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01 – 04. Bändchen
III.
Die Rue des Fossés-Saint-Victor
ОглавлениеAls sich Maurice mit der jungen Frau allein fand, fühlte er sich ein wenig verlegen. Die Furcht, bethört zu sein, der Reiz dieser wunderbaren Schönheit, ein unbestimmter innerer Vorwurf, der das reine Gewissen des exaltirten Republikaners bedrückte, hielten ihn im Augenblick zurück, wo er der jungen Frau seinen Arm zu geben im Begriff war.
»Wohin gehen Sie, Bürgerin?« sagte er zu ihr.
»Ach! mein Herr, sehr weit,« antwortete sie.
»Aber doch . . .«
»In die Gegend des Jardin des Plantes.«
»Es ist gut: gehen wir.«
»Oh! mein Gott, mein Herr,« sprach die Unbekannte, »ich sehe wohl, daß ich Sie belästige; doch glauben Sie mir, ohne das Unglück, das mir begegnet ist, und wenn ich nicht große Gefahr zu laufen überzeugt wäre, würde ich Ihren Edelmuth nicht so mißbrauchen.«
»Aber, Madame,« sprach Maurice, der bei diesem Zusammensein unter vier Augen die von dem Wörterbuch der Republik vorgeschriebene Sprache vergaß und zu seiner gewöhnlichen Sprache zurückkehrte, »wie kommt es, aufrichtig gestanden, daß Sie sich zu dieser Stunde aus den Straßen von Paris befinden? Sehen Sie, ob Sie, uns ausgenommen, eine einzige Person erblicken?«
»Mein Herr, ich habe es Ihnen gesagt: ich machte einen Besuch im Faubourg du Roule. Ich entfernte mich um Mittag von Hause, ohne etwas von dem zu wissen, was vorgeht, und kehrte nun zurück, ohne mehr erfahren zu haben: meine ganze Zeit verging in einem etwas entlegenen Hause.«
»Ja,« murmelte Maurice, »in irgend einem Hause von Ci-devant, in einem Aristokratenschlupfwinkel. Gestehen Sie, Bürgerin, daß Sie, während Sie ganz laut Beistand von mir verlangen, ganz leise darüber lachen, daß ich Ihnen denselben gewähre.«
»Ich!« rief sie, »und warum dies?«
»Allerdings; Sie sehen, daß ein Republikaner Ihnen als Führer dient; nun, dieser Republikaner verräth ganz einfach seine Sache.«
»Aber, Bürger,« versetzte die Unbekannte, »Sie sind im Irrthum, ich liebe die Republik eben so sehr als Sie.«
»Wenn sie eine gute Patriotin sind, haben Sie nichts zu befürchten. Woher kommen Sie?«
»Oh! mein Herr, ich bittet!« sagte die Unbekannte.
Es lag in diesem mein Herr ein solcher Ausdruck tiefer, zarter Schamhaftigkeit, daß sich Maurice in den darin enthaltenen Gefühlen nicht täuschen zu können glaubte.
»Diese Frau kommt sicherlich von einem Liebesrendezvous,« sagte er.
Und ohne zu begreifen, warum, fühlte er, wie sich bei diesem Gedanken sein Herz zusammenschnürte.
Bon diesem Augenblick an versank er in ein Stillschweigen.
Die zwei nächtlichen Wanderer hatten indessen die Rue de la Verrerie erreicht, nachdem sie drei oder vier Patrouillen begegnet waren, welche sie mit Hilfe des Losungswortes frei ziehen ließen, als bei einer letzten der Officier Schwierigkeiten zu machen schien.
Maurice glaubte dem Losungsworte seinen Namen und seine Wohnung beifügen zu müssen.
»Gut,« sagte der Officier, »daß ist für Dich, aber die Bürgerin?«
»Die Bürgerin?«
»Wer ist sie?«
»Es ist . . . die Schwester meiner Frau.«
Der Officier ließ sie vorüber.
»Sie sind also verheirathet, mein Herr?« flüsterte die Unbekannte.
»Nein, Madame; warum dies?«
»Weil es dann kürzer gewesen wäre, Sie hätten gesagt, ich sei Ihre Frau,« erwiderte sie lachend.
