Читать книгу Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма - Страница 24

Sechstes bis zehntes Bändchen
Erstes Kapitel.
Blendung

Оглавление

Die Sonne war ungefähr im Dritteile ihren Laufes angelangt und ihre Strahlen fielen warm und belebend auf die Felsen, welche selbst für die Wärme empfänglich zu sein schienen. Tausende von Grillen ließen, unsichtbar im Heidekraut, ihr eintöniges, unablässiges Gemurmel vernehmen Die Blätter der Myrten und Feigenbäume zitterten und gaben ein beinahe metallisches Geräusch von sich. Bei jedem Schritte, den Edmond auf dem erwärmten Granit that, machte er die smaragdgrünen Eidechsen entfliehen. Man sah in der Ferne auf den Abschüssen der Insel die wilden Ziegen springen, welche zuweilen die Jäger dahin locken, mit einem Worte, die Insel war bewohnt, belebt, und dennoch fühlte sich Edmond allein unter der Hand Gottes. Es erfaßte ihn irgend eine innere Bewegung, welche ziemlich viel Ähnlichkeit mit der Furcht hatte. Es war das Mißtrauen gegen den lichten Tag, das selbst in der Wüste vermuten läßt, daß forschende Augen auf uns schauen.

Dieses Gefühl war so stark, daß Edmond in der Minute, wo er zur Arbeit schreiten wollte, inne hielt, seine Haue niederlegte, seine Flinte wieder aufnahm, zum letzten Male den höchsten Felsen der Insel erstieg und von da einen weiten Blick auf Alles warf, was ihn umgab. Aber was seine Aufmerksamkeit anzog, war weder das poetische Corsica, dessen Häuser er sogar unterscheiden konnte, noch das darauf folgende beinahe unbekannte Sardinien, noch die Insel Elba mit den riesenhaften Erinnerungen, noch die unmerkliche Linie, die sich am Horizont ausdehnte und dem Auge des Seemanns das stolze Genua und das handeltreibende Livorno enthüllte; nein, es war die Brigantine, welche bei Tagesanbruch, und die Tartane, welche so eben die Anker gelichtet hatte; die erste war auf dem Punkte, in der Meerenge von Bonifacio zu verschwinden, die andere fuhr, dem entgegengesetzten Wege folgend, an Corsica hin und war im Begriff, diese Insel zu umsegeln.

Dieser Anblick beruhigte Edmond, er lenkte nun seine Augen auf die Gegenstände zurück, die ihn mehr unmittelbar umgaben; auf dem höchsten Punkte der conischen Insel sah er sich als die gebrechliche Statue dieses ungeheuren Piedestals; unter ihm kein Mensch; um ihn her keine Barke, nichts als das azurblaue Meer, das die Base der Insel peitschte, welche das ewige Anschlagen mit einer silbernen Franse besetzte. Dann stieg er mit raschen Schritten, aber vorsichtig hinab: er hatte in diesem Augenblick gewaltig bange vor einem Unfall, wie der, welchen er so geschickt und glücklich vorgegeben.

Dantes hatte, wie gesagt, die Gegenspur der in den Felsen zurückgelassenen Kerben genommen und gesehen, daß diese Linie zu einem kleinen, wie ein Nymphenbad des Altertums verborgenen, Krek führte. Diesen Krek war in seiner Öffnung weit genug und in seinem Mittelpunkte tief genug, daß ein kleines Fahrzeug von der Art der Speronaren einlaufen und darin verborgen bleiben konnte. Den Faden der Schlüsse verfolgend, diesen Faden, den er in den Händen des Abbé Faria den Geist auf eine so sinnreiche Weise hatte durch das Irrsal der Wahrscheinlichkeiten führen sehen, – dachte er, der Cardinal Spada habe in seinem Interesse, nicht bemerkt zu werden, in diesem Krek gelandet, sein kleines Fahrzeug darin versteckt, die von den Kerben angedeutete Linie verfolgt und am Ende dieser Linie seinen Schatz vergraben. Dieser Gedanke hatte Dantes zu dem kreisförmigen Felsen zurückgeführt. Nur Eines beunruhigte Edmond und stürzte alle seine Gedanken nieder: wie hatte man, ohne beträchtliche Kräfte anzuwenden, diesen Felsen, welcher vielleicht fünfzig bis sechzigtausend Pfundschwer war, auf die Base emporarbeiten können, auf der er ruhte?

