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Ein durchschnittlicher Schultag
ОглавлениеVorausgeschickt sei, dass es sich hier um eine Vorzugsschülerin handelt, die aber ohne „Mama-Hobbylehrerin“ dies nicht wäre.
Jeden Morgen von Montag bis Freitag ist um 6.30 Uhr Aufstehen angesagt. Langsam quält man sich ins Bad und macht sich fertig zur Abfahrt. Je nach Länge des Schulweges beginnt der Stress schon jetzt, wenn man sich beim Fertigmachen oder Aufstehen zu viel Zeit gelassen hat. Um 7.45 Uhr läutet es zur ersten Stunde und man schafft es noch vor dem Lehrer, in der Klasse zu sein. Heute ist neben fünf verschiedenen Fächern auch noch eine Turnstunde angesagt.
Die kurzen Pausen reichen oft gerade zum Wegräumen der einen und Rausholen der anderen Sachen. Nur in der großen Pause ist es möglich, seine mitgebrachte Jause zu probieren, aufessen ist oft nicht möglich. Das wird dann spätestens beim Heimfahren erledigt. Nach durchschnittlich sechs Unterrichtsstunden endet der erste Teil des Schultages und man macht sich um ca. 14.00 Uhr auf den Heimweg.
Wenn man dann zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr zuhause angekommen ist, wird erst einmal ordentlich etwas gegessen. Aber man hat nicht viel Zeit, denn heute sind drei verschiedene Aufgaben zu erledigen und morgen ist ein Test angesagt. Während man isst, fragt Mama schon den Tag ab und es wird eine Liste gemacht, was alles zu tun ist.
Nach nicht einmal einer Stunde Pause geht es dann so gegen 16.00 Uhr wieder an die Schulsachen. Selten, dass man alles so vermittelt bekommen hat, dass man es verstanden hat und flott die Aufgaben erledigen kann. Nun ist Mamas Rat wieder gefragt, sofern man das Glück hat, dass sie helfen kann. Nachfragen bei Schulkollegen ist meistens nicht vielversprechend, denn die wissen auch nicht so genau, wie es geht. Jetzt hat man drei Aufgaben, die man normalerweise in ca. zwei Stunden erledigt haben sollte, was aber nicht möglich ist, wenn man sich nicht auskennt.
Nun tritt die Hobbylehrerin Mama, wie fast täglich, auf den Plan und beginnt, sich in die Materie einzulesen. Nachdem man sich als Erwachsener teilweise schon schwer tut, die Dinge zu verstehen, muss man das jetzt noch so aufbereiten, dass man den Stoff dem Kind beibringen kann und das Kind diesen dann auch versteht. Täglich die gleiche Frage: „Ist es nicht Aufgabe der Lehrer, den Kindern den Stoff so zu vermitteln, dass er auch verstanden wird?“ Aufgabe der Eltern sollte sein, die Kinder abzuprüfen oder ein wenig zu unterstützen – nicht jedoch, sich Tag für Tag in den meisten Fächern einzulesen, um dem Kind das zu erklären, was es eigentlich in der Schule lernen sollte.
Mittlerweile ist es ca. 20.00 Uhr und die Aufgaben sind nicht nur gemacht, nein, es ist auch gelungen, dem Kind das so beizubringen, dass es versteht, worum es geht. Dummerweise verdient man als Hobbylehrer kein Geld, aber man macht es ja für die Zukunft seines Kindes. Gott sei Dank ist Papa auch schon länger zu Hause, denn es sind ja noch andere Kinder da, die auch etwas brauchen. Jetzt hat man sich eine Pause verdient und Mama macht schnell ein Abendessen.
Spätestens um 21.00 Uhr geht es aber weiter, denn es stehen noch die Stundenwiederholungen an und für den morgigen Test lernen. Papa fragt wie immer, was denn da so lange dauert, und die Antwort ist, wie immer, die gleiche: „Die Lehrer schaffen es nicht, den Kindern den Stoff so zu vermitteln, dass sie selbstständig eine Aufgabe machen können.“ Nach einem kurzen, aber gemeinsamen Abendessen sitzt man wieder im Zimmer und macht die Stundenwiederholungen. Danach lernt man den Rest für den morgigen Test, für den man sich ja seit ca. vier Tagen vorbereitet. Mama ist so nett und prüft das dann alles noch einmal ab, wenn man fertig ist. Nach der Abendtoilette wird noch die Schultasche gepackt und so gegen ca. 23.30 Uhr ist dann endlich alles fertig. Es hat heute leider wieder etwas länger gedauert, da man erst für die Aufgabe alles erarbeiten musste. Man fällt ins Bett und schläft völlig erschöpft sofort ein.
Es läuft Gott sei Dank nicht jeden Tag so, aber es kommt leider oft vor. Normalerweise schafft man es, so gegen 21.30 fertig zu sein und kann dann doch noch ein bisschen etwas Nicht-Schulisches machen.
Wenn man diesen Schultag beleuchtet, fällt einem Folgendes auf:
– 6 Unterrichtsstunden in der Schule
– 1 Stunde Transfer hin und zurück
– 2 Stunden, oft auch länger, Aufgaben machen
– 2 bis 4 Stunden lernen
– Freizeit? Fehlanzeige!
Realistisch hat man so von Montag bis Freitag ca. 50 Stunden mit der Schule zu tun. Das reicht aber in der Praxis nicht aus, wenn man mit gutem bis sehr gutem Erfolg die Schule abschließen will. An Wochenenden muss genauso gelernt werden und wie oben beschrieben gibt es oft Herausforderungen, die einfach zeitaufwendiger sind. So kommen gut weitere 10 Stunden pro Woche noch dazu, was bedeutet, dass ein Schüler, der die Schule ernst nimmt, ca. 60 Stunden pro Woche für die Schule arbeitet (Unterricht, Aufgaben, lernen, Nachhilfe …).
Wie im oben angeführten Beispiel ist ein Schulkind öfter von 6.30 bis 23.30 Uhr im Auftrag der Schule unterwegs, davon 13 Stunden (!!!) direkt mit der Schule beschäftigt und ca. 4 Stunden bleiben für Essen, Toilette und kurze Erholungsphasen. Ist das richtig oder läuft hier nicht seit Jahren vieles falsch? Die Schüler, welche eine halbwegs überzeugende Leistung bringen wollen, um mit einem brauchbaren Zeugnis für die spätere Zukunft gerüstet zu sein, machen sich in jungen Jahren schon kaputt. Manager lassen sich viel Geld bezahlen, um diese hohe Belastung auszugleichen.
Die vielen Hobbylehrer, die es gibt, bekommen ebenfalls nichts für den Unterricht zuhause. Doch als einzige Alternative kann man sein Kind nur zu teuren Nachhilfestunden bringen, die interessanterweise wieder von Lehrern gemacht werden, die oftmals nicht den gewünschten Erfolg im Schulunterricht erzielen.