeister suchte, hob er mit einer Hand sein Helmvisir aus und schwang mit der andern seine Lanze.

Der Großmeister stieß einen Freudenschrei aus, seine Augen funkelten und ein Lächeln der Wonne, das sich aus seinen jungfräulich-rosigen Lippen erschloß, verbreitete sich über sein ganzes Antlitz.

»Don Agenor!« rief er, die Hand gegen den Ritter ausstreckend.

Der Page, als ob er allein das Vorrecht hätte, in seinem Herzen zu lesen, brauchte nicht mehr zu hören; er eilte von der Seite von Don Federigo fort, lief aus den Ritter zu und rief:

»Kommt, Don Agenor, kommt.«

Die Menge trat aus die Seite, denn sie liebte Alles, was Don Federigo liebte, und sogleich hefteten sich Aller Augen aus den Ritter, den der Großmeister so freudig empfing, als einst der junge Tobias den göttlichen Gefährten, den ihm der Himmel sandte.

Agenor stieg ab, warf den Zügel seines Pferdes Musaron an den Arm, gab ihm seine Lanze, hing seinen Schild an den Sattelbogen und durchschritt die Menge, geführt von Pagen.

Der Maure erbleichte abermals. Er hatte den fränkischen Ritter, den er aus der Straße nach Coimbra getroffen, und den Knappen, dem er nicht geantwortet, wiedererkannt.

Federigo streckte indessen Agenor die Arme entgegen, und dieser stürzte darein mit dem Ergusse eines zwanzigjährigen Herzens.

Sie waren wunderbar anzuschauen, diese zwei schönen jungen Leute, deren Antlitz alle edle Gefühle athmete, welche so selten das Bild der Schönheit aus Erden vollständig machen.

»Folgst Du mir?« fragte Don Federigo Agenor.

»Ueberallhin,« antwortete der Ritter.

»Meine Freunde,« sprach nun der Großmeister mit seiner klangreichen Stimme, welche die Liebe der Menge war, »ich kann nun von hinnen ziehen und Ihr habt nichts zu befürchten; Don Agenor von Mauléon, mein Bruder, mein Freund, die Blüthe der fränkischen Ritterschaft, kommt mit mir.«

Und aus ein Zeichen des Großmeisters schlugen die Trommler einen lebhaften Marsch, bliesen die Trompeter eine freudige Fanfare; der Stallmeister brachte Don Federigo sein schönes schneeweißes Pferd, und alles Volk rief einstimmig: »Es lebe Don Federigo, der Großmeister von San Jago! Es lebe Don Agenor, der fränkische Ritter!«

In diesem Augenblick schaute der Hund von Don Federigo dem Ritter und dem Mauren ins Gesicht, Dem Mauren zeigte er seine weißen Zähne mit einem boshaften, bedrohlichen Knurren, dem Ritter machte er tausend Liebkosungen.

Der Page fuhr mit einem traurigen Lächeln mit der Hand über den Hals des Hundes.

»Hoher Herr,« sprach Agenor zu dem jungen Fürsten, »als Ihr mich Euch zu folgen batet, und ich Euch erwiderte, ich würde folgen, ging ich nur mit meinem Eifer zu Rath, wie ich dies that, als ich von Tarbes hierherkam. Von Tarbes hierher kam ich in sechzehn Tagen, und das ist ein harter Marsch; meine Pferde sind auch todt vor Müdigkeit, und ich kann Eure Herrlichkeit nicht sehr weit begleiten.«

»Ei!« rief Don Federigo, »habe ich Dir nicht gesagt, mein Palast sei der Deinige? Meine Waffen und meine Pferde gehören Dir, wie Alles, was in Coimbra ist; wähle in meinen Ställen Pferde für Dich, Maulthiere für Deinen Knappen, oder vielmehr, nein, nein, verlasse mich nicht einen Augenblick, Fernando wird Alles besorgen. Laß Antrim, mein Schlachtroß, satteln, und frage im Vorübergehen den Knappen von Don Agenor, ob er ein Pferd oder ein Maulthier vorziehe. Was Deine müden Rosse betrifft, ist Dir an ihnen gelegen, und jedem guten Ritter ist an den seinigen gelegen, so sollen sie bei der Nachhut folgen, und man wird sie schonen.«

Der Page machte nur einen Sprung und verschwand.

Mittlerweile war der Maure im Glauben, man würde ausbrechen, die Treppe hinabgestiegen, um rings um seine Sänfte zu gehen und denjenigen, welche sie bewachten, einige Befehle zu geben. Als er aber sah, daß man mit dem Ausbruch zögerte und daß die zwei Freunde, welche allein geblieben waren, ein paar vertrauliche Worte auszutauschen sich anschickten, stieg er rasch wieder zu ihnen hinaus und nahm abermals seinen Platz an der Seite des Großmeisters ein.