Plötzlich kam Dantes ein Gedanke.

»Statt den Felsen hinaufzuarbeiten, hat man ihn ohne Zweifel herabgeschafft,« sagte er zu sich selbst und er eilte über den Felsen hinaus, um die Stelle seiner ersten Base zu suchen. Er sah in der Tat bald, daß nachdem ein leichter Abhang gemacht worden, der Felsen von seiner Base herabgeglitten war und an der Stelle angehalten hatte, wo ihm ein anderer Felsen, so groß als ein gewöhnliches Werkstück, als Untersatz diente. Steine und Kiesel waren sorgfältig wieder an die entsprechenden Orte gelegt worden, um jede Auflösung des Zusammenhangs verschwinden zu machen; diese, so zusagen, Maurerarbeit hatte man mit vegetabilischer Erde bedeckt, das Gras war gewachsen, das Moos hatte sich ausgebreitet, einige Myrten- und Mastirsamen hatten sich festgesetzt, und der alte Felsen schien an den Boden gelöthet. Dantes nahm vorsichtig die Erde weg und erkannte das sinnreiche Kunstwerk oder glaubte es wenigstens zu erkennen. Dann fing er an, mit der Haue diese durch die Zeit verkittete Zwischenmauer anzugreifen.

Nach einer Arbeit von zehn Minuten gab die Mauer nach, und es ward ein Loch, durch das man den Armschieben konnte, geöffnet. Dantes fällte den stärksten Olivenbaum, den man finden konnte, entblößte ihn von seinen Zweigen, steckte ihn in das Loch und machte einen Hebel daraus; aber der Fels war zugleich zu schwer und zu fest durch den unteren Felsen unterlegt, als daß eine menschliche Kraft, und wäre es die von Herkules gewesen, ihn hätte erschüttern können.

Dantes bedachte nun, daß er diese Unterlage selbst angreifen müsse, aber durch welches Mittel? Er schaute umher, wie es verlegene Menschen tun, und sein Blick fiel auf ein Pulverhorn, das ihm sein Freund Jacopo zurückgelassen hatte; er lächelte: die höllische Erfindung sollte das Werk verrichten.

Mit Hilfe seiner Haue grub Dantes zwischen dem oberen Felsen und demjenigen, auf welchem dieser ruhte, einen Minengang, wie es die Pioniere zu tun pflegen, wenn sie dem Arme des Menschen eine zu große Anstrengung ersparen wollen, dann verstopfte er ihn mit Pulver, fädelte sein Sacktuch aus, wälzte es im Salpeter und machte eine Lunte daraus. Sobald die Lunte brannte, entfernte sich Dantes. Die Explosion ließ nicht auf sich warten; der obere Felsen wurde einen Augenblick durch die unberechenbare Kraft aufgehoben, der untere zersprang in Stücke. Durch die kleine Öffnung, welche Dantes zuerst gemacht hatte, kam eine ganze Welt von zitternden Insekten hervor, und eine ungeheure Natter, die Wächterin dieses geheimnisvollen Weges, wälzte sich auf ihren bläulichen Ringen fort und verschwand.

Dantes näherte sich. Nunmehr ohne Stütze, neigte sich der obere Felsen gegen den Abgrund. Der unerschütterliche Sucher machte die Runde um denselben, wählte eine von den schwankendsten Stellen, stützte seinen Hebel an eine seiner Ecken und stemmte sich mit seiner ganzen Kraft, einem Sisyphus ähnlich, gegen den Felsen. Bereits durch die Explosion erschüttert, wankte der Fels; Dankes verdoppelte seine Anstrengung. Man hätte glauben sollen, einer von den Titanen reiße Berge mit der Wurzel aus, um mit dem Herrn der Götter Krieg zu führen. Der Fels gab endlich nach, rollte, sprang, stürzte nieder und verschwand, sich im Meere versenkend. Er ließ einen kreisförmigen Platz entblößt und brachte einen eisernen Ring an den Tag, welcher mitten in eine Platte von viereckiger Form gelöthet war.

