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I. Karte des Königreichs Neu-Spanien
ОглавлениеIch habe diese Karte 1803 kurz vor meiner Abreise aus der Stadt México in der königlichen Bergakademie (Real Seminario de Minéria) entworfen und selbst gezeichnet. Don Fausto de Elhuyar, der Vorsteher dieser Schule, hatte seit langer Zeit Nachrichten über die Lage der Bergwerke von Neu-Spanien und über die Grenzen der 37 Bezirke gesammelt, welche jene Bergwerke unter dem Namen Deputaciones de Minas in sich begreifen. Er wünschte, für das oberste Bergkollegium (Tribunal de Minéria) eine ausführliche Karte verfertigen zu lassen, auf welcher die wichtigsten Hüttenwerke und Gruben angedeutet wären. Eine Arbeit dieser Art war in der Tat sehr notwendig, sowohl zur Verwaltung dieses Landes als zur Kenntnis des Gewerbefleißes seiner Bewohner. Vergebens sucht man auf den meisten in Europa herausgekommenen Karten den Namen der Stadt Guanajuato, welche 70.000 Einwohner zählt, vergebens den Namen der berühmten Bergwerke von Bolaños, von Sombrerete, von Batopilas und von Zimapán. Auf keiner der bis jetzt erschienenen Karten ist die Lage von Real de Catorce in der Intendancia von San Luis Potosí dargestellt, eines Bergwerkes, welches eine jährliche Ausbeute von beinahe 4.000.000 PiasterV liefert und wegen seiner Nähe am Río Grande del Norte bereits die Lüsternheit der neuen Ansiedler in Louisiana aufgeregt zu haben scheint. Indem ich anfing, meine astronomischen Beobachtungen zu berechnen, um feste Anhaltspunkte zu gewinnen, als ich eine beträchtliche Anzahl handschriftlicher Karten zu meinem Gebrauch vor mir sah, wurde ich nach und nach verleitet, meinen anfänglichen Plan zu erweitern. Statt in meiner Karte bloß die Namen von 300 wegen ihrer beträchtlichen Ausbeute bekannten Gruben einzutragen, beschloß ich alle Materialien, die ich mir verschaffen konnte, zusammenzustellen und die Verschiedenheiten der Ortsbestimmungen, welche diese ungleichartigen Materialien darboten, genau zu untersuchen. Wie darf man über die in der Geographie von Mexico herrschende Unbestimmtheit erstaunen, wenn man die Hindernisse erwägt, welche von jeher den Fortschritten wissenschaftlicher Kultur nicht allein in den spanischen Kolonien, sondern selbst im europäischen Mutterland im Weg standen; ja, wenn man vollends an den langen Frieden zurückdenkt, dessen sich diese Gegenden seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts erfreuen? In Hindostan trugen die Kriege mit Hyder Ally [Haider Ali Khan 1722–1782] und Tippoo-Sultan [Tippu-Sahib 1753–1799], die immerwährenden Durchzüge von Heeren und die dadurch verursachte Notwendigkeit, die möglichste Kürze der Verbindungen aufzusuchen, vorzüglich dazu bei, die Geographie dieses Landes aufzuklären. Und doch reicht die genauere Kenntnis von Hindostan, eines Erdstrichs, der von dem betriebsamsten Volk Europas nach allen Richtungen durchstrichen worden ist, nicht über 30 oder 40 Jahre hinauf. Trotz meiner Bemühungen konnte ich voraussehen, daß bei einer angestrengten Arbeit von drei bis vier Monaten ich doch nur eine sehr unvollkommne Karte des Königreichs Neu-Spanien liefern würde, eine Karte, die sich nicht mit denen messen darf, welche wir von den lange zivilisierten Regionen unseres Weltteiles besitzen. Dieser Gedanke hat mich indes nicht mutlos gemacht. Denn bei der Betrachtung der Vorteile, die mir meine individuelle Lage darbot, konnte ich mir schmeicheln, daß meine Arbeit, ungeachtet aller bedeutenden Mängel, die sie entstellen, dennoch vollkommener als alles sein müsse, was bisher über die Geographie von Neu-Spanien bekannt gemacht worden ist.
