Читать книгу Das E-Commerce Buch - Alexander Graf - Страница 33
2.1.1Spezifizierung des Angebots Von Shorttail zu Longtail
ОглавлениеAuch wenn Sie bislang wenig bis gar nichts mit E-Commerce am Hut hatten, werden Sie das Wort „Longtail“ („langer Schwanz“) bestimmt schon einmal gehört haben: Seit dem Erscheinen des Buches The Long Tail von WIRED-Chefredakteur Chris Anderson im Jahr 2006 ist dieser Begriff geläufig. Allerdings wird die revolutionäre Kraft des Konzepts auch ein gutes Jahrzehnt nach seiner Prägung immer noch unterschätzt – vielleicht deswegen, weil viele den Begriff kennen, ohne ihn wirklich zu verstehen. In seinem Kern beschreibt das Wort Longtail einen einzelnen, sehr wesentlichen Effekt:
Auch Kleinvieh macht Mist.
In der Theorie des klassischen Handels wird ein Produkt auf den Markt gebracht und erreicht gleich danach seinen Verkaufshöhepunkt. Danach nimmt der Absatz drastisch ab, und bald verkauft sich das Produkt nur noch schleppend. Es wird zum Ladenhüter. Da aber der Platz in einem Laden begrenzt ist, muss ein Ladenhüter aus dem Sortiment entfernt werden, damit er dem nächsten Verkaufsschlager keine Regalfläche wegnimmt. Das ist ein Shorttail-Ansatz.
Der Longtail-Ansatz interessiert sich dafür, was nach dem Verkaufshöhepunkt passiert – und erst recht dafür, was passiert, wenn es nie einen nennenswerten Verkaufshöhepunkt gab. In dieser Sortimentsstrategie geht es darum, nicht nur Kassenschlager, sondern auch Nischenprodukte, Liebhaberstücke und nicht unbedingt mehrheitsfähige Artikel anzubieten – und zwar in einer solchen Breite, Tiefe und Vielfalt, dass sie zusammengenommen mindestens genauso viel Umsatz bringen wie potente Verkaufshits.
Wenn also Produkte ins Sortiment aufgenommen werden, die für den Einzelhandel wegen kleiner Stückzahlen oder begrenztem Nischeninteresse auf den ersten Blick uninteressant sind – oder wenn auch Produkte mit abnehmenden Verkaufszahlen nicht aus dem Sortiment entfernt, sondern weiterhin angeboten werden –, sammelt sich schnell ein Katalog aus „Ladenhütern“ an, die aber dennoch über einen längeren Zeitraum den Laden verlassen und dabei für Umsatz sorgen. Je größer diese Palette an weniger nachgefragten Produkten wird, desto höher ist der Umsatzanteil, den sie generiert. Und im Online-Handel fallen typische Platzbegrenzungen wie Regalmeter und Ladengröße weg: Zwar dürfen die Kosten für die digitale Produktdatenerstellung und Artikeldarstellung (siehe 2.2 Produktpräsentation) ebenso wenig vernachlässigt werden wie die Kapitalbindung für die gelagerten Güter. Diese Kosten liegen aber in der Regel niedriger als im klassischen Einzelhandel mit seinen hohen Kosten für Verkaufsfläche und Ladenpersonal oder sie können sogar durch neue Geschäftsmodelle gänzlich an Dritte ausgelagert werden (siehe unten). Im besten Fall handelt es sich gleich um virtuelle Güter wie MP3-Lieder oder E-Books, die quasi unendlich digital gelagert und angeboten werden können.