Dankes stieß einen Schrei der Freude und des Erstaunens aus. Nie hatte ein glänzenderer Erfolg einen ersten Versuch gekrönt. Er wollte fortfahren, aber seine Beine zitterten so stark, sein Herz schlug so heftig, eine so glühende Wolke zog vor seinen Augen vorüber, daß er inne halten mußte. Dieses augenblickliche Zögern hatte die Dauer eines Blitzes. Edmond steckte seinen Hebel in den Ring, hob ihn kräftig, und aus ihrem Kitte gebrochen, öffnete sich die Platte und entblößte den jähen Abhang einer Art von Treppe, welche sich in den Schatten einer immer dunkler werdenden Grotte vertiefte.

Ein Anderer wäre mit einem Freudengeschrei hineingestürzt, Dantes blieb stehen, erbleichte, zweifelte.

»Ruhig, ich will ein Mann sein,« sagte er zu sich selbst. »Ich will, an das Unglück gewöhnt, mich nicht durch eine Täuschung niederschlagen lassen, sonst hätte ich vergebens gelitten. Das Herz bricht, wenn es, nachdem es übermäßig durch die Hoffnung dem warmen Atem geöffnet war, zurücktritt und sich in die kalte Wirklichkeit verschließt. Faria hatte einen Traum; der Cardinal Spada hat nichts in dieser Grotte vergraben, vielleicht ist er sogar niemals hierher gekommen, oder wenn er hier gewesen, so ist Cesare Borgia, der unerschütterliche Abenteurer, der finstere, unermüdliche Dieb nach ihm gekommen, hat seine Spur entdeckt, dieselben Zeichen vefolgt wie ich, diesen Stein aufgehoben wie ich, und, vor mir hinabsteigend, nichts zum Nehmen zurückgelassen.«

Er blieb eine Minute unbeweglich nachdenklich, die Augen auf die finstere Öffnung geheftet.

»Ja, ja, das ist ein Abenteuer, das seine Stelle in dem vom Licht und Schatten gemischten Leben dieses königlichen Banditen findet. In dem Gewebe von seltsamen Ereignissen, welche den buntscheckigen Einschlag seines Daseins bilden, mußte sich dieses fabelhafte Abenteuer unsichtbar mit anderen Dingen verketten. Ja, Borgia ist in einer Nacht hierher gekommen, in der einen Hand eine Fackel, in der andern ein Schwert haltend, während zwanzig Schritte von ihm, düster und drohend, die Erde, die Luft und das Meer beobachtend, zwei Sbirren standen, indes ihr Herr eintrat, wie ich es tun will, und mit seinem flammenden, furchtbaren Arme die Finsternis verjagte. Ja, aber was mag Cesare mit den Sbirren getan haben, denen er auf diese Art sein Geheimnis, verriet?« fragte sich Dantes, »Das,« antwortete er lächelnd, »was man mit den Bestattern von Alarich getan hat, welche man mit dem Beerdigten begrub. Nun aber, da ich auf nichts mehr zähle, und da ich mir gesagt habe, daß es unsinnig wäre, eine Hoffnung zu nähren, ist die Folge dieses Abenteuers für mich eine Folge der Neugierde, und nicht mehr.«

Und er blieb abermals unbeweglich und nachsinnend.

»Kam er indessen hierher,« fuhr Dantes fort, »fand er den Schatz und nahm er denselben, so wußte Borgia, der Mann, der Italien mit einer Artischocke verglich und der es Blatt für Blatt verzehrte, seine Zeit zu gut zu verwenden, als daß er sie damit verloren hätte, daß er diesen Felsen wieder auf seine Vase stellte. Wir wollen hinabsteigen.«

Und er stieg hinab, ein Lächeln auf den Lippen, und murmelte das letzte Wort der menschlichen Weisheit:

»Vielleicht! . . . «

Aber statt der Finsternis, die er zu finden erwartet hatte, statt einer undurchsichtigen schlechten Atmosphäre, sah Dankes nur einen sanften, in bläuliches Tageslicht zersetzten Schimmer; Luft und Licht drangen nicht nur durch die Öffnung, welche man angebracht hatte, sondern auch durch unsichtbare Felsspalten des oberen Bodens, durch welche man das Azur des Himmels erblickte, worauf die zitternden Zweige der grünen Eichen und die dornigen Fasern der Brombeerstauden spielten. Nach einem Aufenthalte von ein paar Sekunden in dieser Höhle, deren mehr laue als feuchte, mehr duftende als fade Atmosphäre zu der Temperatur der Insel sich verhielt, wie der blaue Schimmer zu der Sonne, vermochte der, wie gesagt, an die Finsternis gewöhnte Blick von Dantes die entferntesten Winkel der Höhle zu ergründen: sie war von einem Granit, dessen mit Flindern besäte Rauten wie Diamanten funkelten.