Vielleicht, wird man mir einwenden, sei es noch nicht Zeit, die General-Karte eines Königreiches zu entwerfen, über dessen Ausdehnung es uns an genaueren Nachrichten fehlt. Allein aus demselben Grund müßte man mit Ausnahme der Provinz Quito und der Vereinigten Staaten auch noch keine Karte vom Inneren des amerikanischen Kontinents, keine von mehreren Teilen Europas herausgeben, zum Beispiel von Spanien oder Polen – Länder, in denen man auf einer Oberfläche von mehr als 800 Quadratmeilen nicht einen einzigen Ort findet, dessen Lage durch astronomische Mittel bestimmt ist. Noch sind nicht fünfzehn Jahre verflossen, als in der Mitte von Deutschland kaum 20 Orte zu nennen waren, deren Länge man bis auf den 6. oder 8. Teil eines Grades kannte!
Nördlich vom Parallelkreis von 24°, in dem Teil Neu-Spaniens, der die Provincias internas in sich begreift (in Neu-Mexico, im Gouvernement von Cohahuila, und in der Intendancia von Neu-Biscaya), ist der Geograph darauf beschränkt, seine Kombinationen auf bloße Reisejournale zu gründen. Wegen der beträchtlichen Entfernung des Meeres von dem bewohntesten Teil dieser Länder bleibt ihm kein Mittel übrig, die im Inneren eines weitausgedehnten Kontinents liegenden Orte mit den etwas mehr bekannten Küstenpunkten zu verbinden. Jenseits der Stadt Durango, weiter gegen Chihuahua zu, irrt man sozusagen in einer Wüste. Mitten unter dem Vorrat unzusammenhängender handschriftlicher Nachrichten fand ich über jene nördlichen Erdstriche nicht mehr sichere Hilfsmittel, als dem Major Renneil beim Entwurf seiner Karten des Inneren von Afrika zu Gebote standen. Mit dieser geographischen Wüste kontrastiert der Teil von Mexico, welcher zwischen den Häfen von Acapulco und Veracruz, zwischen der Hauptstadt Mexico und dem Real1 von Guanajuato liegt. In dieser Gegend, der angebautesten und bewohntesten des Königreiches, welche ich vom Monat März 1803 bis in den Februar 1804 durchreiste, findet man eine beträchtliche Anzahl von Orten, deren Lage astronomisch bestimmt ist. – Um die Geographie dieser Länder gleichmäßig zu vervollkommnen, müßte ein im Beobachten geübter Reisender, mit einem hadleyschen Sextanten oder einem kleinen bordaischen Wiederholungskreis, einer Längenuhr, einem achromatischen Fernrohr und einem tragbaren Barometer zur Höhemessung der Gebirge versehen, den Norden des Königreiches Neu-Spanien in drei verschiedenen Richtungen durchwandern; sein Lauf müßte sich richten: 1. von der Stadt Guanajuato bis zum Presidio von Santa-Fé oder bis zum Dorf Taos in Neu-Mexico; 2. von der Mündung des Río Grande del Norte, welcher sich in den mexicanischen Meerbusen ergießt, bis zum Meer von Cortés (Golfo de California)2, vorzüglich bis zum Zusammenfluß des Río Colorado und des Río Gila; und 3. von der Stadt Mazatlán in der Provinz Sinaloa bis zur Stadt Altamira, am linken Ufer des Río de Pánuco.