»Senor Mothril,« sprach dieser, »der Ritter, den Ihr hier seht, ist einer meiner Freunde. Es ist mehr als einer meiner Freunde, es ist mein Waffenbruder; ich nehme ihn mit mir nach Sevilla, denn, ich will ihn meinem Herrn, dem König von Castilien als Kapitän anbieten, und wenn der König die Gnade hat, mir ihn zu lassen, nachdem ich ihm denselben angeboten habe, werde ich ihn segnen. Denn es ist eine unvergleichliche Klinge und ein Herz noch tapferer als seine Klinge.«

Der Maure antwortete in vortrefflichem Spanisch, obgleich seine Aussprache durchaus nicht von dem gutturalen Accent frei war, den Agenor schon bemerkt hatte, als er aus der Straße nach Coimbra das einzige arabische Wort aussprach, nach welchem er sich wieder in Marsch gesetzt:

»Ich danke unserem Herrn, daß er mir den Namen und die Eigenschaft des Herrn Ritters mitgetheilt; doch der Zufall hatte mir schon den edlen Franzosen vorgestellt. Leider muß ein Fremder, ein Reisender, wenn er von einer feindlichen Race ist, wie ich, oft dem Zufall mißtrauen. Ich habe auch nicht mit der Höflichkeit, die ich hätte anwenden sollen, den Senor Agenor empfangen, den ich vor Kurzem im Gebirge traf.«

»Ah! Ah!« sagte Federigo neugierig; »Eure Herrlichkeiten haben sich schon begegnet?«

»Ja, Seigneur,« erwiderte Agenor in französischer Sprache, »und ich muß gestehen: daß sich der Herr Maure nicht herbeiließ, die einfache Frage zu beantworten, die ich durch meinen Stallmeister an ihn richtete, um mich nach dem Weg zu erkundigen, verletzte mich einigermaßen. Wir sind höflicher jenseits der Pyrenäen gegen die Fremden, unsere Gäste.«

»Messire,« erwiderte Mothril in spanischer Sprache, »Ihr irrt Euch, in einem Punkte. Es ist wahr, die Mauren sind noch in Spanien, doch sie sind schon nicht mehr zu Hause; und diesseits der Pyrenäen, Granada ausgenommen, sind die Mauren selbst nur Gäste der Spanier.«

»Ah!« machte leise Musaron, der sich allmälig den Stufen genähert hatte, »nun versteht er das Französische.«

»Diese Wolke zerstreue sich unter Euch; der Tenor Mothril, Freund und Minister meines Herrn, des Königs von Castilien, wird hoffentlich dem Ritter von Mauléon, dem Freund und Bruder seines Bruders, wohl einige Geneigtheit zuwenden.«

Der Maure verbeugte sich, ohne zu antworten, und da Musaron, stets neugierig, zu erfahren, was die Sänfte enthielt, sich dieser mehr näherte, als Mothril wohl wünschte, daß man sich ihr nähern möchte, so stieg er die Stufen hinab und stellte sich, unter dem Vorwand, einen von seinen Knechten einen vergessenen Auftrag vollziehen zu lassen, zwischen die Sänfte und den Knappen.

Federigo benützte diesen Augenblick, um sich an das Ohr von Agenor zu neigen, und sagte: »Du siehst in diesem Mauren denjenigen, welcher meinen Bruder beherrscht, und folglich mich beherrscht.«

»Ah!« erwiderte Agenor, »warum dieses bittere Wort? Ein Fürst von Eurem Geschlecht, ein Ritter von Eurer Tapferkeit, erinnert Euch dessen stets, Don Federigo, darf nur von Gott beherrscht werden.«

»Und dennoch gehe ich nach Sevilla,« entgegnete seufzend der Großmeister.

»Und warum geht Ihr dahin?«

»Der König Don Pedro bittet mich darum und die Bitten des Königs Don Pedro sind Befehle.«

Der Maure schien getheilt zwischen dem Aerger, sich von seiner Sänfte trennen zu sollen, und der Furcht, Don Federigo zu viel zu dem französischen Ritter sagen zu lassen. Die Furcht bekam die Oberhand und er kehrte zu den zwei Freunden zurück.