»Ach!« sagte Edmond zu sich selbst, »das sind ohne Zweifel die Schätze, welche der Cardinal übrig gelassen hat und der gute Abbé wird sich, als er im Traume diese glänzenden Wände erblickte, mit seinen reichen Hoffnungen unterhalten haben!«

Aber Dantes erinnerte sich der Worte den Testaments, das er auswendig wußte: »Ja der entferntesten Ecke der zweiten Öffnung,« sagte das Testament.

Dantes war aber nur in die erste Grotte gedrungen und mußte nun den Eingang in die zweite suchen.

Dantes erforschte die Örtlichkeit. Diese zweite Grotte mußte sich natürlich in das Innere der Insel vertiefen. Er untersuchte die Steinlagen und schlug an eine von den Wänden, welche ihm diejenige zu sein schien, wo die ohne Zweifel mit, großer Vorsicht markierte Öffnung sich finden mußte. Die Haue wiederhallte einen Augenblick und entlockte dem Felsen einen matten Ton, dessen Dichtigkeit den Schweiß auf der Stirne von Dantes perlen machte. Endlich kam es dem beharrlichen Gräber vor, als ob ein Teil der Granitmauer durch ein dumpferes, tieferes Echo den Ruf, der an sie erging, erwiderte. Er näherte seinen glühenden Blick der Wand und erkannte mit dem Takt den Gefangenen, was vielleicht kein Anderer erkannt hätte: nämlich daß hier eine Öffnung sein musste. Um sich jedoch keinen unnötige Arbeit zu machen, untersuchte Dantes, der wie Cäesare Borgia den Wert der Zeit ergründet hatte, die anderen Wände mit seiner Haue, befragte den Boden mit dem Schafte seiner Flinte, öffnete den Sand an verdächtigen Stellen, und kehrte, als er nichts fand, nichts erkannte, in demjenigen Teil der Wand zurück, welcher den tröstlichen Ton von sich gab. Hier mußte er wühlen.

Je mehr Beweise, daß Faria sich nicht getäuscht hatte, durch ihre Anhäufung Dantes beruhigen mußten, desto mehr gab sich sein schwaches Herz in Folge eines Geheinmisses der menschlichen Organisation dem Zweifel und beinahe der Entmutigung hin. Diese neue Erfahrung, welche ihm eine neue Kraft hätte Verleihen sollen, benahm ihm die Kraft, die ihm noch geblieben war; die Haue entfiel beinahe seinen Händen, er legte sie auf den Bodem trocknete sich die Stirne ab und stieg wieder an das Tageslicht hinauf, wobei er sich selbst den Vorwand gab, er wolle nachsehen, ob ihn Niemand bespähe, in Wirklichkeit aber, weil er der Luft bedurfte, weil er fühlte, daß er einer Ohnmacht nahe war.

Die Insel war öde und die Sonne, in ihrem Zenith, schien sie mit ihrem Feuerauge zu bedecken; in der Ferne öffneten kleine Fischerbarken ihre Flügel auf dem saphirblauen Meere. Dantes hatte noch nichts zu sich genommen, aber das Essen währte in einem solchen Augenblick viel zu lange; er goß sich einen Schluck Rhum in den Mund und kehrte mit befestigtem Herzen in die Grotte zurück. Die Haue, welche ihm schwer gedünkt hatte, war wieder leicht geworden; er hob sie auf, wie er es mit einer Feder getan hätte und ging kräftig an die Arbeit. Nach einigen Schlägen bemerkte er, daß die Steine nicht fest gemauert, sondern nur über einander gelegt und mit einem Anwurf bedeckt waren; Edmond steckte in eine von den Spalten das Eisen der Haue, drückte auf den Stiel und sah zu seiner großen Freude den Stein wie auf Angeln rollen und zu seinen Füssen fallen. Nun hatte Dantes nur noch jeden Stein mit dem eisernen Zahn der Haue an sich zu ziehen, und einer nach dein andern rollte zu dem ersten.