Die erste dieser drei Reisen würde die wichtigste und zugleich diejenige sein, bei welcher der Chronometer dem geringsten Temperaturwechsel ausgesetzt wäre. Dennoch wäre es ratsam, sich nicht auf den Transport der Zeit allein zu verlassen, sondern zu Bestimmung der Längen Jupitertrabanten, Okkultationen der Gestirne und vorzüglich Monddistanzen zu beobachten, Mittel, welche seit den vortrefflichen Tabellen, die wir den Bemühungen Zachs, Delambres und Bürgs verdanken, den höchsten Grad des Zutrauens verdienen. Auf der astronomischen Reise von Mexico nach Taos könnten meine Ortsbestimmungen von San Juan del Río, Querétaro, Celaya, Salamanca und Guanajuato aufs neue geprüft werden; man würde zugleich die Längen und Breiten von San Luis Potosí, von Charcas, Zacatecas, Fresnillo und Sombrerete, fünf wegen des Reichtums ihrer Bergwerke weit berufene Orte, bestimmen; durch die Stadt Durango und Parral ginge der Weg nach Chihuahua, der Residenz des Statthalters der Provincias internas, und von da längs den Ufern des Río Bravo durch den Paso del Norte bis zur Hauptstadt von Neu-Mexico und dem Dorf Taos, derzeit dem nördlichsten Punkt der Provincias internas.
Die zweite Reise, die mühsamste von allen, auf welcher der Beobachter einem brennend heißen Klima ausgesetzt wäre, könnte Fixpunkte in dem neuen Königreich León in der Provinz Cohahuila, in Neu-Biscaya und in Sonora liefern. Die hierzu erforderlichen Operationen müßten von der Mündung des Río Grande del Norte über den Bischofsitz von Monterrey bis zum Presidio von Moncloya ausgedehnt werden. Auf demselben Weg, auf welchem Carlos Francisco Marqués de Croix, Vizekönig von Mexico, im Jahre 1778 in die Provinz Tenas gelangte, käme der Beobachter nach Chihuahua und verbände so die zweite Reise mit der ersten; von Chihuahua aus gelangte er durch den Militärposten (Presidio) von San Buenaventura zuerst zur Stadt Arizpe und nachher, sei es durch das Presidio von Tubac oder durch die Missionen von Pimería alta oder gar durch die von den Apaches-Indianern bewohnten Grasfluren, an die Mündung des Río Gila.
Die Resultate der dritten Exkursion, auf welcher gleichsam das ganze Königreich seiner Breite nach von der Stadt Altamira bis zum Hafen von Mazatlán durchstrichen würde, schlössen sich bei Sombrerete an die Resultate der ersten Reise an. Ein Umweg nach Norden könnte dazu dienen, die Lage der berühmten Bergwerke Catorce, Guarisamey, Rosario und Copala zu bestimmen. Wenige Tage wären hinreichend, um die Breite und Länge jedes der soeben genannten Orte auszumitteln. Nur in den bedeutendsten Städten, wie in Zacatecas, San Luis Potosí, Monterrey, Durango, Chihuahua, Arizpe und Santa-Fé in Neu-Mexico, würde es nötig sein, wochenlang zu verweilen. Die oben angezeigten astronomischen Hilfsmittel gewähren leicht, ohne daß der Beobachter vorzüglich geschickt ist, eine Gewißheit von zwanzig Bogensekunden für die Breite und vom dritten Teil einer Zeitminute für die absolute Länge. Und wie viele bedeutende Städte gibt es nicht in Spanien und in dem östlichen und nördlichen Teil Europas, die weit von jener Genauigkeit geographischer Ortbestimmung entfernt sind! Durch die wenig kostspielige Ausführung dieser drei Reisen, besonders der ersten, würde die Geographie von Neu-Spanien eine ganz andere Gestalt gewinnen.
Die Lagen von Acapulco, von Veracruz und von Mexico wurden zu wiederholten Malen durch die von Galiano, Espinosa und Cevallos, von Gama, Ferrer und mir angestellten Beobachtungen berichtigt. Die im Hafen von San Blas stationierten königlichen See-Offiziere könnten durch eine einzige Exkursion die Lage der Bergwerke von Bolaños und von der Stadt Guadalajara festsetzen. Die Expedition der Herrn Cevallos und Herera, zweier Astronomen, welche von der Regierung beauftragt worden sind, die Küsten des mexicanischen Meerbusens aufzunehmen, wird die Mündung des Río Coatzacoalcos, südöstlich von Veracruz, bestimmen. Wie leicht wäre es diesen geübten, mit vortrefflichen englischen Instrumenten versehenen Beobachtern, tiefer in das Land einzudringen und einen Strom zu befahren, der durch das Projekt eines Verbindungskanals zwischen dem antillischen Meer und dem großen Äquinoktial-Ozean berühmt geworden ist. Die Breite jener mexicanischen Landenge zwischen den Flüssen Chimalapa und Coatzacoalcos wird man nur dann erst vollkommen kennen, wenn die geographische Lage des Hafens Tehuantepec und der Barra de San Francisco (an der Mündung des Río Chimalapa) bestimmt ist.