»Hoher Herr,« sprach er zu Don Federigo, »ich sehe mich veranlaßt, Eurer Herrlichkeit eine Nachricht mitzutheilen, die ihre Pläne durchkreuzt. Ich mußte mich zuvor bei meinem Geheimschreiber erkundigen, obschon ich beinahe Gewißheit hatte. Der König Don Pedro hat zum Anführer seiner Leibwachen einen Kapitän von Tarisa, einen tapferen Mann, in den er sein ganzes Vertrauen setzt, obgleich seine Voreltern jenseits der Meerenge geboren sind. Ich würde also befürchten, der Herr Franzose dürfte sich eine vergebliche Mühe machen, wenn er an den Hof von König Don Pedro käme, und ertheile ihm deshalb den Rath, in Coimbra zu bleiben, um so mehr, als bekanntermaßen Dona Padilla die Franzosen nicht liebt.«

»In der That, das ist wahr, Senor Mothril.« sprach Federigo; »desto besser, dann behalte ich meinen Freund bei mir.« »Ich bin nicht nach Spanien, sondern nach Portugal gekommen. Ich bin nicht gekommen, um dem König Don Pedro, sondern um dem Großmeister Don Federigo zu dienen,« sprach Agenor voll Stolz. »Den Dienst, den ich suchte, habe ich, und ich will keinen Andern. Dies ist mein Herr.«

Und er verbeugte sich höflich vor seinem Freund.

Der Maure lächelte. Seine weißen Zähne funkelten unter seinem schwarzen Bart.

»Oh! die schönen Zähne!« sagte Musaron, »wie gut muß er beißen!«

In diesem Augenblick brachte der Page Antrim, das Schlachtroß des Großmeisters, und Coronella, das Maulthier von Musaron. Der Austausch war bald vorgenommen.

Agenor von Mauléon bestieg das frische Pferd, Musaron das frische Maulthier; man übergab die müden Rosse den Troßknechten, und aus die Einladung des Mauren ging Don Federigo die Stufen hinab und wollte ebenfalls zu Pferde steigen.

Doch zum zweiten Male schien sich der schöne Hund mit den langen seidenen Haaren seiner Absicht zu widersetzen. Er stellte sich zwischen seinen Herrn und sein Pferd, suchte seinen Herrn zurückzudrängen und heulte.

Doch Don Federigo schob ihn mit dem Fuß aus die Seite, schwang sich trotz aller dieser Kundgebungen seines treuen Hundes in den Sattel und gab Befehl zum Aufbruch. Dann, als hätte er diesen Befehl begriffen und als wäre er dadurch in Verzweiflung gebracht, sprang der Hund dem Roß an die Kehle und biß es grausam.

Das Pferd bäumte sich, wiehernd vor Schmerz, und machte einen Seitensprung, der jeden Andern, als einen so erfahrenen Reiter wie Don Federigo aus dem Sattel geworfen hätte.

»Nun! Alan,« rief er, indem er seinem Hund den Namen gab, unter welchem man seine Race bezeichnete. »Böses Thier, wirst du wüthend?«

Und er versetzte ihm mit der Peitsche, die er in der Hand hielt, einen so gewaltigen Hieb, daß das Thier niedergeschmettert zehn Schritte fortrollte.

»Man muß diesen Hund tödten,« sagte Mothril.

Fernando schaute den Mauren von der Seite an.

Alan setzte sich auf die Stufen des Alcazar, hob den Kopf in die Höhe, öffnete den Rachen und heulte zum zweiten Male kläglich.

Da erhob das ganze Volk, welches stillschweigend dieser langen Scene beigewohnt, die Stimme, und der Ruf, der schon einmal aus einem einzigen Munde ertönt hatte, wurde ein allgemeiner Schrei.

»Zieht nicht von hinnen, Großmeister Don Federigo! bleibt bei uns. Großmeister! Was braucht Ihr einen Bruder, da Ihr ein Volk habt! Was verheißt Euch Sevilla, was Euch nicht, auch Coimbra böte?«

»Hoher Herr,« sprach Mothril, »soll ich zum König, meinem Herrn, zurückkehren und ihm sagen. Euer Hund, Euer Page und Euer Volk wollen nicht, daß Ihr kommet?«

»Nein, Senor Mothril,« erwiderte Don Federigo, »wir gehen; vorwärts, meine Freunde.«

Und er grüßte das Volk mit der Hand, stellte sich an die Spitze des Reiterzuges und durchschnitt die schweigsame Menge, die sich vor ihm öffnete.

Man schloß die vergoldeten Gitter des Alcazar, welche ächzten wie die verrosteten Pforten eines leeren Grabgewölbes.

Der Hund blieb auf den Stufen, so lange er seinen Herrn sehen konnte, so lange er hoffen konnte, er würde seinen Entschluß ändern und zurückkehren; als er aber diese Hoffnung verloren hatte, als Don Federigo an der Biegung der Straße, welche nach dem Thore von Sevilla führte, verschwunden war, stürzte er ihm nach und holte ihn ein, als wollte er, da er ihn nicht hatte abhalten können, der Gefahr entgegenzugehen, wenigstens diese Gefahr mit ihm theilen. Zehn Minuten nachher hatte man Coimbra hinter sich und schlug den Weg ein, aus welchem am Morgen der Maure Mothril und Agenor von Mauléon gekommen waren.

Der Bastard von Mauléon

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