Sobald eine Öffnung gemacht war, hätte Dantes eintreten können, aber einige Augenblicke zögern hieß an die Hoffnung sich anklammernd die Gewißheit verzögern. Endlich ging Dantes von der ersten Grotte in die zweite.

Die zweite Grotte war niedriger, düsterer und furchtbarer anzuschauen, als die erste. Die Luft, welche nur durch die so eben gemachte Öffnung eindrang, war von dem mephitischen Geruche geschwängert, welchen Dantes zu seinem Erstaunen in der ersten nicht gefunden hatte. Dantes ließ der äußeren Luft Zeit, diese tote Atmosphäre wiederzubeleben, und trat dann ein. Links von der Öffnung war eine tiefe finstere Ecke, doch für das Auge von Dantes gab es, wie gesagt keine Finsternis. Er untersuchte mit dem Blicke die zweite Grotte: sie war leer wie die erste. Der Schatz, wenn er bestand, war in der düsteren Ecke vergraben.

Die Stunde der Angst war gekommene zwei Fuß Erde zu durchwühlen, das war Alles, was Dantes zwischen der höchsten Freude und der höchsten Verzweiflung blieb. Er schritt gegen die Ecke vor und griff, wie von einem plötzlichen Entschluß erfaßt, den Boden kühn an. Bei dem fünften oder sechsten Hiebe erscholl das Eisen auf Eisen. Nie brachte eine Totenglocke eine solche Wirkung auf denjenigen, welcher sie hörte, hervor. Hätte Dantes nichts gefunden, er wäre sicherlich nicht bleicher geworden. Er untersuchte neben der Stelle, wo er bereits untersucht hatte, und fand denselben Widerstand, aber nicht denselben Ton.

»Es ist eine hölzerne Kiste mit eisernen Reife,« sagte er.

In diesem Augenblick zog ein rascher Schatten, das Licht abschneidend, vorüber. Dantes ließ seine Haue fallen, ergriff seine Flinte schlüpfte durch die Öffnung und stürzte an den Tag hinaus. Eine wilde Ziege war über den ersten Eingang der Grotte gesprungen, und weidete einige Schritte von da. Sie bot eine schöne Gelegenheit, sich sein Mittagsmahl zu sichern, aber Dantes befürchtete, der Knall der Flinte könnte Jemand herbeiziehen. Er dachte einen Augenblick nach, schnitt einen harzigen Baum ab, entzündete ihn an dem noch rauchenden Feuer, woran die Schmuggler ihr Frühstück bereitet hatten, und kehrte mit dieser Fackel zurück. Er wollte nicht den geringsten Umstand von dem, was er sehen würde, verlieren.

Dantes näherte die Fackel dem ungestalten, unvollendeten Loche und erkannte, daß er sich nicht getäuscht hatte. Seine Streiche hatten abwechselnd auf das Eisen und auf das Holz getroffen. Er steckte seine Fackel in die Erde und ging wieder an das Werk. In einem Augenblick war eine Stelle drei Fuß lang und ungefähr zwei Fuß breit abgeräumt, und Dantes vermochte eine Kiste zu erkennen, welche mit Reifen von ziseliertem Eisen umlegt war. In der Mitte des Deckels glänzte auf einer silbernen Platte, welche die Erde nicht hatte trüben können, das Wappen der Familie Spada, nämlich ein Schwert über einen Pfahl gelegt auf einem ovalen Wappenschild, wie die italienischen Schilde überhaupt sind, und darüber ein Cardinalshut. Dantes erkannte es leicht, der Abbé Faria hatte ihm dasselbe so oft gezeichnet. Nun gab es keinen Zweifel mehr, der Schatz war hier; man hätte nicht so viele Vorsichtsmaßregeln getroffen, um an diesen Platz eine leere Kiste zu bringen.

In einem Augenblick war die ganze Umgebung der Kiste abgeräumt und Dantes sah nach und nach das mittlere Schloß, welches zwischen zwei Vorlegschlössern angebracht war, und die zwei Handhaben an den Seiten erscheinen; alles Dies war ziseliert, wie man in jenen Zeiten ziselierte, wo die Kunst die gemeinsten Metalle kostbar machte. Dantes nahm die Kiste bei den Handhaben und suchte sie aufzuheben: es war unmöglich. Dantes wollte sie öffnen: die Schlösser waren geschlossen: diese getreuen Wächter schienen ihren Schatz nicht herausgeben zu wollen. Er schob die schneidende Seite seiner Haue zwischen die Kiste und den Deckel, drückte auf den Stiel der Haue, der Deckel krachte und zersprang. Eine weite Öffnung der Bretter machte die Beschläge unnötig, sie fielen ebenfalls ab, und die Kiste war offen.