Die Mittel, welche ich hier zur Vervollkommnung der mexicanischen Geographie vorschlage, sind leicht anwendbar und wenig kostspielig. Kaum gibt es auf dem ganzen Erdball ein Land, welches größere Vorteile für trigonometrische Messungen darböte als Neu-Spanien. Das große Tal von Mexico, die unermeßlichen Fluren von Celaya und Salamanca sind eben wie die Oberfläche der Gewässer, welche den alten Meeresboden eine Reihe von Jahrhunderten hindurch bedeckt haben. 1700 m über die Meeresküsten erhaben, von weitgesehenen Gebirgen ringförmig umgeben, laden gleichsam diese Fluren den Astronomen ein, einige Breitegrade an der nördlichsten Grenze des heißen Erdstriches zu messen. In der Intendancia von Durango, in einem Teil der Intendancia von San Luis Potosí könnten auf einem mit Gräsern bedeckten und von Wäldern entblößten Boden Dreiecke von außerordentlicher Größe abgeteilt werden. Aber das ganze Königreich Neu-Spanien geometrisch aufzunehmen, ein trigonometrisches Netz über einen Erdraum zu werfen, der viermal größer als Frankreich ist, kann nur der raten, welcher wünscht, daß die spanische Regierung nie eine allgemeine Karte ihrer reichen Besitzungen erhalte. Es wäre aufs wenigste unvorsichtig, den Hof von Madrid zu einer Unternehmung aufzufordern, die zwar glänzend, aber viel zu weit ist, als daß man eine vollständige Ausführung je erwarten dürfte. Man hat die ängstliche Genauigkeit gerügt, mit welcher bei den Expeditionen der Hrn. Fidalgo und Charruca königliche Seeoffiziere die kleinsten Buchten der südamerikanischen Karte untersuchten3. Diese Arbeit war allerdings so mühsam wie kostspielig; aber ich glaube, man würde mit Unrecht diejenigen tadeln, welche dem spanischen Monarchen den kühnen Vorschlag einer genauen hydrographischen Aufnahme aller seiner europäischen, amerikanischen und asiatischen Besitzungen machten. Eine Seekarte kann in der Tat nie zu ausführlich sein. Die Sicherheit der Schiffahrt, die Leichtigkeit, sich bei Annäherung ans Land zu orientieren, die Verteidigung gegen einen landungdrohenden Feind hängt von der genauesten Kenntnis der Küsten und des Meeresgrundes ab. Von geringer Wichtigkeit ist es oft, ob die Breite einer im Inneren des Landes gelegenen Stadt bis auf eine Minute genau angegeben sei; dagegen ist es unbedingt notwendig, die Lage eines Vorgebirges durch die Vereinigung aller Hilfsmittel, welche die Astronomie darbietet, auszumitteln. Auf einer hydrographischen Karte müssen alle Orte mit gleicher Genauigkeit bestimmt sein; jeder derselben muß als Fixpunkt dienen können, um bei der Abfahrt neue Längen daran anzureihen, kein Punkt ist ohne Beziehung auf die übrigen. Dagegen haben Karten vom Inneren eines weitausgedehnten Landes schon dann noch ein großes Verdienst, wenn sie auch eine gewisse Anzahl von Orten darbieten, deren Lage astronomisch bestimmt ist.