»Madame,« sprach Maurice, »der Name Frau ist ein heiliger Titel, den man nicht leichtsinnig geben muß. Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen.«
Nun war die Reihe an der Unbekannten, sie fühlte ebenfalls, wie ihr Herz sich zusammenschnürte, und Versank auch in ein Stillschweigen.
In diesem Augenblick gingen sie über den Pont Marie.
Die junge Frau marschierte immer schneller, je mehr man sich dem Ziele des Laufes näherte.
Man kam über den Pont de la Tournelle.
»Wir sind, glaube ich, in Ihrem Quartier,« sagt Maurice, als er den Fuß aus den Quai Saint-Bernard setzte
»Ja, Bürger,« sprach die Unbekannte, »doch gerade! hier bedarf ich Ihres Beistands am meisten.«
»In der That, Madame, Sie verbieten mir, indiscret zu sein, und thun zu gleicher Zeit Alles, was Sie können, um meine Neugierde rege zu machen. Ich bitte, etwas Vertrauen, ich habe es, wie ich glaube, wohl verdient. Werden Sie mir nicht die Ehre erweisen, mir zu sagen, mit wem ich spreche?«
»Mein Herr,« versetzte die Unbekannte lächelnd, »Sie sprechen mit einer Frau, die Sie von der größten Gefahr, welcher sie je preisgegeben war, gerettet haben, und die Ihnen ihr ganzes Leben dankbar sein wird.«
»Ich verlange nicht so viel von Ihnen, Madame; seien Sie minder dankbar und sagen Sie mir in dieser Sekunde Ihren Namen.«
»Unmöglich.«
»Sie hätten ihn doch dem ersten besten Sectionär genannt, der Sie aus den Posten geführt haben würde.«
»Nein, niemals!« rief die Unbekannte.
»Dann wären Sie in den Kerker gebracht worden.«
»Ich war zu Allem entschlossen.«
»Aber der Kerker in diesem Augenblick . . .«
»Ist das Schaffot, ich weiß es.«
»Und Sie hätten das Schaffot vorgezogen?«
»Dem Verrath . . . meinen Namen nennen hieß verrathen!«
»Ich sagte Ihnen wohl, daß Sie mich eine sonderbare Rolle für einen Republikaner spielen ließen!«
»Sie spielen die Rolle eines edelmüthigen Mannes. Sie finden eine arme Frau, die man beleidigt, Sie verachten sie nicht, obgleich sie vom Volke ist, und da sie abermals beleidigt werden kann, so führen Sie diese Frau, um sie aus dem Schiffbruch zu retten, bis zu dem elenden Quartiere zurück, das sie bewohnt: das ist das Ganze.«
»Ja, Sie haben Recht, dem Anscheine nach; das hätte ich glauben können, wenn ich Sie nicht gesehen, wenn Sie nicht mit mir gesprochen hätten. Doch Ihre Schönheit, Ihre Sprache bezeichnen eine Frau von Distinction; gerade aber diese Distinction, im Gegensatz mit Ihrer Kleidung und diesem elenden Quartier, beweist mir, daß Ihr Ausgang zu dieser Stunde irgend ein Geheimnis verbirgt; Sie schweigen . . . sprechen wir nicht mehr davon. Sind wir noch fern von Ihrer Wohnung, Madame?«
In diesem Augenblick traten sie in die Rue des Fossés» Saint-Victor, durch die Rue de Seine.
»Sie sehen jenes kleine, schwarze Gebäude?« sagte die Unbekannte, indem sie die Hand gegen ein Haus ausstreckte, das jenseits der Mauern des Jardin des Plantes lag.
»Sehr gut, Madame. Befehlen Sie, ich bin da, um zu gehorchen.«
»Sie werden ärgerlich?«
»Ich! nicht im Geringsten; was ist übrigens Ihnen daran gelegen?«
»Es ist mir viel daran gelegen, denn ich habe mir von Ihnen noch etwas zu erbitten.«
»Was?«
»Einen sehr herzlichen und liebevollen Abschied, einen Freundesabschied!«
»Einen Freundesabschied! oh! Sie erweisen mir zu viel Ehre, Madame. Ein seltsamer Freund, der nicht einmal den Namen seiner Freundin weiß, und dem die Freundin ihre Wohnung verbirgt, ohne Zweifel aus Furcht vor der Unannehmlichkeit, ihn wiederzusehen.«
Die junge Frau neigte das Haupt und antwortete nicht.
