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ANPFIFF

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März 1996. Vor vier Jahren war ich auf dem Gipfel. Damals in Lissabon. 2:0 mit Werder Bremen im Finale des Europapokals der Pokalsieger gegen den AS Monaco. Europapokalsieger. Was für ein schönes Wort. Dieter Eilts schor mir eine Glatze, ich sah aus wie eine Bowlingkugel. Eine Bowlingkugel, die gerade den Europapokal gewonnen hatte! Werder und Monaco. Lissabon. Allofs und Rufer. Rehhagel betritt deutschen Boden. Die Fans. Der Jubel. Der Ruhm. Das Gefühl, einer der besten Fußballer der Welt zu sein. Der Eisenfuß. Die Axt. Ein Held. Meine Fresse, ist das lange her.

Jetzt sitze ich auf einer dreckigen Matratze in meinem leeren Wohnzimmer in meiner leeren Villa. Voll bin nur ich und das nicht zu knapp. Habe einen Kasten Bier und vier Flaschen Wein gesoffen. Oder waren es nur zwei Flaschen? Drei? Fünf? Scheißegal. Vor vier Jahren stand an dieser Stelle noch ein teures Designersofa. Als ich nach Hause kam, saß dort meine Frau mit meinen beiden Kindern und wartete auf mich. Ich erzählte ihnen eine Gute-Nacht-Geschichte aus dem Stadion des Lichts in Lissabon. Zwei wunderbare Kinder, eine bildhübsche Frau. Eine 250-Quadratmeter-Villa im noblen Bremer Stadtteil Oberneuland. Drei Autos vor der Tür. Stammspieler bei Werder Bremen. Der meist gefürchtete Abwehrspieler der Bundesliga. Europapokalsieger. Ich hatte alles.

Jetzt sind sie alle weg. Meine Frau ist mit unseren beiden Kindern zu ihren Eltern geflohen. Weil ich sie sturzbetrunken im Streit mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen habe. Sie wird nicht mehr zurückkommen. Bei Werder Bremen haben sie mich rausgeschmissen. Sie sagen, ich habe ein Alkoholproblem. Ich bin 33 Jahre alt, die Knie tun weh, meine Karriere ist im Eimer. Die Autos vor der Tür habe ich verkauft. Vergangene Woche habe ich ein Umzugsunternehmen angerufen. Die Möbel, die Klamotten, die Fotos an den Wänden, Tische, Schränke, Stühle, Teller, Tassen, Gläser, Pokale, Medaillen und Urkunden, alles ist weg. Ich habe den Möbelpackern die neue Adresse von meiner Frau und von meinen Eltern in die Hände gedrückt. Weg, bloß weg mit dem ganzen Zeugs. Der Makler war schon hier, die Villa wird verkauft. Nur noch ich bin da. Ich, die Matratze, ein Kühlraum voller Alkohol und die Hausapotheke.

Ich besaufe mich, das kann ich gut. Erstaunlich, wie viel ein Mensch verträgt, bis er den Verstand verliert.

Da! Ein Schrei! Der kam von oben, aus den Kinderzimmern! Mein Sohn Tomek ist fünf Jahre alt und hatte früher immer so schlimme Ohrenschmerzen. Jetzt schreit er wieder. Nach mir, seinem Papa!

Ich renne die Stufen nach oben, stürze über den Flur und öffne die Tür zu Tomeks Zimmer. Aber da ist nichts. Ich höre den Schrei, ganz klar und deutlich, aber das Zimmer ist leer. Tomeks Kinderbettchen, seine Spielsachen, das bunte Poster an der Wand, nichts ist mehr da. Ich höre meinen Sohn schreien, aber er ist gar nicht hier. Die Einsamkeit frisst sich durch meine Eingeweide, ich schließe die Augen. Das Schreien verstummt.

Zurück auf der Matratze. Ich öffne die nächste Flasche Wein. Leere sie, öffne die nächste. Versuche, die Einsamkeit, die Leere, die Angst und die Trauer zu ertränken. Aber heute klappt das nicht. Heute nicht. Heute muss ich zu drastischeren Maßnahmen greifen.

Ich gehe ins Badezimmer und hole den Karton mit den Tabletten. Schmerztabletten, Schlaftabletten, der ganze Karton ist voll damit. In der Küche steht noch ein letztes großes Glas. Tabletten und Glas stelle ich vor meine Matratze. Mir ist da eben ein Gedanke gekommen. Was, wenn ich morgen nicht mehr aufwache? Würde mich jemand vermissen? Braucht mich noch jemand? Brauche ich mich noch? Wäre es nicht besser, der ganzen Scheiße ein Ende zu bereiten? Sich hier und jetzt zu verabschieden? Was hindert mich daran?

Ich schütte die Tabletten ins Glas. Eine Handbreit Schmerzmittel und Schlaftabletten vermengt mit Rotwein und Bier. Minutenlang sitze ich da und starre auf den selbstgemachten Cocktail. Oder sind es Stunden? Jetzt. Ich nehme das Glas und leere es in einem Zug.

Mein Name ist Uli Borowka und ich werde mir jetzt das Leben nehmen.

Uli Borowka - Volle Pulle

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