Unter diesen Verhältnissen ist zu wünschen, daß man es noch nicht so bald unternehme, die spanischen Besitzungen im Inneren von Amerika mit derselben ängstlichen Genauigkeit wie die Küsten aufzunehmen. Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge würde man sich schon mit einer Arbeit begnügen, die sich vorzugsweise auf den Gebrauch von Sextanten und Chronometern, auf Mondentfernungen, auf Beobachtungen der Trabanten und Okkultationen der Gestirne gründete. Mit diesen rein astronomischen Hilfsmitteln könnte man noch andere verbinden, welche die natürliche Beschaffenheit des Landes und die beträchtliche Erhöhung einzeln emporragender Gipfel darbieten. Ist zum Beispiel die absolute Höhe dieser Gipfel bekannt, sei es mit Hilfe des Barometers oder durch geometrische Messung, so können Höhenwinkel und Azimute mit der auf- oder untergehenden Sonne dazu dienen, diese Bergspitzen in Verbindung mit andern Punkten zu setzen, deren Breite und Länge hinreichend ausgemittelt ist. Diese Methode gibt senkrechte Basen; sie ist der analog, welche Lord Mulgrave die Methode der Masthöhen nennt. Schätzt man genau, um wieviel Meter man sich bei Messung der als Standlinie gebrauchten Höhe geirrt haben kann, so ist es leicht, durch den Kalkül falscher Voraussetzungen zu finden, wie groß der Einfluß dieses Irrtums auf die astronomische Lage des Berges oder auf die der übrigen damit in Verbindung stehenden Punkte sei. Oft kann die genaue Kenntnis der unteren Schneegrenze dieselben Vorteile wie ein isolierter Gipfel gewähren. Dieser und ähnlicher Methoden bediente ich mich, um den Unterschied der Länge zwischen der Hauptstadt Mexico und dem Hafen Veracruz zu prüfen. Zwei große Vulkane, der Vulkan von la Puebla oder Popocatépetl und der Pic von Orizaba sind beide sichtbar von der abgetragenen Spitze der alten Pyramide von Cholula. Mittels dieser feuerspeienden Berge habe ich zwei beinahe 160.000 Toisen voneinander entlegene Orte miteinander verbunden. Aus meinen geometrischen Gebirgsmessungen, nach meinen Azimuten und Höhenwinkeln, findet Herr Oltmanns den Hafen von Veracruz ohVI 11′ 32″ westlich von Mexico; aus meinen rein astronomischen Beobachtungen ergibt sich der Unterschied der Meridiane um oh 11′ 47″. Modifiziert man, wie man vollkommen berechtigt ist, das erstere Resultat durch einige auf der Pyramide von Cholula angestellte Nebenbeobachtungen, so findet man sogar oh 11′ 41,3″; so daß in diesem einzelnen Fall, auf eine Entfernung von drei Graden, die Methode der Azimute nicht um 7 Zeitsekunden falsch befunden worden ist.
Dieselben isolierten Gipfel, welche mitten aus einer ungeheuren Fläche einzeln emporragen, böten noch ein anderes und weit sichereres Mittel dar, in einem kurzen Zeitraum die Länge einer großen Anzahl benachbarter Orte mit der Genauigkeit weniger Zeitsekunden zu bestimmen. Pulversignale können in großen Entfernungen von Personen beobachtet werden, die mit Hilfsmitteln versehen sind, die wahre Zeit zu finden und zu bewahren. Cassini de Thury und Lacaille haben zuerst diese Signalmethode mit glücklichem Erfolg angewendet. Daß sie unter günstigen Umständen in wenigen Minuten Ortsbestimmungen liefern, die an Genauigkeit mit den Resultaten vielfacher Beobachtungen von Trabanten und Sonnenfinsternissen wetteifern, hat noch neulich Herr von Zach durch seine musterhaften, in Thüringen angestellten Operationen erwiesen. Im Königreich Neu-Spanien könnten die Signale auf dem Iztaccíhuatl oder der Sierra Nevada von Mexico, auf dem sogenannten Mönchsfelsen, einem isolierten Gipfel des Vulkans von Toluca, wohin ich am 29. September 1803 gelangte, auf dem Malinche bei Tlaxcala, auf dem Cofre von Perote und auf anderen Bergen gegeben werden, deren Gipfel ersteigbar sind und welche alle 3000 bis 4000 m über der Meeresfläche erhaben sind.