»Madame,« fuhr Maurice fort, »wenn ich ein Geheimnis errathen habe, so dürfen Sie mir deßhalb nicht grollen, ich trachtete nicht darnach.«
»Ich bin an Ort und Stelle, mein Herr,« sprach die Unbekannte.
Man war vor der Rue Saint-Jacques, welche von hohen, schwarzen Häusern eingefaßt, von dunkeln Gängen und von Gäßchen durchzogen war, in denen Lohgerber und ähnliche Handwerker ihre Geschäfte betrieben, denn zwei Schritte daran läuft das kleine Flüßchen Bièvre.
»Hier?« sagte Maurice, »hier wohnen Sie?«
»Ja.«
»Unmöglich!«
»Es ist dennoch so. Leben Sie wohl, mein braver Ritter, leben Sie wohl, mein edler Beschützer!«
»Leben Sie wohl, Madame,« erwiderte Maurice mit einer leichten Ironie; »aber sagen Sie mir, um mich zu beruhigen, daß Sie keine Gefahr mehr laufen.«
»Keine.«
»Dann entferne ich mich.«
Und Maurice machte eine kalte Verbeugung und wich zwei Schritte zurück.
Die Unbekannte blieb einen Augenblick auf demselben Platze,
»Ich möchte nicht gern so von Ihnen Abschied nehmen,« sagte sie, »geben Sie mir Ihre Hand, Herr Maurice.«
Maurice näherte sich der Unbekannten und reichte ihr seine Hand.
Er fühlte, daß ihm die junge Frau einen Ring an, den Finger gleiten ließ.
»Oh! oh! was machen Sie denn da? Sie bemerken nicht, daß Sie einen von Ihren Ringen verlieren?«
»Oh! mein Herr,« erwiderte sie, »was Sie da thun, ist sehr schlimm.«
»Nicht wahr, Madame, es fehlte mir nur noch das Laster, undankbar zu sein?«
»Ich bitte Sie, mein Herr . . . mein Freund, verlassen sie mich nicht so, sprechen Sie, was wünschen Sie, was verlangen Sie?«.
»Nicht wahr, um bezahlt zu sein?'' versetzte der junge Mann voll Bitterkeit.
»Nein,« sprach die Unbekannte mit einem bezaubernden Ausdruck, »aber um mir das Geheimnis zu vergeben, das ich gegen Sie zu bewahren genöthiqt bin.«
Als Maurice in der Dunkelheit diese schönen, beinahe thränenfeuchten Augen glänzen sah, als er diese warme Hand in seinen Händen zittern fühlte, als er diese Stimme hörte, welche beinahe zum Tone der Bitte herabgesunken war, ging er plötzlich vom Zorn zu einem Gefühl der Begeisterung über.
»Was ich verlange?« rief er, »ich verlange, Sie wiederzusehen.«
»Unmöglich.«
»Wäre es nur ein einziges Mal, eine Stunde, eine Minute, eine Secunde.«
»Unmöglich, sage ich Ihnen.«
»Wie!« fragte Maurice. »Sagen Sie mir im Ernst, ich Sie nie wiedersehen wer«e?«
»Nie!« antwortete die Unbekannte wie ein schmerzliches Echo.
»Oh, Madame, Sie spotten meiner offenbar,« sprach Maurice.
Und er erhob sein edles Haupt und schüttelte seine langen Haare nach der Weise eines Mannes, der einer Gewalt entkommen will, die ihn unwillkürlich umfesselt hält.
Die Unbekannte schaute ihn mit, einem unbeschreiblichen Ausdruck an. Man sah, daß sie nicht ganz dem Gefühl entgangen war, das sie einflößte.
