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2020+: Noch ein Wort zur Plattformökonomie
ОглавлениеAuf den bisherigen Buchseiten dürfte klar geworden sein, dass sich E-Commerce-Geschäftsmodelle schneller verändern als rein analog basierte Modelle. Die Modelle der ersten E-Commerce-Generationen werden mittlerweile von Plattformen abgelöst, deren Hauptziel nicht mehr der Handel mit Produkten ist, sondern der Handel mit Kundenzugang. Es hat eine Weile gedauert, bis wir verstanden haben, was Facebook, Amazon und Co. mit ihren Investitionen eigentlich bezwecken. Auch wir haben Amazon viel zu lang als Handelsgeschäftsmodell gesehen und Facebook als soziales Netzwerk, aber das sind und waren nur die Anfänge eines viel besseren, klügeren und größeren Geschäftsmodells – dem einer Plattform. In unserer heutigen Welt der absoluten Preistransparenz und quasi unbegrenzten Verfügbarkeit haben es Unternehmen sehr schwer, robuste Kundenbeziehungen aufzubauen – respektive wird es immer schwieriger, diese zu verteidigen. Die vermeintliche Lösung bieten da Plattformen, die direkten Kundenzugang bieten. Das mag im B2B-Umfeld noch nicht so sichtbar sein, im B2C-Umfeld ist die Sache aber bereits klar.
Wenn Plattformen ihr Geschäftsmodell im Kern darauf begründen, anderen Unternehmen Zugang zum Kunden zu verkaufen, dann erklärt sich auch sehr einfach, in was all diese Plattformen investieren: in Software, Hardware und Services, die den Zugang zum Endkunden sichern – im Falle Amazons sind das beispielweise die Themen Bewegtbild oder neue Technologien wie Amazon Echo.
Diese Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf den Handel. Auf Kassenzone.de haben wir uns dies im Beitrag „Handel 2025, welcher Handel?“ Ende 2016 im Detail angeschaut. Der Einkauf von Produkten bei (Marken-)Herstellern, die Veredelung in Form ausgefeilter Sortimentskonzepte (stationär und online) inklusive des Weiterverkaufs an Endkunden mit Preisaufschlägen zwischen 5 und 500 Prozent – dieses Modell hat keine Zukunft. Es basiert auf einer Wertschöpfungskette, die durch die Digitalisierung obsolet geworden ist. Angebotskonzepte, also Handelsformate, die sich über eine bestimmte Zielgruppe oder ein begrenztes Sortiment definiert haben, sind den Plattformkonzepten fast immer unterlegen. Am Anfang sah es noch danach aus, als seien diese neuen Plattformformate die Fortsetzung der Handelskonzepte, aber spätestens seit 2016 steht fest, dass Plattformen die Handelsmarge nicht mehr als wesentliche Ertragssäule ansehen. Das Geschäft hat sich fundamental verändert, indem nun alle großen Plattformen lediglich Reichweite vermieten. Und diese Miete steigt an.
Das alles ist keine Schwarzmalerei oder irgendeine Form von Untergangsszenario – das ist die Realität, der sich die „Handel ist Wandel“-Sager gegenübersehen. Der Wandel, den sie meinen, zeichnet ein für Händler stabiles Zukunftsbild. In Wahrheit findet der Wandel aber in einer atemberaubenden Geschwindigkeit statt. Heute muss man als Händler so sein wie Zalando. Codes und Daten stehen im Zentrum des Unternehmens, der Kunde wird nicht mehr mit Angebotskonzepten gelockt, sondern ihm wird möglichst personalisiert genau das angeboten, was er gerade braucht und sucht. Und auch dieses Szenario bröckelt schon wieder. Zalando, Amazon und Co. müssen permanent versuchen, sich selbst neu zu erfinden, bevor es ein anderer tut.
Technologieunternehmen gelingt das scheinbar besser als Unternehmen, die von der Einkaufsabteilung dominiert werden. Als Marc Andreessen 2011 sein bekanntes Mantra „Software is eating the world“ lancierte, haben die meisten Händler gelächelt. Lächelnde Händler habe ich in den letzten Jahren kaum gesehen. Wir bewegen uns gerade in einem Markt, in dem Plattformmodelle mit 3 bis 4 Prozent Aufschlag auf den Herstellerpreis ausreichend Spielraum haben, um die schwarze Null zu erreichen. Welches klassische Handelsmodell, das mit den üblichen 50 Prozent Handelsmarge rechnet, kann da noch mithalten?
Plattformen müssen sich genauso schnell, wenn nicht sogar schneller als der Rest permanent neu erfinden. Der Innovationsdruck ist hoch und die Unternehmen, die auf alten Geschäftsmodellen verharren (müssen), haben in diesem Markt wenig Chancen. Jede erfolgreiche Plattform ist mit einem überragenden Servicemodell für seine Kunden an den Start gegangen, das für sich überzeugt hat. Zum Start ihrer „Karrieren“ waren weder Google noch Amazon Plattformen. Sie sind erst über großartige „kundenorientierte“ Services so einflussreich geworden, dass sie ihren Kundenzugang an andere vermarkten konnten.
Wie also sollte die zukünftige Strategie in einer von (bestehenden) Plattformen dominierten Welt aussehen?
Aus unserer Sicht ist die Antwort sehr einfach. Die Unternehmen, die schneller auf Marktgegebenheiten reagieren können, gewinnen. Die Unternehmen, die erst noch auf das nächste SAP-Update warten, scheiden aus. Größe ist kein Vorteil mehr – nur Beweglichkeit zählt. Strategien zählen nichts, der Modus Operandi ist alles. Aufsichtsräte und Vorstände, die weiterhin über Strategien entscheiden wollen und nicht dafür sorgen, dass schneller umgesetzt und getestet wird, sorgen für ihr eigenes Ausscheiden. Digitales Know-how ist in dieser Welt der Treibstoff, der überhaupt für Antrieb sorgt, während analoge Erfahrung zur Bremse wird. Eine schreckliche Welt für risikoaverse und digitalarme Geschäftsführer, eine tolle Welt für Unternehmer.
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