Da die spanische Regierung mit außerordentlicher Freigebigkeit die bedeutendsten Opfer für die Vervollkommnung der nautischen Astronomie und für die genaue Aufnahme der Küsten gemacht hat, so darf man hoffen, daß sie nicht länger säumen werde, sich auch mit der Geographie ihrer weit ausgedehnten Besitzungen in Amerika zu beschäftigen. In der königlichen Marine fehlt es weder an Instrumenten noch an geübten Astronomen. Die Bergakademie von Mexico, in welcher das Studium der höheren Mathematik gründlich betrieben wird, verbreitet über die Oberfläche dieses unermeßlichen Reiches eine große Anzahl junger Männer, die von dem edelsten Eifer beseelt und fähig sind, sich der astronomischen Instrumente zu bedienen, die man ihnen anvertrauen würde. Durch ähnliche Mittel hat es die Britisch Ostindische Companie dahin gebracht, sich genaue Karten eines Länderbezirkes zu verschaffen, der England und Frankreich zusammengenommen an Größe übertrifft4. Jene Zeiten sind vorüber, in welchen die Könige wähnten, sich durch Verheimlichung ihre Staatskräfte zu sichern, in welchen sie sich nicht getrauten, fremden Nationen die Reichtümer ihrer Besitzungen in Indien zu enthüllen. Auf ausdrücklichen Befehl Carlos IV. hat man in Madrid angefangen, die Aufnahme der Küsten und Häfen auf öffentliche Kosten bekannt zu machen, ohne durch die Besorgnis abgeschreckt zu werden, genaue Pläne von Havanna, des Hafens von Veracruz, der Mündung des Río de la Plata und andrer Kriegsplätze in den Händen von Nationen zu sehen, welche durch die Ereignisse der Zeit zu Feinden Spaniens geworden sind. Eine der vortrefflichen, vom Depósito Hidrográfico de Madrid herausgegebenen Karten liefert sogar die wichtigsten Aufschlüsse über das Innere der Provinz Paraguay, Aufschlüsse, die sich auf die Operationen gründen, welche die bei der portugiesischen Grenzberichtigung angestellten königlichen See-Offiziere angeführt haben. Nächst den Karten von Ägypten und einiger Teile Ostindiens ist die von Maldonado entworfene Karte des Königreiches Quito die genaueste Arbeit, welche bisher über eine außereuropäische Kontinentalbesitzung geliefert worden ist. Diese Tatsachen beweisen hinlänglich, daß die spanische Regierung seit 15 Jahren die Fortschritte der amerikanischen Geographie nicht bloß nicht gefürchtet, sondern sogar daß sie alles, was sie von wichtigen Materialien über ihre Kolonien in beiden Indien besitzt, bekannt gemacht hat.
Nachdem ich ausführlich die Mittel angezeigt habe, welche mir am tauglichsten scheinen, uns in kurzer Zeit vollkommenere Karten des Königreichs Neu-Spanien zu verschaffen, werde ich mich mit einer kurzgefaßten Auseinandersetzung der Materialien beschäftigen, die mir für meine eigene geographische Arbeit zu Gebote standen.
Die Generalkarte des Königreiches Neu-Spanien ist wie alle Karten, die ich während meiner Reise gezeichnet, nach Mercators Projektion (mit wachsenden Breitengraden) entworfen. Diese Projektion hat den Vorteil, den wahren Abstand eines Ortes vom andern unmittelbar anzugeben. Sie ist zugleich die bequemste für die Seefahrer, welche die Kolonien besuchen und die Lage ihres Schiffes auf hohem Meer nach zwei weitgesehenen Küstenpunkten bestimmen, eine Methode, in der der kleinste Irrtum in der Position der gebrauchten Punkte den größten Einfluß auf den Schneidepunkt der Visierlinien hat. Hätte ich unter stereographischen Projektionen zu wählen gehabt, so würde ich gewiß der Murdochschen, die allgemein angenommen zu werden verdiente, den Vorzug gegeben haben. Der Maßstab meiner Karte ist von 32 mm für jeden Grad des Äquators. Die Skala wachsender Breitengrade gründet sich nicht auf die von Don Jorge Juan berechneten Tabellen, sondern auf die, welche Herr Mendoza für das Sphaeroid entworfen hat.