«Hören Sie,« sprach sie nach einem kurzen Stillschweigen, das nur durch einen Seufzer unterbrochen worden war, welchen Maurice vergebens zu ersticken gesucht hatte. »Hören Sie! schwören Sie mir bei Ihrer Ehre, Ihre Augen von dem Momente an, wo ich es sagen werde, bis zu dem, wo Sie sechzig Secunden gezählt haben, geschlossen zu halten; doch hier . . . bei Ihrer Ehre. . . .«
»Und wenn ich schwöre, was wird geschehen?«
»Es wird geschehen, daß ich Ihnen meine Dankbarkeit beweise, wie ich sie nie einem Menschen zu beweisen gelobe, würde man auch mehr für mich thun, als Sie für mich gethan haben, was übrigens schwer wäre.«
»Aber darf ich denn nicht wissen…?«
»Nein, vertrauen Sie mir, und Sie werden sehen.«
»In der That, Madame, ich weiß nicht, ob Sie ein Engel «der ein Teufel sind.«
»Schwören Sie?«
»Nun ja, ich schwöre.«
»Was auch geschehen mag, Sie werden die Augen nicht öffnen. . . was auch geschehen mag, verstehen Sie wohl? Und sollten Sie sich von einem Dolchstoße getroffen fühlen.«
»Bei meinem Ehrenwort, Sie betäuben mich mit dieser Forderung.«
»Ei, so schwören Sie doch, mein Herr, Sie wagen, wie mir scheint, nicht viel.«
»Nun! ich schwöre, was mir auch begegnen mag,« sagte Maurice und schloß halb die Augen.
Er blieb stehen.
»Lassen Sie mich Sie nur noch einmal sehen, nur ein einziges Mal, ich stehe Sie an,« sprach er.
Die junge Frau schlug ihren Capuchon mit einem Lächeln zurück, das nicht ganz von Coquetterie frei war; und bei dem Schimmer des Mondes, der in diesem Augenblick zwischen zwei Wollen durchschlüpfte, konnte er zum zweiten Male diese langen, in ebenholzschwarzen Locken herabhängenden Haare, den vollkommenen Bogen einer doppelten, wie mit chinescher Tusche gezeichneten Augbraue, zwei mantelartig geschlitzte, sammetne, schmachtende Augen, eine Nase von der ausgezeichnetsten Form und Lippen, frisch und glänzend wie Korallen sehen.
»Oh! Sie sind schön, sehr schön, zu schön!« rief Maurice.
»Schließen Sie die Augen,« sagte die Unbekannte.
Maurice gehorchte.
Die junge Frau nahm seine zwei Hände in die ihrigen und drehte ihn, wie sie wollte. Plötzlich schien sich eine duftende Wärme seinem Gesichte zu nähern, und ein Mund streifte seinen Mund und ließ zwischen seinen beiden Lippen den Ring, den er ausgeschlagen hatte.
Es war ein Gefühl, rasch wie der Gedanke, brennend wie eine Flamme. Maurice hatte eine Empfindung, welche beinahe dem Schmerze glich, so unerwartet war sie, so sehr war sie in die Tiefe des Herzens gedrungen und hatte die geheimsten Fibern desselben beben gemacht.
Er machte eine ungestüme Bewegung und streckte die Arme vor sich aus.
»Ihr Schwur!« rief eine bereits entfernte Stimme, Maurice drückte seine krampfhaft zusammengezogenen Hände auf seine Augen, um der Versuchung, meineidig zu werden, zu widerstehen. Er zählte nicht mehr, er dachte nicht mehr, er blieb stumm, unbeweglich, schwankend.
Nach einem Augenblick hörte er etwas wie das Geräusch einer Thüre, die sich auf fünfzig oder sechzig schritte von ihm schloß. Dann wurde wieder Alles still im schweigsam.
Nun löste er seine Finger, öffnete die Augen wieder und schaute umher wie ein Erwachender, und er hätte vielleicht geglaubt, er erwache wirklich und Alles, was ihm begegnet, sei nur ein Traum gewesen, hätte er nicht zwischen seinen Lippen den Ring festgehalten, der dieses unglaubliche Abenteuer zu einer unbezweifelbaren Wahrheit machte.