Ein schwindelartiges Fieber ergriff Dantes, er nahm seine Flinte und stellte sie mit gespanntem Hahn neben sich. Anfangs schloß er die Augen, wie es die Kinder tun, um in der funkelnden Nacht ihrer Einbildungskraft mehr Sterne zu sehen, als sie an dem noch erleuchteten Himmel zählen können, dann öffnete er sie wieder und blieb geblendet.

Drei Abteilungen schieden die Kiste: in der ersten glänzten die Goldthaler mit ihren röthlichgelben Reflexen, in der zweiten befanden sich in guter Ordnung aufgereihte, aber schlecht geglättete Goldstangen, welche vom Gold nur das Gewicht und den Wert hatten. aus der dritten endlich, welche halb voll war, zog Dantes handvollweise Diamanten, Perlen, Rubine heraus, die, eine glänzende Cascade, auf einander zurückfallend das Geräusch von Hagel auf Glasscheiben machten.

Nachdem er berührt, betastet, seine bebenden Hände in Gold und Edelsteine getaucht hatte, erhob sich Edmond wieder und lief durch die Höhlen mit der zitternden Exaltation eines Menschen, der dem Wahnsinne nahe ist. Er sprang auf einen Felsen, von wo er das Meer überschauen konnte, und sah nichts; er war allein, ganz allein mit diesen unberechenbaren, unerhörten, fabelhaften Reichtümern, welche ihm gehörten. Nur, wachte er oder träumte er? War es ein flüchtiger Traum oder umfaßte er Leib an Leib die Wirklichkeit?

Er mußte sein Gold wiedersehen, und dennoch fühlte er, daß er in dieser Minute nicht die Kraft hatte, seinen Anblick zu ertragen. Er drückte einen Augenblick beide Hände an den Kopf, als wollte er die Vernunft zu entfliehen verhindern: dann stürzte er durch die Insel ohne einer bestimmten Richtung zu folgen, scheuchte die wilden Ziegen auf und erschreckte die Seevögel durch sein Geschrei und seine heftigen Gebärden. Endlich kehrte er noch zweifelnd auf einem Umwege zurück, eilte von der ersten Grotte in die zweite und befand sich wieder im Angesicht der ungeheuren Gold- und Diamantenmine. Diesmal fiel er auf die Knie, preßte seine Hände krampfhaft an sein springendes Herz und murmelte ein für Gott allein verständliches Gebet. Bald fühlte er sich ruhiger und folglich auch glücklicher, denn zu dieser Stunde erst fing er an, an sein Glück zu glauben.

Er begann sein Vermögen zu zählen; er fand tausend Goldstangen, jede von zwei bis drei Pfund, dann häufte er fünfundzwanzig tausend Goldthaler auf, von denen jeder achtzig Franken unserer gegenwärtigen Münze wert sein mochte, insgesamt mit dem Bildniß von Papst Alexander Vl. und seinen Vorgängern, und er bemerkte, daß das Fach nur halb leer war: endlich maß er zehnmal die Weite seiner beiden Hände in Perlen, in Edelsteinen, in Diamanten, von denen viele, von den besten Goldschmieden der Zeit gefaßt, einen merkwürdigen Wert durch die Arbeit boten, abgesehen von ihrem inneren Werte.

Dantes sah den Tag sich neigen und allmälig erlöschen. Er befürchtete, überrascht zu werden, wenn er in der Höhle bliebe, und ging seine Flinte in der Hand hinaus. Ein Stück Zwieback und einige Schlucke Wein waren sein Abendbrot. Dann setzte er den Stein wieder an seine Stelle, legte sich darauf und schlief, mit seinem Leibe den Eingang der Höhle bedeckend, nur wenige Stunden. Diese Nacht war eine von den köstlichen und schrecklichen, wie sie der junge Mann mit den niederschmetternden Erschütterungen schon zwei oder dreimal in seinem Leben erfahren hatte.

Der Graf von Monte Christo

Подняться наверх