Um meiner mexicanischen Karte eine schicklichere Form zu geben, habe ich mich auf einen Raum beschränkt, der zwischen dem 15. und 41. Grad nördlicher Breite und zwischen dem 96. bis zum 117. Grad der Länge eingeschlossen ist. Diese Beschränkung gestattete nicht, auf derselben Kupferplatte die Intendancia von Merida oder die Halbinsel von Yucatán, die zum Königreich Neu-Spanien gehört, darzustellen. Um den östlichsten Punkt, nämlich das Vorgebirge Catoche oder vielmehr die Insel Cozumel mit in die Karte zu bringen, hätten noch 7 Längengrade hinzugesetzt werden müssen; dadurch wäre ich genötigt gewesen, auf derselben Platte ein Stück des Königreichs Guatemala, worüber ich durchaus keine genaueren Nachrichten hatte, ganz Louisiana, ganz West-Florida nebst einem Teil vom Tennessee- und vom Ohio-Staat mit darzustellen.
Vergebens sucht man auf dieser General-Karte von Mexico die spanischen Niederlassungen auf der nordwestlichen Küste von Amerika, Besitzungen, welche man als Kolonien, von Mexicos Hauptstadt abhängig, ansehen kann. Um auf derselben Karte auch die Missionen von Neu-CalifornienVII anzuzeigen, hätte ich mich westlich noch um acht Längengrade weiter ausdehnen müssen; denn der nördlichste Punkt des Königreiches, das Presidio de San Francisco, liegt nach Vancouver unter dem 37° 48′ 30″ nördlicher Breite und unter dem 124° 27′ 45″ westlicher Länge. Folglich müßte eine Karte von Neu-Spanien, um den Namen einer Generalkarte recht eigentlich zu verdienen, das ungeheure Land umfassen, welches zwischen dem 89. und 125. Grad der Länge und zwischen dem 15. und 38. Grad der Breite begriffen ist. Ich habe gesucht, der Schwierigkeit auszuweichen, nach einem gleich großen Maßstab Länder darzustellen, welche in staatswirtschaftlicher Hinsicht keineswegs von gleicher Wichtigkeit sind. Ich hielt es daher für ratsam, meine größere Arbeit auf engere Grenzen einzuschränken, zugleich aber, nach einer kleineren Skale, eine zweite Karte zu entwerfen, welche nicht allein einen vollständigen Überblick über alle vom Vizekönigreich Mexico abhängenden Länder gestattet, sondern auch über die verschiedenen Vorschläge, den Atlantischen Ozean mit der Südsee zu verbinden, einiges Licht verbreitet. Daß politische Gründe mich bewogen haben, diese letztere Karte bis Washington und Philadelphia und bis zur Mündung des Río San Juan, in der Provinz Choco, auszudehnen, wird in der Folge dieses Werkes näher entwickelt werden.
Obgleich ich den öfters von mir ausgesprochenen Grundsätzen getreu bleibe, die neuen Maße den alten vorzuziehen, so bediene ich mich dennoch nicht bei meinen Karten der Centesimalskalen. Da das Bureau des Longitudes zu Paris, sowohl in der ›Connaissance des temps‹ wie in den neuen, kürzlich erschienenen ›Tables astronomiques‹, die alte Methode, die Breitengrade zu zählen, beibehalten hat, so würde ein Privatmann es vergebens versuchen, sich dem Strom zu widersetzen. Man darf indes die Hoffnung nicht aufgeben, die durch die Verordnung vom 13. Brumaire [5. November] des Jahres IX [1800] festgesetzte Einführung des metrischen Systems nach und nach bewerkstelligt zu sehen. Alle von mir angegebenen Längengrade sind westlich vom Meridian des Observatoriums von Paris gezählt. Erführen wir nicht täglich, daß selbst der bessere Teil des Publikums sich den nützlichsten Neuerungen widersetzte, so hätte ich es gewagt, statt des Meridians von Paris den von einem der tiefsinnigsten Mathematiker5 dieses Jahrhunderts vorgeschlagenen anzunehmen, einen allgemeinen Meridian, welcher sich auf die Bewegung der großen Achse der Sonnenellipse gründet. Dieser letztere ist 185° 30′ östlich von Paris, welches nach der alten Sexagesimaleinteilung 166° 46′ 12″ beträgt. Er geht folglich durch die Südsee, 12′ östlich von der Insel Eromanga, eine der Inselgruppen von Espirito Santo. Ein solcher gleichsam in der Natur selbst gegründeter erster Mittagskreis hätte den Vorzug, den Nationalstolz keines Europäers zu beleidigen. Seine Einführung wäre um so wünschenswerter, da die Zahl der willkürlich in den Karten abgeänderten ersten Meridiane von Tag zu Tag gefahrvoll zunimmt. Spanien zählt derselben seit einigen Jahren fünf; sie laufen durch Cádiz, Cartagena, durch das neue Observatorium auf der Insel Léon, durch das Seminario de Nobles zu Madrid und durch das Vorgebirge de la Galera auf der amerikanischen Insel Trinidad. Der Meridian von Cádiz ist unter spanischen Seefahrern der gebräuchlichste. Der neue Meridian von Madrid erscheint zuerst in den trefflichen Karten, welche der Professor am Colegio de Nobles, Herr Antillon, herausgibt. Zu diesen fünf Meridianen könnte man noch zwei andere rechnen, welche durch die spanischen Kolonien gezogen und von vielen Geographen angenommen sind, nämlich den Meridian von Teneriffa und den der Insel Ferro. Letzterer erzeugt unvermeidliche Verwirrungen, da ihn d’Anville zwischen dem Flecken Ferro und dem westlichen Vorgebirge dieser Insel zieht. So haben wir also, den Meridian von Toledo nicht mitgerechnet, bloß in den Staaten des Königs von Spanien sieben erste Meridiane.
Bei Benennung der Meere, welche die mexicanische Küste bespülen, bin ich den Ideen gefolgt, welche Herr Fleurieu in seiner Abhandlung über die hydrographischen Abteilungen des Erdballes entwickelt hat, einem Werk, welches große Ansichten mit einer gründlichen Kenntnis der Geschichte verbindet. Die spanischen Namen wurden oft zur Erleichterung des Studiums der ersten spanischen Reisebeschreiber hinzugefügt.
Beim Entwurf der Karte von Mexico begann ich damit, alle durch astronomische Beobachtungen bestimmten Punkte zusammenzustellen; ich brachte sie in eine Tabelle, welche, um den Grad des Vertrauens, den die Resultate verdienen, besser beurteilen zu können, die Art der Beobachtung und den Namen des Beobachters angibt. Die Zahl dieser Fixpunkte beläuft sich auf 74, wovon 50 im Inneren des Landes liegen. Von dieser letzteren Klasse waren vor meiner Ankunft in Acapulco, im Monat März 1803, nur 15 bekannt. Den Liebhabern der astronomischen Erdbeschreibung wird es angenehm sein, in den nachstehenden Blättern jene 33 Punkte genauer untersucht zu sehen, deren Lage durch meine Beobachtungen bestimmt wurde und welche alle zwischen 16° 50′ und 20° 0′ der Breite und zwischen 98° 29′ und 103° 12′ der Länge liegen. Diese Untersuchungen leiten uns von selbst auf die historische Aufzählung der mannigfaltigen Irrtümer, die sich bis auf den heutigen Tag durch die neuesten und gangbarsten Karten hartnäckig fortgepflanzt haben.